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  • · Fachbeitrag · 10. IWW-Kongress Praxis Ärzteberatung

    Verkauf einer Arztpraxis in Zeiten des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes

    von Dipl.-Volkswirt Katja Nies (www.praxisbewertung-praxisberatung.com)

    | Bereits zum zehnten Mal fand am 22.4.16 der IWW Kongress „Praxis-Ärzteberatung“ mit einem gewohnt breiten Themenspektrum zur steuerlichen und rechtlichen Beratung statt. Im Folgenden soll jedoch das Augenmerk auf dem aktuellen Brennpunkt Verkauf einer Arztpraxis liegen und den Konsequenzen, die sich aus dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz für die Gestaltung ergeben. |

    1. Nachbesetzungsverfahren bei Überversorgung (§ 103 SGB V)

    Der Verkauf einer Arztpraxis beinhaltet immer die Verpflichtung des Praxisabgebers, seine vertragsärztliche Zulassung durch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung (KV) ausschreiben zu lassen. Auf diese ausgeschriebene Zulassung kann sich der Kaufinteressent bewerben, und bei erfolgreicher Auswahl durch den Zulassungsausschuss wird er selbst zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

     

    Ein Nachbesetzungsverfahren mit den einzelnen unten aufgeführten Schritten kann unter Umständen bis zu sechs Monate dauern. Bei der Beratung des abgebenden Arztes sollten die folgenden Punkte, die jeweils mit aufgeführt sind, nicht aus den Augen verloren werden:

     

    • Grundschema

    1. Antrag auf Genehmigung der Ausschreibung der vertragsärztlichen Zulassung beim Zulassungsausschuss (ZA) - Formular auf der Homepage der zuständigen KV

     

    • Antragsteller ist der verkaufende Vertragsarzt oder seine Erben.
    • Falls bereits ein Nachfolger gefunden wurde, sollte als Bewerbungsfrist die Wochenfrist gewählt werden - dies kann als „Signal“ an andere Bewerber verstanden werden.
    • Der Antragsteller sollte keinen unbedingten Verzicht erklären, denn ein solcher Verzicht kann in der Regel nicht zurückgenommen werden.
    • Laut BSG (14.12.11, B 6 KA 13/11 R, GesR 12, 223), ist ein Verzicht unter Bedingungen grundsätzlich möglich. Eine Möglichkeit wäre z.B.: „ … unter dem Vorbehalt, dass ein Nachfolger bestandskräftig zugelassen wird …“

     

    2. Dem Antrag wird stattgegeben

    • Der ZA entscheidet mit einfacher Mehrheit; bei Stimmengleichheit gilt der Antrag als angenommen (§ 103 Abs. 3a S. 9 SGB V).
    • Gegen die Entscheidung des ZA muss unmittelbar Klage beim Sozialgericht erhoben werden. Der Berufungsausschuss kann nicht angerufen werden (§ 103 Abs. 3a S. 10 SGB V).

    3. Die KV muss den Sitz unverzüglich ausschreiben (§ 103 Abs. 4 S. 1 SGB V).

     

    4. Die KV hat dem Vertragsarzt und dem ZA die Bewerberliste zu übermitteln (§ 103 Abs. 4 S. 3 SGB V).

     

    5. Der Zulassungsausschuss wählt einen Bewerber aus (§ 103 Abs. 4 S. 4 SGB V).

     

    Neben dem im Gesetz ausdrücklich genannten Auswahlkriterien (wie z.B. berufliche Eignung, Approbationsalter, Dauer der ärztlichen Tätigkeit, Ehegatte, Lebenspartner, Kind oder angestellter Arzt des ausscheidenden Arztes, Dauer der Eintragung in die Warteliste) kann der ZA noch weitere Gesichtspunkte wie z.B. die Gewährleistung der Versorgungskontinuität berücksichtigen (BSG 20.3.13, B 6 KA 19/12R, GesR 13, 594).

