23.11.2012
Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 09.08.2012 – 5 K 5226/10
Engagiert ein Club bekannte DJs, sind die Umsätze aus den Eintrittsgeldern nicht als dem ermäßigten Umsatzsteuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 7 UStG unterliegende Konzertveranstaltungen anzusehen, wenn die Musik aufgrund der ständigen Fluktation der Gäste nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit steht bzw. stehen kann, keine Ankündigung des DJ?s vor Ort stattfindet sowie kein Eintrittskartenvorverkauf stattfand und es sich somit um einen typischen Diskothekenbetrieb handelt.
IM NAMEN DES VOLKES
RTEIL
In dem Rechtsstreit
hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 5. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 9. August 2012 durch den Vizepräsidenten des Finanzgerichts … die Richterin am Finanzgericht … und … den Richter am Finanzgericht … sowie die ehrenamtlichen Richter Herr … und Herr …
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin betreibt den Club „B.” in der C.-Straße in D.. Sie engagiert in der Techno- und Housemusik Szene bekannte Disc Jockeys (DJs), die verschiedene Musikstücke einspielen und mit Hilfe von Mischpulten individuell mischen und verändern. Aufgrund der Feststellungen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung, bei der die Prüferin den Club während des abendlichen Geschäftsbetriebs besuchte, änderte der Beklagte die Bescheide über Umsatzsteuer-Vorauszahlung März bis November 2007 dahingehend, dass er die Eintrittsgelder abweichend von den Voranmeldungen dem Regelsteuersatz unterwarf. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Der Beklagte vertrat unter Hinweis auf die Prüfungsfeststellungen und eine am 13./14.2010 im Club durchgeführte Umsatzsteuer-Nachschau die Auffassung, dass es sich bei dem Clubbetrieb nicht um steuerbegünstigte Konzerte oder konzertähnliche Veranstaltungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a) UStG, sondern um einen typischen Diskothekenbetrieb handele.
Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Klage geltend, die Umsätze aus den Eintrittsgeldern seien dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen, da es sich bei den Darbietungen der DJs um Konzerte im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 7 UStG handele. Im Rahmen der Veranstaltungen träten jeweils mehrere namhafte Künstler auf, um ein möglichst breites Publikumsspektrum zu erreichen. Die Fluktuation der Gäste hänge mit der Verschiedenartigkeit der Darbietungen zusammen und nicht, wie der Beklagte meine, mit einem für einen Diskothekenbetrieb typisches Verhalten. Auch habe sich die Art der Durchführung von Konzerten in den letzten Jahren stark verändert, so dass auch dort, z. B. in der Langen Nacht der Oper, ein Kommen und Gehen der Besucher zu beobachten sei. Zudem sei es bei Konzerten der Rock-, Techno- oder Housemusik üblich, sich zu bewegen, Tanzen also kein Kriterium, das gegen ein Konzert spreche. Der bevorzugte Einlass von Stammgästen sei auch für Konzertveranstalter wie die Berliner Philharmonie, die ihre Konzertkarten bevorzugt den Freunden der Berliner Philharmonie e.V. anbiete, nicht unüblich. Sie – die Klägerin – biete jedem Interessierten die Möglichkeit, sich per Internet oder über den sog. News-Cookie über ihr aktuelles Programm zu informieren. Schließlich sei entgegen der Darstellung des Beklagten auch eine Bühne vorhanden.
Nachdem der Beklagte die Umsatzsteuerfestsetzung mit Bescheid vom 26.8.2011 erneut aus hier nicht relevanten Gründen geändert hat, beantragt die Klägerin,
unter Änderung des Bescheides vom 26.8.2011 die Umsatzsteuer 2007 insoweit geändert festzusetzen, als die Erlöse aus Eintrittsgeldern in Höhe von 57.990 EUR ermäßigt mit 7 % Umsatzsteuer besteuert werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung und führt ergänzend aus, die Darbietungen der DJs würden die Veranstaltungen nicht prägen, sondern lediglich – ähnlich einer Diskothek – unterhaltenden bzw. begleitenden Charakter haben. Primär gehe es den Gästen darum, „Party zu machen”, zu tanzen und zu trinken, Leute zu treffen, sehen und gesehen zu werden. Außerdem bestünde für potentielle Gäste nicht die Möglichkeit, vorab eine Eintrittskarte zu erwerben, wie dies bei Konzerten üblich sei. Dort erhalte jeder, der eine gültige Eintrittskarte besitze, Einlass, während bei dem Betrieb der Klägerin eine beliebige oder nach wechselnden Kriterien stattfindende Einlasskontrolle bestehe. Es handele sich bei den Veranstaltungen daher nicht um Konzerte im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18.8.2005 (V R 50/04).
Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung neben der Verfahrensakte jeweils ein Band Umsatzsteuerakten und Akten mit Berichten über Umsatzsteuer-Sonderprüfungen sowie ein Aktenband „Einspruchsverfahren Umsatzsteuer 2007” vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Die Clubveranstaltungen der Klägerin stellen keine Konzerte oder konzertähnliche Veranstaltungen dar und unterliegen daher nicht dem ermäßigten Steuersatz.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a) UStG ermäßigt sich die Steuer für die Veranstaltung von Konzerten auf 7 %. Nach der Rechtsprechung des BFH sind Konzerte im Sinne dieser Vorschrift Aufführungen von Musikstücken, bei denen Instrumente und/oder die menschliche Stimme eingesetzt werden. Aufführende können einzelne oder mehrere Personen sein. Weitere Voraussetzung für die Annahme eines Konzerts ist, dass dieses den eigentlichen Zweck der Veranstaltung ausmacht. Auch Pop- und Rockkonzerte, die den Besuchern die Möglichkeit bieten, zu der im Rahmen des Konzerts dargebotenen Musik zu tanzen, können Konzerte sein. Außerdem kann für „Mischformen” von Konzerten die Steuervergünstigung in Anspruch genommen werden, wenn eine Vorführung als konzertähnlich einzustufen und eine persönlich geistige Schöpfung in der für einen Urheberrechtsschutz geforderten geistigen Höhe ist. Das Konzert muss den eigentlichen Zweck der Veranstaltung ausmachen (Urteil des BFH vom 18.8.2005 V R 50/04, BStBl II 2006, 101 mit weiteren Nachweisen). Der Senat schließt sich dieser Rechtsansicht an.
Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei den Veranstaltungen der Klägerin nicht um Konzerte im vorbeschriebenen Sinne. Nach den eingehenden Schilderungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nicht der „Auftritt” der DJs den eigentlichen Zweck der Veranstaltungen ausmacht, sondern dass es neben deren Darbietungen vor allem um das gemeinsame Feiern, Tanzen, Unterhalten, Sich-Vergnügen musikalisch Gleichgesinnter geht. Es fehlt an einem konzertanten Charakter der Darbietungen, wobei es nicht darum geht, dass die Gäste tanzen oder sich unterhalten oder zwischendurch hinausgehen – dies ist auch bei bestimmten Konzerten nicht unüblich. Entscheidend ist vielmehr, dass bei der ständigen Fluktuation der Gäste die Musik nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, wegen des dauernden Kommens und Gehens „neuer” und „alter” Gäste gar nicht stehen kann. Dies drückt sich auch darin aus, dass eine Ankündigung der DJs vor Ort nicht stattfindet, so dass kein Gast den Club gezielt zu der Darbietung eines bestimmten DJs aufsuchen kann. Wer gerade für die Musik verantwortlich ist, kann nur von versierten Gästen herausgehört werden. Es ist auch nicht möglich, Karten vorab zu erwerben, so dass es dem Zufall überlassen ist, ob ein Gast tatsächlich Zutritt zu der von ihm gewünschten Veranstaltung erhält. Zudem ist es den DJs freigestellt, mit der Öffnung des Clubs tätig zu werden, unabhängig davon, ob und wie viele Gäste anwesend sind. Dies alles sind Umstände, die dagegen sprechen, dass die Musik der jeweiligen DJs im Vordergrund steht. Das Engagement bekannter DJs dient als Anreiz für den Besuch des Clubs, Zweck der Veranstaltungen ist aber – auch angesichts von zwei Lounge-Bereichen – ein typischer Club-/Diskothekenbetrieb.
Aus den dargestellten Gründen liegt der Sachverhalt anders als in der Entscheidung des BFH vom 18.8.2005 (V R 50/04), wo es sich um einmal jährlich stattfindende Veranstaltungen der Techno- und Housemusik an wechselnden Orten handelte, zu denen Gäste aus aller Welt anreisten, also ein Kartenvorverkauf stattfand, und die Karte zwischen 75,00 DM und 100,00 DM kostete. Hier war Sinn und Zweck der Veranstaltungen ganz offensichtlich die Musik.
Diese Beurteilung steht schließlich auch in Einklang mit Unionsrecht. Nach Art. 99 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Anhang III Nr. 7 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie können die Mitgliedstaaten die Eintrittsberechtigung u. a. für Konzerte ermäßigt besteuern. Bei der Ausübung dieser Ermächtigung müssen die Mitgliedstaaten den Grundsatz der Neutralität beachten, der es verbietet, gleichartige und deshalb in Wettbewerb miteinander stehende Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich zu behandeln (BFH-Urteil vom 18.8.2005 V R 50/04 a.a.O. unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – EuGH –). Nach den vorstehenden Ausführungen sind die Veranstaltungen der Klägerin nicht gleichartig mit Konzerten und stehen daher miteinander nicht in Wettbewerb. Die unterschiedliche Besteuerung ist daher begründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –.
Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.