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  • · Umsatzsteuer

    Neuere Entwicklungen im Umsatzsteuerrecht für Angehörige der Heilberufe

    Bild: © Slowlifetrader ‒ stock.adobe.com

    von StB Philipp Peplowski, Köln, www.laufmich.de

    | Der Beitrag erörtert aktuelle Entwicklungen im deutschen Umsatzsteuerrecht mit besonderem Fokus auf medizinischen Leistungen. Zunächst wird die lange umstrittene Abgrenzung zwischen ambulanten und Krankenhausleistungen bei der Umsatzsteuerbefreiung beleuchtet. Anschließend werden die Problematik des unrichtigen Steuerausweises (§ 14c UStG) thematisiert sowie die Auswirkungen einer neuen EuGH-Rechtsprechung, die eine Umsatzsteuererstattung auch ohne Rechnungsberichtigung ermöglicht. Abschließend wird ein Urteil des FG Berlin-Brandenburg zu Kooperationsverträgen zwischen niedergelassenen Ärzten und Pflegeheimen analysiert. |

    1. Ambulante Heilbehandlung oder Krankenhausleistung?

    1.1 Abgrenzungskriterium

    Bei der Abgrenzung zwischen umsatzsteuerfreien ambulanten Heilbehandlungen und umsatzsteuerfreien Krankenhausleistungen geht es primär um den Ort der Leistungserbringung und weniger um die Art der Leistung selbst.

     

    • § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG bezieht sich auf Leistungen, die in Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, die mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen anerkannten Einrichtungen gleicher Art erbracht werden. Diese werden als Krankenhausleistungen zusammengefasst. Um unter § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG zu fallen, benötigt man für medizinische Labore beispielsweise eine Krankenhauszulassung oder eine MVZ-Zulassung.

     

    • § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG betrifft dagegen Leistungen, die außerhalb von Krankenhäusern oder ähnlichen Einrichtungen, z. B. in Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort erbracht werden. Dies sind die ambulanten Gesundheitsleistungen.

     

    Beachten Sie | Gemäß dem EuGH-Urteil Peters (18.9.19, C-700/17) und der nachfolgenden Entscheidung des BFH (18.12.19, XI R 23/19)

    • dient Buchstabe a als Auffangtatbestandsnorm, wenn die Voraussetzungen für Buchstabe b nicht erfüllt sind;
    • ist das persönliche Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Behandelndem kein entscheidendes Abgrenzungskriterium mehr. Diese noch lange von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung wurde durch das EuGH-Urteil Peters verworfen. Die Steuerbefreiung darf nicht von einem solchen Vertrauensverhältnis abhängig gemacht werden.

     

    Sind also die Voraussetzungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG nicht erfüllt, kann sich der Unternehmer hilfsweise auf § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG berufen und so in den Genuss der Umsatzsteuerbefreiung kommen.

     

    1.2 Umsetzung durch die Finanzverwaltung

    Entsprechend hat die Finanzverwaltung in Abschn. 4.14.1 Abs. 1 UStAE festgehalten, dass „Kriterium für die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von § 4 Nr. 14 Buchst. a und Buchst. b UStG (...) weniger die Art der Leistung (ist) als vielmehr der Ort ihrer Erbringung.“ Das Merkmal „Vertrauensverhältnis“ ist damit stillschweigend weggefallen (BMF 10.10.23, BStBl I 23, 1794).

     

    Es ist jedoch anzumerken, dass die Finanzverwaltung die Anwendung des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG als Auffangtatbestand im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (Abschn. 4.14.5 Abs. 9 UStAE) zunächst nur isoliert für medizinische Analysen aufgenommen hat. Dort heißt es, dass medizinische Analysen klinischer Chemiker und von Laborärzten sowohl nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG als auch nach § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 2 Doppelbuchst. bb oder cc UStG steuerfrei sein können (mit Verweis auf BFH 18.12.19, XI R 23/19 (XI R 23/15)), sofern die Leistungen im Rahmen einer Heilbehandlung erbracht werden.

