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  • · Fachbeitrag · Steuerfahnder im Flankenschutz

    Dürfen Flankenschützer die Steuerzahler überrumpeln?

    von StB Christian Herold, Herten, www.herold-steuerrat.de

    | Diese Frage wird demnächst der BFH (VIII R 8/19, Vorinstanz: FG Münster 11.7.18, 9 K 2384/17) entscheiden dürfen. Konkret geht es um die Frage, ob in Überrumpelungsfällen, in denen der Finanzbeamte den Betroffenen nicht über seine Grundrechte nach Art. 13 GG belehrt, ein Interesse an der Feststellung besteht, dass die durchgeführte Ortsbesichtigung rechtswidrig war. Was war passiert? |

     

    Sachverhalt

    Einen besonders dreisten Fall erlebte eine Steuerzahlerin, die erstmals Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer geltend machte. Denn plötzlich stand nicht ein „einfacher“ Finanzbeamter auf der Matte, sondern ein Mitarbeiter der Steuerfahndung, der sich auch als solcher auswies, um sich im Rahmen des „Flankenschutzes“ ein Bild über das Vorhandensein und den Zustand des häuslichen Arbeitszimmers zu machen.

     

    Der Beamte betrat die Wohnung, da die Steuerbürgerin der Besichtigung nicht widersprach. Dort stellte er fest, dass ein häusliches Arbeitszimmer tatsächlich vorhanden war. Der Wohnungsgrundriss stimmte aber offenbar nicht mit dem überein, der dem Finanzamt vorlag. Unmittelbare negative Konsequenzen wurden indes nicht gezogen. Der Vermerk des Flankenschützers endete mit dem Hinweis an den Veranlagungsbezirk, dass die Klägerin demnächst in die gegenüberliegende Wohnung ziehen werde und abzuwarten sei, welche Raumaufteilung sich dann ergebe.

     

    Gegen die Ortsbesichtigung legte die Steuerzahlerin dennoch Einspruch und später Klage ein. Die unangekündigte Ortsbesichtigung sei rechtswidrig, weil sie unverhältnismäßig gewesen sei. Durch das Auftreten als Steuerfahndung sei eine Drucksituation aufgebaut worden, und zwar auch, obwohl der Steuerfahnder erläuterte, dass er im Veranlagungsverfahren tätig sei. Für einen Laien seien diese Unterschiede nicht ohne Weiteres erkennbar. Im Ergebnis sei deshalb ihr gegenüber der Eindruck erweckt worden, es werde gegen sie wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt. Hierdurch sei ihr Ansehen erheblich gefährdet worden.

     

    Entscheidung

    Das FG Münster hat die Klage als unzulässig abgewiesen, da es der Klägerin am notwendigen Feststellungsinteresse fehle: Es argumentierte:

     

    • Zunächst bestehe keine Wiederholungsgefahr, da eine erneute Ortsbesichtigung in absehbarer Zeit nicht drohe.

     

    • Auch ein Rehabilitationsinteresse aufgrund eines erheblichen Eingriffs in die Persönlichkeitssphäre, der mit dem Vorwurf der Steuerhinterziehung einherginge, liege nicht vor. Ein solcher Vorwurf sei allein durch den Besuch eines Steuerfahnders nicht verknüpft, da die Steuerfahndung nicht nur für strafrechtliche, sondern auch für steuerliche Sachverhaltsermittlungen zuständig sei.

     

    • Schließlich könne sich die Klägerin auch nicht auf einen schwerwiegenden Eingriff in ihr Grundrecht auf Schutz der Wohnung berufen, da sie den Flankenschützer freiwillig in ihre Wohnung gelassen habe. Durch die Vorlage seines Dienstausweises habe er die Klägerin auch nicht über den tatsächlichen Anlass seines Besuchs getäuscht. Vielmehr habe er die Klägerin über den konkreten Zweck der Maßnahme - die Inspektion des häuslichen Arbeitszimmers - vor dem Betreten der Wohnung informiert.

     

    Relevanz für die Praxis

    Zunehmend versucht die Finanzverwaltung, ihre Befugnisse erheblich zu erweitern. Eine dieser ‒ äußerst umstrittenen ‒ Maßnahmen ist der Flankenschutz. Danach sind Mitarbeiter der Finanzverwaltung befugt, bei Steuerzahlern ohne Ankündigung anzuklingeln, um sie zu bitten, zum Beispiel einen Blick in das von ihnen geltend gemachte Arbeitszimmer werfen zu dürfen. Zwar sind die Steuerpflichtigen nicht verpflichtet, dem Finanzbeamten Zutritt zu ihrer Wohnung zu gewähren. Allerdings setzt die Finanzverwaltung ganz massiv ‒ wie auch im Besprechungsfall ‒ auf den Effekt der „Überrumpelung.“

     

    Es wurde glücklicherweise Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des FG Münster eingelegt ‒ und der BFH hat nun die Revision zugelassen. Die Chancen stehen gar nicht so schlecht; denn das FG Münster hat bereits bei seiner Rechtsprechung zum Zeitreihenvergleich und zu angeblichen Kassenmanipulationen zwei deutliche „Klatschen“ des BFH einstecken müssen (vgl. „Urteil zur Kassenmanipulation ‒ deutliche Ohrfeige für das FG Münster?“ (Herold, NWB-Blog 16.3.18) und „Das Urteil zum Zeitreihenvergleich ist da ‒ Erfolg auf der ganzen Linie oder Pyrrhussieg für Gastronomen?“ (Herold, NWB-Blog 22.7.15). Und wieder einmal könnte das FG Münster hinsichtlich der Frage, welche Rechte die Prüfungsdienste der Finanzverwaltung haben, danebengelegen zu haben. Man darf gespannt sein.

     

    PRAXISTIPP | Steuerzahler sind nicht verpflichtet, einem Finanzbeamten im Rahmen des Flankenschutzes bzw. des reinen Veranlagungsverfahrens Zutritt zu ihrer Wohnung zu gewähren. Zwar befürchten die Betroffenen, dass ihnen unmittelbar negative Konsequenten drohen, wenn sie den Zutritt verweigern, das heißt, dass ihnen der Werbungskosten- oder Betriebsausgabenabzug für das Arbeitszimmer gestrichen wird. Das ist jedoch rechtlich nicht zulässig ‒ zugegebenermaßen ist die Praxis wohl eine andere.

     
    Quelle: ID 46168215

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