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  • · Musterfall

    Wegzugsbesteuerung und Gestaltungsmöglichkeiten am Beispiel einer Influencerin

    Bild: © Fokasu Art ‒ stock.adobe.com

    von Prof. Dr. Alexander Kratzsch, Bünde

    | Die zunehmende Internationalisierung wirtschaftlicher Tätigkeiten und der Trend zur ortsunabhängigen Arbeit führen vermehrt dazu, dass vermögende Privatpersonen ‒ darunter auch Influencer ‒ ihren Wohnsitz ins Ausland verlagern. Eine solche Verlagerung kann erhebliche steuerliche Konsequenzen nach sich ziehen, insbesondere durch das Auslösen der Wegzugsbesteuerung gemäß § 6 AStG. Ziel dieses Beitrags ist es, praxisnah die rechtlichen Grundlagen und steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten anhand eines realitätsnahen Falles zu beleuchten. |

    1. Steuerliche Grundlagen der Wegzugsbesteuerung

    1.1 Ausgangsfall

    A ist eine 40-jährige, international tätige deutsche Influencerin mit Hauptsitz in Deutschland. Sie ist alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der A-GmbH mit 15 Angestellten und hält daneben eine 50 %-Beteiligung an einer gewerblich tätigen GmbH & Co. KG. Seit mehreren Jahren verbringt sie mit ihrer Familie einen großen Teil des Jahres auf einer gemieteten Finca auf Mallorca. Sie plant nun, dauerhaft nach Spanien überzusiedeln, und überlegt, wie das möglichst steuerschonend gelingen kann.

     

    1.2 Voraussetzungen nach § 6 AStG

    Die Wegzugsbesteuerung greift, wenn eine natürliche Person mit mindestens einer 1 %-Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ins Ausland verzieht und in den zehn Jahren davor mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war. Der Gesetzgeber fingiert in diesem Fall eine Veräußerung der Beteiligung und setzt einen Veräußerungsgewinn fest, der zu versteuern ist.

     

    Nach § 6 Abs. 1 S. 1 AStG stehen bei unbeschränkt Steuerpflichtigen der Veräußerung von Anteilen i. S. d. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG zum gemeinen Wert gleich:

     

    • 1. Die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht infolge der Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts
    • 2. Die unentgeltliche Übertragung auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person
    • 3. Vorbehaltlich der Nummern 1 und 2 der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile (vgl. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 AStG; vgl. Müller, EStB 24, 178)

     

    Beachten Sie | Die Wegzugsbesteuerung gilt nur für Anteile an Kapitalgesellschaften im Privatvermögen. Für Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens ‒ also wenn der Steuerpflichtige als Einzelunternehmer oder Mitunternehmer Betriebsvermögen ins Ausland verbringt ‒ greifen andere Entstrickungsbesteuerungen (§ 4 Abs. 1 S. 3 EStG, § 16 Abs. 3a EStG). Diese behandeln den Wegzug ebenfalls als Entnahme bzw. fiktive Veräußerung des Wirtschaftsguts.

     

    Für die Anwendung des § 6 AStG ist die Beteiligungsschwelle aus § 17 Abs. 1 EStG relevant. Sobald diese 1 %-Schwelle überschritten wird, gelten Beteiligungen als erheblich und unterliegen damit der Wegzugsbesteuerung.

     

    1.2.1 Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht

    In den meisten Wegzugsfällen ist die Variante der Nr. 1 einschlägig, nämlich die Aufgabe des inländischen Wohnsitzes.

     

    • Anwendung auf den Sachverhalt

    So ist es auch bei A, die ihren Wohnsitz nach Spanien verlegt und sich in Deutschland vollständig abmelden wird. Hierdurch endet ihre unbeschränkte Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 1 EStG). Die Folge ist eine fiktive Veräußerung aller wesentlichen Kapitalbeteiligungen im Privatvermögen zum gemeinen Wert im Wegzugszeitpunkt. Besteuert werden also die bis zum Wegzugszeitpunkt entstandenen stillen Reserven (Wertzuwächse) in diesen Anteilen, ohne dass tatsächlich eine Veräußerung stattfindet (vgl. § 6 Abs. 1 S. 1 AStG, § 17 Abs. 1 EStG). Der Wegzug ist also ein „fiktiver Verkauf“ (vgl. BFH vom 6.9.23, I R 35/20, Rz. 15). Die Wegzugsteuer greift selbst dann, wenn Deutschlands Besteuerungsrecht durch den Wegzug eigentlich verloren geht oder eingeschränkt wird.

