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  • · Nachricht · Klinikveräußerung

    Geschäftsveräußerung im Ganzen trotz weitergeführtem Klinkbetrieb

     

    Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S. des § 1 Abs. 1a UStG setzt keine Beendigung der unternehmerischen Betätigung des Veräußerers voraus. Das übertragene Unternehmensvermögen muss allerdings als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglichen und die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten müssen übereinstimmen oder einander zumindest hinreichend ähneln (BFH 29.8.12, XI R 10/12, BStBl II 13, 221).

     

    Sachverhalt und Anmerkung

    Eine Klinik-GmbH (Behandlung von Gefäßerkrankungen und Laseroperationen) veräußerte den Großteil ihres Anlagevermögens an einen ihrer Anteilseigner, einen Arzt, der auch die Konzession, die Arbeitsverhältnisse und den Mietvertrag übernahm. Der Arzt betrieb damit eine Klinik für Venenmedizin. Die GmbH führte ihr Unternehmen an anderer Stelle unter demselben Namen, mit demselben Patientenstamm und mit dem Firmenwert fort. Das Finanzamt sah hierin keine Geschäftsveräußerung im Ganzen. da der Arzt nicht das gesamte Unternehmen erworben habe - zu Unrecht wie der BFH urteilte:

     

    Für die Geschäftsveräußerung im Ganzen kommt es darauf an,

     

    • ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht, und
    • ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln.
    • Die Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen und die Möglichkeit zur Unternehmensfortführung ohne großen finanziellen Aufwand ist nicht erforderlich (z.B. BFH 18.01.12, XI R 27/08, BStBl II 12, 842)

     

    Dabei hebt der BFH eine wichtige Aussage hervor: Die Möglichkeit der Fortführung ist aus der Sicht des Erwerbers zu bestimmen. Der BFH leitet dies aus der EuGH-Rechtsprechung (z.B. EuGH 22.2.01 C-408/98, Slg. 2001, I-1361, EuGH, 27.11.03, C-497/01, Slg. 2003, I-14393, EuGH 10.11.11, C-444/10, , DStR 11, 2196, Rz 22 bis 25) und dem Vereinfachungszweck des Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG ab.

     

    Aufgrund dieser unionsrechtlich vorzunehmenden Abgrenzung der begünstigten Teilvermögensveräußerung in § 1 Abs. 1a UStG kommt die Heranziehung ertragsteuerrechtlicher Definitionen zum Vorliegen der Veräußerung eines Teilbetriebs i.S. des § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes nicht in Betracht. Deshalb ist es umsatzsteuerrechtlich unerheblich, dass ertragsteuerrechtlich eine Teilbetriebsveräußerung nur angenommen wird, wenn der veräußernde Gewerbetreibende die bisher in diesem Teilbetrieb entfaltete Tätigkeit endgültig einstellt.

     

    Praxishinweise

    Für eine Geschäftsveräußerung im Ganzen kommt es in erster Linie auf die Verhältnisse beim Erwerber (nicht beim Veräußerer an). Der BFH betont damit, dass die aus dem Ertragsteuerrecht abgeleitete Auffassung des FA (Veräußerung eines Teilbetriebs) in der Umsatzsteuer unerheblich ist. Bemerkenswerterweise lässt sich das so direkt nicht aus dem Umsatzsteuer-Anwendungserlass herauslesen. Dort (A. 1.5. UStAE Abs. 6 UStAE [Geschäftsveräußerung]) heißt es lediglich:

     

    „Ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb liegt vor, wenn er wirtschaftlich selbständig ist. Dies setzt voraus, dass der veräußerte Teil des Unternehmens einen für sich lebensfähigen Organismus gebildet hat, der unabhängig von den anderen Geschäften des Unternehmens nach Art eines selbständigen Unternehmens betrieben worden ist und nach außen hin ein selbständiges, in sich abgeschlossenes Wirtschaftsgebilde gewesen ist. (vgl. BFH-Urteil vom 8.3.2001, V R 24/98, BStBl 2003 II S. 430). (...) Soweit einkommensteuerrechtlich eine Teilbetriebsveräußerung angenommen wird (vgl. R 16 Abs. 3 EStR 2012), kann (...) umsatzsteuerrechtlich von der Veräußerung eines gesondert geführten Betriebs ausgegangen werden.“

     

    Abschließend sei noch auf zwei Umstände hingewiesen:

     

    • Der Fortsetzung der bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit steht es nicht entgegen, wenn der Erwerber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb in seinem Zuschnitt ändert oder modernisiert (vgl. BFH 23.8.07, V R 14/05, BStBl II 08, 165).
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    • Die sofortige Abwicklung der übernommenen Geschäftstätigkeit schließt jedoch eine Geschäftsveräußerung aus(vgl. EuGH 27.11.03, C-497/01, EuGHE I S. 14393).
    Quelle: ID 39808430