     

    PRAXISHINWEIS | In einem möglichen, bereits geschlossenen Kaufvertrag zwischen dem abgebenden Arzt und seinem Wunschnachfolger sind Rücktrittsklauseln zu vereinbaren, falls der Fall eintreten sollte, dass der ZA aufgrund der o. a. Kriterien einen anderen Bewerber auswählen sollte als der abgebende Arzt.

     

    2. Die Ablehnung des Nachbesetzungsverfahrens droht

    Wenn eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist, kann (bis 140 %) bzw. soll (über 140 %) der ZA den Antrag auf Nachbesetzung ablehnen. Bestehen Zweifel, ob einem Ausschreibungsantrag stattgegeben wird, sollte im Vorfeld bei der zuständigen KV die Lage sondiert werden, um gegebenenfalls erst gar keinen Antrag auf Ausschreibung zu stellen bzw. ihn wieder rechtzeitig zurücknehmen zu können.

     

    2.1 Ausnahmen von der „Soll“-Regelung

    Von der Soll-Regelung gibt es die bereits bekannten Ausnahmen, wenn

     

    wenn der Nachfolger

    • Ehegatte, Lebenspartner oder Kind des Abgebers ist;
    • seit drei Jahren angestellter Arzt des Abgebers ist;
    • mit dem Abgeber seit mindestens drei Jahren in einem Job-Sharing-Modell zusammenarbeitet;
    • mindestens fünf Jahre in einem unterversorgten Gebiet tätig war;

     

    oder wenn besondere Versorgungsgründe vorliegen, z. B.:

    • Es besteht besonderer lokaler oder qualifikationsbezogener Versorgungsbedarf.
    • Der Arztsitz einer speziellen Fachrichtung wird weiter benötigt.
    • Es gibt Mitversorgungsaspekte (Alten- und Pflegeheime).
    • Versorgungsbedürfnisse von Menschen mit Behinderung sind zu berücksichtigen.

     

    Zum Ausnahmetatbestand des Job-Sharing in einem für die betroffene Fachgruppe gesperrten Gebiet ist Folgendes anzumerken:

     

    • Es muss eine Fachgebiets- bzw. Facharztidentität des anzustellenden Arztes bestehen.
    • Die Job-Sharing-Obergrenze ist einzuhalten: Es werden die von der gesamten Praxis abgerechneten Punkte der letzten vier Quartale je Quartal „eingefroren“ und zusätzlich wird ein Zuschlag von einmalig drei Prozent der abgerechneten Punktzahlen des Fachgruppendurchschnitts auf diese Quartale addiert. Leistungen, die in Euro vergütet werden, sind nicht von der Begrenzung betroffen (z.B. Laborkosten, DMP-Programme), genauso wenig die Behandlung und Abrechnung von Privatpatienten.
    • Es muss ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen werden.
    • Die vorherige Genehmigung des ZA ist einzuholen.

     

    Eine Alternative zum Job-Sharing-Modell kann eine Zulassungsteilung sein, entweder durch Sitzteilung und Verkauf eines halben Sitzes oder durch Sitzteilung und Anstellung auf dem halben Sitz. Bei beiden Varianten muss der Praxisinhaber einen Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens bei dem zuständigen ZA stellen.

     

    2.2 Möglichkeiten zur strategischen Mandantenberatung

    Neben den bereits bekannten Ausnahmen von der „Soll-Regelung“, können in der gestaltenden Beratung auch folgende Möglichkeiten in Erwägung gezogen werden:

    • Deal mit der KV: Gemäß § 105 SGV können die KVen einen freiwilligen Verzicht auf eine Ausschreibung zur Nachbesetzung in einem gesperrten Planungsbereich finanziell fördern; z. B. auch durch den Aufkauf der Arztpraxis. Dies könnte bei Tod, Berufsunfähigkeit, eingetretener oder unmittelbar bevorstehender Entziehung der Zulassung eine überlegenswerte Möglichkeit sein - dürfte aber auch stark abhängig von der „angebotenen finanziellen Förderung“ sein.

