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  • 09.08.2013

    Finanzgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 20.02.2013 – 2 K 1037/10

    1. Sind sämtliche Buchführungsunterlagen auf einem Kleinlaster gelagert worden, ist dieser gestohlen worden und ist deshalb
    die Vorlage der Originalunterlagen unmöglich geworden, sind die gesetzlichen Voraussetzungen zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen
    erfüllt (hier: Schätzung der abziehbaren Vorsteuerbeträge mit 60 % der voranmeldeten Vorsteuerbeträge).


    2. Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist das Vorhandensein einer Rechnung i. S. d. § 14 UStG; das Fehlen der Rechnung kann
    nicht durch eine Schätzung behoben werden. Vorsteuerbeträge können jedoch auch ohne Rechnung berücksichtigt werden, wenn mit
    ausreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass dem Steuerpflichtigen ursprünglich ordnungsgemäße Rechnungen
    vorgelegen haben.


    3. Zwar kann der Steuerpflichtige den Nachweis des Leistungseingangs nicht allein durch Vorlage der Originalrechnung, sondern
    mit allen verfahrensrechtlich zulässigen Mitteln führen. Entscheidend ist jedoch, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des
    § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG einschließlich des ursprünglichen Rechnungsbesitzes des Unternehmers zur Überzeugung des Gerichts vorgelegen
    haben.


    4. Bei Verlust der Eingangsrechnungen muss der Unternehmer die einzelnen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs darlegen und
    hierfür Beweis anbieten; insbesondere muss vorgetragen werden, für welche konkrete Leistung und welchen Entgeltbetrag der
    Vorsteuerabzug beantragt wird. Dieser Nachweis wird nicht durch den Beweisantrag erbracht, verschiedene Zeugen zu der Frage
    zu vernehmen, dass ausschließlich ordnungsgemäße, zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnungen verbucht wurden, wenn zugleich
    jedoch eingeräumt wird, dass den benannten Zeugen die einzelnen Rechnungen nicht mehr erinnerlich sind.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit


    hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt – 2. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 20. Februar 2013 durch den
    Vizepräsidenten des Finanzgerichts Weber als Vorsitzender, den Richter am Finanzgericht Leifermann, den Richter am Finanzgericht
    Schulz, die ehrenamtliche Richterin … und die ehrenamtliche Richterin …


    für Recht erkannt:


    Die Klage wird abgewiesen.


    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.


    Die Revision wird zugelassen.


    Tatbestand

    Streitig ist die Rechtmäßigkeit der nach einer Außenprüfung ergangenen Umsatzsteueränderungsbescheide 1998 bis 2001 vom 21.
    Juni 2007.


    Der Kläger war alleiniger Gesellschafter der … GmbH (GmbH 1). Bei dieser hatte Anfang 1999 eine Betriebsprüfung für die Jahre
    1994 bis 1997 stattgefunden. Dabei wurde festgestellt, dass zwischen dem Kläger als Organträger und der GmbH 1 als Organgesellschaft
    seit 1996 eine umsatzsteuerliche Organschaft bestand. In Tz. 21 des Betriebsprüfungsberichts betreffend die Betriebsprüfung
    bei der GmbH 1 führte das FA aus, dass die Umsätze des Organkreises durch den Kläger als Organträger zu erklären seien und
    er ab dem 1. Januar 1999 eingereichte Voranmeldungen zu berichtigen habe. Sodann führte das FA im Bp-Bericht aus, dass aus
    verwaltungstechnischen Gründen die eingereichten Erklärungen bezüglich der Organschaft nicht geändert würden.


    Im Mai 2003 erließ der Beklagte (das Finanzamt – FA –) gegen den Kläger eine Prüfungsanordnung wegen Umsatzsteuer, Gewerbesteuer
    und Feststellung des Gewinns für die Jahre 1998 bis 2001. Der Prüfer bat den Kläger im Sommer 2003 erfolglos um Vorlage der
    für die Prüfung notwendigen Unterlagen. Der Kläger beantragte wiederholt die Verschiebung des Prüfungsbeginns. Parallel hierzu
    beschloss die Gesellschafterversammlung im August 2003 die Umfirmierung der GmbH 1 in C. GmbH. Im Jahre 2004 veräußerte diese
    im Rahmen eines Unternehmenskaufvertrages das gesamte Anlage- und Umlaufvermögen an die neu gegründete D. GmbH, die im Dezember
    2004 umfirmierte in … GmbH (GmbH 2).


