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  • · Fachbeitrag · Musterfall

    Typisch stille Beteiligung von Kindern an einer Zahnarztpraxis

    von Dipl.-Finw. M.A. (Taxation), Daniel Denker, Oldenburg, www.steuer-webinar.de

    | Die Gründung einer stillen Gesellschaft gehört ins Beratungsportfolio eines Steuergestalters. Denn insbesondere bei der Gründung von stillen Gesellschaften mit Familienangehörigen kann es zu steuerlichen Vorteilen kommen. Bei Familiengesellschaften ‒ vor allem bei stillen Gesellschaften mit Kindern ‒ schaut das FA jedoch genau hin. Es müssen bestimmte Bedingungen und Voraussetzungen erfüllt sein, damit stille Gesellschaften im Familienkreis steuerlich anerkannt werden. |

    1. Sachverhalt in Anlehnung an das BFH-Verfahren

    In einem aktuellen Streitfall musste der BFH (23.11.21, VIII R 17/19) sich nun mit dieser Frage auseinandersetzen und hob das vorherige FG-Urteil auf.

     

    • Beispiel

    Zahnarzt Dr. Weiß räumte seinen drei minderjährigen Kindern mit notarieller Erklärung jeweils schenkweise eine stille Beteiligung i. H. v. 50.000 EUR an seiner Zahnarztpraxis ein. Für die Kinder war ein Ergänzungspfleger bestellt worden. Das zuständige AG (Vormundschaftsgericht) genehmigte die Verträge.

     

    Nach den Gesellschaftsverträgen galten ergänzend die §§ 230 ff. HGB. Die Einräumung der stillen Beteiligung erfolgte im Wege der vorweggenommenen Erbfolge (Gegenleistungen waren nicht zu erbringen). Den Gesellschaftern stand, soweit mit der ärztlichen Schweigepflicht eines Zahnarztes vereinbar, ein Kontrollrecht ‒ entsprechend § 233 HGB ‒ zu. Die Geschäftsführung hatte allein Zahnarzt Dr. Weiß inne.

     

    Laut Vertrag war jeder stille Gesellschafter mit 10 % am Gewinn, höchstens aber mit 15 % der Einlage, also mit maximal 7.500 EUR, beteiligt. Am Verlust sollte der stille Gesellschafter ebenfalls mit 10 %, höchstens jedoch mit seiner Einlage, beteiligt sein.

     

    Dr. Weiß hat im Zusammenhang mit der Schenkung bzw. Gründung der Gesellschaft keine tatsächlichen Zahlungen in sein Betriebsvermögen erhalten. Die Gewinnbeteiligungen i. H. v. jeweils 22.500 EUR jährlich (3 × 7.500 EUR) zahlte Zahnarzt Dr. Weiß auf die Bankkonten seiner Kinder. Über die Konten besaßen er und die Mutter der Kinder Verfügungsmacht.

     

    Sind die Gewinnbeteiligungen aus stillen Gesellschaften, die der Zahnarzt Dr. Weiß an seine minderjährigen Kinder gezahlt hat, als Betriebsausgaben abziehbar?

    2. FA und FG lehnen Betriebsausgabenabzug ab

    Bei einer Außenprüfung bei Zahnarzt Dr. Weiß wurden die gezahlten Gewinnanteile nicht als Betriebsausgaben anerkannt. Sie wurden als Kosten der privaten Lebensführung nicht zum steuerlichen Abzug zugelassen. Auch das FG München (1.5.19, 6 K 756/18) hatte den Betriebsausgabenabzug versagt. Die Richter waren der Auffassung, dass ein Betriebsausgabenabzug von Aufwendungen für typisch stille Beteiligungen von minderjährigen Kindern an einer Zahnarztpraxis des Vaters bei fehlendem Zufluss von Mitteln in das Praxisvermögen sowie bei Steuersparmotiven und Versorgung der Kinder als Ursachen für die Einräumung der stillen Beteiligungen nicht möglich sei.

     

    Der BFH sieht dies jedoch etwas differenzierter, hob daher das Urteil auf und verwies die Sache an das FG München zurück. Das FG habe nicht alle entscheidungserheblichen Aspekte des Streitfalls ermittelt und seiner Überzeugungsbildung zugrunde gelegt (BFH 23.11.21, VIII R 17/19).