     

    Diese Differenzierung ist als sehr kleinteilig zu betrachten. Es kann erwartet werden, dass diese Regelung zukünftig auf alle Fachgruppen erweitert werden muss, einschließlich beispielsweise Privatkliniken, die nicht die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG erfüllen. Zu dem Anwendungsfall einer Privatklinik kann sich der BFH im Rahmen der laufenden Revision unter dem Aktenzeichen V R 2/25 positionieren.

     

    ZWISCHENFAZIT | Für die Abgrenzung lässt sich zusammenfassen: Maßgeblich ist der Ort der Leistungserbringung. Leistungen in Krankenhäusern oder vergleichbaren Einrichtungen fallen unter Buchstabe b, während Leistungen außerhalb solcher Einrichtungen unter Buchstabe a fallen, wobei Buchstabe a als Auffangnorm dient, wenn die Voraussetzungen für Buchstabe b nicht erfüllt sind. Das Kriterium des persönlichen Vertrauensverhältnisses spielt keine Rolle mehr.

     

    1.3 Welche Ärzte sind hiervon betroffen

    Diese Änderung in der Auslegung von § 4 Nr. 14 Buchst. a und b UStG sind für eine Vielzahl von Ärzten und Arztgruppen relevant:

     

    • Laborärzte und medizinische Labore: Für diese Gruppe ist die Änderung besonders relevant, da lange unklar war, ob ihre Leistungen unter Buchstabe a (ambulante Leistungen) oder Buchstabe b (Krankenhausleistungen oder ähnliche Einrichtungen) fallen. Das EuGH-Urteil Peters stellte klar, dass Buchstabe a als Auffangtatbestandsnorm dient, wenn die Voraussetzungen für Buchstabe b (z. B. keine Krankenhaus- oder MVZ-Zulassung) nicht erfüllt sind. Das Kriterium des persönlichen Vertrauensverhältnisses wurde als Abgrenzungsmerkmal aufgegeben, was für Laborärzte, die oft keinen direkten Patientenkontakt haben, von großer Bedeutung ist.

     

    • Zweitbefunder: Da Zweitbefunder in der Regel keinen direkten Patientenkontakt haben, ist für sie ebenfalls relevant, dass das persönliche Vertrauensverhältnis kein entscheidendes Kriterium mehr ist. Sie können nun leichter unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG fallen, wenn die Voraussetzungen für Buchstabe b nicht gegeben sind.

     

    • Ärzte in der Telemedizin: Die Klarstellung, dass Online-Sprechstunden per Video-Stream mit direktem Austausch zwischen Arzt und Patient unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfrei sind, ist für Ärzte, die telemedizinische Leistungen anbieten, entscheidend. Auch telefonische oder digitale Beratungsgespräche werden nun explizit als Heilbehandlungsleistungen angesehen. Das Wegfallen des Kriteriums des persönlichen Vertrauensverhältnisses ist auch in diesem Bereich relevant, da der Kontakt digital erfolgt (BMF 29.4.24, BStBl I 24, 726).

     

    • Ärzte, die als Kapitalgesellschaften auftreten: Auch für Ärzte, die ihre Leistungen über Kapitalgesellschaften erbringen, ist das entfallene Abgrenzungsmerkmal des persönlichen Vertrauensverhältnisses bedeutsam, da hier die Gesellschaft und nicht der einzelne Arzt im Vordergrund steht (vgl. BFH 21.4.21, XI R 12/19, Rz. 33).

