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  • · Fachbeitrag · Musterfall

    Einbringung in MVZ-GmbH mit Andienungsrecht

    von Dipl.-Finw. StB Christian Herold, Herten/Westf.

    | Zuweilen ist der Fall anzutreffen, dass eine Praxis oder ein Praxisanteil zunächst in ein MVZ in der Rechtsform der GmbH eingebracht werden und deren Mehrheitsgesellschafter(n) das Recht angedient wird, den Anteil später zu übernehmen. Zwischen der Vereinbarung und der tatsächlichen Übernahme können aber viele Jahre vergehen. Es stellt sich hier in steuerlicher Hinsicht die Frage, wann der Veräußerungsgewinn zu versteuern ist ‒ bereits bei Einbringung mit Vereinbarung des Andienungsrechts oder erst bei „tatsächlichem“ Verkauf, also der Übernahme des Anteils durch den oder die Mehrheitsgesellschafter? |

    1. Sachverhalt

    Eine GbR betreibt eine Arztpraxis. Mit Vertrag vom 1.7.24 bringen die Gesellschafter, die zu je 50 % an der GbR beteiligt sind, ihre Anteile in eine bereits bestehende MVZ-GmbH gegen Gewährung von neuen Gesellschaftsanteilen ein. Die MVZ-GmbH gehört einem fremden Dritten, dem auch nach der aktuellen Einbringung der Arztpraxis die Mehrheit der Anteile und der Stimmrechte gehört. Die Einbringung selbst findet zum 1.1.25 zu Buchwerten statt; Steuern sollen nicht entstehen.

     

    Mit weiterem Vertrag vom 1.7.24 schließt einer der beiden Gesellschafter mit dem Mehrheitsgesellschafter der MVZ-GmbH einen Vertrag über das Recht der Veräußerung seines Gesellschaftsanteils. In dem Vertrag wird u. a. Folgendes ausgeführt: „Die GmbH verpflichtet sich unwiderruflich, auf erstes schriftliches Anfordern die Anteile lastenfrei zu einem festgelegten Kaufpreis von … EUR (in Worten: …) von Herrn Dr. … zu erwerben. Die Put-Option kann durch schriftliche Anzeige von Herrn Dr. … gegenüber der GmbH ausgeübt werden. Herr Dr. … verpflichtet sich, seine Put-Option spätestens zum Ablauf seines 65. Lebensjahrs auszuüben.“ Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 1.7.24 bzw. im Zeitpunkt der Einbringung ist der Gesellschafter allerdings erst 54 Jahre alt. Bis zur „tatsächlichen“ Veräußerung des Anteils sind es also noch elf Jahre hin.

    2. Wie wird das Finanzamt reagieren?

    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Einbringung des Gesellschaftsanteils in die MVZ-GmbH gemäß § 20 UmwStG zu Buchwerten erfolgen kann, da es sich um eine Sacheinlage gegen Gewährung neuer Anteile an der GmbH handelt.

     

    Es gilt allerdings eine siebenjährige Behaltens- bzw. Sperrfrist (§ 22 UmwStG). Soweit in den Fällen einer Sacheinlage unter dem gemeinen Wert (§ 20 Abs. 2 S. 2 UmwStG) der Einbringende die erhaltenen Anteile innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt veräußert, ist der Gewinn aus der Einbringung rückwirkend im Wirtschaftsjahr der Einbringung als Gewinn des Einbringenden i. S. v. § 16 EStG (ggf. anteilig) zu versteuern (Einbringungsgewinn I). § 16 Abs. 4 und § 34 EStG sind nicht anzuwenden. Der Einbringende hat in den dem Einbringungszeitpunkt folgenden sieben Jahren jährlich spätestens bis zum 31. Mai den Nachweis darüber zu erbringen, wem die Anteile zuzurechnen sind.

     

    Von Seiten des UmwStG ist der Fall also mit nicht allzu großen Tücken behaftet. Aber: Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird das FA annehmen, dass das wirtschaftliche Eigentum an dem Praxis- bzw. GmbH-Anteil schon im Jahr der Einbringung auf den Mehrheitsgesellschafter der MVZ-GmbH übergeht und dementsprechend ein Veräußerungsgewinn schon zum 1.1.25 zu versteuern ist. Doch ist diese Auffassung richtig?

