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  • · Fachbeitrag · Praxis Ärzteberatung

    Welche Änderungen bringt der Koalitionsvertrag?

    von Dipl.-Volkswirt Katja Nies (www.praxisbewertung-praxisberatung.com)

    | Auch wenn der Koalitionsvertrag keinen rechtsbindenden Charakter hat, so drückt er dennoch den politischen Willen der daran beteiligten Parteien aus. Als Ärzteberater lohnt sich deshalb ein Blick auf die gesundheitspolitischen Themen. Genau dieser wurde den Teilnehmern des 8. IWW-Kongresses „Praxis-Ärzteberatung “ gleich zu Beginn des Kongresses durch Prof. Dr. Rehborn ausführlich gewährt. Wie sehen die geplanten Maßnahmen aus und welche Konsequenzen könnten sich hier für die Ärzte und deren Berater ergeben?|

    1. Versorgungsstrukturgesetz und Koalitionsvertrag

    Mit dem Versorgungsstrukturgesetz (VStG zum 1.1.12) soll eine wohnortnahe und bedarfsgerechte Versorgung der Patienten auch in Zukunft sichergestellt werden; d.h., es sollen zukunftssichere Versorgungsstrukturen geschaffen werden. Stichwort: Unterversorgung in ländlichen bzw. strukturschwachen Gebieten (bei oftmals gleichzeitiger Überversorgung in attraktiven Lagen).

     

    • Aus dem umfangreichen bisherigen Maßnahmenbündel des VStG wurde z.B. die neue Bedarfsplanung in 2013 eingeführt.

     

    • In anderen Bereichen, wie der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung oder der Förderung von Praxisnetzen wurden umfangreiche Vorgaben verabschiedet. Für die praktische, flächendeckende Umsetzung fehlen aber immer noch die richtigen (finanziellen) Anreize und Ausgestaltungen.

     

    • Gerade im Hinblick auf die finanzielle Förderung hat das VStG auf der jeweiligen KV-Ebene die Möglichkeit der Einrichtung eines Strukturfonds geschaffen. Die einzelne Landes-KV kann für einen solchen Fonds 0,1 % der MGV (Morbiditätsorientierten Gesamtvergütung) zur Verfügung stellen und die Kassen müssen dann einen Zuschuss in gleicher Höhe leisten.

     

    Die folgenden Ausführungen enthalten keine abschließende Aufzählung, sondern greifen die wichtigsten Punkte aus dem Koalitionsvertrag heraus:

     

    • Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung,
    • Förderung von ärztlichen Kooperationen,
    • Hausärztliche (Grund-)Versorgung,
    • Förderung der Telemedizin,
    • Unterstützung der Ärzte durch nicht-ärztliche Berufe.

    2. Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung

    Die Anreize zur Niederlassung in unterversorgten Gebieten soll verbessert und - falls nötig - Überversorgung abgebaut werden.

     

    2.1 Flexibilisierung der Zulassungsbedingungen

    Bei näherer Betrachtung der geltenden Zulassungsbedingungen kommen nur zwei Ansatzpunkte in Betracht, die jedoch für den ärztlichen Berater lediglich ein eingeschränktes Betätigungsfeld bieten:

     

    • Unvereinbare Tätigkeiten: § 20 Ärzte-ZV nennt zwei Fälle, in denen die Tätigkeit als Vertragsarzt nicht mit anderen Tätigkeiten vereinbar ist. Nach Abs. 1 steht ein Beschäftigungsverhältnis oder eine andere nicht ehrenamtliche Tätigkeit der Eignung für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit entgegen, wenn der Arzt unter Berücksichtigung der Dauer und zeitlichen Lage der anderweitigen Tätigkeit den Versicherten nicht in dem seinem Versorgungsauftrag entsprechenden Umfang persönlich zur Verfügung steht und insbesondere nicht in der Lage ist, Sprechstunden zu den in der vertragsärztlichen Versorgung üblichen Zeiten anzubieten. Nach Abs. 2 ist ein Arzt nicht für die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit geeignet, der eine ärztliche Tätigkeit ausübt, die ihrem Wesen nach mit der Tätigkeit des Vertragsarztes am Vertragsarztsitz nicht zu vereinbaren ist.