    3. Rechtliche Grundsätze

    Gesetzlich geregelt ist die stille Gesellschaft in den §§ 230 HGB ff. Nach außen hin ist sie als stille Gesellschaft nicht erkennbar, d. h. sie tritt nicht in Erscheinung und kann auch nicht aus einem Firmennamen oder -zusatz oder aus Unternehmensregistern abgeleitet werden. Es handelt sich um eine reine Innengesellschaft. Eine stille Gesellschaft setzt grundsätzlich einen Inhaber eines Handelsgewerbes voraus. Wer sich als stiller Gesellschafter an einem Handelsgewerbe eines anderen mit einer Vermögenseinlage beteiligt, hat die Einlage so zu leisten, dass sie in das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäfts übergeht. Der Inhaber wird aus den in dem Betrieb geschlossenen Geschäften allein berechtigt und verpflichtet. Als Ausgleich erhält der stille Gesellschafter einen Anteil am Gewinn oder Verlust.

     

    Im Sachverhalt handelte es sich um eine Innengesellschaft, die steuerlich mit einer typisch stillen Gesellschaft vergleichbar ist. Da ein Zahnarzt Freiberufler ist, kann er kein Handelsgewerbetreibender sein. Die Voraussetzungen des §§ 230 HGB ff. können also de facto nicht erfüllt sein. Da Zahnarzt Dr. Weiß und seine Kinder ein als stille Gesellschaft bezeichnetes Gesellschaftsverhältnis abgeschlossen haben, ist jedoch grundsätzlich eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts entstanden, die einer stillen Gesellschaft einkommensteuerlich gleichsteht.

     

    Hinsichtlich ihrer steuerlichen Behandlung ist die Unterscheidung als typisch stille Gesellschaft oder atypisch stille Gesellschaft aufgrund der jeweils unterschiedlichen Rechtsfolgen von Bedeutung.

     

    • Bei einer typisch stillen Gesellschaft ist der Gesellschafter nur am laufenden Gewinn und Verlust oder nur am laufenden Gewinn, nicht dagegen an den stillen Reserven des Unternehmens beteiligt. Er hat nur Anspruch auf Rückzahlung seiner Einlage und haftet weder im Außen- noch im Innenverhältnis für geschäftliche Verbindlichkeiten. Ohne weitere Vereinbarungen hat die stille Gesellschaft damit nach der gesetzlichen Konzeption eher den Charakter eines Schuldverhältnisses und weniger den eines Gesellschaftsverhältnisses im engeren Sinne. Die typisch stille Beteiligung ist dabei eher mit einer Kreditvergabe vergleichbar.

     

    • Bei einer atypisch stillen Gesellschaft ist der Gesellschafter nicht nur am laufenden Gewinn und Verlust, sondern auch an den stillen Reserven des Unternehmens beteiligt. Die atypisch stille Gesellschaft wird als Mitunternehmerschaft eingeordnet.

    4. Steuerliche Folgen und Vorteile

    Bei einer typisch stillen Gesellschaft stellen die Gewinnzahlungen beim Geschäftsinhaber Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG dar. Der stille Gesellschafter erzielt dabei Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Hierin ist auch ein Vorteil der stillen Gesellschaft zu sehen. Eine stille Gesellschaft kann durch die Möglichkeit der Übertragung von Einkunftsquellen motiviert sein. So können innerhalb der Familie beispielsweise durch eine stille Beteiligung der Kinder Progressionsvorteile geschaffen und Pausch- und Freibeträge mehrfach ausgenutzt werden.

     

    4.1 Kapitalertragsteuerabzug

    Nach § 43 Abs. 1 Nr. 3 EStG i. V. m § 44 Abs. 1 S. 3 EStG unterliegen die Gewinnanteile aus der stillen Gesellschaft i. H. v. 25 % dem Kapitalertragsteuerabzug (§ 43a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG). Dabei kommt es nicht ‒ wie z. B. bei Zinsen ‒ darauf an, ob der Schuldner der Kapitalerträge eine inländische Bank ist. Grundsätzlich wäre mit dem Einbehalt von 25 % Kapitalertragsteuer gemäß § 43 Abs. 5 EStG daher Abgeltungswirkung eingetreten.