    Im Sommer 2004 teilte der Kläger dem Prüfer mit, dass ihm die Vorlage der erbetenen Unterlagen inzwischen unmöglich geworden
    sei. Zur Begründung führte er aus, im Zuge des Verkaufs sei das bestehende „Miet- und Pachtverhältnis” zwischen ihm, dem Kläger,
    und der GmbH 1 einvernehmlich aufgehoben worden. Das Anlage- und Umlaufvermögen habe die GmbH 2 übernommen. Alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer
    der GmbH 2 sei M. S. gewesen. Nach der Veräußerung des Anlage- und Umlaufvermögens sei für die GmbH 1 die Liquidation eingeleitet
    und beim Handelsregister angemeldet worden. Die gesamten Buchführungsunterlagen der GmbH 1 hätten nunmehr vom Betriebsgelände
    entfernt werden müssen. Er habe daher die Unterlagen und die EDV-Anlage, auf der die Buchhaltung gespeichert war, auf einen
    Kleinlaster geladen und auf diesem bereitgehalten, als der Kleinlaster am 23. Juni 2004 entwendet worden sei. Die nicht für
    die Betriebsprüfung benötigten Unterlagen habe er zwecks Einlagerung nach O. verbringen wollen.


    Nach der Beschaffung vereinzelter Belegzweitschriften erfolgte die Prüfung zwischen Januar 2006 und April 2007. Aufgrund des
    Prüfungsberichts vom 23. Mai 2007 ergingen am 21. Juni 2007 die streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide. Mangels Unterlagen
    hatte das FA über die durch Zweitschriften nachgewiesenen Vorsteuern hinaus 60 % der erklärten Vorsteuern anerkannt.


    Zur Begründung der hiergegen nach erfolglosem Vorverfahren erhoben Klage trägt der Kläger vor, die Bescheide seien nicht ordnungsgemäß
    bekannt gegeben worden. Die umsatzsteuerliche Organschaft sei durch den Verkauf und die Liquidation der GmbH im Jahre 2004
    beendet worden. Deshalb hätten die mit der Klage angefochtenen Bescheide nicht ihm, dem Kläger, sondern der GmbH 1 zugestellt
    werden müssen. Für die GmbH 1 hätte entsprechend dem Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 18. Februar 1993 X B 165/92,
    BFH/NV 1994, 214 ein Nachtragsliquidator bestellt werden müssen. Die Zustellung an ihn, den Kläger, sei fehlerhaft, da die
    Umsatzsteuerbescheide nun dem falschen Steuerschuldner bekannt gegeben worden seien.


    Im Übrigen sei dem FA bei der Schätzung der Höhe der zu berücksichtigenden Vorsteuern gravierende Fehler unterlaufen.

    Für die Umsatzsteuer 1998 sei im Rahmen der Vorprüfung betreffend die Jahre 1994 bis 1997 eine umsatzsteuerliche Organschaft
    auch für das Jahr 1998 festgestellt worden. Unter Punkt 21 des Prüfungsberichts vom 14. Juli 1999 habe das FA ausgeführt,
    dass die eingereichten Erklärungen bezüglich der Organschaft für die Jahre 1996 bis 1998 aus verwaltungstechnischen Vereinfachungsgründen
    nicht geändert würden. Durch diese Aussage sei ein Vertrauenstatbestand gem. § 176 AO geschaffen worden, an den das FA gebunden
    sei.


