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  • · Fachbeitrag · Einkünftequalifizierung

    Steuerliche Fallstricke bei der Anstellung von (Zahn-)Ärzten

    von RA StB FA SteuerR Dipl-Finw. Andreas Paschhoff, Wuppertal, www.eundp.net, Partner der metax®

    |  Die nach den Neuregelungen des Vertragsarztrechts mögliche Anstellung von Ärzten wirft immer wieder die Frage der Gewerbesteuerpflicht niedergelassener (Zahn-)Ärzte auf. In Gemeinschaftspraxen erhöht sich dieses Risiko zusätzlich durch die Anwendung der Abfärbetheorie, durch die womöglich die gesamten Einkünfte der Praxis gewerblich geprägt werden. Der Beitrag geht auf die Voraussetzungen der steuerunschädlichen Anstellung von (Zahn-)Ärzten am Beispiel einer jüngeren FG-Entscheidung ein. |

    1. Umqualifizierung freiberuflicher Einkünfte in gewerbliche

    Freiberufliche Einkünfte sind dadurch gekennzeichnet, dass die Leistungen unmittelbar, persönlich und individuell erbracht werden, wobei sich der Leistungserbringer auch fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte (hier: angestellten Ärzten) bedienen kann. Voraussetzung ist, dass der Freiberufler weiterhin aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig bleibt (Stempeltheorie). Um die Umqualifizierung von freiberuflichen in gewerbliche Einkünfte wegen der Unterstützung durch Angestellte oder freie Mitarbeiter zu vermeiden, sind demnach vier Fragen zu bedenken:

     

    • Arbeiten fachlich vorgebildete Arbeitskräfte (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG) mit?
    • Wird der Berufsträger aufgrund eigener Fachkenntnisse tätig?
    • Ist die Tätigkeit des Berufsträgers leitend?
    • Ist die Tätigkeit des Berufsträgers eigenverantwortlich?

     

    1.1 Fachlich vorgebildete Arbeitskräfte

    Als fachlich vorgebildete Arbeitskraft gelten neben Arbeitnehmern auch freie Mitarbeiter und Subunternehmer, wenn deren Tätigkeiten nicht nur von untergeordneter Bedeutung sind und wenn sie die Arbeit des Berufsträgers auch nur in Teilbereichen ersetzen können.

     

    • Beispiel

    Bei einem Krankengymnasten verlangt der BFH, dass dieser durch regelmäßige und eingehende Kontrolle maßgeblich auf die Pflegetätigkeit seiner Mitarbeiter bei jedem einzelnen Patienten Einfluss nimmt, sodass die Leistung den „Stempel der Persönlichkeit” des Krankengymnasten trägt (BFH 14.3.07, XI R 59/05).

     

    Nicht erforderlich ist, dass die Ausbildung oder Berufstätigkeit derjenigen des Berufsträgers entspricht. Die Mitarbeit von Fachgehilfen, technischem Personal und Büropersonal wird demnach als unschädlich angesehen (­Siewert in Frotscher, § 18 EStG, Rdn. 87).

     

    1.2 Eigene Fachkenntnis des Berufsträgers

    Wesentlich dafür, dass der Berufsträger der Leistung seiner Beschäftigten überhaupt den Stempel seiner Persönlichkeit geben kann, ist, dass er aufgrund eigener Fachkenntnisse tätig wird. Keine freiberuflichen Einkünfte liegen deshalb vor bei der Beschäftigung fachfremder Berufsgruppen.

     

    • Beispiel

    So kann beispielsweise ein Chirurg oder Orthopäde die Tätigkeit eines Anästhesisten bei einer Operation nicht aufgrund eigener Fachkenntnisse überwachen. Die Beschäftigung eines Anästhesisten durch einen Chirurgen oder Orthopäden würde also die Einkünfte der Letzteren in gewerbliche Einkünfte umqualifizieren.

     

    Ein Radiologe, der einen Chirurgen anstellt, wird diesen nicht fachlich überwachen können. Die Einkünfte des Radiologen werden hierdurch gewerblich.

     

    Bei fachübergreifenden Gemeinschaftspraxen (Personengesellschaften) ist es allerdings ausreichend, wenn nur einer der Gesellschafter die fachliche Qualifikation auf dem entsprechenden Gebiet nachgewiesen hat.