     

    4.2 Besonderer oder individueller Steuersatz?

    Die Abgeltungswirkung tritt jedoch nach § 43 Abs. 5 S. 2 EStG nicht ein, wenn es sich um einen Ausnahmefall i. S. d. § 32d Abs. 2 EStG handelt. Bei Fällen des § 32d Abs. 2 EStG findet nicht der besondere Steuersatz von 25 %, sondern der individuelle Einkommensteuersatz Anwendung.

     

    Der besondere Steuersatz i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG gilt gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht für Kapitalerträge aus stillen Beteiligungen (i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG), wenn Gläubiger und Schuldner einander nahestehende Personen sind, soweit die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften sind, die der inländischen Besteuerung unterliegen und § 20 Abs. 9 S. 1, 2. Hs. EStG keine Anwendung findet. Die Definition der „nahestehenden Person“ wird im Rahmen des § 32d EStG eigenständig definiert und kann nicht automatisch aufgrund von Verwandtschaftsverhältnissen angenommen werden. Vielmehr muss ein Beherrschungs- und Abhängigkeitsverhältnis gegeben sein. Von einem solchen Beherrschungsverhältnis ist auszugehen, wenn der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt (BFH 29.4.14, VIII R 9/13, VIII R 35/13, VIII R 44/13, VIII R 31/11, BStBl II, 986, 990, 992 und 995). Das Abhängigkeitsverhältnis kann wirtschaftlicher oder persönlicher Natur sein (BFH 28.1.15, VIII R 8/14, BStBl II, 397). Sollte der besondere Steuersatz nach § 32d Abs. 1 EStG ausgeschlossen sein, ist auch der Sparer-Pauschbetrag i. H. v. 801 bzw. 1.602 EUR nicht anwendbar (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 S. 2 EStG). Im Gegenzug können sodann die tatsächlichen Werbungskosten geltend gemacht werden. Dafür greift dann aber auch keine Verlustausgleichsbeschränkung i. S. d. § 20 Abs. 6 EStG mehr. Somit könnten positive Kapitalerträge mit (anderen) negativen Einkünften (z. B. aus Vermietung und Verpachtung) ausgeglichen und verrechnet werden.

    5. Steuerliche Anerkennung

    5.1 Grundsätzliche Regelungen

    Die Einkommensteuerhinweise nehmen zur steuerlichen Anerkennung von stillen Gesellschaften mit Familienangehörigen Stellung (H 15.9 Abs. 4 EStH). Die Gesellschaftsverträge müssen

    • 1. klar vereinbart und
    • 2. bürgerlich-rechtlich wirksam sowie
    • 3. ernstlich gewollt sein,
    • 4. tatsächlich durchgeführt werden,
    • 5. wirtschaftlich zu einer Änderung der bisherigen Verhältnisse führen und
    • 6. zu Bedingungen wie unter fremden Dritten geschlossen werden (Fremdvergleich).
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    Insbesondere bei Verträgen zwischen Familienangehörigen muss auf der einen Seite (des Zahlungsempfängers) eine steuerbare Handlung ausgeübt und auf der anderen (des Zahlenden) eine durch die Einkünfteerzielung veranlasste Verpflichtung eingegangen werden (Betriebsausgabe im Fall der typisch stillen Gesellschaft).

     

    5.2 Voraussetzungen der steuerlichen Anerkennung

    Der BFH (23.11.21, VIII R 17/19) weist erneut darauf hin, dass die steuerliche Anerkennung voraussetzt, dass die Vereinbarung zivilrechtlich wirksam ist, inhaltlich dem unter fremden Dritten Üblichen entspricht und auch wie unter Dritten vollzogen wird (BFH 14.5.03, X R 14/99, BFH/NV 03, 1547). Zu beachten sei aber weiterhin, dass dabei nicht jede geringfügige Abweichung vom Üblichen die steuerrechtliche Anerkennung ausschließe. Vielmehr sind einzelne Kriterien im Rahmen einer Gesamtbetrachtung dahin zu beurteilen, ob sie den Rückschluss auf eine privat veranlasste Vereinbarung zulassen (BFH 28.10.20, X R 1/19, BStBl II 21, 283).