    Außerdem habe er, der Kläger, für die Umsatzsteuer der Jahre 1999 bis 2001 den Nachweis über die Höhe der abzugsfähigen Vorsteuern
    erbracht. Der BFH habe in seinem Beschluss vom 12. Mai 2003 V B 226/02, BFH/NV 2003, 1226, ausgeführt, dass es in Fällen,
    in denen Originalrechnungen nicht mehr vorhanden seien, zulässig sei, den erforderlichen Nachweis auch auf andere Weise zu
    erbringen. Hierzu könne sich der Steuerpflichtige aller verfahrensrechtlich zulässigen Beweismittel bedienen. Er, der Kläger,
    habe sich bemüht, von seinen Lieferanten, die für die streitigen Zeiträume Waren und ähnliche Güter geliefert und darüber
    ordnungsgemäß Rechnung erteilt hätten, Zweitschriften bzw. schriftliche Bestätigungen zu erhalten. Er habe dabei rund 240
    Firmen angeschrieben mit der Bitte, eine vorgefertigte Erklärung zu unterschreiben und exemplarisch eine Rechnung beizufügen.
    So habe beispielsweise die Firma E. GmbH am 16. August 2007 bestätigt, dass sie regelmäßig Rechnungen im Sinne des § 14 Umsatzsteuergesetz
    (UStG) erteilt habe und exemplarisch die Rechnung Nr. 40738 vom 7. Dezember 2001 beigefügt. Das FA habe dieses Bemühen zu
    Unrecht als mangelhaft erachtet. Das FA habe nicht berücksichtigt, dass steuerrechtliche und handelsrechtliche Aufbewahrungspflichten
    längst abgelaufen waren und eine Übersendung der gesamten Rechnungen aller Lieferanten aus Kostengründen nicht möglich gewesen
    sei. Ein solcher Aufwand sei schlicht unverhältnismäßig gewesen. Die von den Lieferanten erhaltenen Erklärungen und Rechnungszweitschriften
    würden immerhin 3 Leitzordner umfassen. Diese Unterlagen besäßen daher quantitativ und qualitativ eine hohe Aussagekraft.
    Von einem mangelhaften Bemühen könne unter diesen Umständen keine Rede sein. Außerdem sei die laufende Buchhaltung durch die
    Steuerkanzlei … und Partner KG erfolgt. Dieser Kanzlei hätten die Originalrechnungen vorgelegen. Die Mitarbeiterin B. A. habe
    an Eides Statt versichert, dass sie nur Rechnungen verbucht habe, die den Anforderungen des § 14 UStG entsprochen hätten.
    Dies könnten auch Steuerberater K. T. und die Sachbearbeiterin A. O. bezeugen.


    Hinsichtlich der Höhe der vom FA berücksichtigten Vorsteuerbeträge habe sich das FA darauf berufen, dass im Rahmen der Vorprüfung
    Vorsteuern in einer Größenordnung von rund 40 % nicht anzuerkennen waren. Diese Argumentation sei unhaltbar, denn die fälschlicherweise
    gezogene Vorsteuer habe mit dem Erwerb eines Grundstücks ganz überwiegend nur einen einzigen Vorgang betroffen. Unter Außerachtlassung
    dieses Vorganges seien die Vorsteuern in der Vorprüfung zwischen 0 und 5,08 % gekürzt worden. In den Streitjahren sei jedoch
    kein Anlagevermögen erworben worden, so dass sich ein solcher Fehler auch nicht habe wiederholen können. Die Umsatzsteuerforderungen
    des FA seien in den Vorjahren viel geringer als nun aufgrund der Prüfung in den Streitjahren.


    Soweit das FA meint, die vorgelegten Rechnungskopien würden teilweise nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen, verkenne
    das FA, dass sich die Rechtslage im Laufe der Jahre geändert habe. § 14 UStG habe in den letzten Jahren erhebliche Änderungen
    erfahren. Die vorgelegten Rechnungen entsprächen sämtlich den in den Streitjahren maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen.


    Der Kläger beantragt,

    die Umsatzsteuerbescheide 1998 – 2001 vom 21. Juni 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 17. Juni 2010 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Das FA hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Es meint, es sei zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen befugt gewesen.
    Im Hinblick auf die fehlenden Unterlagen sei es nötig gewesen, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Dabei habe das FA deutlich
    höhere Vorsteuerbeträge berücksichtigt als der Kläger glaubhaft gemacht habe.


    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist unbegründet. Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht in seinen Rechten verletzt.

    Die angefochtenen Umsatzsteuersteuerbescheide sind zutreffender Weise an den Kläger gerichtet und diesem bekannt gegeben worden.

    Ein Steuerbescheid ist demjenigen gegenüber bekanntzugeben, der von ihm inhaltlich betroffen ist. Bei einer umsatzsteuerlichen
    Organschaft ist der Organträger Unternehmer, § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Deshalb ist ihm gegenüber der Umsatzsteuerbescheid bekanntzugeben.
    Nach dem Vortrag des Klägers wurde das Organschaftsverhältnis im Jahre 2004 beendet. Die Beendigung der umsatzsteuerlichen
    Organschaft führt dazu, dass für die Zeit ab deren Beendigung wieder zwei Unternehmer existieren. Für die vor diesem Zeitpunkt
    liegenden Streitjahre hat die Beendigung der umsatzsteuerlichen Organschaft im Jahre 2004 keine Auswirkung. Die angefochtenen
    Bescheide waren daher dem Kläger als damaligem Organträger bekanntzugeben.