     

    • Lockerung der „Residenzpflicht“: Sie ist in § 24 Ärzte-ZV geregelt. In der Vergangenheit waren Vertragsärzte und Vertragszahnärzte bis auf wenige Ausnahmen gesetzlich verpflichtet, ihren Wohnsitz in der Nähe ihrer Praxis zu wählen. Mit dem am 1.1.12 in Kraft getretenen GKV-Versorgungsstrukturgesetz ist die Residenzpflicht für alle Vertrags(zahn)ärzte entfallen. Nach wie vor gilt aber, dass Vertrags(zahn)ärzte ihre Sprechstunden für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung so einzurichten haben, dass diese entsprechend ihrem Behandlungsbedarf medizinisch versorgt werden können. Allerdings sind auch vertragsärztliche Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes an weiteren Orten zulässig und unter den Voraussetzungen des § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV möglich.

     

    2.2 Ambulanzzugang von Krankenhäusern (§ 116 a SGB V)

    Neben den bereits heute bestehenden Möglichkeiten der Krankenhäuser an der ambulanten Versorgung teilzunehmen, ist im Koalitionsvertrag vorgesehen, die Kann-Bestimmung des § 116a SGB V in eine Muss-Bestimmung umzuwandeln. Nach dem bisherigen Wortlaut des § 116a SGB V kann der Zulassungsausschuss zugelassene Krankenhäuser für das entsprechende Fachgebiet in den Planungsbereichen, in denen der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Unterversorgung nach § 100 Abs. 1 oder einen zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarf nach § 100 Abs. 3 festgestellt hat, auf deren Antrag zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigen, soweit und solange dies zur Beseitigung der Unterversorgung oder zur Deckung des zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarfs erforderlich ist.

     

    Diese „Institutsermächtigung“ soll jedoch dann entweder von vornherein auf ein Jahr befristet oder jährlich überprüft werden. Bedenkt man den nicht unerheblichen finanziellen und auch organisatorischen Aufwand von Seiten eines interessierten Krankenhauses, so ist eine jährliche Befristung ohne Zweifel eine nachvollziehbare (und wahrscheinlich nicht bedachte) Abschreckung für das Krankenhaus, sich um eine Zulassung zu bemühen - dieser Punkt der Koalitionsvereinbarung wird so wohl kaum umgesetzt werden.

     

    2.3 Regulierung durch Aufkauf von Arztsitzen (§103 Abs. 3a SGB V)

    Auch hier ist geplant, die Kann-Regelung in eine Muss-Regelung zu überführen. Nach dem bisherigen Wortlaut des § 103 Abs. 3a SGB V kann der Zulassungsausschuss eine Nachbesetzung ablehnen, wenn eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist.

     

    Hat der Zulassungsausschuss den Antrag abgelehnt, muss die KV eine Entschädigung in der Höhe des Verkehrswertes der Arztpraxis zahlen. Da eine Entschädigung gezahlt werden soll, handelt es sich nach herrschender Meinung nicht um eine Enteignung oder um einen Eingriff in das Eigentum. Bei einer Klage müsste der Sozialrechtsweg eingeschlagen werden. Doch noch immer sind eine ganze Reihe an Punkten unklar:

     

    • Wie ist der Begriff „aus Versorgungsgründen“ definiert? Orientiert man sich hier an der nicht unumstrittenen Bedarfsplanung, die sich an Arztzahlen orientiert, nicht aber am „Leistungsangebot“ des einzelnen Arztes?

     

    • Was passiert mit den Dauerschuldverhältnissen, die nicht rechtzeitig zum Stichtag gekündigt werden können?