    2. Unrichtiger/unberechtigter Steuerausweis (§ 14c UStG)

    § 14c UStG befasst sich mit dem unrichtigen und unberechtigten Ausweis von Umsatzsteuer. Grundsätzlich gilt: Wenn ein Unternehmer eine umsatzsteuerfreie Leistung erbringt, aber fälschlicherweise Umsatzsteuer auf der Rechnung ausweist, schuldet er diese zu Unrecht ausgewiesene Steuer trotzdem. Dies soll eine Gefährdung des Steueraufkommens verhindern, die sich aus dem Vorsteuerabzugsrecht ergeben kann. Um die zu viel gezahlte Umsatzsteuer im Falle eines unrichtigen Steuerausweises zurückzuerhalten, muss die Rechnung in der Regel korrigiert werden. Im Bereich der Patientenbehandlung, die oft ein Massengeschäft darstellt, kann die Korrektur einer großen Anzahl von Rechnungen (z. B. bei Anwendung eines falschen Steuersatzes) sehr aufwendig und unpraktikabel sein.

     

    2.1 Unterscheidung

    Die Unterscheidung zwischen unrichtigem und unberechtigtem Ausweis der Umsatzsteuer bezieht sich auf unterschiedliche Situationen, in denen Umsatzsteuer fälschlicherweise in einer Rechnung ausgewiesen wird:

     

    • Unrichtiger Steuerausweis (§ 14c Abs. 1 UStG): Ein unrichtiger Steuerausweis liegt vor, wenn ein Unternehmer in einer Rechnung für eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag oder einen höheren Prozentsatz ausweist, als er gesetzlich schuldet.

     

      • Beispiel

      Ein Physiotherapeut rechnet fälschlicherweise eine Heilbehandlungsleistung mit 19 % Umsatzsteuer ab, obwohl der ermäßigte Steuersatz von 7 % anzuwenden wäre oder die Leistung sogar steuerfrei wäre. In diesem Fall ist der ausgewiesene Steuerbetrag unrichtig, da er zu hoch ist.

       

    Gemäß § 14c Abs. 1 UStG schuldet der Unternehmer den zu hoch ausgewiesenen Steuerbetrag. Um diesen Betrag vom FA zurückzufordern, muss die Rechnung in der Regel korrigiert werden.

     

    • Unberechtigter Steuerausweis (§ 14c Abs. 2 UStG): Ein unberechtigter Steuerausweis liegt vor, wenn ein Unternehmer Umsatzsteuer ausweist, obwohl er keine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung erbracht hat oder obwohl er nicht zum Ausweis von Umsatzsteuer berechtigt ist.

     

      • Beispiele
      • Ein Kleinunternehmer weist Umsatzsteuer in einer Rechnung aus, obwohl er gemäß § 19 UStG von der Umsatzsteuer befreit ist und daher keine Umsatzsteuer ausweisen darf.
      • Ein Nichtunternehmer stellt eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis aus.
      • Ein Unternehmer weist Umsatzsteuer für eine Lieferung oder Leistung aus, die tatsächlich nicht stattgefunden hat.
       

    Gemäß § 14c Abs. 2 UStG schuldet der Aussteller den gesamten ausgewiesenen Steuerbetrag, auch wenn keine oder eine steuerfreie Leistung erbracht wurde oder keine Berechtigung zum Steuerausweis bestand.

     

    2.2 Problematik des § 14c UStG im ärztlichen Bereich

    Die Problematik des § 14c UStG war im ärztlichen Bereich durchaus relevant, beispielsweise bei Leistungen, deren Steuerbefreiung sich erst durch spätere Rechtsprechung klärte (wie Kryokonservierung) oder bei Unsicherheiten in der korrekten Steueranwendung (Physiotherapie, Privatkliniken, Privatlabore). Wenn in solchen Fällen fälschlicherweise Umsatzsteuer ausgewiesen wurde, war es oft schwierig, die zu viel gezahlte Steuer aufgrund des Korrekturerfordernisses nach § 14c UStG zurückzufordern.

