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  • · Fachbeitrag · Praxiskauf

    Vorverhandlungen sind unverbindlich

    von RA FAStR Dietmar Sedlaczek, Berlin, www.sps-steuerrecht.de 

    In gesperrten Zulassungsbezirken herrscht rege Konkurrenz um begehrte Arztsitze. Gelegentlich passiert es, dass mit einem Interessenten schon die konkreten Rahmenbedingungen der Ausgestaltung des Kaufvertrags durchverhandelt sind, da taucht ein weiterer Interessent auf, der bessere Konditionen bietet. Kann der zu kurz gekommene Interessent dann den Abgeber auf Schadenersatz verklagen? Nein, sagt das LG Berlin (18.03.14, 3 O 110/13).

     

    Sachverhalt

    Die Beteiligten hatten sich schon auf den Kaufpreis verständigt, es bestand auch Einigkeit, dass die Praxis an den Interessenten veräußert werden soll. Uneins war man sich noch über den Zeitpunkt des Praxisübergangs und über die genaue Formulierung des Kaufvertrags. Nachdem der Entwurf eines Kaufvertrags von dem Erwerber vorgelegt worden war, erhielt der Verkäufer ein neues - wesentlich besseres - Angebot zum Kauf der Praxis, das nicht nur einen höheren Preis (60.000 EUR mehr) enthielt, sondern auch in den Übergabebedingungen wesentlich besser den Vorstellungen des Abgebers entsprach. Der Abgeber hat dementsprechend die Praxis auch an den neuen Interessenten veräußert.

     

    Der nicht zum Zuge kommende Bewerber verklagte den Abgeber sodann auf Schadenersatz mit der Begründung, es habe ein mündlich geschlossener Vertrag vorgelegen, da man sich über die wesentlichen Vertragsbestandteile (essentialia negotii) geeinigt habe. Die wesentlichen Bestandteile seien die Vertragsparteien, Käufer und Verkäufer, Kaufpreis sowie Zeitpunkt des Praxisübergangs. Selbst wenn ein wirksamer Kaufvertrag noch nicht zustande gekommen sei, hafte der Abgeber aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis. Durch die Intensität der vorvertraglichen Verhandlungen sei ein vorvertragliches Schuldverhältnis entstanden. Diese Vertragsverhandlungen habe der Verkäufer nicht abbrechen dürfen. Beide Beteiligten gingen stets übereinstimmend davon aus, dass über die Praxis ein schriftlicher Kaufvertrag zu schließen ist. Zu dem Kaufvertragsentwurf hatte der Abgeber aber noch einige Änderungswünsche.

     

    Anmerkungen

    Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Es ist kein Schadenersatzanspruch des Übernehmers gegeben. Das Gericht hat das Vorliegen eines mündlichen Vertrags verneint, weil schon die Frage, ob eine mündliche Einigung über die wesentlichen Vertragsbestandteile gegeben sei, nicht eindeutig zu beantworten war. Der Abgeber hatte eine andere Vorstellung vom Übergabetermin als der Übernehmer. Der vom Übernehmer genannte Übernahmetermin zum 1.4. des Kalenderjahres wäre sowieso nicht zu halten gewesen, weil die Sitzung des Zulassungsausschusses, in der über die Nachbesetzung zu entscheiden gewesen wäre, erst am 27.4. des Jahres angesetzt war.

     

    Darüber hinaus kommt aber auch ein mündlicher Vertragsschluss so lange nicht in Betracht, wie die Parteien übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass ein schriftlicher Kaufvertrag zu schließen wäre. Der Übernehmer hat in der mündlichen Verhandlung stets bekundet, dass auch er einen schriftlichen Kaufvertrag schließen wollte. Das Gericht hat sich auf die Regelung des § 154 Abs. 2 BGB gestützt. In § 154 Abs. 2 BGB ist geregelt, dass, wenn eine Beurkundung des beabsichtigten Vertrags verabredet worden ist, im Zweifel der Vertrag so lange nicht geschlossen ist, bis eine Beurkundung erfolgt ist. Hier war nach dem Vortrag des Übernehmers wie auch dem Vortrag des Übergebers vereinbart worden, dass ein schriftlicher Kaufvertrag zu schließen ist. Dies hat der Übernehmer auch in der mündlichen Verhandlung noch einmal ausdrücklich erklärt. Von daher hat das Gericht unter Anwendung der Zweifelsregelung nach § 154 Abs. 2 BGB keinen Vertrag zwischen den Beteiligten angenommen. Damit entfiel auch eine Schadenersatzpflicht aus Verletzung von vertraglichen Pflichten.

     

    Auch ein vorvertragliches Schuldverhältnis, das den Übernehmer zum Schadenersatz verpflichtet, hat das Gericht nicht angenommen. Zum einen hat das Gericht darauf abgestellt, dass es keine Einigkeit über den Übergabezeitpunkt gegeben habe. Der Übernehmer wollte zum 1.4. übergeben, der Abgeber eigentlich erst zum 31.12. Zum anderen durften die Vertragsverhandlungen abgebrochen werden. Eine Schadenersatzpflicht aus abgebrochenen Vertragsverhandlungen kann sich nur dann ergeben, wenn nach den Vertragsverhandlungen ein Vertragsschluss als sicher anzunehmen war und im Vertrauen hierauf Aufwendungen getätigt wurden. Weitere Voraussetzung ist, dass der Abgeber die Vertragsverhandlungen grundlos, das heißt aus unbeachtlichen Erwägungen, abgebrochen hat. Das Gericht hatte schon Zweifel daran, ob überhaupt ein Vertrauenstatbestand gegeben war, weil der Verkäufer ganz erhebliche Änderungswünsche an dem Kaufvertrag hatte. Entscheidend für das Landgericht war jedoch, dass, selbst wenn man ein vorvertragliches Schuldverhältnis annehmen würde, der Verkäufer die Vertragsverhandlungen aus wichtigem Grund abgebrochen hat. Das Landgericht bezog sich auf ein Urteil des BFH (29.3.96, VZR 332/94, NJW 1996, 1884), wonach ein wichtiger Grund für den Abbruch schon dann gegeben ist, wenn der einen Vertragspartei ein besseres Angebot vorliegt.

     

    Praxishinweis

    Für die Praxis folgt daraus, dass immer, wenn sich die Beteiligten darüber einig sind, dass ein schriftlicher Vertrag zu schließen ist, erst dann Rechtsbindung eintritt, wenn die Vertragsurkunde tatsächlich unterschrieben ist. Soweit das Gesetz in § 154 Abs. 2 BGB von einer Beurkundung spricht, ist damit nicht eine notarielle Beurkundung gemeint, sondern jede schriftliche Niederlegung des Vertrages. Auch ein nicht notariell beurkundeter Vertrag ist eine Urkunde im Sinne des Gesetzes.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2014 | Seite 149 | ID 42608406

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