     

    1.2.2 Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts

    § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AStG kommt v. a. bei Fällen der Doppelansässigkeit zur Anwendung: Behält A z. B. ihren Wohnsitz in Deutschland bei, verlegt aber den Mittelpunkt der Lebensinteressen ins Ausland (und wird somit im DBA-Sinne im Ausland ansässig), so bleibt zwar nach nationalem Recht die unbeschränkte Steuerpflicht bestehen, aber das DBA kann Deutschlands Besteuerungsrecht an einem späteren Veräußerungsgewinn ausschließen. In einem solchen Fall würde § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AStG die Wegzugsteuer auslösen (Ersatztatbestand). Im „Normalfall“ gibt der Steuerpflichtige aber seinen deutschen Wohnsitz vollständig auf, sodass bereits Nr. 1 greift ‒ insoweit erübrigt sich die Prüfung, ob ein DBA das Besteuerungsrecht einschränkt. So liegt es in unserem Fall: A gibt ihren Wohnsitz auf, daher wird bereits Tatbestand Nr. 1 dem Grunde nach erfüllt, wenn keine Gestaltungsmaßnahmen ergriffen werden.

     

    MERKE | Es gelten auch unentgeltliche Übertragungen von Anteilen an Nicht-Steuerinländer (z. B. Schenkung an einen im Ausland lebenden Verwandten kurz vor Wegzug) als Wegzugsfall und lösen die gleiche fiktive Gewinnbesteuerung aus (vgl. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AStG).

     

    Im Ausgangsfall führt die 50 %-Beteiligung an der inländischen KG jedoch nicht zu einer unmittelbaren Entstrickungsbesteuerung, da die KG originär gewerblich tätig ist und eine inländische Betriebsstätte unterhält. Deutschland behält für Einkünfte aus dieser Mitunternehmerschaft (Betriebsstätteneinkünfte) weiterhin das Besteuerungsrecht. Solange A ihre KG-Beteiligung behält und die KG in Deutschland aktiv bleibt (Geschäftsleitung bleibt im Inland), sind die stillen Reserven darin nicht „entstrickt“ ‒ ein Wegzug würde hier keine fiktive Aufdeckung erzwingen. § 16 Abs. 3a EStG greift nicht, wenn weiterhin eine inländische Betriebsstätte existiert (vgl. Müller, EStB 24, 178).

     

    Anders wäre es, wenn es sich um eine rein vermögensverwaltende Personengesellschaft ohne Betriebsstätte handeln würde. In diesem Fall könnte ein Wegzug einen steuerlichen Entnahme- bzw. Entstrickungstatbestand darstellen. Im konkreten Beispiel bleiben jedoch sowohl die KG-Beteiligung als auch weiteres Privatvermögen wie inländische Immobilien oder Bankguthaben im Zeitpunkt des Wegzugs unberührt von unmittelbarer Besteuerung. Die Wegzugsteuer konzentriert sich im Ausgangsfall auf die GmbH-Anteile im Privatvermögen.

     

    1.3 Bewertung und Ermittlung des Veräußerungsgewinns

    Der steuerpflichtige Gewinn errechnet sich aus dem Unterschied zwischen dem gemeinen Wert der Anteile zum Zeitpunkt des Wegzugs und den Anschaffungskosten. Zur Wertermittlung wendet die Finanzverwaltung regelmäßig das vereinfachte Ertragswertverfahren an.

     

    • Anwendung auf den Sachverhalt

    Im Fall von A ergäbe sich bei einem Durchschnittsgewinn von 60.000 EUR ein Unternehmenswert von ca. 825.000 EUR, woraus nach Berücksichtigung des Teileinkünfteverfahrens eine Steuerlast von rund 200.000 EUR resultieren kann.