     

    Gesellschaftsverträge zwischen nahen Angehörigen können auch dann anerkannt werden, wenn die Beteiligung oder die zum Erwerb der Beteiligung aufzuwendenden Mittel dem in die Gesellschaft aufgenommenen Angehörigen unentgeltlich zugewendet worden sind, vorausgesetzt, die allgemeinen Bedingungen (zivilrechtliche Wirksamkeit, Fremdüblichkeit, Durchführung) sind erfüllt (BFH 12.5.16, IV R 27/13, BFH/NV 16, 1559). Verträge zwischen Eltern und Kindern über eine Innengesellschaft entsprechen dem inhaltlichen Fremdvergleich, wenn dem Kind wenigstens annäherungsweise die Rechte eingeräumt werden, die einem stillen Gesellschafter nach dem Regelstatut des HGB typischerweise zukommen (BFH 14.5.03, X R 14/99, BFH/NV 03, 1547).

     

    Einschränkungen dieser Rechte, insbesondere hinsichtlich der Gewinnauszahlung, der Kontroll- und Informationsrechte, der Kündigungsmöglichkeiten sowie Widerrufs- oder Rückfallklauseln können zur Nichtanerkennung führen (BFH 16.5.89, VIII R 196/84, BStBl II 1989, S. 877). Hier sind insbesondere die Einlagebestimmungen, die Gewinnbeteiligungsregelungen und die Informations- und Kontrollrechte von Bedeutung. Übt bei minderjährigen Kindern ausschließlich der Unternehmer selbst die dem Kind zustehenden Informations- und Kontrollrechte aus oder verwaltet er die auf das Konto des Kindes überwiesenen Gewinnbeteiligungen nicht wie fremdes, sondern wie eigenes Vermögen, ist dies im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen.

     

    5.3 Ermittlungen des FG sind nicht ausreichend

    Nach Auffassung des BFH sind die Verträge zivilrechtlich wirksam, jedoch ist die vom FG vorgenommene Würdigung zur Fremdüblichkeit und zur Durchführung der Verträge lückenhaft: Das FG habe bei der Fremdüblichkeit nicht die Informations- und Kontrollrechte der Kinder geprüft. Auch habe das FG sich nicht mit weiteren Punkten befasst wie Laufzeit, Kündigungsmöglichkeiten, Versterben eines Beteiligten, Inhaberwechsel, Auseinandersetzung nach Auflösung und Widerrufsmöglichkeiten des Dr. Weiß. Darüber hinaus seien auch die Feststellungen zur Vertragsdurchführung nicht ausreichend. Unklarheiten bestehen zudem über die Auszahlung der Gewinnbeteiligungen, die Ausübung der Informations- und Kontrollrechte und die Verfügbarkeit der Gewinnbeteiligungen für die Gesellschafter. Diese würden fehlen, wenn Dr. Weiß das Guthaben nicht wie fremdes, sondern wie eigenes Vermögen behandeln würde. Daher hob der BFH das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück.

     

    FAZIT | Das Steuersparmodell der stillen Gesellschaft im Familienkreis bleibt im Fokus der steuerlichen Betriebsprüfung:

    • Bei einer Einlage durch Schenkung gilt zumindest bei der stillen Gesellschaft eine durchschnittlich zu erwartende Rendite der Einlage von 15 % als angemessen (vgl. H 15.9 Abs. 5 EStH), wenn die Beteiligung im Verlustfall nicht ausgeschlossen wurde.
    • Bei minderjährigen Kindern sind dabei besondere Formerfordernisse zu beachten (insbesondere die ‒ wirksame ‒ Bestellung eines Ergänzungspflegers).
    • Wenn die Einlage durch Schenkung erfolgt, so ist sie notariell zu beurkunden (§ 518 Abs. 1 BGB).
    • Auf die tatsächliche Durchführung des Vertrags ist stets zu achten.
    • Es muss erkennbar sein, dass die Kinder selbst über ihr Geld (Vermögen) verfügen (können).

     

    Für die Anerkennung derartiger Konstellationen sollte also eine detaillierte Vorabprüfung der genannten Kriterien vorgenommen werden.

     
    Quelle: Ausgabe 06 / 2022 | Seite 147 | ID 48091411

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