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  • · Fachbeitrag · Musterfall

    Abfärbung durch eine Photovoltaik-Anlage?

    von Prof. Dr. Alexander, Kratzsch, Bünde

    | Die Installation und der Betrieb von PV-Anlagen können erhebliche steuerliche Auswirkungen haben, insbesondere wenn sie im Zusammenhang mit Personengesellschaften stehen. Besonders problematisch kann dies bei Grundbesitz verwaltenden Personengesellschaften sein, da die Gefahr der gewerblichen Prägung droht. In diesem Beitrag wird die steuerliche Behandlung von PV-Anlagen genauer beleuchtet und insbesondere auf die potenziellen Probleme im Zusammenhang mit Grundbesitz verwaltenden Personengesellschaften eingegangen. |

    1. Rechtlicher Hintergrund

    Nur eine Personengesellschaft, die keine gewerblichen Einkünfte hat, kann Überschusseinkünfte erzielen. Eine Personengesellschaft, die auch eine originär gewerbliche Tätigkeit ausführt (1. Alternative ‒ Einkünfte i. S. v. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG) oder an einer gewerblichen Mitunternehmerschaft beteiligt ist (2. Alternative ‒ Einkünfte i. S. v. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG), erzielt ‒ unabhängig von ihren weiteren Einkunftsquellen ‒ insgesamt gewerbliche Einkünfte. Die Folgen sind neben der Gewerbesteuerpflicht einer gewerblichen Personengesellschaft deshalb bedeutsam, weil im Fall der gewerblichen Abfärbung bei der (dann als Mitunternehmerschaft bezeichneten) Gesellschaft ausschließlich Betriebsvermögen vorliegt. Bei vermögensverwaltend tätigen Mitunternehmerschaften, die aufgrund des Betriebs einer PV-Anlagen gewerblich infiziert sind, gehören sämtliche Wirtschaftsgüter (insbesondere die Gebäude) zum Betriebsvermögen. Dagegen verfügt die Überschusseinkünfte erzielende Gesellschaft ausschließlich über steuerliches Privatvermögen. Wertsteigerungen im Privatvermögen können steuerfrei realisiert werden.

     

    Der BFH hat die gewerbliche Abfärbung bei geringfügigen Umsätzen wie folgt eingeschränkt (BFH 27.8.14, VIII R 16/11, VIII R 41/11, VIII R 6/12 BStBl 15 II, 996 ff.): Eine gewerbliche Tätigkeit liegt nicht vor, wenn die originär gewerblichen Nettoumsatzerlöse im Veranlagungszeitraum folgende Obergrenze nicht übersteigen:

     

    • 3 % der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft und
    • den Betrag von 24.500 EUR

     

    Soweit in den vergangenen Jahren eine PV-Anlagen auf dem Grundstück unterhalten wurde, bestand die Gefahr der Infektion der gesamten Einkünfte, wenn diese Bagatellgrenzen überschritten wurden. Bei vermögensverwaltend tätigen Mitunternehmerschaften, die aufgrund des Betriebs einer PV-Anlagen gewerblich infiziert waren, stellen aber sämtliche Wirtschaftsgüter (insbesondere die Gebäude) Betriebsvermögen dar. Die gewerbliche Infektion ist jedoch mit der Steuerfreiheit für die PV-Anlage ab dem VZ 2022 entfallen.

     

    • Exkurs: Verfassungswidrige Ungleichbehandlung?

    Der BFH (30.6.22, IV R 42/19) ist nicht von der Verfassungswidrigkeit des § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 Alternative 1 und S. 2 Alternative 1 EStG n. F. überzeugt: Das BVerfG habe seine Rechtsprechung, in der es die Abfärbung für verfassungsgemäß erachtet habe, nicht auf freiberufliche Einkünfte beschränkt, sondern in seine Überlegungen wiederholt auch gemischt tätige vermögensverwaltende Personengesellschaften einbezogen. Im Wesentlichen hat das BVerfG in seinem Beschluss in BVerfGE 120, 1 (Rz. 110 ff.) ausgeführt, dass die Abfärberegelung zwar zu einer Ungleichbehandlung von Personengesellschaften gegenüber Einzelunternehmern führe. Hierin liege aber kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. So habe der Gesetzgeber mit der Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a. F. legitime Zwecke ‒ zum einen die Vereinfachung der Einkünfteermittlung gemischt tätiger Personengesellschaften, zum anderen die Erhaltung der Substanz der Gewerbesteuer‒ verfolgt. Die Abfärberegelung steht rechtlich also auf recht stabilen Beinen.