     

    • Weiterarbeit als Angestellter im MVZ oder bei einem Vertragsarzt: Der Vertragsarztsitz wird in das MVZ bzw. in die Praxis des anstellenden Arztes verlegt - d.h. der abgebende Arzt verzichtet auf seine Zulassung und arbeitet als angestellter Arzt weiter. Dies geht nur, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen.

     

    PRAXISHINWEIS | Vorteile dieser vorausschauenden gestaltenden Beratung: Es ist kein Antrag auf Nachbesetzung der Arztstelle nötig, und die spätere Rückumwandlung der Arztstelle in eine Zulassung ist möglich. Dies ist selbstredend keine Handlungsalternative bei Tod, Berufsunfähigkeit oder aber auch bei bereits eingetretener oder kurz bevorstehender Einziehung der Zulassung.

     

    Was muss bei der Rückumwandlung einer Arztstelle in eine Zulassung beachtet werden? Auf Antrag des anstellenden Arztes kann die Arztstelle, auf der der angestellte Arzt seit mindestens zwei Quartalen beschäftigt ist, wieder in eine Zulassung umgewandelt werden, und zwar bei einem Tätigkeitsumfang von mindestens

    • 31 Stunden die Woche: in eine Vollzulassung,
    • 20 Stunden die Woche: in eine Teilzulassung.

    Wenn nicht der bisher angestellte Arzt, sondern ein anderer Arzt die Zulassung erhalten soll, muss neben dem o. a. Umwandlungsantrag zusätzlich ein Antrag auf Genehmigung der Ausschreibung und Nachbesetzung erfolgen.

     

    PRAXISHINWEIS | Bei allen Handlungsoptionen rund um eine Anstellung müssen unbedingt nicht nur die abrechnungstechnischen Details im Blick behalten werden (Stichworte: genehmigungspflichtige Leistungen, QZV, Sonderbedarf etc.), sondern auch eine mögliche Gewerbesteuerpflicht (Stichwort: persönliche Leitung).

     

    Bei der Nachbesetzung einer Arztstelle innerhalb einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) gibt es noch zusätzliche Aspekte zu beachten:

     

    • Bei der Nachbesetzung einer Arztstelle innerhalb einer BAG werden die Interessen der verbleibenden Ärzte abhängig von Dauer und Intensität der bisherigen Zusammenarbeit berücksichtigt (Problem: nicht bzw. nur schwer messbar).

     

    • Der Bewerber muss den Willen zur Fortführung der Praxis haben: ein Zeitraum von fünf Jahren ist hierfür ausreichend. (BSG 11.12.13, B 6 KA 49/12 R, GesR 14, 290).

     

    • Die Interessen der verbleibenden Ärzte haben nur geringes Gewicht, wenn die BAG erkennbar dazu gegründet wurde, um Einfluss auf das Nachbesetzungsverfahren zu erlangen.

     

    • Dritte sind nicht berechtigt, die anderen Ärzten erteilte Genehmigung zur Gründung einer BAG anzufechten, auch wenn diese offensichtlich nur zu dem Zweck erfolgte, Einfluss auf ein Nachbesetzungsverfahren zu nehmen.

     

    • Ein Bewerber ist den verbleibenden Ärzten u.a. nicht zumutbar, wenn zwischen der BAG, der der ausscheidende Arzt angehört, und dem Bewerber ein Konkurrenzverhältnis besteht (BSG 22.10.14, B6 KA 44/13 R, GesR 15, 243).