    3. Die BFH-Rechtsprechung

    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es für die Frage des steuerlichen Veräußerungs- und Besteuerungszeitpunkts nicht auf den Übergang des rechtlichen, sondern des wirtschaftlichen Eigentums ankommt. Dazu ist stets eine Gesamtschau erforderlich. Verallgemeinerungen sind kaum möglich. Von Interesse ist insoweit beispielsweise das BFH-Urteil vom 24.1.12 (IX R 69/10):

     

    Das wirtschaftliche Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil geht auf einen Erwerber über (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO), wenn der Käufer des Anteils

    • aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und
    • die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen (Verwaltungs- und Vermögens-)Rechte (insbesondere Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht) sowie
    • Risiko und Chance von Wertveränderungen auf ihn übergegangen sind.

     

    Danach erlangt wirtschaftliches Eigentum, wer nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte, insbesondere Gewinnbezugs- und Stimmrecht) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann (vgl. dazu auch BFH 9.10.08, IX R 73/06, BStBl II 09, 140 und BFH 11.7.06, VIII R 32/04, BStBl II 07, 296, m. w. N.).

     

    Beachten Sie | Doch Vorsicht: Eine von der zivilrechtlichen Inhaberstellung abweichende Zuordnung eines Wirtschaftsguts kann auch dann anzunehmen sein, wenn die vorstehend genannten Voraussetzungen nicht in vollem Umfang erfüllt sind. Demgemäß ist auch bei der Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentums nicht das formal Erklärte oder formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte ausschlaggebend (BFH 15.2.01, III R 130/95, BFH/NV 01, 1041, 1044; BFH 11.7.06, VIII R 32/04, BStBl II 07, 296).

     

    In Bezug auf Optionen hat der BFH wie folgt entschieden:

     

    • Reine Erwerbsoptionen sind (nur) dann geeignet, die Annahme wirtschaftlichen Eigentums zu begründen, wenn nach dem typischen und für die wirtschaftliche Beurteilung maßgeblichen Geschehensablauf tatsächlich mit einer Ausübung des Optionsrechts gerechnet werden kann (vgl. z. B. BFH 10.6.88, III R 18/85, BFH/NV 89, 348, 349; 29.7.81, I R 62/77, BStBl II 82, 107; 25.8.93, 3 XI R 6/93, BStBl II 94, 23; 4.7.07, BStBl II, 937).

     

    • Zu reinen Verkaufsoptionen, also Andienungsrechten, hat der BFH beispielsweise im Zusammenhang mit dem Leasing und der Rechteverwertung geurteilt. Eine vom Eigentum abweichende wirtschaftliche Zurechnung komme bei einem Andienungsrecht, also einer Verkaufsoption, zwar in Betracht, wenn bei wirtschaftlich vernünftiger Entscheidungsfindung mit der Ausübung des Rechts zu rechnen ist. Voraussetzung sei in diesen Fällen jedoch, dass der Nutzungsberechtigte den wirtschaftlichen Ausschluss für die verbleibende Nutzungsdauer bewirken kann, d. h., ihm eine entsprechende rechtliche Befugnis z. B. in Gestalt einer Verlängerungs- oder Kaufoption zusteht. Hieran fehle es, wenn lediglich eine Befugnis des Eigentümers z. B. in Gestalt eines Andienungsrechts besteht, selbst wenn dies von Anfang an so ausgestaltet ist, dass seine Ausübung als wirtschaftlich vernünftig erscheint (vgl. BFH 14.4.22, IV R 32/19, BStBl II 22, 832; BFH 13.10.16, IV R 33/13, BStBl II 18, 81).

     

    • Bei einer so genannten wechselseitigen Option oder Doppeloption sieht es anders aus. Dann kann sogar typischerweise aufgrund des zu prognostizierenden Geschehensablaufs davon ausgegangen werden, dass entweder der Verkäufer zur Abwendung eines Vermögensverlustes oder der Käufer zur Realisierung eines Vermögenszuwachses von ihren Optionsrechten Gebrauch machen würde. Damit aber steht zugleich fest, dass ‒ ebenso wie im Falle eines Terminverkaufs ‒ sowohl das Risiko der Wertminderungen der Anteilsrechte als auch die Chance ihrer Wertsteigerung bereits mit Abschluss des Übertragungsvertrags übergeht (BFH 11.7.06, BStBl II 07, 296).