     

    2. Musterfall mit Würdigung

    • Beispiel

    Ein Ärzteehepaar hat zur Vermietung einer Wohnimmobilie eine Vermietungs-GbR gegründet. Es werden dem Grunde nach Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Die Vermietungs-GbR hat eine kleine PV-Anlage an die Fassade gebaut. Grundsätzlich sind die Erlöse aus der Stromeinspeisung (100 % Einspeisung) mit circa 3.000 EUR netto jährlich so gering, dass sie die Grenzen des BFH (3 %-Bagatell-Grenze und 24.500 EUR) nicht überschreiten.

     

    Allerdings hat die GbR aufgrund des Umbaus und der Sanierung der Immobilie 2015 nahezu keine Vermietungseinkünfte gehabt, jedoch Stromerlöse, sodass alleine im Jahr 2015 eine Überschreitung der 3 %-Grenze eingetreten ist. Dies war auch das einzige Jahr. Seit 2016 liegt der Prozentsatz wider erheblich unter den 3 %. Die Anlage wird bis heute betrieben.

     

    Dieser Sachverhalt wirft steuerlich mehrere Fragen auf:

     

    • Reicht die einmalige Überschreitung der 3 %-Grenze 2015 für die Umqualifizierung in gewerbliche Einkünfte und die Einlage der Wirtschaftsgüter in das Betriebsvermögen?
    • Führt die Unterschreitung in den Folgejahren zu einer Entnahme?
    • Fällt die PV-Anlage unter die Steuerbefreiung seit 2022?

     

    2.1 Einmalige Überschreitung der 3 %-Grenze schon schädlich?

    Im VZ 2015 wurde die 3 %-Grenze überschritten. Fraglich ist, ob eine Abfärbung unmittelbar, also bereits nach Ablauf des ersten Veranlagungszeitraums, in dem die Bagatellgrenze überschritten wird, eintritt (hier: 2015). Dies war bisher nicht geklärt. Hierzu hat der BFH nunmehr durch eine Entscheidung im Jahre 2022 ausgeführt (BFH 30.6.22, IV R 42/19, FR 23, 747):

     

    „§ 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 Alt. 1 und S. 2 Alt. 1 EStG n. F. lässt es ‒ entgegen der Auffassung der Klägerin ‒ auch nicht zu, die abfärbende Wirkung erst nach einem längeren (mehrjährigen) Beobachtungszeitraum (z. B. von drei Jahren) eintreten zu lassen (dies noch offen lassend BFH v. 12.4.18, IV R 5/15, BStBl II 20, 118 Rz. 36 = FR 18, 959 m. Anm. Kanzler).

     

    • Nach Ansicht der Klägerin dürfen gewerbliche Einkünfte erst nach einem längeren Beobachtungszeitraum zur Abfärbung führen, weil sonst ein späterer Wegfall der bereits eingetretenen Abfärbewirkung eine Betriebsaufgabe zur Folge hätte (ähnlich Kanzler, FR 15, 512; Wendt, Steuerberater-Jahrbuch 2015/2016, 35, 42; Kahle/Braun, DStZ 19, 332).
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    • Der Senat kann sich dieser Meinung im Ergebnis aus den gleichen Gründen nicht anschließen, die bereits gegen eine modifizierte Bagatellgrenze sprechen (dazu vorstehend B.III.4.a). Zudem ist nicht ersichtlich, auf welche Rechtsgrundlage sich unter Berücksichtigung des Prinzips der Abschnittsbesteuerung (Jahresbetrachtung) ein Beobachtungszeitraum stützen ließe, der über einen Veranlagungszeitraum (ein Kalenderjahr) hinausgeht. Im Übrigen würde das Problem der Betriebsaufgabe (infolge „Entstrickung“) auch durch Einführung eines Beobachtungszeitraums nicht gänzlich gelöst, sondern lediglich entschärft und ggf. auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.

     

    ZWISCHENFAZIT | Folglich tritt auf dieser Grundlage bereits im VZ 2015 eine gewerbliche Infektion ein mit der Folge, dass nicht nur die PV-Anlagen, sondern auch das Grundstück in das Betriebsvermögen der GbR eingelegt wurden (§ 6 Abs. 1 Nr. 6 i. V. m. Nr. 5 EStG).