    Im Zeitpunkt des Erlasses der Steuerbescheide war noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Für das Jahr 1998 drohte
    der Eintritt der Festsetzungsverjährung allenfalls zum 31. Dezember 2003 (§§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 169Abs. 2 Satz 1 Nr.
    2 Abgabenordnung – AO –). Das FA hatte allerdings zuvor eine Außenprüfung angeordnet, deren Beginn auf Antrag des Kläger wiederholt
    hinausgeschoben wurde (§ 171 Abs. 4 Satz 1 AO).


    Die Höhe der vom FA berücksichtigten Vorsteuern ist nicht zu beanstanden.

    Das FA war zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen befugt. Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO dürfen die Finanzbehörden die Besteuerungsgrundlagen
    insbesondere dann schätzen, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen
    hat, nicht vorlegen kann. Auf ein Verschulden kommt es nicht an. Der Kläger hat vorgetragen, dass sämtliche Buchführungsunterlagen
    auf einem Kleinlaster gelagert waren, als dieser gestohlen wurde und ihm deshalb die Vorlage der Unterlagen unmöglich geworden
    ist. Damit sind die gesetzlichen Voraussetzungen zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen erfüllt.


    Das Finanzamt hat die Vorsteuern in Höhe von 60 % der vom Kläger im Voranmeldungsverfahren erklärten Beträge berücksichtigt.
    Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist das Vorhandensein einer Rechnung im Sinne des § 14 UStG (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
    UStG in der in den Streitjahren maßgebenden Fassung); das Fehlen der Rechnung kann nicht durch eine Schätzung behoben werden
    (Seer in Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung § 162 AO Rz. 27). Vorsteuerbeträge können jedoch
    auch ohne Rechnung berücksichtigt werden, wenn mit ausreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass dem Steuerpflichtigen
    ursprünglich ordnungsgemäße Rechnungen vorgelegen haben. Hiervon ist das FA offenbar ausgegangen, denn es hat über die vom
    Kläger aufgrund der Zweitschriften nachgewiesenen Vorsteuerbeträge darüber hinausgehend weitere Vorsteuerbeträge berücksichtigt.


    Die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug ergeben sich aus den §§ 14, 15 UStG. Der Vorsteuerabzug u.a. ist nur möglich,
    wenn bei gesondertem Ausweis der Vorsteuer der Leistungsgegenstand, der Leistungszeitpunkt und die Höhe des Entgelts bezeichnet
    werden. Den Umfang der dem Kläger zustehenden Vorsteuer konnte der Senat nicht feststellen. Zwar kann der Steuerpflichtige
    den Nachweis darüber, dass ihm ein anderer Unternehmer Umsatzsteuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen gesondert in
    Rechnung gestellt hat, nicht allein durch Vorlage der Originalrechnung, sondern mit allen verfahrensrechtlich zulässigen Mitteln
    führen. Entscheidend ist jedoch, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG einschließlich des ursprünglichen
    Rechnungsbesitzes des Unternehmers zur Überzeugung des Gerichts vorgelegen haben (vgl. BFH-Beschluss vom 31. Juli 2007 V B
    156/06 Rz. 13, BFH/NV 2008, 416). Dieser Nachweis ist dem Kläger nach Auffassung des Senats nicht gelungen.


