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  • · Fachbeitrag · Corona-Krise

    Kurzarbeitergeld für Vertragsarztpraxen

    von RA Ina Jähne, Hannover, www.jaehne-guenther.de

    | In der Ärzteschaft ist die Verunsicherung derzeit groß, weil sich die Meldungen darüber häufen, dass auch den Vertragsärzten grundsätzlich ein Zugang zum Kurzarbeitergeld für Mitarbeiter untersagt wird. |

    1. Bundestag beschließt Ausgleichszahlungen

    Der Bundestag hat am 27.3.20 Ausgleichszahlungen an Ärzte und Psychotherapeuten beschlossen. Diese betreffen aber nur Umsatzeinbußen aus der Behandlung von GKV-Versicherten. Rechtsgrundlage ist § 87a Abs. 3b SGB V, der als Teil des COVID-19-Krankenhaushaltsentlastungsgesetzes neu in das SGB V eingefügt worden ist.

     

    • § 87a Abs. 3b SGB V (Auszug)

    „Mindert sich das Gesamthonorar eines vertragsärztlichen Leistungserbringers um mehr als 10 % gegenüber dem Vorjahresquartal und ist diese Honorarminderung in einem Fallzahlrückgang in Folge einer Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder eines anderen Großschadensereignisses begründet, kann die Kassenärztliche Vereinigung eine befristete Ausgleichszahlung an den vertragsärztlichen Leistungserbringer leisten. Die Ausgleichszahlung ist beschränkt auf Leistungen, die gemäß Abs. 3 S. 5 und 6 außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung vergütet werden. Die Ausgleichszahlung ist in der Höhe zu mindern, in der der vertragsärztliche Leistungserbringer Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz oder finanzielle Hilfen aufgrund anderer Anspruchsgrundlagen erhält. (…)“

     

    Die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur für Arbeit) hat am 24.4.20 auf diesen Ausgleichsanspruch der Vertragsärzte mit einer internen Weisung mit der Nummer 75095/7506 reagiert. Danach sei in § 87a Abs. 3b SGB V ein Anspruch geschaffen wurden, der den Arbeitsausfall ähnlich einer Betriebsunterbrechungsversicherung ausgleicht, weswegen kein Raum für die Zahlung von Kurzarbeitergeld bestehe.

    2. Stimmt die Sicht der Bundesagentur für Arbeit?

    Der Ausgleichsanspruch hat eine doppelte Zielrichtung (Gesetzesbegründung 16.4.20) und durchaus auch eine, die ebenso wie das Kurzarbeitergeld letztlich einen Entgeltausfall kompensieren soll (§ 95 Nr. 1 SGB III):

     

    • Zum einen soll der Ausgleichsanspruch zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung den Vertragsärzten die erheblichen Zusatzkosten zur Versorgung der Verdachts- und Erkrankungsfälle erstatten. Dieser Gedanke, die ärztliche Versorgung sicherzustellen, indem der zu erwartende Kostenanstieg in der Behandlung von Verdachts- und Erkrankungsfällen kompensiert wird, unterscheidet den Ausgleichsanspruch schon gedanklich von der Idee der Betriebsausfallversicherung.

     

    • Zum anderen ist aber auch davon auszugehen, dass bei den Vertragsärzten wirtschaftliche Schäden auftreten, die in Patientenrückgängen in Folge der Pandemie begründet sind. Durch den Ausgleichsanspruch sollen die Vertragsärzte also auch vor zu hohen Honorarminderungen bei verringerter Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen aufgrund von Patientenrückgängen infolge der Pandemie geschützt werden (iww.de/s3664).

    3. Was ist bei Ablehnungen/Rückforderungen zu beachten?

    Die Auffassung, dass der Ausgleichsanspruch nach SGB V einen systematischen Unterschied zum Kurzarbeitergeld aufweist, hat sich nun auch bei der Bundesagentur für Arbeit durchgesetzt. Diese hat mit der Weisung 202005005 vom 7.5.20 (iww.de/s3674) eingelenkt und klargestellt: „Leistungserbringer im Gesundheitswesen können grundsätzlich Kurzarbeitergeld erhalten“. Denn das Kurzarbeitergeld sei als Sozialleistung zur Stabilisierung von Beschäftigungsverhältnissen hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen nicht mit den Schutzschirmregelungen vergleichbar. Daher bestehe bei Vorliegen der Voraussetzungen nach §§ 95 ff. SGB III ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld.

     

    Gestützt auf die erste interne Weisung (24.4.20) gab es offenbar rückwirkende Ablehnungen für angezeigte Kurzarbeit ab dem 1.3.20 und ausgezahlte Beträge wurden zurückgefordert. Nachdem die Bundesagentur für Arbeit nun den Vertragsärzten mit der Weisung vom 7.5.20 einen Anspruch auf Kurzarbeit dem Grunde nach zugebilligt hat, wenn die Voraussetzungen der §§ 95 ff. SGB III vorliegen, ist dies in jedem Einzelfall zu prüfen. Der Ausgleichsanspruch wirkt nur für Leistungen aus der GKV und kann insoweit ‒ wenn er ausgezahlt wird ‒ einem Arbeitsausfall mit Entgeltausfall entgegenstehen.

