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  • 06.09.2012

    Finanzgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 18.06.2012 – 5 K 40111/10

    1. Überlässt ein ambulanter Pflegedienst anderen Einrichtungen wie Altenheimen und privaten Kliniken in erheblichem Umfang Pflegepersonal, das zum Teil eigens für die Überlassung angestellt wurde, so sind die damit erzielten Erträge nicht nach § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG von der Gewerbesteuer befreit. Die diesen Erträgen zu Grunde liegenden Leistungen des ambulanten Pflegedienstes werden gegenüber den anderen Einrichtungen als Vertragspartner erbracht und stellen keine Leistungen der privilegierten „Einrichtung zur ambulanten Pflege” gegenüber Kranken und pflegebedürftigen Personen dar.

    2. Bei der Auslegung der Vorschrift ist auch zu berücksichtigen, dass der ambulante Pflegedienst insoweit in unmittelbarem Wettbewerb zu anderen, nicht gewerbesteuerbefreiten Arbeitnehmerüberlassern steht; die Wettbewerbsneutralität des Steuerrechts gebietet insoweit, die aus der Personalgestellung erzielten Erträge nicht in die Steuerbefreiung einzubeziehen.


    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten über die Frage, ob Einkünfte der Klägerin, die einen mobilen Pflegedienst betreibt, aus der Überlassung von (Pflege-)Arbeitskräften an andere Einrichtungen (Seniorenheime, Privatklinik) von der Gewerbesteuer befreit sind.

    Die Klägerin betreibt seit ... einen ambulanten Pflegedienst, mit dem sie unter Einsatz von ausgebildeten Pflegekräften kranke und pflegebedürftige Patienten zumeist in deren Wohnungen pflegt.

    Ab dem Jahr 2005 begann die Klägerin mit verschiedenen Einrichtungen so genannte „Kooperationsverträge” zu schließen, wonach die Klägerin als Leistungserbringerin den Leistungsnehmern Pflegekräfte zur Verfügung stellte. In den jeweiligen Verträgen heißt es u. a.:

    „Leistungen sind Arbeitsstunden der Pflegemitarbeiter. Inhalt der Leistungen gibt im Detail der Leistungsnehmer vor, Rahmen sind Leistungen gemäß SGB XI und SGB V.

    Der Umfang der Leistungsabnahme findet in Absprache statt, gemessen an dem Bedarf des Leistungsnehmers und den Ressourcen des Leistungserbringers.

    …….”

    Im Streitjahr (2007) stellte die Klägerin auf der Grundlage der jeweiligen Kooperationsverträge dem ... und dem ... das ganze Jahr über Personal; der ... und der ... wurde ca. 5 Monate und der ... ca. 6 Monate Personal gestellt. Ausweislich der Kooperationsverträge sollten examinierte Pflegefachkräfte, Pflegehelfer und Hauswirtschaftskräfte, zum Teil auch Beschäftigungsassistenten zu den in den Kooperationsverträgen jeweils bezeichneten Kosten pro Arbeitsstunde zur Verfügung gestellt werden. Die Pflegefachkräfte mit dreijähriger Ausbildung waren für die medizinische Versorgung und Organisation, die Pflegehilfskräfte für die grundpflegerische Versorgung und die angelernten Hauswirtschaftskräfte für Küche und Reinigung zuständig.

    Ausweislich der Gewinnermittlung der Klägerin erzielte sie mit der Gestellung von Pflegepersonal im Jahr 2007 einen Ertrag von 502.822,29 €. Nach Auffassung der Klägerin waren sämtliche Umsätze und Einkünfte aus dieser Tätigkeit nach § 4 Nr. 16 Buchst. e Umsatzsteuergesetz (UStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung von der Umsatzsteuer und nach § 3 Nr. 20 Buchst. d Gewerbesteuergesetz (GewStG) auch von der Gewerbesteuer befreit.