    3. Der Antrag auf Nachbesetzung wurde abgelehnt

    Falls der Antrag auf Nachbesetzung endgültig abgelehnt werden sollte, muss die KV den Abgeber in Höhe des Verkehrswerts entschädigen (§ 103 Abs. 4 S. 1 SGB V).Diese Festsetzung des Verkehrswerts erfolgt durch einen Verwaltungsakt, gegen den gerichtlich vorgegangen werden kann. Auch wenn ein diesbezügliches Gerichtsverfahren bisher noch nicht bekannt ist, so hat doch zumindest die amtliche Begründung des Ausschusses für Gesundheit (BT-Drucksache 18/5123, 130) dafür gesorgt, dass einige Unklarheiten, die bis dato noch bestanden hatten, beseitigt wurden:

     

    • Der Verkehrswert ist zu ermitteln, der bei Fortführung der Praxis durch einen Praxisnachfolger anzusetzen gewesen wäre.
    • Dementsprechend sind sowohl der materielle als auch der immaterielle Wert der Praxis zu ermitteln.
    • Folgeschäden, die z.B. aufgrund von längerfristigen Verträgen entstehen können, werden ersetzt.
    • Der abgebende Arzt ist hierbei zur Schadensminderung verpflichtet.
    • Etwaige Vermögensvorteile des abgebenden Arztes werden auf die Entschädigung angerechnet.

     

    Trotz der o. a. hilfreichen Präzisierungen bleiben folgende Probleme bestehen:

     

    • Der mithilfe eines Bewertungsverfahrens ermittelte Praxiswert einer Arztpraxis ist oft nicht mit dem dann tatsächlich am Markt bezahlten Kaufpreis identisch. Gerade in attraktiven Innenstadtlagen, wie z. B. in München, können abgebende Ärzte wegen der begehrten Zulassung in den Verkaufsverhandlungen regelmäßig einen höheren Kaufpreis als den ermittelten Praxiswert durchsetzen. Die Zulassung darf als öffentlich-rechtliches Gut vom Sachverständigen nicht mit einem eigenen Wert in die Bewertung einfließen. De facto kann die Zulassung aber den Kaufpreis erhöhen. Dies würde bei einer Einziehung der Zulassung dem jeweiligen bisherigen Praxisinhaber nicht erstattet werden.

     

    • Die KVen und damit die jeweilige in der KV organisierte Ärzteschaft müssen für die Entschädigungen der Kollegen aufkommen. Es werden hierfür bereits Rücklagen gebildet; inwieweit diese dann ausreichen werden, wird die Zukunft zeigen.

     

    • Es ist auch noch nicht geklärt, welcher Rechtsweg dem betroffenen Arzt offen steht - entweder die Zivilgerichtsbarkeit (Art 14 Abs. 3 S. 3) oder die Sozialgerichtsbarkeit.

    4. Fazit

    Sowohl mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG zum 1.1.12) als auch dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG zum 23.7.15) soll eine wohnortnahe und bedarfsgerechte Versorgung der Patienten auch in Zukunft sicher gestellt werden: die Unterversorgung in ländlichen bzw. strukturschwachen Gebieten soll verbessert werden bei gleichzeitiger Reduzierung von Überversorgung in attraktiven Lagen.

     

    Ursprünglich war vorgesehen, dass die KVen bereits bei einem Versorgungsgrad von 110 % die Arztsitze aufkaufen sollten. Durch die Proteste der Ärzteschaft wurde zum einen die Grenze auf 140 % hoch gesetzt, und zum anderen wurde eine Reform der Bedarfsplanung beschlossen.

     

    Durch die Berücksichtigung kleinerer Planungsbereiche sowie weiterer Kriterien (wie soziale Faktoren, Morbidität, Erreichbarkeit der Praxis…) soll die Bedarfsplanung zielgenauer werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) soll bis Ende 2016 die Bedarfsplanungsrichtlinie dementsprechend überarbeiten.

     

    Abgeber von Arztpraxen in überversorgten „Innenstadtlagen“ wird die neue Bedarfsplanungsrichtlinie wohl nicht vor einem drohenden Aufkauf ihrer Praxis retten. Sie sollten rechtzeitig alternative Gestaltungsmodelle für die Praxisübergabe in Erwägung ziehen.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2016 | Seite 168 | ID 44045718

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