     

    • Beispiel

    Eine fachübergreifende Gemeinschaftspraxis aus zwei Chirurgen und einem Anästhesisten stellt einen weiteren Anästhesisten ein. Dies ist für die Gemeinschaftspraxis möglich, die Einkünfte bleiben freiberuflich.

     

    1.3 Leitende Tätigkeit des Berufsträgers

    Um selbst leitend tätig zu werden, muss der Berufsträger

     

    • die Grundzüge der Tätigkeiten und der Organisation festlegen,
    • grundsätzliche Fragen selbst entscheiden,
    • die Arbeitsabläufe regelmäßig überwachen und
    • durch regelmäßige Stichproben und Arbeitskontrollen sicherstellen, dass seine Festlegungen eingehalten werden.

     

    1.4 Eigenverantwortliche Tätigkeit des Berufsträgers

    Eigenverantwortlich tätig ist der Berufsträger, wenn er selbst in ausreichendem Maße an der praktischen Tätigkeit teilnimmt und seine Arbeitskraft in einer Weise einsetzt, bei der ihm die uneingeschränkte fachliche Verantwortung - auch für die Tätigkeiten seiner Beschäftigten - zukommt.

     

    PRAXISHINWEIS | Dafür genügen gelegentliche Stichproben nicht. Ebenso ­wenig reicht es aus, dass der Berufsträger die berufsrechtliche Verantwortung gegenüber dem Auftraggeber trägt. Der Berufsträger muss der Leistung seinen Stempel aufdrücken, er muss „Bezugsperson und Anlaufstelle“ für den Patienten bleiben (vgl. Michels, Ketteler-Eising, PFB 08, 226).

     

     

    Von besonderer Bedeutung dafür, ob ein Praxisinhaber noch eigenverantwortlich tätig ist, ist das nach außen wirkende Berufsbild, das sich vor allem aus dem Erscheinungsbild der Betätigung ergibt. Hier ist es wichtig, dass im Bewusstsein des Patienten der Praxisinhaber der eigentliche Ansprechpartner bleibt, dass er für die medizinische Betreuung grundsätzlich immer zur Verfügung steht und im Ergebnis die fachliche Verantwortung für die Behandlung trägt und dass die Praxis dem Inhaber oder bei einer Gemeinschaftspraxis mehreren Ärzten gleichermaßen zugeordnet bleibt. Dann wird der Patient alle in der Praxis erbrachten Leistungen dem Praxisinhaber zurechnen, selbst wenn ein Mitarbeiter die konkrete Arbeit geleistet hat.

     

    PRAXISHINWEIS | Probleme entstehen dann, wenn der Praxisinhaber ausschließlich die besonders wichtigen oder besonders schwierigen Fälle behandelt, die einfachen aber ohne fachliche Überprüfung dem Mitarbeiter überlässt und insoweit gegenüber dem Patienten nicht mehr in Erscheinung tritt. Das geschieht unweigerlich dann, wenn die Praxis zu groß wird und sich dadurch Patienten­kreise um die angestellten Ärzte herum verselbstständigen.

     

    2. Konsequenzen für die Aufgabendelegation in der Praxis

    Die hohen Anforderungen der Stempeltheorie schränken die Möglichkeiten der Aufgabendelegation in einer Praxis teilweise empfindlich ein.

     

    Eine Gemeinschaftspraxis für Anästhesie in der Rechtsform der GbR verfügte nicht über eigene Praxisräume, sondern übte ihre Tätigkeit in den Praxen der sie beauftragenden Operateure aus (mobiler Anästhesiebetrieb). Die GbR hatte eine Reihe standardisierter Behandlungsmethoden entwickelt. Nach einer Voruntersuchung, die immer durch einen der Gesellschafter durchgeführt wurde, schlug dieser eine der Behandlungsmethoden vor. Die Anästhesie wurde dann durch einen anderen Arzt durchgeführt, teilweise auch durch eine angestellte Anästhesistin. Diese führte nur einfach gelagerte Anästhesien durch. Die Voruntersuchungen gehörten nicht zu ihrem Aufgabenbereich.