     

    2.2 Führt Unterschreitung zur Entnahme?

    Fraglich ist, ob durch die Unterschreitung der Geringfügigkeitsgrenze seit dem VZ 2016 eine Entnahme vorgenommen wurde mit der Folge, dass ein etwaiger Entnahmegewinn im VZ 2016 zu versteuern wäre.

     

    Wirtschaftsgüter, die zum notwendigen Betriebsvermögen gehört haben und, z. B. aufgrund einer Nutzungsänderung, nicht mehr notwendiges Betriebsvermögen sind, aber dadurch auch nicht zu notwendigem Privatvermögen geworden sind, und die der Steuerpflichtige auch nicht eindeutig entnommen hat, können als sog. geduldetes Betriebsvermögen weiterhin im Betriebsvermögen verbleiben (BFH 21.8.15, VIII R 11/11, BStBl II 16, 117, m. w. N.).

     

    Um geduldetes Betriebsvermögen kann es sich auch handeln, wenn sich der Umfang der betrieblichen Nutzung eines zum gewillkürten Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsguts ändert. Wurde das Wirtschaftsgut in einem früheren Veranlagungszeitraum wegen einer mehr als 10 %igen betrieblichen Nutzung dem gewillkürten Betriebsvermögen zugeordnet und sinkt die betriebliche Nutzung in einem Folgejahr auf unter 10 %, ändert dies an der Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen zunächst nichts, weil eine solche Nutzungsänderung allein keine Entnahme darstellt. Etwas anderes gilt nur, wenn die Nutzungsänderung ihrer Art nach auf Dauer angelegt ist (BFH 21.8.15, VIII R 11/11, BStBl II 16, 117, m. w. N.).

     

    Das Vorliegen von geduldetem Betriebsvermögen erscheint hinsichtlich der Qualifikation des Grundstücks nebst Gebäude allerdings fraglich. Sollte die GbR seit 2016 jährlich gewerbliche Einkünfte deklariert haben, könnte man auch an gewillkürtes Betriebsvermögen denken. Die Widmung eines Wirtschaftsguts zu gewillkürtem Betriebsvermögen setzt die objektive Eignung voraus, den Betrieb zu fördern und ihm zu dienen.

     

    Durch die Finanzgerichte wurde der hier relevante Sachverhalt, soweit erkennbar, noch nicht entschieden. In der Literatur wird es jedoch für möglich gehalten, dass es in dem Jahr, in dem die Geringfügigkeitsgrenze wieder unterschritten wird, zu einer Betriebsaufgabe kommt (Atigan, BB 17, 2967; Schmidt/Wacker, 38. Aufl. 19, EStG § 15 Rz. 188; Stapperfend HHR EStG KStG, 310. Lieferung 04.22, § 15 Anm. 1455).

     

    Bei Unterschreiten der Bagatellgrenze und (hier nicht zeitnah erfolgter) Geltendmachung der Nichtanwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG durch den Steuerpflichtigen führt nach Korn/Schell (DStR 19, S. 1665 ff.) kein Weg daran vorbei, eine Entnahme des bislang gewerblich infizierten Betriebsvermögens vorzunehmen. Eine an den Übergang zur Liebhaberei angelehnte Verfahrensweise bedürfe einer Rechtsgrundlage, die derzeit nicht vorhanden ist. Eine solche Verfahrensweise hätte zur Folge, dass keine Betriebsaufgabe vorläge (so wird nach Liebhabereigrundsätzen verfahren).

     

    ZWISCHENFAZIT | Die Rechtslage ist also nicht abschließend geklärt. Man könnte sich mit der Literatur auf den Standpunkt stellen, dass eine Zwangsentnahme bereits im VZ 2016 erfolgt ist.

     

    2.3 Einkommensteuerfreiheit von PV-Anlagen

    Seit 2022 sind PV-Anlagen mit einer installierten Gesamtbruttoleistung von bis zu 30 kWp einkommensteuerfrei. Diese Steuerbefreiung gilt für Anlagen, die auf, an oder in Einfamilienhäusern einschließlich Dächern von Garagen und Carports, sowie auf sonstigen Gebäuden installiert sind. Die Einnahmen aus PV-Anlagen sind auch steuerbefreit, wenn der erzeugte Strom vollständig in das öffentliche Stromnetz eingespeist, zum Aufladen eines privaten oder betrieblich genutzten E-Autos verbraucht oder von Mietern genutzt wird (zu den Einzelheiten BMF 17.7.23, IV C 6 - S 2121/23/10001 :001).