     

    Gibt es also im Einzelfall eine Ausgleichszahlung nach § 87a Abs. 3b SGB V an den einzelnen Vertragsarzt, der dazu führt, dass der Entgeltausfall, der Grundlage für die Anzeige der Kurzarbeit war, rückwirkend entfällt, dann ist dies der Bundesagentur für Arbeit anzuzeigen und ggf. eine Rückzahlung vorzunehmen. In vielen Fällen wird aber auch dann eine pauschale Betrachtung ausscheiden, denn die Ausgleichszahlungen kompensieren keinen Entgeltausfall für IGEL-Leistungen und privatärztliche Leistungen sowie D-Arzt Leistungen.

     

    ZWISCHENFAZIT | Die Ausgleichszahlung ist nicht dazu gedacht, den Entgeltausfall für IGeL-Leistungen, privatärztliche Leistungen oder D-Arzt Leistungen zu kompensieren. Es wird demnach in jedem Fall zu entscheiden sein, ob nicht ergänzend zu den Leistungen nach § 87a Abs. 3b SGB V ein Bezug von Kurzarbeitergeld in Betracht kommt. Die Bundesagentur für Arbeit hat nun jedenfalls klargestellt, dass eine pauschale Rückforderung für sämtliche Kurzarbeitergeld-Zahlungen seit dem 1.3.20 an Vertragsärzte ausscheidet. Es lohnt sich für Vertragsärzte dafür zu kämpfen, dass ihnen ein geringer Anteil an Kurzarbeit für Arbeitnehmer verbleibt, weil daran auch der Entfall der gesamten Sozialversicherungsbeiträge hängt.

     

    4. Ausgleichszahlung oder Kurzarbeitergeld

    Ohnehin erscheint fraglich, ob Vertragsärzte gezwungen sind, auf Ausgleichszahlungen nach dem SGB V auszuweichen und diese zu beantragen, wenn der Bezug von Kurzarbeitergeld für sie im Einzelfall die günstigere Variante ist.

     

    Die Frage, welcher Ersatzleistung hier der Vorrang einzuräumen ist, hängt nicht zuletzt davon ab, ob der in § 87b Abs. 3b SGB V geschaffene Ausgleichsanspruch tatsächlich mit einer Betriebsausfallversicherung gleichzusetzen ist, wie es die Bundesagentur für Arbeit in ihrer internen Weisung unterstellt. Nur wenn dies der Fall wäre, dann würde der Bezug von Kurzarbeitergeld erst nachgelagert zu dem Ausgleichsanspruch nach SGB V greifen. Dies ergibt sich aus einer fachlichen Weisung zur Kurzarbeit vom 20.12.18. Hier stellt die Bundesagentur für Arbeit im Zusammenhang mit der „Betriebsrisikolehre“ fest, dass ein Arbeitgeber nicht von seiner Lohnzahlungspflicht durch Kurzarbeitergeld entlastet werden darf, wenn sein Betriebsrisiko anderweitig aufgefangen wird, etwa durch eine Betriebsunterbrechungsversicherung (iww.de/s3665).

     

    PRAXISTIPP | Insoweit wird wohl eine Entscheidung der Gerichte abzuwarten bleiben. Vertragsärzten ist aber auch in diesem Fall zu empfehlen, eine Rückforderung von Erstattungen auf Kurzarbeitergeld-Anzeigen nicht ohne Weiteres zu akzeptieren, sondern dies in jedem Einzelfall überprüfen zu lassen.

     

    Inwieweit bei einer Erstattung dann auch Arbeitnehmer Annahmeverzugslohnansprüche geltend machen können, hängt von der konkreten Vereinbarung mit den Arbeitnehmern ab, insbesondere davon, ob die Vereinbarung der Kurzarbeit unter den Vorbehalt der Bewilligung durch die Bundesagentur für Arbeit gestellt worden ist. Auch dies ist jeweils im Einzelfall zu prüfen.

     

    FAZIT | Die Bundesagentur für Arbeit hat nun jedenfalls klargestellt, dass eine pauschale Rückforderung für sämtliche Kurzarbeitergeld-Zahlungen seit dem 1.3.20 an Vertragsärzte ausscheidet.

     

    Die Ausgleichszahlung nach § 87a Abs. 3b SGB V soll nicht den Entgeltausfall für IGeL-Leistungen, privatärztliche Leistungen oder D-Arzt-Leistungen kompensieren, weswegen im Einzelfall zu entscheiden ist, ob nicht ergänzend ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld in Betracht kommt.

     

    Vertragsärzten ist aber in jedem Fall zu empfehlen, Rückforderungen von Kurzarbeitergeld nicht ohne Weiteres zu akzeptieren, sondern dies in jedem Einzelfall überprüfen zu lassen. Es lohnt sich, weil daran auch der Entfall der gesamten Sozialversicherungsbeiträge hängt. Letztlich werden Gerichte die Frage klären müssen.

     
    Quelle: Ausgabe 06 / 2020 | Seite 144 | ID 46575551

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