     

    ZWISCHENFAZIT | Es ist einerseits zu prüfen, welche Rechte der ‒ potenzielle ‒ Erwerber aufgrund der Option ausüben kann. Je größer und umfassender diese Rechte sind, umso eher spricht das für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums. Andererseits kann aber auch die „Prognostizierbarkeit“ zu beurteilen sein, d. h. die Frage, wie wahrscheinlich der Übergang (auch) des rechtlichen Eigentums sein wird. Zugegebenermaßen ist die „Prognostizierbarkeit“ ein schwammiger und damit streitanfälliger Begriff.

     

    4. Die Lösung des Musterfalls

    Der Musterfall entspricht ‒ etwas abgewandelt ‒ dem Sachverhalt, über den das FG Rheinland-Pfalz (17.12.24, 5 K 1293/22) zugunsten des Klägers entschieden hat. Die Vereinbarung einer reinen Put-Option im Rahmen der Einbringung eines Mitunternehmeranteils in eine GmbH führt nicht schon im Jahr der Einbringung zu einem Veräußerungsgewinn, wenn der Einbringende den erworbenen Kapitalgesellschaftsanteil erst in vielen Jahren übertragen muss. Im zugrunde liegenden Fall waren es allerdings sogar 17 ½ Jahre.

     

    Auch hier musste das FG eine Gesamtschau vornehmen. Letztlich ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass das wirtschaftliche Eigentum an dem Anteil des Klägers an der GmbH nicht bereits im Streitjahr, also bei Einbringung, übergegangen ist. Dabei war aus Sicht des Gerichts von wesentlicher Bedeutung, dass der Mehrheitsgesellschafter aufgrund der dem Kläger eingeräumten Put-Option noch keine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hatte. Auch die mit dem Gesellschaftsanteil verbundenen wesentlichen (Verwaltungs- und Vermögens-)Rechte (insbesondere Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht) waren noch nicht auf den Mehrheitsgesellschafter übergegangen.

     

    Der Einwand des FA, dass der Kläger durch die Festlegung des Kaufpreises im Rahmen der Put-Option weder das Risiko einer Wertminderung noch die Chance einer Wertsteigerung tragen würde, sei zwar berechtigt. Denn nach dieser Vereinbarung sollte der Kläger bei Ausübung seines Optionsrechts stets den vereinbarten ‒ also festgelegten ‒ Kaufpreis erhalten, unabhängig davon, was der Gesellschaftsanteil zu diesem Zeitpunkt tatsächlich wert sein wird. Das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung sind daher auf die GmbH übergegangen, weil sie sich verpflichtete, an den Kläger bei Ausübung seines Optionsrechts den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen, auch wenn der Wert der Anteile niedriger oder höher sein sollte.

     

    Das allein reichte dem FG für die Annahme, dass das wirtschaftliche Eigentum an dem Gesellschaftsanteil des Klägers auf die GmbH übergegangen war, jedoch nicht aus. Hier habe sich angesichts des Zeitraums von 17 ½ Jahren bis zur Verpflichtung des Klägers, die Put-Option auszuüben, offensichtlich kein „normaler“ Verlauf der Dinge prognostizieren lassen.

     

    Ob der Kläger die Möglichkeit gehabt hat, Entscheidungen gegenüber weiteren Minderheitengesellschaftern durchzusetzen, kommt es nicht an. Entscheidend ist allein, dass der Kläger seine Stimmrechte nicht übertragen hat. Dass er sie wegen der Mehrheitsverhältnisse nicht effektiv ausüben konnte, führt nicht zum „Übergang“ der entsprechenden Rechte.

     

    Auch der Einwand, dass das Gewinnbezugsrecht faktisch allein dem Mehrheitsgesellschafter zustehe, weil der Kläger noch keine wertadäquate Gegenleistung für seinen auf die MVZ-GmbH übertragenen Gesellschaftsanteil erhalten habe und eine Garantiedividende deshalb als Verzinsung des Kaufpreisanspruchs zu verstehen sei, greife nicht durch. Der den Ausgabebetrag der neuen Stammeinlage des Klägers übersteigende Wert seiner Sacheinlage wurde in die Kapitalrücklage der MVZ-GmbH eingestellt. Es handelte sich daher um eine nicht verhältniswahrende Einbringung, deren steuerliche Auswirkungen auf der Ebene der MVZ-GmbH zu ziehen sind.