    Vom 29. Juli bis 10. November 2009 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt. Der Prüfer gelangte zu dem Ergebnis, dass für den Bereich der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung weder die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG noch die Gewerbesteuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG greife. Zwar könnten private Anbieter ambulanter Pflegeleistungen, deren Kosten in mindestens 40 % der Fälle ganz oder zum überwiegenden Teil von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe getragen würden, die Steuerbefreiung beanspruchen. Mit dem Betrieb der in den genannten Normen bezeichneten Einrichtungen seien auch solche Umsätze eng verbunden, die für diese Einrichtung nach der Verkehrsauffassung typisch und unerlässlich seien, regelmäßig und allgemein beim laufenden Betrieb vorkämen und damit unmittelbar oder mittelbar zusammenhingen. Die Umsätze dürften jedoch nicht im Wesentlichen dazu bestimmt sein, den Einrichtungen zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die im unmittelbaren Wettbewerb zu steuerpflichtigen Umsätzen anderer Unternehmer stünden. Die Klägerin stehe aber mit ihrer gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung in Konkurrenz zu anderen steuerpflichtigen Unternehmen, so dass sie sich insoweit nicht auf die Steuerbefreiungsvorschriften stützen könne.

    Der Betriebsprüfer ermittelte einen auf die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung entfallenden Gewinn, indem er den insoweit angegebenen Bruttoerlösen von 502.822,29 € anteilige Bruttoaufwendungen (44,83 %) von 404.471,83 € gegenüberstellte und von dem so ermittelten vorläufigen Gewinn noch Umsatzsteuerverbindlichkeiten und Gewerbesteuerrückstellung abzog, so dass sich aus Sicht des Prüfers ein gewerbesteuerpflichtiger Gewinn von 29.046,10 € im Streitjahr ergab. Ergänzend wird auf die Ausführungen im Bericht über die Außenprüfung vom 30. November 2009 Bezug genommen.

    Mit Bescheid vom 27. Mai 2010 setzte der Beklagte den Gewerbesteuermessbetrag auf 45 € fest.

    Hiergegen hat die Klägerin am 28. Juni 2010 Sprungklage erhoben, die dem Beklagten am 9. Juli 2010 zugestellt wurde. Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2010, eingegangen am 28. Juli 2010, hat der Beklagte der Sprungklage zugestimmt.

    Die Klägerin macht geltend:

    Ihre Leistungen, die im Rahmen der Kooperationsverträge erbracht würden, fielen unter die Gewerbesteuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG. Sinn und Zweck der gesetzlichen Norm - ebenso wie der vergleichbaren Umsatzsteuerbefreiung in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG - sei es, Pflegeleistungen und eng mit dem Betrieb der Einrichtungen verbundene Umsätze von der Umsatz- und Gewerbesteuer zu befreien. Die Kosten sollten für diejenigen gesenkt werden, die sie letztlich zu tragen hätten, also Patienten bzw. Sozialversicherungsträger. Zu den eng verbundenen Umsätzen gehöre aber auch die Überlassung von Personal zur Versorgung häuslich Pflegebedürftiger. Der Gesetzgeber habe die Personalgestellung im Pflegebereich so behandeln wollen wie die Personalgestellung von Krankenhäusern an andere Krankenhäuser und andere Einrichtungen. Entscheidend sei, dass das gestellte Personal die Leistungen erbringe, die unter die gesetzliche Norm fielen. Auch in der Umsatzsteuerrichtlinie werde bspw. in R 100 Abs. 2 Nr. 9 die Gestellung von Ärzten und von medizinischem Hilfspersonal durch Krankenhäuser, Diagnosekliniken usw. an andere Einrichtungen dieser Art als eng verbunden angesehen. In R 99 a Abs. 2 Satz 2 heiße es wörtlich: „Übernimmt eine Pflegeeinrichtung als Kooperationspartner einer anderen Einrichtung einen Teil des Pflegeauftrags für eine zu pflegende Person und liegen bei beiden Einrichtungen die Voraussetzungen vor, dass sie jeweils die Pflegeleistung erbringen können, kann für beide Einrichtungen die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG in Betracht kommen”. In R 31 Abs. 5 Satz 1 GewStR werde auf die Verwaltungsanweisung zur Umsatzsteuer verwiesen. Demnach seien im Ergebnis sämtliche Leistungen des Pflegedienstes der Klägerin von der Gewerbesteuer befreit. Der Beklagte könne sich auch nicht auf das BFH-Urteil vom 1. Dezember 1977 (V R 37/75, BStBl. 1978 II S. 173) berufen, da dort eine andere Rechtsfrage zu beurteilen und der Sachverhalt nicht vergleichbar gewesen sei. Typische Leistungen sollten aber auch nach diesem Urteil steuerbefreit sein. Eine untypische Nebenleistung liege im Sachverhalt aber gerade nicht vor.