     

    Allerdings hat ein Urteil des EuGH (8.12.22, C-378/21) in einem Fall, der einen österreichischen Indoor-Spielplatz betraf, eine wichtige Klarstellung gebracht. Der EuGH entschied, dass die Umsatzsteuer nicht nach § 14c UStG entsteht, wenn ein unrichtiger Steuerausweis gegenüber Endverbrauchern erfolgt. Die Begründung liegt darin, dass bei Leistungen an Endverbraucher (Nichtunternehmer oder Unternehmer, die die Leistung für ihren privaten Bereich beziehen) keine Gefahr für das Steueraufkommen durch einen möglichen Vorsteuerabzug besteht. Diese Rechtsprechung wurde auch schon von einigen Finanzgerichten aufgenommen (FG Köln 25.7.23, 8 K 2452/21, Revision (V R 16/23) durch FA zurückgenommen, zu PZA-Leistungen; FG Hamburg 16.2.23, 6 K 86/22, Rev. BFH XI R 7/23, zu Versicherungsleistungen; FG Hamburg 16.2.23, 6 K 239/21, Rev. BFH XI R 5/23 , zu Fitnessstudios).

     

    2.3 Finanzverwaltung passt ihre Auffassung an

    Das BMF (27.2.24, BStBl I 24, 361) hat bereits die Rechtsauffassung des EuGH übernommen. Demnach fällt keine „14c-Steuer" an, wenn ein unrichtiger Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG oder ein Steuerausweis durch Kleinunternehmer nach § 14c Abs. 2 UStG erfolgt und die Leistung an einen Endverbraucher erbracht wurde. Als Endverbraucher gelten Nichtunternehmer und Unternehmer, die nicht als solche handeln (insbesondere bei Leistungsbezug für ihren privaten Bereich). Das BMF führt in diesem Zusammenhang aus, dass dies insbesondere für Leistungen gilt, die ihrer Art nach mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht für das Unternehmen, sondern für den privaten Gebrauch bestimmt sind. Hierzu zählen Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie Leistungen von Zahnärzten (also Leistungen i. S. v. Abschn. 3a.2 Abs. 11a UStAE).

     

    Beachten Sie | Die im BMF-Schreiben dargestellte Ausnahme von der „14c-Steuer“ bei Leistungen an Endverbraucher bezieht sich primär auf den unrichtigen Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG und den Steuerausweis durch Kleinunternehmer (§ 14c Abs. 2 UStG i. S. d. BMF-Schreibens) gegenüber Endverbrauchern. In anderen Fällen des § 14c Abs. 2 UStG (z. B. Nicht-Unternehmer oder keine Leistungserbringung) entsteht die „14c-Steuer“ auch bei Ausweis gegenüber Endverbrauchern. Es ist somit im Regelfall nicht mehr zwingend erforderlich, jede einzelne Rechnung zu korrigieren, um die fälschlicherweise ausgewiesene und abgeführte Umsatzsteuer für Leistungen an Patienten zurückzufordern.

     

    Es ist wichtig zu betonen, dass diese Erleichterung bei § 14c UStG ausschließlich für Leistungen an Endverbraucher gilt. Da Patienten in der Regel als Endverbraucher anzusehen sind, spielt § 14c UStG für die meisten ärztlichen Heilbehandlungsleistungen praktisch keine Rolle mehr, wenn es um fälschlicherweise ausgewiesene Umsatzsteuer geht.

     

    2.4 Bedeutung für die Beratung im Gesundheitswesen

    Für die Ärzteberatung bedeutet dies, dass § 14c UStG nach Ansicht des BMF praktisch keine Rolle mehr spielt, wenn es um Leistungen an Patienten geht, die fälschlicherweise mit Umsatzsteuer abgerechnet wurden, obwohl sie steuerfrei gewesen wären. In solchen Fällen soll die zu viel gezahlte Steuer auch ohne Rechnungsberichtigung erstattet werden können.

