· Nachricht · Gesetzgebung
Pläne der Koalition zum Gesellschaftsrecht
von RA Dr. Niels George, FASteuerR, FAErbR, FAHandelsGesR, Berlin, www.george-rechtsanwaelte.de
| Die neue Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag auf rechtliche Reformen verständigt. Sie betreffen Änderungen im Aktienrecht, Anpassungen im AGB-Recht sowie eine grundlegende Neuausrichtung der Regelungen zur unternehmerischen Verantwortung in globalen Lieferketten. Nachfolgend ein grober Überblick. |
1. Reform des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts
Ziel der Reform des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts ist es, die Rechtssicherheit bei unternehmerischen Entscheidungen zu stärken und den Missbrauch von Anfechtungsklagen einzudämmen. Es sollen die Voraussetzungen für Anfechtungen und Nichtigkeitsklagen präzisiert und Verfahren effizienter gestaltet werden. Für Unternehmen bedeutet dies die Aussicht auf schnellere Umsetzungen von Hauptversammlungsbeschlüssen sowie eine Reduzierung des Risikos langwieriger Blockaden bei Kapitalmaßnahmen. Auch internationale Investoren könnten dadurch mehr Vertrauen in die Stabilität deutscher Unternehmensstrukturen gewinnen. Die Reform zielt zudem auf eine Angleichung an internationale Standards ab, da der Standort Deutschland im Vergleich zu Ländern wie den Niederlanden oder Luxemburg als überreguliert gilt, was Unternehmen bisher zu Auslagerungen bewegte.
2. Einführung der Gesellschaft mit gebundenem Vermögen
Darüber hinaus plant die Regierung die Einführung einer neuen Gesellschaftsform: der Gesellschaft mit gebundenem Vermögen. Ziel ist es, Unternehmen eine Rechtsform zu bieten, in der Vermögen dauerhaft an den Unternehmenszweck gebunden wird, etwa im Sinne einer langfristigen Nachhaltigkeit oder Gemeinwohlorientierung. Parallel dazu ist eine Modernisierung des Genossenschaftsrechts vorgesehen, um die Gründung und Verwaltung von Genossenschaften zu erleichtern. Für klassische Wirtschaftsunternehmen ergibt sich daraus aktuell zwar kein unmittelbarer Handlungsbedarf. Für Unternehmen mit sozialem oder nachhaltigem Fokus könnten sich jedoch neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Diese Gesellschaftsform orientiert sich an Modellen wie der „responsible ownership“ in Skandinavien und soll Rechtssicherheit für Organisationen schaffen, die sich zwischen Gewinnorientierung und sozialem Engagement positionieren. Die Reform ist auch als Reaktion auf Forderungen der Zivilgesellschaft und gemeinwohlorientierter Unternehmerverbände zu verstehen, die bisher keine passende Rechtsform fanden.
3. Anpassungen im AGB-Recht
Für Verträge zwischen großen Kapitalgesellschaften soll die strenge AGB-Inhaltskontrolle abgeschwächt werden. Im B2B-Bereich könnten die Vertragspartner somit künftig flexibler agieren und Vertragsfreiheit stärker ausüben. Damit würde insbesondere die Gestaltung komplexer Liefer- und Projektverträge erleichtert. Allerdings bleibt abzuwarten, in welchem Umfang die geplante Neuregelung wirklich Rechtssicherheit schafft und wie sie sich mit bestehenden europarechtlichen Vorgaben verträgt. Die Kritik an der aktuellen Regelung bezieht sich vor allem auf ihre Unvorhersehbarkeit bei der gerichtlichen AGB-Kontrolle. Gerade im internationalen Handel sehen sich deutsche Unternehmen im Nachteil gegenüber Wettbewerbern, die auf flexiblere Vertragsregime zurückgreifen können. Die Bundesregierung beabsichtigt deshalb, praxisnahe Leitlinien zu entwickeln, um die Vertragsgestaltung transparenter und rechtssicherer zu machen.
4. Reform des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG)
Das nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz soll aufgehoben und durch eine neue Regelung ersetzt werden, die die europäische Richtlinie zur unternehmerischen Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence Directive ‒ CSDDD) umsetzt. Die bisherigen Berichtspflichten sollen bis zur Einführung des neuen Gesetzes entfallen. Sanktionen für Verstöße werden in dieser Übergangsphase ausgesetzt, ausgenommen bei schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen. Allerdings bleibt das Risiko bestehen, dass die neuen europäischen Anforderungen inhaltlich noch strenger ausfallen. Unternehmen sollten ihre bestehenden Compliance-Strukturen deshalb nicht voreilig zurückfahren. Bereits bekannt ist, dass die CSDDD deutlich umfangreichere Anforderungen an unternehmerische Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Lieferkette stellt ‒ inklusive Umweltaspekten, die im deutschen LkSG bislang weniger Gewicht hatten. Unternehmen mit globalen Lieferketten sind daher gut beraten, sich frühzeitig mit der EU-Richtlinie auseinanderzusetzen.
5. Förderung von Start-ups und Digitalisierung
Schließlich setzt der Koalitionsvertrag Impulse für die Gründungsförderung und Digitalisierung. Ein „One-Stop-Shop“ soll Unternehmensgründungen innerhalb von 24 Stunden ermöglichen. Digitale Beurkundungsverfahren im Gesellschaftsrecht sollen weiter ausgebaut werden. Diese Maßnahmen könnten vor allem Start-ups sowie expansionswilligen Unternehmen zugutekommen und die Gründungsdynamik in Deutschland stärken. Die Bundesregierung reagiert damit auf internationale Vergleiche, in denen Deutschland in puncto Gründungsfreundlichkeit hinter Ländern wie Estland oder Litauen zurückliegt. Die digitale Beurkundung soll insbesondere für GmbH-Gründungen eingeführt werden und langfristig auch auf weitere gesellschaftsrechtliche Vorgänge wie Kapitalerhöhungen und Satzungsänderungen ausgedehnt werden. Damit wird das Ziel verfolgt, Gründungen nicht nur zu beschleunigen, sondern auch grenzüberschreitend zu erleichtern.
FAZIT | Die Pläne der Bundesregierung zeigen einen deutlichen Reformwillen im Gesellschaftsrecht. Für Unternehmen bedeuten die angekündigten Maßnahmen eine Mischung aus Chancen und Herausforderungen. Einerseits winken mehr Vertragsfreiheit, eine Entlastung bei der Einhaltung von Sorgfaltspflichten und effizientere Gesellschaftsstrukturen. Andererseits bleibt die konkrete Umsetzung in vielen Bereichen abzuwarten. |