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  • · Nachricht · Schönheitsoperationen

    Die medizinische Notwendigkeit kann nur in einer Einzelfallprüfung nachgewiesen werden

    von StB Jürgen Derlath

    Medizinische Gutachten (zum Nachweis des medizinisch-therapeutischen Ziels einer Behandlungsmaßnahme) können nachträglich nur für körperliche und/oder organische Befunde erstellt werden. Hinsichtlich psychischer Erkrankungen/Störungen bedarf es stets einer vorherigen Diagnose. Es muss jeder Einzelfall begutachtet werden, wenn der Patient vorher eingewilligt hat, anonymisierte Patientenakten vorzulegen reicht nicht. (FG Rheinland-Pfalz 12.1.12, 6 K 1917/07, nrkr.)..

    Sachverhalt

    Die Klägerin, die in ihrem Internet-Auftritt selbst von Schönheitsoperationen spricht und sich als Schönheitsklinik bezeichnet, führt durch approbierte Ärzte vorwiegend ästhetisch-chirurgische Maßnahmen durch. Ihre Umsätze aus diesen Operationen erklärte die Klägerin als nach § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfreie Umsätze, was das Finanzamt nicht akzeptierte. Trotz aller Beweisanträge und Parteigutachen, die der die Klinik vertretende Rechtsanwalt auffuhr, konnte auch das FG nicht davon überzeugt werden, dass Fettabsaugungen, Gesichts-, Hals- und Augenlid-Straffungen, sowie Brustvergrößerungen, -verkleinerungen, und -straffungen per se medizinisch indiziert sind.

     

    Anmerkungen

    Nach sehr umfassenden Ausführungen zur medizinischen Abgrenzung von ästhetischen Eingriffen und Heilbehandlungen sowie der umsatzsteuerlichen Rechtsprechung hält das Gericht fest,

     

    • dass eine medizinische Indikation im Sinne einer behandlungsbedürftigen Gesundheitsstörung vorliegen muss,
    • dass die durchgeführte Maßnahme der Behandlung dieser Gesundheitsstörung, bzw. der Vorbeugung einer Gesundheitsstörung zu dienen hat (das folgt aus dem Erfordernis des therapeutischen Zwecks) und
    • dass die Behandlung der Gesundheitsstörung, bzw. deren Vorbeugung auch der primäre Zweck der Maßnahme sein muss.

     

    Hierzu genügen nicht allgemeine Feststellungen zu Gesundheitsstörungen in Fällen plastischer Operationen. Vielmehr muss in jedem der Leistung zugrunde liegenden Fall konkret eine solche Diagnose vorliegen. Für sämtliche Voraussetzungen trägt die Klägerin, die sich auf die Steuerbefreiung beruft, die objektive Beweislast, und zwar für jeden einzelnen Umsatz. Dabei ist in jedem Einzelfall die medizinische Indikation zu prüfen. Auch eine Art „Stichprobenverfahren“ mit Hochrechnungsmöglichkeit kommt damit nicht in Betracht.

     

    Diese Prüfung ist allerdings nur im Falle der vorherigen Erteilung einer Einwilligung des behandelten Patienten möglich. Diese Einwilligungen wollte die Klinik nicht vorlegen, weswegen sie mit der Klage scheiterte. Die Vorlage anonymisierter Patientenakten hielt das FG ebenfalls für ungeeignet, weil teilweise Anonymisierungen nicht möglich sind (z.B. bei Operationen im Gesicht) und das Gericht nicht in jedem Einzelfall einen Gutachterstreit darüber wollte, wie weit die Anonymisierung gehen darf, damit gerade noch die medizinische Indikation festgestellt werden kann.

     

    Praxishinweis

    Allerdings ließ das FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts die Revision zu: Grundsätzliche Bedeutung hat insbesondere die Frage, welche Anforderungen an den Nachweis der medizinischen Indikation dem Steuerpflichtigen zumutbar sind, insbesondere ob er Einverständniserklärungen seiner Patienten einholen muss, um eine evtl. spätere Begutachtung zu ermöglichen, sowie welche Konsequenzen aus einer evtl. anzunehmenden Unzumutbarkeit zu ziehen wären.

    Quelle: ID 35198160