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Implementierung und Betreuung von Software als freier Beruf?
Eine Tätigkeit ist dem des Diplom-Informatikers ähnlich, wenn der Steuerpflichtige mit seinen vorhandenen Kenntnissen ein Fachhochschulstudium mit einem Abschluss bestanden hätte. Nur dann ist das Wissen der Tiefe und der Breite nach vergleichbar (FG Hessen 10.5.12, 8 K 2576/10) |
Sachverhalt und Anmerkung
Streitig war, ob sich die Betätigung der Klägerin, die auf dem Fachgebiet der Entwicklung, Implementierung und Betreuung von Software arbeitete, als Ausübung eines freien Berufs nach § 18 EStG oder als gewerbliche Tätigkeit nach § 15 EStG darstellte. Zwar waren ihre Tätigkeiten für den Ingenieurberuf typisch und nach den Feststellungen des Sachverständigen konnte sie auch profunde Kenntnisse vorweisen. Jedoch war der Nachweis, dass sie über die erforderlichen Kenntnisse der Breite und der Tiefe nach verfügt, nicht gelungen. Die Klägerin hatte im Fach Mathematik keine nennenswerten Kenntnisse durch Ausbildungsnachweise belegen können. Der Sachverständige konnte auch in ihren vorgelegten praktischen Arbeiten keinen Bezug zu mathematischen Grundkenntnissen herstellen. In der Berufstätigkeit der Klägerin sah er auch keine Gelegenheit dafür, dass sie sich diese Kenntnisse „on the job“ angeeignet haben könnte. Es sah daher den Themenblock „Mathematik“ nicht als ausreichend abgedeckt an.
Das FG wies auch die Auffassung zurück, das Wissen der Klägerin sei mit 93 % dem Wissen eines Diplom-Informatikers vergleichbar, weil ihr nur Kenntnisse im Fall Mathematik und daher allenfalls 7 % des geforderten Wissens fehlten. Derartige Würdigungen werden - so das FG - auch von anderen Sachverständigen in ihren Privat- oder Gerichtsgutachten vertreten. Dabei wird aber übersehen, dass zu beurteilen ist, ob die Klägerin mit ihren vorhandenen Kenntnissen ein Fachhochschulstudium mit einem Abschluss bestanden hätte. Nur dann ist ihr Wissen der Tiefe und der Breite nach mit dem eines Diplom-Informatikers vergleichbar.
Praxishinweis
Das FG teilt die Auffassung des BFH, wonach der Nachweis eines vergleichbar umfänglichen Wissens ein sachgerechter und verfassungsrechtlich zulässiger Maßstab für die Abgrenzung gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeiten ist. Denn das in einem förmlichen Studiengang vermittelte Grundlagenwissen ist für die spätere Tätigkeit schon deshalb nicht als überflüssig anzusehen, weil bei typisierender Betrachtung ein Steuerpflichtiger, der über ein gründliches und umfassendes theoretisches Wissen verfügt, insbesondere seltener in der Praxis auftretende Probleme in einem größeren Zusammenhang zu sehen und damit sicherer zu beurteilen vermag als jemand, der aufgrund überwiegend praktischer Erfahrung sich ein Spezialwissen angeeignet hat (BFH 18.4.07 XI R 29/06).