     

    • Wer berechnet den „Verkehrswert“ und vor allen Dingen nach welcher Bewertungsmethode?

     

    Sollte die Muss-Regelung wirklich kommen, ist zu hoffen, dass sie präziser ausgestaltet wird. Jahrelange Rechtsstreitigkeiten, die zulasten der betroffenen Ärzte gehen, sind sonst vorprogrammiert.

     

    Kontrovers wurde auch der Vorschlag bzw. die Meinung diskutiert, ob nur der Verkehrswert der Kassenarztpraxis entschädigt werden sollte oder der gesamte Praxiswert einschließlich dem Anteil der auf Privatpatienten entfällt. Schließlich könnte die Praxis ja als Privatpraxis weitergeführt werden. Hier scheinen jedoch viele zu verkennen, dass der Kostenapparat einer Praxis, die Kassen- als auch Privatpatienten behandelt hat, mit dem Wegfall der Kasseneinnahmen nicht zu finanzieren ist. Plakativ ausgedrückt: Die KV-Einnahmen sind das Brot und die Privateinnahmen die Butter. Im Allgemeinen können die Einnahmen aus einer Privatpraxis den Kostenapparat einer Praxis, die auf Kassen- und Privatpatienten - räumlich, apparatetechnisch und personell - ausgerichtet war, nicht decken.

     

    Da die Entschädigungen von den KVen und damit letztlich von der Gesamtheit der Ärzteschaft zu bezahlen sein werden, wird es wohl zu einer restriktiven Handhabung dieses Instruments kommen. Laut übereinstimmender Meinung der am Kongress anwesenden Experten gibt es noch keine Rückstellungen bei den einzelnen KVen für zu bezahlende Entschädigungen.

    3. Förderung von ärztlichen Kooperationen

    Bei der Förderung ärztlicher Kooperationen geht es um ein eigenes Honorarvolumen für Praxisnetze und um die Zulassung fachgruppengleicher MVZ.

     

    3.1 Eigenes Honorarvolumen für Praxisnetze

    Wiederum soll eine Kann-Regelung (hier: § 87 b Abs. 2 S. 2 SGB V) in eine Muss-Regelung überführt werde. Für förderungswürdige Praxisnetze soll es ein eigenes Honorarvolumen als Teil der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung geben.

     

    Diese Maßnahme wäre zu begrüßen, damit die Praxisnetze, die die strengen, im letzten Jahr veröffentlichten Vorgaben der KBV erfüllen (Patientenzentrierung, kooperative Berufsausübung, verbesserte Effizienz), nun auch durch ein eigenes Honorar gefördert bzw. belohnt werden können.

     

    3.2 Zulassung arztgruppengleicher MVZ

    Es ist geplant, in § 95 Abs. 1 SGB V bei der Definition eines MVZ den Begriff „fachübergreifend“ zu streichen, was die Gründung eines MVZ erheblich erleichtern würde. Zudem wird es auch Kommunen ermöglicht, MVZ zu gründen. Allerdings bleibt der Vorrang eines ärztlichen Bewerbers davon unberührt (§ 103 Abs. 4 c SGB V).

     

    Seit ihrer Einführung im Jahr 2004 stellt die fachgruppenübergreifende Tätigkeit mit das wichtigste Unterscheidungsmerkmal eines MVZ zu anderen Ärztekooperationen dar. Reichen mittlerweile schon zwei hälftige Versorgungsaufträge, um ein sogenanntes „Mini-MVZ“ zu gründen, so könnten, wenn es nach dem Willen des Koalitionsvertrages geht, demnächst auch z.B. zwei Zahnärzte ein MVZ gründen. Die Gründung eines MVZ wird hier wesentlich erleichtert, nachdem sie durch die neue Bedarfsplanung in 2013 für einzelne Fachgruppen erschwert wurde.