    5. Prognostizierbarkeit

    Der Sachverhalt, der dem Urteil des FG Rheinland-Pfalz zugrunde lag, ist sicherlich besonders, weil 17 ½ Jahre zwischen der Einbringung und der möglichen rechtlichen Übertragung des Anteils lagen. Wohl insbesondere aufgrund dieser langen Zeitspanne hat das FG den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums verneint. Von Bedeutung ist aber vielleicht folgender Hinweis des FG: Der BFH hat eine solche Prognostizierbarkeit bereits für einen Zeitraum von (nur) zehn Jahren abgelehnt (BFH 14.8.19, I R 44/17). Der BFH wörtlich: „Außerdem ließ sich angesichts des Zeitraums von zehn Jahren bis zum geplanten ‒ und letztlich auch durchgeführten ‒ Terminverkauf kein normaler Verlauf der Dinge prognostizieren.“

     

    FAZIT | Bei Anteilsübertragungsverträgen mit Optionen muss letztlich sorgfältig abgewogen werden, ob das wirtschaftliche Eigentum beim Veräußerer verbleiben oder ob es bereits auf den Erwerber übergehen soll. Jedenfalls sind die Vertragsbedingungen (Stimmrechte, Gewinnbezugsrechte, Risiko und Chance von Wertveränderungen) im Lichte der BFH-Rechtsprechung zu prüfen und gegebenenfalls ‒ je nach Gewolltem ‒ entsprechend auszuformulieren.

     

    Was aber bleibt, ist die Unsicherheit bezüglich des von der steuerlichen Rechtsprechung entwickelten Tatbestandsmerkmals der Prognostizierbarkeit. Wohl nur selten sind die Vertragsparteien bereit, die „Zehn-Jahres-Grenze“ laut dem erwähnten Urteil des BFH (14.8.19, I R 44/17) einzuhalten.

     

    Bei reinen Andienungsrechten hilft zwar die erwähnte BFH-Rechtsprechung weiter, die das wirtschaftliche Eigentum eher beim Einbringenden sieht. Allerdings darf nicht verkannt werden, dass die Rechtsprechung zum Leasing und zur Rechteverwertung ergangen ist und dass Fälle des reinen Andienungsrechts, ohne dass der ‒ potenzielle ‒ Erwerber selbst irgendwelche Rechte hat, im Bereich der Praxiseinbringung eher selten sind.

     

    Im Besprechungsfall wurde zwar die Revision zugelassen, weil die Frage, ob es sich bei der in § 22 Abs. 3 S. 1 UmwStG genannten siebenjährigen Nachweisfrist um eine Ausschlussfrist handelt, umstritten und höchstrichterlich noch nicht geklärt ist. Das FA hat aber auf die Revision verzichtet und das FG-Urteil ist rechtskräftig.

     

    Ein abschließender ‒ ganz allgemeiner ‒ Hinweis noch zu Buchwerteinbringungen: Der Antrag auf Buchwertfortführung unterliegt keinen Formvorschriften und kann auch konkludent gestellt werden. Soweit ersichtlich hat sich durch die Neuregelung des § 13 Abs. 2 S. 2 UmwStG durch das JStG 2024, die für Verschmelzungen gilt („Der Antrag ist spätestens bis zur erstmaligen Abgabe der Steuererklärung … zu stellen.“), für Einbringungen nach §§ 20, 24 UmwStG nichts geändert. Natürlich sollte man es auf die Frage eines konkludenten Antrags aber erst gar nicht ankommen lassen, sondern den Antrag auf Buchwertfortführung explizit stellen. Dies gilt insbesondere, wenn bei der Einbringung keine Übernahmebilanz erstellt wird, die dem FA vorgelegt wird, aus der dieses eine Vermögensübernahme zum Buchwert eindeutig erkennen könnte.

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2025 | Seite 280 | ID 50439822