     

    Insoweit kann es durch die Wegzugsteuer zu einer wirtschaftlichen Doppelbelastung kommen: Sollte A ihre Anteile später tatsächlich in Spanien veräußern, unterliegt der Gewinn (abzüglich etwaiger Wertsteigerungen nach dem Wegzug) der spanischen Kapitalertragsteuer. Deutschland hat bereits beim Wegzug die bis dahin entstandenen Wertsteigerungen besteuert, Spanien besteuert beim Verkauf den gesamten Gewinn ab Anschaffung (sofern kein Step-up gewährt wird). Ohne weitere Maßnahmen würden somit die Wertzuwächse bis zum Wegzug doppelt besteuert (einmal durch Deutschland im Wegzugsjahr, einmal durch Spanien beim Verkauf). Das DBA enthält keine ausdrückliche Vorschrift zur Vermeidung dieser zeitversetzten Doppelbesteuerung. Daher muss entweder Spanien einen Step-up des Anschaffungswerts auf den Marktwert zum Zeitpunkt der Einwanderung zulassen (sodass nur noch nachfolgende Wertsteigerungen besteuert werden), oder es muss im Rahmen eines Verständigungsverfahrens eine Entlastung erfolgen.

    2. Anwendbarkeit im DBA-Kontext Deutschland ‒ Spanien

    Das DBA Spanien enthält keine eigenständige Regelung zur Wegzugsbesteuerung, verweist aber in Art. 13 DBA-Spanien auf das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates bei der Veräußerung von Anteilen. Eine Anrechnung der Wegzugsteuer im Zuzugsstaat ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Problematisch ist, dass Spanien möglicherweise ebenfalls auf spätere Veräußerungsgewinne zugreift, was zur faktischen Doppelbesteuerung führen kann (vgl. Schneider, NWB 25, S. 745 ff.). Bei einer Immobiliengesellschaft verbleibt das Besteuerungsrecht allerdings i. d. R. im Inland (Art. 13 OECD-MA bzw. Art. 13 DBA Spanien).

    3. Gestaltungsmöglichkeiten

    3.1 EU-Stundung und Rückkehrregelung (§ 6 Abs. 3 und 5 AStG)

    Ein Steueraufschub ist bei Wegzug in einen EU-/EWR-Staat ‒ wie Spanien ‒ grundsätzlich möglich. Voraussetzung ist u. a., dass keine Veräußerung erfolgt und der Steuerpflichtige dort weiterhin steuerpflichtig ist. Kommt es innerhalb von sieben Jahren zu einer Rückkehr nach Deutschland, kann die Steuer rückwirkend entfallen (§ 6 Abs. 3 AStG). In der Praxis ist diese Option oft mit Unsicherheit behaftet, da sie ein Rückkehrszenario unterstellt.

     

    Die Frist von sieben Jahren kann auf Antrag auf bis zu zwölf Jahre verlängert werden, sofern eine glaubhafte Rückkehrabsicht besteht (§ 6 Abs. 3 S. 3 AStG). Von dieser Rückkehrregelung kann A profitieren, falls ihr Auslandsaufenthalt doch nur temporär sein sollte ‒ wenngleich aktuell ein dauerhafter Wegzug geplant ist. Wichtig sind die Bedingungen: Während der Abwesenheit darf kein schädlicher Ersatztatbestand eintreten. Insbesondere darf sie die betreffenden Anteile weder veräußern noch unentgeltlich übertragen (weder vollständig noch teilweise). Ebenso wenig dürfen in der Zwischenzeit Gewinnausschüttungen aus der Gesellschaft erfolgen, die mehr als 25 % des bei Wegzug versteuerten Gewinns ausmachen. Zudem darf ‒ für die Zeit bis zur Rückkehr ‒ Deutschlands Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus der Veräußerung der Anteile nicht durch ein DBA ausgeschlossen sein.

     

    Beachten Sie | In vielen Fällen eines Wegzugs in einen DBA-Staat wird das deutsche Besteuerungsrecht an künftigen Veräußerungsgewinnen tatsächlich verdrängt (vgl. Art. 13 OECD-MA). Dennoch gewährt die Finanzverwaltung die Rückkehrvergünstigung auch bei Wegzug in EU-Staaten unter der Voraussetzung, dass alle anderen Bedingungen eingehalten werden (die Norm wäre sonst in EU-Fällen praktisch leerlaufend).

