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Einkommensteuer auf freiberufliche Einkünfte einer Insolvenzschuldnerin keine Masseverbindlichkeit
| Bei der Bemessung der Höhe der Einkommensteuervorauszahlungen, die sich gegen die Insolvenzmasse richten, dürfen die Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit des Insolvenzschuldners (auf der Grundlage einer bedingungslosen Freigabe) nicht berücksichtigt werden, weil die daraus entstehende Einkommensteuer keine Masseverbindlichkeit ist. ( BFH 18.9.2012, VIII R 47/09 ) |
Streitig ist, ob die festgesetzten Einkommensteuervorauszahlungen einer Insolvenzschuldnerin für ihre weiterhin selbstständig ausgeübte Tätigkeit als Ärztin Masseverbindlichkeiten sind. Die Insolvenzschuldnerin war während des Insolvenzverfahrens weiterhin als Ärztin freiberuflich in ihrer bisherigen Praxis tätig. Mitte 2007 erklärte die Ärztin, die gleichzeitig auch Insolvenzverwalterin war, die „bedingungslose Freigabe“ der Arztpraxis. Sowohl das Vermögen als auch die Einkünfte der Insolvenzschuldnerin sollten von der Freigabe erfasst sein.
Das FA setzte für 2008 Einkommensteuervorauszahlungen für die Insolvenzschuldnerin gegenüber der Ärztin als Insolvenzverwalterin fest. Bei der Berechnung der Höhe der Einkommensteuervorauszahlung berücksichtigte das FA (auch) Einkünfte der Insolvenzschuldnerin aus deren freiberuflicher Tätigkeit als Ärztin. Die Klägerin beantragte, die Steuerfestsetzung in diesem Bescheid gegen die Insolvenzmasse auf „0“ herabzusetzen. Das FA lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass die Klägerin die Bekanntgabeadressatin für Festsetzungen gegenüber der Insolvenzschuldnerin sei. Der nachfolgende Einspruch der Klägerin gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Änderung des Vorauszahlungsbescheids blieb erfolglos.
Die Klage vor dem Finanzgericht hatte zum großen Teil Erfolg, was auch der BFH bestätigte. Das FG ging im Wesentlichen davon aus, dass die Einkommensteuerverbindlichkeit, die sich aufgrund der selbstständigen ärztlichen Tätigkeit der Insolvenzschuldnerin ergebe, keine Masseverbindlichkeit sei. Denn die Klägerin habe zum einen die Freigabe der selbstständigen Tätigkeit der Insolvenzschuldnerin erklärt und zum anderen sei tatsaächlich kein Vermögen aus der Tätigkeit in die Masse gelangt. Eine solche Freigabe von Vermögenswerten aus dem Insolvenzbeschlag zur Erwerbsbetätigung sei auch schon vor Einführung der Abs. 2 und 3 des § 35 InsO möglich gewesen.
Das FA war hingegen der Auffassung gewesen, dass es nach der im Streitfall geltenden Rechtslage vor Einführung des § 35 Abs. 2 InsO nicht möglich gewesen sei, eine freiberufliche Tätigkeit als solche freizugeben. Die Einnahmen aus einer derartigen Tätigkeit gehörten vollständig und ohne Abzug von damit in Zusammenhang stehenden Ausgaben als Neuerwerb zur Insolvenzmasse. Lediglich ein Antrag des Insolvenzschuldners nach § 850i ZPO sei möglich. Eine „echte“ Freigabe, die mit dem Verlust der Verfügungsgewalt des Insolvenzverwalters verbunden sei, sei in Bezug auf eine selbständige Tätigkeit schon deswegen nicht möglich, weil diese nur in Bezug auf einzeln bestimmbare Vermögensgegenstände zulässig sei.