     

    Betroffen sind im Gesundheitsbereich alle Unternehmer, die fälschlicherweise Umsatzsteuer ausgewiesen haben, obwohl die Leistung steuerfrei gewesen wäre, aber auch alle, bei denen die Rechtsprechung die Leistung nunmehr anders beurteilt, weil sie nun z. B. unter den Auffangtatbestand des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG (vgl. Tz. 1) fallen oder weil die Umsatzsteuerbefreiung zwischenzeitlich erstritten wurde (vgl. Kryokonservierung). Aber auch der Physiotherapeut, der fälschlicherweise 19 % statt 7 % USt abgerechnet hat, profitiert von der Erleichterung, da eine Korrektur aller Einzelrechnungen nicht zwingend erforderlich ist, um die zu viel gezahlte Steuer zurückzuerhalten, wenn die Leistungen an Endverbraucher erbracht wurden.

     

    Betroffenen Heilberuflern ist Folgendes zu raten:

     

    • Die Leistungen prüfen, ob sie mit dem richtigen Steuersatz fakturiert wurden oder ob nicht doch eine Steuerbefreiung infrage kommt.
    • Berufung auf das BMF-Schreiben i. V. m. Abschn. 3a.2 Abs. 11a S. 4 UStAE.
    • Rückforderung der zu viel gezahlten Umsatzsteuer mittels Änderungsantrag; dabei glaubhaft begründen, dass die Leistungen an Endverbraucher erbracht wurden. Bei Heilbehandlungsleistungen an Patienten wird das unproblematisch sein.

     

    ZWISCHENFAZIT | Zusammenfassend geht es bei § 14c UStG darum, dass ein fälschlicher Ausweis von Umsatzsteuer grundsätzlich zur Fortzahlung dieser Steuer verpflichtet. Durch die jüngste EuGH-Rechtsprechung und die Reaktion des BMF gibt es jedoch eine wesentliche Ausnahme für Leistungen an Endverbraucher, insbesondere im Bereich der Heilbehandlungen, wodurch die praktische Bedeutung des § 14c UStG in der Ärzteberatung deutlich reduziert wurde.

     

    3. Zusammenarbeit (ambulant/stationär) in der Pflege

    Im letzten Teil dieses Beitrags geht es um die Zusammenarbeit von niedergelassenen Ärzten mit Pflegeheimen und damit um einen Fall, der dem FG Berlin-Brandenburg (14.2.24, 7 K 7004/22, Rev. BFH V R 5/24) vorlag.

     

    3.1 Sachverhalt

    Die vertragliche Konstruktion im Sachverhalt der Care-Plus-Verträge zwischen Pflegeheim, Ärzten und Krankenversicherung stellte sich wie folgt dar: Es bestanden Kooperationsverträge direkt zwischen einer MVZ GbR (als Vertreter der Ärzte) und den örtlichen Alten- und Pflegeheimen. Diese Verträge wurden als sogenannte „Care-Plus-Verträge“ bezeichnet. Ziel dieser Verträge war es, das Hin- und Herpendeln der Bewohner zwischen Krankenhaus und Pflegeheim zu vermeiden und Krankheitskosten zu senken. Die Leistungen des Arztes gegenüber den Pflegeheimen umfassten regelmäßige Visiten (einschließlich Sofortbehandlungen), Rufbereitschaft, die Koordinierung des ärztlichen Therapieplans und der Medikation unter Einbeziehung von Fachärzten sowie die Integration des Heimpersonals. Für diese Leistungen zahlte das Pflegeheim an den Arzt eine Pauschale von 1,60 EUR pro eingeschriebenem Heimbewohner und pro Belegungstag. Zusätzlich zu dieser Pauschale erfolgte eine Abrechnung der konkret erbrachten Heilbehandlungsleistungen (soweit möglich) für beispielsweise notwendige Sofortbehandlungen im Rahmen der Visiten gegenüber der jeweiligen Krankenversicherung des Patienten (private oder gesetzliche Krankenversicherung). Vertraglich war eine doppelte Abrechnung des Arztes für dieselbe Leistung gegenüber der Krankenkasse und dem Pflegeheim ausgeschlossen! Die Pauschale vom Pflegeheim deckte somit Leistungen ab, die nicht von den Krankenkassen vergütet wurden, während spezifische Behandlungen über die Krankenversicherung abgerechnet wurden.