     

    Der BFH hat 2022 klargestellt, dass es für § 6 Abs. 3 AStG keiner bereits beim Wegzug gefassten Rückkehrabsicht bedarf ‒ maßgeblich ist allein die tatsächliche Wiederbegründung der Steuerpflicht innerhalb der Frist (BFH 21.12.22, I R 55/19, BStBl II 23, 898; zustimmend Müller, GmbH-StB 24, 181). Es dürfte daher genügen, wenn A faktisch innerhalb von sieben (bzw. zwölf) Jahren zurückkommt, selbst wenn die Auswanderung ursprünglich als dauerhaft gedacht war. Sollte dieser Fall eintreten und die o. g. Bedingungen (keine schädlichen Verfügungen etc.) erfüllt sein, wird die festgesetzte Steuer erlassen.

     

    3.2 Einbringung in eine neue GmbH & Co. KG

    A könnte ihre 100 %-GmbH-Anteile z. B. ‒ vor dem Wegzug ‒ in das Gesellschaftsvermögen einer neu zu gründenden GmbH & Co. KG übertragen. Sie würde dann Kommanditistin dieser KG mit einem 100 %-Anteil, während eine neu gegründete GmbH als Komplementär (ohne Kapitalbeteiligung) fungiert. Wichtig ist, dass diese KG originär gewerbliche Einkünfte erzielt ‒ idealerweise durch aktive Geschäftstätigkeit im Zusammenhang mit der gehaltenen GmbH. Denkbar wäre, dass die KG als Holding mit Managementfunktion auftritt: Sie bündelt Dienstleistungen (Verwaltung, strategische Führung) für die Tochter-GmbH, sodass sie gewerblich tätig ist (gewerbliche Prägung alleine reicht DBA-technisch nicht aus, es muss echte Geschäftstätigkeit vorliegen).

     

    3.2.1 Einbringung zu Buchwerten

    Wenn die Voraussetzungen stimmen, kann die Übertragung der Anteile in die KG steuerneutral zum Buchwert erfolgen (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG i. V. m. § 20 UmwStG oder § 24 UmwStG). Tatsächlich sieht § 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b EStG vor, dass die Einlage von Anteilen in ein inländisches Betriebsvermögen zu Buchwerten möglich ist, sofern der Einbringende an der Gesellschaft zu mindestens 1 % beteiligt ist (sonst wäre dies nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG möglich).

     

    3.2.2 Rechtsfolgen der Konstruktion

    Zivilrechtlich ist nun die KG Eigentümerin der GmbH-Anteile, steuerlich gehören die Anteile zum Betriebsvermögen der KG. A hält im Privatvermögen keine § 17-Anteile mehr (ihre KG-Beteiligung ist steuerlich ein Mitunternehmeranteil, kein Kapitalgesellschaftsanteil). Beim Wegzug von A greift daher § 6 AStG nicht, weil sie im Wegzugszeitpunkt keine Anteile i. S. d. § 17 EStG mehr besitzt (BMF 22.12.23, IV B 5 - S 1340/23/10001 :001). Die bislang in den GmbH-Anteilen enthaltenen stillen Reserven sind nun in der KG „gefangen“ ‒ Deutschland behält also das Besteuerungsrecht daran (vgl. ähnlich Hausmann, DStR 21, 1234). In anderen Worten: Die Wegzugsteuer wird durch diese „Verlagerung ins Betriebsvermögen“ vermieden.