     

    Das Finanzamt behandelte die Einkünfte als gewerblich mit der Begründung, die angestellte Anästhesistin sei nach der Berufsordnung für Ärzte zur eigenverantwortlichen und weisungsfreien Arbeit verpflichtet. Sie sei während einer Operation auf sich allein gestellt und müsse bei eventuell auftretenden Komplikationen selbst entscheiden. Der Fall sei deshalb nicht vergleichbar mit dem Fall, in dem einer der Gesellschafter sofort erreichbar sei, etwa bei einem angestellten Zahnarzt, wenn der Gesellschafter im Nebenzimmer behandelt.

     

    Das FG hat entschieden, dass immer noch eine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG vorliegt. Es stellte entscheidend darauf ab, dass die Gesellschafter der GbR die Aufklärungsgespräche selbst führten, dabei die nicht für eine ambulante Anästhesie geeigneten Fälle ausschieden, die Behandlungsmethoden standardisiert und anhand eines ausgearbeiteten Leitfadens festgelegt waren und die Patienten nach dem Aufklärungsgespräch Unterlagen erhielten, die mit dem Logo der Praxis bedruckt waren. Die Berufsordnung, wonach ein Arzt eine Anweisung nicht zu befolgen habe, wenn er diese nicht verantworten kann, stehe der Freiberuflichkeit nicht entgegen. Ebenso sei es nicht erforderlich, dass ein Gesellschafter die angestellte Ärztin ständig begleiten und überwachen müsse. Selbst bei einem eintretenden Notfall könne die angestellte Anästhesistin eigenverantwortlich über die weiteren Behandlungsmaßnahmen entscheiden, weil dies eine für eine Anästhesistin alltägliche Situation darstelle. Dem ist zuzustimmen, weil die Regelung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG ansonsten entgegen dem Sinn und Zweck eingeschränkt werden würde.

     

    PRAXISHINWEIS | Demnach ist auch eine Anstellung an einem anderen Tätigkeitsort, z.B. bei Zweigpraxen oder überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaften, ohne gleichzeitige dortige Tätigkeit eines Gesellschafters oder des Praxisinhabers möglich, ohne die Freiberuflichkeit der Einkünfte zu gefährden (so auch Nebe, Stbg 13, 310).

     

    Schließlich - so das FG - bestehe hinsichtlich der Eigenverantwortlichkeit kein Unterschied zwischen einer angestellten Anästhesistin und einem angestellten Rechtsanwalt, der bei der Wahrnehmung eines Gerichtstermins ebenfalls eigenverantwortlich handeln muss, ohne dass dies - auch bei einer größeren Rechtsanwaltskanzlei - zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führen würde, obwohl auch die Fehlentscheidung eines angestellten Rechtsanwalts schwerwiegende Folgen für den Mandanten nach sich ziehen kann.

     

    Im Gegensatz dazu hatten die Praxisinhaber in einem 2006 entschiedenen Fall (FG Sachsen-Anhalt 24.8.06, 1 K 982/0) die Angestellten nicht überwacht und waren deshalb nicht leitend tätig. M.E. ist deshalb das FG Sachsen-Anhalt mit dieser Entscheidung gar nicht von der älteren abgewichen, sodass das FG die Revision nicht hätte zulassen müssen. Das hat das FG wohl selbst auch so gesehen, wenn es formuliert, „Aus Sicht des Beklagten weicht der Senat mit ­seiner Entscheidung … ab“.

    3. Fazit

    Die Finanzgerichte werden in Anstellungsfällen anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls und aus der Sicht eines objektiven Dritten abzugrenzen versuchen, ob die Voraussetzungen der Freiberuflichkeit noch vorliegen. Dabei wird die Frage entscheidend sein, ob sich für einen objektiven Dritten die Leistung noch als eine solche des Berufsträgers darstellt.

     

    PRAXISHINWEIS | Die zur Einhaltung der o.g. Kriterien durchgeführten Maßnahmen des Berufsträgers sollten in jedem Falle sorgfältig dokumentiert werden, um diese ggf. gegenüber der Finanzverwaltung nachweisen zu können.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Gewerbesteuer: Anstellung von Ärzten in der Praxis (Michels/Ketteler-Eising, PFB 08, 226).
    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 304 | ID 42220115

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