· Nachricht · Nießbrauch an GmbH-Anteilen
Wirtschaftliches Eigentum geht trotz Nießbrauchsvorbehalt und weiterer Restriktionen über
| Beim unentgeltlichen Erwerb von GmbH-Anteilen unter Vorbehalt eines Nießbrauchs geht das wirtschaftliche Eigentum bereits auf den Erwerber über, wenn dieser eine nicht mehr einseitig entziehbare Rechtsposition erlangt und die Chancen und Risiken der Wertentwicklung trägt; die spätere Ablösung des Nießbrauchs führt lediglich zu nachträglichen Anschaffungskosten (FG Düsseldorf 4.9.25, 9 K 2034/24 E), |
Sachverhalt
Im Streitfall übertrug ein Schenker im Jahr 2014 unentgeltlich Geschäftsanteile an einer GmbH an den Kläger. Der Schenker behielt sich jedoch ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vor. Dem Kläger standen zwar die Stimmrechte zu , er musste sich aber mit dem Schenker absprechen und bei Belangen des Nießbrauchers (z.B. Gewinnverteilung) eine Einigung erzielen oder durfte nicht abstimmen. Ferner wurden ein schuldrechtliches Verfügungsverbot und Rücktrittsrechte für bestimmte Konstellationen vereinbart, jedoch kein jederzeitiges, willkürliches Rückforderungsrecht des Schenkers. Im Jahr 2022 veräußerte der Kläger. Zuvor zahlte er dem Schenker eine Ablöse für den Verzicht auf den Nießbrauch. Der Kläger machte unter Anrechnung der ursprünglichen Anschaffungskosten des Schenkers, der Veräußerungskosten und der Ablösezahlung einen Veräußerungsverlust geltend . Das FA sah dies anders: Er war der Ansicht, das wirtschaftliche Eigentum sei erst 2022 durch die Ablösezahlung entgeltlich übergegangen. Daher seien die Anschaffungskosten des Schenkers nicht zu berücksichtigen, was zu einem Veräußerungsgewinn führe.
Entscheidungsgründe
Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf folgte der Argumentation der Kläger. Die Klage sei begründet, da im Jahr 2022 ein Veräußerungsverlust entstanden sei. Maßgeblich für die Berechnung sei § 17 Abs. 2 S. 5 EStG. Diese Norm erlaubt die Anrechnung der Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers (hier des Schenkers), wenn der Anteil unentgeltlich erworben wurde. Das Gericht stellte fest, dass der Kläger die Anteile bereits 2014 unentgeltlich erworben und damit nicht nur das zivilrechtliche, sondern auch das wirtschaftliche Eigentum im Sinne des § 39 AO erlangt habe. Das wirtschaftliche Eigentum verblieb laut Gericht nicht beim Schenker, obwohl dieser sich den Nießbrauch vorbehielt. Zwar sei bei einem umfassenden Nießbrauch der Nießbraucher oft als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen ; dies sei jedoch nach dem Gesamtbild des Einzelfalls zu prüfen. Entscheidend sei, dass der Kläger 2014 eine rechtlich geschützte Position erlangte, die ihm vom Schenker nicht mehr einseitig „gegen seinen Willen“ entzogen werden konnte. Die vereinbarten Rücktrittsrechte waren an Bedingungen geknüpft und hingen nicht allein vom Willen des Schenkers ab. Ebenso habe das nur schuldrechtliche Verfügungsverbot den Kläger nicht an einer wirksamen Verfügung gehindert. Vor allem aber seien die Chance einer Wertsteigerung und das Risiko einer Wertminderung auf den Kläger übergegangen, was sich bei der Veräußerung 2022 realisierte. Die Einschränkungen (Nießbrauch, Stimmrechtsabsprachen) definierten lediglich das „belastete Eigentum“, das der Kläger erwarb, reichten aber nicht aus, um das wirtschaftliche Eigentum beim Schenker zu belassen.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung besitzt erhebliche Praxisrelevanz für die steuerliche Gestaltungsberatung, insbesondere im Kontext der vorweggenommenen Erbfolge. Das Urteil bestätigt, dass der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nicht zwingend daran scheitert, dass der Schenker sich umfangreiche Rechte, wie den Nießbrauch an den Erträgen und ein Mitspracherecht bei Stimmabgaben, vorbehält. Solange dem Erwerber die Rechtsposition nicht mehr einseitig nach Belieben des Schenkers entzogen werden kann und die stillen Reserven (Chancen und Risiken) auf ihn übergehen, liegt ein unentgeltlicher Erwerb vor. Dies sichert dem Erwerber die Anrechnung der (ggf. hohen) historischen Anschaffungskosten des Schenkers nach § 17 Abs. 2 S. 5 EStG. Zugleich bestätigt das Gericht die Einordnung der späteren Ablösezahlung für den Nießbrauch als (nachträgliche) Anschaffungskosten, was sich ebenfalls auf die Höhe eines späteren Veräußerungsgewinns oder -verlusts auswirkt. Berater müssen daher genau prüffen: Soll der Erwerb als unentgeltlich gelten (um § 17 Abs. 2 S. 5 EStG zu nutzen), muss das wirtschaftliche Eigentum klar übergehen, auch wenn die Erträge (Nießbrauch) beim Schenker verbleiben.