    Der Kläger hat nämlich die einzelnen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nicht dargelegt und hierfür Beweis angeboten. Er
    hat insbesondere nicht vorgetragen, für welche konkrete Leistung ihm der Vorsteuerabzug zusteht. Der Kläger hat lediglich
    beantragt, verschiedene Zeugen zu der Frage zu vernehmen, dass ausschließlich ordnungsgemäße, zum Vorsteuerabzug berechtigende
    Rechnungen verbucht wurden, zugleich aber eingeräumt, dass den benannten Zeugen die einzelnen Rechnungen nicht mehr erinnerlich
    seien. Damit aber hat der Kläger nicht die zum Vorsteuerabzug notwendigen Tatsachen vorgetragen. Dabei verkennt der Kläger,
    dass nicht das Vorliegen von Rechnungen streitig ist, sondern ob ihm aus den einst in seinem Besitz befindlichen Rechnungen
    der Vorsteuerabzug zusteht. Bei der Behauptung des ausschließlichen Vorliegens und Verbuchens von ordnungsgemäßen, zum Vorsteuerabzug
    berechtigenden Rechnungen handelt es sich nicht um Tatsachen, sondern um eine rechtliche Schlussfolgerung – nämlich um das
    Vorliegen von zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnungen –. Dies kann das Gericht aber nur aufgrund der Vorlage der Rechnungen
    oder nach einer Beweisaufnahme feststellen; denn erst, wenn im Einzelnen bei gesondertem Ausweis der Vorsteuer der Leistungsgegenstand,
    der Leistungszeitpunkt und die Höhe des Entgelts festgestellt werden kann, kann das Gericht darüber befinden, ob eine ordnungsgemäße
    Rechnung vorlag, die zum Vorsteuerabzug berechtigt. Hierfür hat der Kläger keinen Beweis angeboten.


    Die von den Lieferanten unterzeichneten Erklärungen über die Üblichkeit der Rechnungsausstellung mit gesondertem Vorsteuerausweis
    für den Vorsteuerabzug genügen ebenfalls nicht für den begehrten Vorsteuerabzug, weil auch aus ihnen die für den Vorsteuerabzug
    notwendigen Angaben nicht entnommen werden können.


    Der Kläger hat durch Vorlage von Rechnungszweitschriften Vorsteuern zwischen 20.877,73 DM (2001) und 27.433,71 DM (1998) glaubhaft
    gemacht. Das FA hat hingegen in den angefochtenen Bescheiden Vorsteuern zwischen 338.634,70 DM (2001) und 584.544,69 DM (1998),
    also ein Vielfaches der glaubhaft gemachten Vorsteuern berücksichtigt. Unter diesen Umständen sieht der Senat keine Möglichkeit,
    weitere Vorsteuern zu berücksichtigen.


    Der Hinweis des Klägers auf die Vorprüfung geht fehl. In der Vorprüfung lagen – anders als im vorliegenden Verfahren – sämtliche
    Belege vor.


    Für das Jahr 1998 ist kein Vertrauenstatbestand im Sinne von § 176 AO geschaffen worden. § 176 AO setzt in allen Fallvarianten
    eine Entscheidung eines Gerichts voraus. Der Kläger hat weder vorgetragen noch ist aus den Akten sonst ersichtlich, dass das
    FA eine Steuerfestsetzung aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung zu seinem Nachteil geändert hätte. Auch im Übrigen kann
    sich der Kläger nicht auf Vertrauensgrundsätze beruhen.


    Das FA hat im Bp-Bericht der GmbH 1 nur mitgeteilt, dass die eingereichten Erklärungen für die Jahre 1996 bis 1998 nicht geändert
    werden müssen und eine solche erst ab dem 1. Januar 1999 zu erfolgen hat. Damit hatte das FA aber keine Aussage darüber getroffen,
    dass die Steuerbescheide nicht später noch geändert werden könnten. Dies ergibt sich für das Jahr 1998 insbesondere vor dem
    Hintergrund, dass dieses Jahr gar nicht Gegenstand der Betriebsprüfung gewesen war.


    Im Übrigen käme ein Vertrauensschutz allenfalls bei unveränderter Sachlage (insbesondere der fortbestehenden Zahlungsfähigkeit
    der Organgesellschaft) in Betracht. Im vorliegenden Verfahren hat sich aber die Sachlage gegenüber dem Zeitpunkt der Abfassung
    des Berichts über die Betriebsprüfung bei der GmbH 1 in wesentlichen Punkten verändert, da die Organtochter ihr gesamtes Anlage-
    und Umlaufvermögen vor Beginn der Betriebsprüfung beim Kläger veräußert hatte und ihre Löschung im Handelsregister beantragt
    worden war.


    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

    Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO im Hinblick auf die Frage des Umfangs des möglichen Zeugenbeweises bei vollständigem
    Verlust sämtlicher Belege zugelassen.

    VorschriftenAO § 162 Abs. 1, AO § 162 Abs. 2, UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, AO § 14

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