     

    Unmittelbar einleuchtend ist die Absicht der Regierungskoalition, auch Kommunen die Möglichkeit einzuräumen, MVZ (in unterversorgten Gebieten) zu gründen.

    4. Hausärztliche (Grund-)Versorgung

    Es wird noch einmal bekräftigt, dass die Rolle des Hausarztes sowie die hausärztliche Versorgung insgesamt gestärkt werden sollen. Die Einführung des neuen Hausarzt-EBM erfolgte nicht wie ursprünglich avisiert zum 1.7.13, sondern erst zum 1.10.13. Es bleibt der Auswertung der ersten Quartale vorbehalten, um feststellen zu können, ob die Reform wirklich wie geplant den typischen Hausärzten zugutekommt.

     

    In jedem Fall wird der Fortbestand der Hausarztverträge gemäß § 73 b SGB V garantiert und es wird eine Aufhebung der Vergütungsbeschränkung gewünscht. Vielleicht könnte hiermit eine flächendeckende Einführung der Hausarztverträge erreicht werden, denn auch nach zehn Jahren konnten sich nur in Bayern und Baden-Württemberg - dort allerdings sehr erfolgreich - die hausarztzentrierte Versorgung etablieren.

    5. Förderung telemedizinischer Leistungen

    Wie schon im Versorgungsstrukturgesetz niedergelegt, sollen die sich rasant entwickelnden technischen Möglichkeiten sinnbringend und zielführend eingesetzt und gefördert werden. Es wird nicht weiter ausgeführt, wie dies geschehen soll.

     

    Abgesehen von der datenschutzrechtlichen Problematik sind in diesem Bereich zwei weitere Restriktionen zu beachten:

     

    • Die Teleradiologie könnte aufgrund der Vorgaben der Röntgen-Verordnung (RöV) erschwert sein.
    • Die berufsrechtlichen Vorgaben müssen beachtet werden (Stichworte: Fernbehandlung, persönliche Leistungserbringung).

    6. Einsatz von nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen

    Die Delegation von ärztlichen Leistungen an nicht ärztliche Mitarbeiter soll flächendeckend bei leistungsgerechter Vergütung ermöglicht werden. Modellvorhaben zur Erprobung neuer Formen sollen aufgelegt und evaluiert werden. Bereits bestehende und in der Praxis bewährte Modelle sind z.B.:

     

    • VERAH: Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis
    • EVA: Entlastende Versorgungsassistentin

    7. Fazit

    Ärzte und deren Berater sollten unbedingt im Auge behalten, ob in den folgenden Paragrafen wirklich - wie im Koalitionsvertrag vorgesehen - die Kann- Bestimmungen in Muss-Bestimmungen umgewandelt werden:

     

    • § 116 a SGB V: Ambulanzzugang von Krankenhäusern
    • §103 Abs. 3 a SGB V: Nachbesetzungsverfahren (im überversorgten Gebiet)
    • § 87 b Abs. 2 S. 2 SGB V: Eigenes Honorarvolumen für Praxisnetze

     

    Zudem bleibt abzuwarten, ob in § 95 Abs. 1 SGB V wirklich die Voraussetzung „fachübergreifend“ bei den MVZ entfallen wird.

     

    Der gesundheitspolitische Teil des Koalitionsvertrages bekräftigt bzw. ver-schärft die Intention und Vorgaben des Versorgungsstrukturgesetzes. Ob alle Willensbekundungen 1:1 umgesetzt werden, bleibt abzuwarten.

     

    Weiterführende Hinweise

    • 2013 im Schatten des Versorgungstrukturgesetzes - unsichere Zeiten für Ärzte und deren Berater (Nies, PFB 13, 165 ff.)
    • Strategische Mandantenberatung: Nachfolgeplanung und Kooperationen in Zeiten des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes (Nies, PFB 12, 138 ff.)
    Quelle: Ausgabe 05 / 2014 | Seite 138 | ID 42603768

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