     

    Die Betriebsprüfung beanstandete im Fall der Care-Plus-Verträge Folgendes: Sie war der Auffassung, dass die MVZ GbR für die Leistungen von zwei Seiten Geld erhalten habe (vom Pflegeheim und von den Krankenkassen der Patienten). Sie sah die Zahlungen des Pflegeheims an den Arzt (die Pauschale von 1,60 EUR pro Heimbewohner und Belegungstag) als eine reine Provisionszahlungen an, für die das MVZ vergütet worden sei. Die Betriebsprüfung war der Ansicht, dass die eigentlichen Heilbehandlungsleistungen über die Krankenversicherung abgerechnet würden. Daraus folgerte die Betriebsprüfung, dass die Zahlungen des Pflegeheims an die MVZ GbR steuerpflichtig seien. Sie würden „ausschließlich [der] Arztbindung“ dienen und stünden nicht mit einer Heilbehandlungsleistung in Verbindung.

     

    3.2 Die Sicht des FG Berlin-Brandenburg

    Das FG Berlin-Brandenburg folgte dieser Auffassung jedoch nicht. Es stufte die Leistungen der MVZ GbR als steuerfreie Heilbehandlungsleistungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG ein. Pflegeheime würden nach der allgemeinen Lebenserfahrung von Personen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen bewohnt werden. Daraus schloss das Gericht, dass die regelmäßigen Visiten der Ärzte im Pflegeheim dem Schutz der Gesundheit dieser Bewohner dienen. Das Gericht sah die regelmäßigen Visiten einschließlich notwendiger Sofortbehandlungen, die Rufbereitschaft in der Nacht und außerhalb der üblichen Dienstzeiten sowie die Rezeptur und Medikation als eigenständige Heilbehandlungsleistungen an. Weiterhin wurden die Fallbesprechung und die Überweisung an Fachärzte als jeweils ein Teil der Heilbehandlungen betrachtet. Die vom MVZ erbrachte Organisation der medizinischen Versorgung wurde als unselbstständige Nebenleistung zur Heilbehandlung eingeordnet und teilte somit umsatzsteuerlich das Schicksal der umsatzsteuerfreien Hauptleistungen. Das Gericht betonte also, dass die organisatorischen Aspekte nicht getrennt betrachtet und als steuerpflichtig behandelt werden könnten, da sie untrennbar mit dem Ziel der Heilbehandlung verbunden seien. Der Umstand, dass die Vergütung hierfür pauschaliert durch das Pflegeheim gezahlt wurde, änderte an der Qualifikation als Teil der steuerfreien Heilbehandlungsleistung nichts (Rz. 82).

     

    3.3 Relevanz für die Praxis

    Die Problematik von derartigen „Care-Plus-Verträgen“ liegt in der umsatzsteuerlichen Einordnung der Leistungen und in der konkreten Vertragsgestaltung.

     

    3.3.1 § 4 Nr. 14 UStG ‒ Buchstabe a oder Buchstabe b?

    Das FG Berlin-Brandenburg bejahte die Steuerbefreiung nach Buchstabe a. Das ist jedoch bemerkenswert, denn eine Einordnung nach Buchstabe b wäre möglich und auch geboten gewesen, da ein zugelassenes MVZ als „Zentrum“ i. S. dieser Vorschrift einzuordnen ist. Diese unterschiedliche Einordnung hat praktische Auswirkungen. Unter § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG könnten auch eng verbundene Umsätze steuerfrei sein, wie beispielsweise Geräte- und Personalüberlassungen sowie Verpflegungsleistungen. Hätte es solche Leistungen im Rahmen der Care-Plus-Verträge gegeben, wäre die korrekte Einordnung unter Buchstabe b relevant gewesen. Das FG Berlin-Brandenburg jedenfalls hat die Anwendung von § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG trotz MVZ-Zulassung nicht geprüft. Nach Ansicht der Finanzverwaltung sind MVZ pauschal dem Anwendungsbereich des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG als „Zentren“ zuzuordnen (Abschn. 4.14.5 Abs. 10 UStAE).