     

    Mit der Steuerfreiheit für die PV-Anlage entfällt die Abfärbung ab 1.1.22. Damit müssten alle Wirtschaftsgüter, mit Ausnahme der PV-Anlagen, entnommen und stille Reserven aufgedeckt werden. Die Finanzverwaltung hatte hierzu aber eine Übergangsregelung geschaffen: Aus Vertrauensschutzgründen wurde von einer Entnahme abgesehen, wenn die Verstrickung der stillen Reserven bis zum 31.12.23 aus anderen Gründen wiederhergestellt wurde. Im BMF-Schreiben heißt es hierzu unter Ziffer 23: „Nach § 3 Nr. 72 S. 3 EStG ist in den Fällen des § 3 Nr. 72 S. 2 EStG die Vorschrift des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht anzuwenden. Bei im Übrigen vermögensverwaltend tätigen Mitunternehmerschaften, die bislang nur aufgrund des Betriebs einer oder mehrerer PV-Anlagen i. S. d. § 3 Nr. 72 S. 1 EStG gewerblich infiziert waren, sind sämtliche Wirtschaftsgüter, insbesondere die Gebäude, auf, an oder in dem sich eine PV-Anlagen befindet, mit Ausnahme der PV-Anlagen in 2022 zu entnehmen. Aus Vertrauensschutzgründen wird von einer Entnahme abgesehen, wenn die Verstrickung der stillen Reserven bis zu 31.12.23 aus anderen Gründen wiederhergestellt ist.“

     

    ZWISCHENFAZIT | Die Steuerbefreiung (seit 2022 einkommensteuerlich und seit 2023 auch umsatzsteuerlich) wurde als Vereinfachung begrüßt. In diesem Sachverhalt verkompliziert sie den Fall aber. Denn wenn das Betriebsvermögen über 2016 hinaus Bestand gehabt haben sollte, dann hätte das Vermieter-/Betreiber-Ehepaar spätestens bis zum 31.12.23 handeln und die Vermietungs-GbR z. B. durch eine geschäftsführende GmbH gewerblich prägen müssen. Anderenfalls wäre es auf den 31.12.21 zu einer Betriebsaufgabe und Entnahme der Wirtschaftsgüter gekommen.

     
    • Exkurs: Gewerblich geprägte KG nach dem Beitrittsmodell

    Die GbR-Gesellschafter gründen eine GmbH, die sich vermögenslos (0 %) an der GbR als Komplementär beteiligt, die Gesellschafter werden Kommanditisten. Die Geschäftsführung übernimmt ausschließlich die GmbH, damit eine gewerbliche Prägung nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG eintritt. Der Vorgang ist ertragsteuerlich nicht relevant, weil kein Vermögen übergeht. Für die Folgezeit sind aber insbesondere die Vorgaben von § 264c HGB zu beachten. Die Vorgaben der §§ 264 ff. HGB gelten auch für die GmbH & Co. KG (vgl. § 264a Abs. 1 HGB). Der Vorgang ist zwar grunderwerbsteuerbar, aber nach § 5 Abs. 2 GrEStG in vollem Umfang von der Grunderwerbsteuer befreit. Die Behaltensfristen nach § 5 Abs. 3 GrEStG sind zu beachten (zehn Jahre).

     

    3. Zusammenfassung

    Wie der Fall zeigt, kann eine „kleine“ Photovoltaik-Anlage große Fragen auslösen ‒ insbesondere wenn die steuerlichen Konsequenzen zu spät erkannt oder nicht gezogen werden:

     

    • Blieb die Überschreitung der 3 %-Grenze 2015 all die Jahre steuerlich unerkannt und wurden vermögensverwaltende Einkünfte deklariert, dann wird es auf die Rechtsmeinung des FA in der Betriebsprüfung ankommen, ob es nur für 2016 von gewerblichen Einkünften ausgeht oder auch für die Folgejahre. Für diesen Fall sei auf die Literaturstellen in Tz. 2.2 verwiesen.

     

    • Wurde die Überschreitung der 3 %-Grenze 2015 steuerlich erkannt, gewerbliche Einkünfte in den Folgejahren deklariert und die Gewerblichkeit durch eine gewerbliche Prägung bis Ende 2023 abgesichert, dann profitieren die Gesellschafter nicht von der Steuerbefreiung.
    Quelle: Ausgabe 03 / 2024 | Seite 80 | ID 49730744

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