     

    Allerdings ist für diese Gestaltung entscheidend, dass das Besteuerungsrecht Deutschlands an den eingebrachten Anteilen auch nach dem Wegzug von A fortbesteht. Dies erfordert, dass die KG-Anteile Teil einer inländischen Betriebsstätte bleiben und dass die Beteiligung an der GmbH mit dieser Betriebsstätte funktional verknüpft ist (vgl. § 4 Abs. 1 S. 3 EStG, wonach andernfalls eine Entstrickung droht). Daher die Notwendigkeit einer originär gewerblichen Tätigkeit der KG: Nur dann liegt eine Betriebsstätte i. S. d. DBA vor (Art. 5 OECD-MA). Die GmbH-Anteile müssen dieser Betriebsstätte zugeordnet werden können, was nur gelingt, wenn sie dem Betriebszweck dienen (aktive Beteiligungsverwaltung, Managementfunktionen etc.). Andernfalls könnte das FA argumentieren, die GmbH-Anteile seien bloßes Verwaltungsvermögen ohne funktionalen Zusammenhang ‒ dann käme es trotz Einbringung zu einer Entstrickungsbesteuerung nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG (weil das Besteuerungsrecht an diesen Anteilen faktisch ins Leere liefe, wenn A wegzieht).

     

    Beachten Sie | Die Literatur fordert für die Betriebsstättenverbindung im DBA-Kontext teils strenge Maßstäbe: tatsächlicher wirtschaftlicher Nutzen der Beteiligung für die Betriebsstätte, Beitrag zum Betriebsstättenergebnis etc. (vgl. z. B. Kraft, DStJG 22, S. 19 f.). In der Praxis lässt sich dies aber erreichen, indem die KG echtes Holding-Management betreibt. A sollte nach Einbringung z. B. einen Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der KG und der GmbH abschließen, sodass die KG entgeltlich Verwaltungsleistungen erbringt. Zudem sollte die KG über eigene Ressourcen verfügen (Büro, Personal oder zumindest entsprechende Verträge), um Substanz zu demonstrieren. Laut EuGH können zwar schon geringe Substanzmerkmale genügen (Telefon, E-Mail-Adresse ‒ vgl. EuGH C-440/17 „G“, wobei es dort um Zwischengesellschaften ging), doch in Sachen Wegzug empfiehlt sich eine nachweisbarere und bessere Ausstattung, notfalls mit einer verbindlichen Auskunft zur Anerkennung als Betriebsstätte. Ist all dies erfüllt, so bleibt Deutschlands Recht an den GmbH-Anteilen gewahrt und eine Wegzugsbesteuerung wird vermieden. Wird die Beteiligung vor dem Wegzug in eine originär gewerblich tätige GmbH & Co. KG eingebracht, unterbleibt die Wegzugsbesteuerung, da die Beteiligung nicht mehr dem Privatvermögen zuzurechnen ist (vgl. Müller/Bauerfeld, DB 25, 757).

     

    ZWISCHENFAZIT |

    • 1. Zu beachten ist, dass die Betriebsstätte in Deutschland verbleibt und der wegziehende Gesellschafter nicht zugleich alleiniger Geschäftsführer ist, sodass die Geschäftsleitung weiter von Deutschland aus wahrgenommen wird.

     

    • 2. Gleiches gilt im Ergebnis für den Zustand nach einem Formwechsel in eine Personengesellschaft, der eine Kapitalgesellschaft vermeidet, aber einen inländischen Betrieb mit inländischer Geschäftsleitung erfordert.

     

    • 3. Künftige Veräußerungsgewinne der KG aus dem Verkauf der GmbH-Anteile wären in Deutschland steuerpflichtig (selbst wenn A dann im Ausland wohnt, denn es handelt sich um inländische Betriebsstättengewinne, Art. 13 Abs. 2 OECD-MA). Diese Gestaltung erreicht ihr Ziel also, indem sie die Besteuerung vom privaten Wegzugszeitpunkt auf einen späteren Zeitpunkt (nämlich die tatsächliche Veräußerung der Beteiligung aus der KG heraus) verschiebt. Für A könnte diese Einbringungsvariante attraktiv sein, da sie ihr ermöglicht, jetzt keine Steuer zu zahlen. Sie müsste allerdings bereit sein, ihre Geschäftsstruktur entsprechend umzustellen und dauerhaft eine KG in Deutschland zu unterhalten, was administrativen Aufwand und ggf. laufende Steuerpflichten (Gewerbesteuer für KG etc.) mit sich bringt. Zudem muss sie beachten, dass sie nach Wegzug als Mitunternehmerin der KG weiterhin in Deutschland beschränkt steuerpflichtig bleibt (für ihren KG-Gewinnanteil, § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG).
     