     

    3.3.2 Konkrete vertragliche Gestaltung

    Die Verträge müssen klar regeln, dass für ein und dieselbe Leistung nicht sowohl das Pflegeheim als auch die Krankenversicherung des Heimbewohners aufkommt. Im besprochenen Fall war vertraglich ausgeschlossen, dass der Arzt Leistungen doppelt abrechnet. Die Betriebsprüfung hatte jedoch argumentiert, dass die Zahlungen des Pflegeheims eine Art exklusive Bereitstellung vergüten würden, während die eigentlichen Heilbehandlungen über die Krankenversicherung abgerechnet würden, was sie als steuerpflichtig ansah. Das FG wies diese Ansicht zurück, betonte aber die Bedeutung des im Vertrag festgehaltenen Doppelabrechnungsverbots.

     

    Die Zahlungen des Pflegeheims an den Arzt dürfen nicht als reine Vergütung für die Möglichkeit, Patienten des Heims behandeln zu können (Provisionszahlung), angesehen werden, sondern müssen eine Gegenleistung für tatsächlich erbrachte medizinische Leistungen darstellen. Andernfalls könnte die Steuerbefreiung für Heilbehandlungen infrage gestellt werden.

     

    In diesem Zusammenhang soll nur angedeutet werden, das, falls Praxen/MVZ gegründet werden, deren primäres Ziel die Versorgung von Pflegeheimen ist, hierdurch möglicherweise die Verpflichtung zur Vorhaltung von Sprechstunden in den eigenen Räumlichkeiten des MVZ vernachlässigt wird. Dies könnte zu Konflikten mit den Zulassungsvorschriften führen.

     

    3.4 Sozialversicherungsrechtliche Risiken

    Insbesondere bei Einzelpraxen, die hauptsächlich oder ausschließlich für ein Pflegeheim im Rahmen eines solchen Vertrags tätig sind, besteht die Gefahr, dass der Arzt nicht mehr als selbstständig, sondern als weisungsgebundener Arbeitnehmer eingestuft wird.

     

    Wenn ein niedergelassener Arzt, beispielsweise ein Allgemeinmediziner mit einer Einzelpraxis, einen Kooperationsvertrag mit einem oder wenigen Pflegeheimen abschließt und tatsächlich nur oder überwiegend für dieses eine Pflegeheim tätig ist, besteht die Gefahr, dass er sozialversicherungsrechtlich nicht mehr als selbstständig, sondern als weisungsgebundener Arbeitnehmer eingestuft wird.

     

    Die Deutsche Rentenversicherung Bund könnte nachträglich Sozialversicherungsbeiträge für den Arzt und das Pflegeheim als vermeintlichen Arbeitgeber erheben. Obwohl ein Kooperationsvertrag vorliegen mag, kann die tatsächliche Einbindung in die örtliche Einheit des Pflegeheims und die Abhängigkeit von diesem einzigen Auftraggeber ein Indiz für eine Scheinselbstständigkeit sein. Es ist daher ratsam, insbesondere bei Einzelärzten, die schwerpunktmäßig oder ausschließlich in Pflegeheimen tätig sind, die sozialversicherungsrechtliche Situation genau zu prüfen und gegebenenfalls rechtlichen Rat einzuholen, um das Risiko einer nachträglichen Beitragserhebung zu minimieren. Absicherung kann ein Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung Bund bieten. Dieser Aspekt muss bei der Gestaltung solcher Kooperationsverträge unbedingt beachtet werden.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2025 | Seite 163 | ID 50358025