    3.3 Atypisch stille Gesellschaft

    Eine seltener genutzte, aber in Einzelfällen steuerlich „charmante“, weil in der laufenden Administration wenig aufwendige, Option ist die Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter. Diese ermöglicht unter Umständen die steuerliche Einordnung als Mitunternehmer und damit eine Verlagerung des Besteuerungsrechts auf die Unternehmensebene ‒ mit entsprechenden Voraussetzungen. Eine solche Option sollte allerdings ‒ da noch nicht höchstrichterlich anerkannt ‒ durch Einholung einer verbindlichen Auskunft abgesichert werden.

     

    3.4 Wohnsitzmanagement und „Lex Beckham“

    Durch geschickte Wohnsitzplanung und Nachweisführung (z. B. Flugbelege, Mautquittungen, Kreditkartenumsätze) lässt sich eine ununterbrochene deutsche Steuerpflicht behaupten. In Spanien existiert zudem das „Lex Beckham“-Regime, das bei beruflicher Neuansässigkeit unter bestimmten Voraussetzungen (u. a. begünstigte Tätigkeit in Spanien) eine günstige Pauschalbesteuerung ausländischer Einkünfte erlaubt (nur 24 % pauschal auf spanische Einkünfte bei Anmeldung im ersten Jahr plus fünf Folgejahre).

     

    3.5 Weitere Maßnahmen: Bewertungsmethoden, Blocker, Familienmodelle

    Für Gestaltungszwecke kann es sinnvoll sein, ein sachverständiges Gutachten einzuholen, um einen möglichst realistischen (ggf. niedrigen) Verkehrswert nachzuweisen. Gelingt der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts der Anteile als derjenige, der sich aus dem pauschalen vereinfachten Ertragswertverfahren ergeben würde, so vermindert dies unmittelbar den anzusetzenden fiktiven Veräußerungsgewinn und damit die Steuerlast (vgl. § 11 Abs. 2 S. 4 BewG). So kann etwa durch Discounted-Cashflow-Methoden ein niedrigerer gemeiner Wert festgesetzt werden.

     

    Auch eine Zwischenschaltung von Gesellschaften („Blocker“) oder Übertragung auf Familienmitglieder mit < 1 %-Beteiligung sind denkbare Gestaltungen (vgl. Schneider, IWB 24, 847).

    4. Fazit

    Die Wegzugsbesteuerung ist komplex, aber gestaltbar. Frühzeitige Maßnahmen können erhebliche Steuerrisiken vermeiden. Unklarer Lebensmittelpunkt, fehlende Dokumentation oder Geschäftsführung aus dem Ausland führen dagegen leicht zu rückwirkender Steuerpflicht mit zinsbelasteten Nachveranlagungen. Eine rechtzeitige steuerliche Begleitung ist daher unerlässlich.

     

    Auch das Steuerrecht des Zuzugsstaates darf nicht vernachlässigt werden. Im Verhältnis zu Spanien ist Doppelbesteuerung zu vermeiden, etwa durch Step-up oder gesteuerte Verkaufszeitpunkte. Die Literatur (vgl. Shurety, IWB 25, 55 ff.) betont zwar Schutzwirkungen des DBA, diese bleiben bei vollständigem Wegzug aber begrenzt. Individuelle Lebensumstände müssen daher stets in die Planung einbezogen werden.

     

    Vorausschauende Beratung ermöglicht es, Steuerlast zu vermeiden oder aufzuschieben ‒ vorausgesetzt, alle Maßnahmen sind nachvollziehbar dokumentiert und gesetzeskonform umgesetzt. Damit lassen sich Missbrauchsvorwürfe und neue Risiken vermeiden. Im Spannungsfeld von deutschem Steueranspruch und internationaler Mobilität kommt der Gestaltungsberatung eine Schlüsselrolle zu. Im Idealfall gelingt so der dauerhafte Wegzug nach Mallorca ohne übermäßige Belastung durch Wegzugsteuer. Zugleich bleibt die Thematik angesichts aktueller Rechtsprechung und Gesetzgebung in Bewegung.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2025 | Seite 302 | ID 50296096