    Auch die weiteren Voraussetzungen des § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG lägen vor. In mindestens 40 % der Fälle erfolge eine Übernahme der Pflegekosten durch die gesetzlichen Träger der Sozialversicherung oder durch die Sozialhilfe. Insoweit lägen von den Einrichtungen, denen im Rahmen der Kooperation Personal überlassen werde, entsprechende Bestätigungen vor.

    Die Klägerin beantragt,

    den Gewerbesteuermessbetragsbescheid 2007 vom 27. Mai 2010 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er macht geltend, von der Gewerbesteuer werde nicht der Träger, der in § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG genannten Einrichtung mit seinem gesamten Gewerbeertrag befreit. Begünstigt würden vielmehr nur die aus dem Betrieb der Einrichtung resultierenden Erträge. Soweit der Träger der Einrichtung außerhalb derselben Erträge erziele, unterlägen diese der Gewerbesteuer. Es handele sich aber bei der Überlassung von eigens hierfür eingestelltem Pflegepersonal an andere Pflegeeinrichtungen um eine gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung und damit um den Gegenstand einer eigenständigen, von dem eigenen Pflegebetrieb zu trennenden gewerblichen Tätigkeit, die nicht unter die Steuerbegünstigung falle. Entscheidend sei, dass die Überlassung von Pflegepersonal an Dritte nicht Bestandteil der gewerblichen Tätigkeit der Klägerin im Rahmen der Leitung ihres steuerbegünstigten Pflegebetriebs sei. Sie stelle den Dritten ihre Arbeitnehmer lediglich zur Verfügung, ohne dass sie im Sinne einer echten Kooperation zugleich eigene Betriebszwecke verfolge. Dafür spreche insbesondere, dass sie das Personal ausschließlich für diese Tätigkeit und nicht auch im eigenen Betrieb einsetze. Die Klägerin stehe auch im unmittelbaren Wettbewerb zu anderen steuerpflichtigen Unternehmern, die im Bereich der Überlassung von Pflegepersonal am Markt aufträten. Die Einschränkung der Gewerbesteuerbefreiung sei gerade auch unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsneutralität des Steuerrechts geboten. Auch die Kooperationsvereinbarungen zeigten deutlich, dass die Klägerin sich darauf beschränke, anderen Einrichtungen Personal zu überlassen, ohne selbst im Sinne einer echten Kooperation in Eigenverantwortung einen spezifizierten Anteil an Pflegeleistungen übernommen zu haben. Die Vereinbarungen enthielten ausdrücklich den Hinweis, dass der Inhalt der zu erbringenden Leistungen vom Leistungsnehmer vorgegeben werde und dieser auch durch seinen Bedarf den beanspruchten Leistungsumfang (Arbeitsstunden) bestimme. Es heiße, der Leistungsnehmer fordere bei der Klägerin nach von ihm selbst eingeschätzten Bedarf geeignetes Personal an und setze dieses nach eigenem Belieben ein. Die Weisungsbefugnis liege allein beim Leistungsnehmer.

    Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogenen Akten des Beklagten Bezug genommen.

    Gründe

    Die Klage ist als Sprungklage zulässig (dazu unter I.). Sie ist jedoch unbegründet (dazu unter II.).

    I.

    Die Klage ist als Sprungklage nach § 45 Abs. 1 FGO ohne Vorverfahren zulässig, da der Beklagte, der über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu entscheiden hätte, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht gegenüber der Sprungklage zugestimmt hat (Klagzustellung am 09. Juli 2010, Zustimmung des Beklagten eingegangen bei Gericht am 28. Juli 2010).

    II.

    Die Klage erweist sich jedoch als unbegründet.

    Der angefochtene Gewerbesteuermessbetragsbescheid vom 27. Mai 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zu Recht ist der Beklagte für das Streitjahr hinsichtlich der hier in Rede stehenden Einkünfte aus der Überlassung von Pflegefachkräften an andere Einrichtungen (Privatklinik, Altenheime) von einer Gewerbesteuerpflicht ausgegangen. Entgegen der Auffassung der Klägerin erstreckt sich die grundsätzliche Befreiung der Klägerin als ambulanter Pflegedienst von der Gewerbesteuer nach § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG nicht auf die hier in Rede stehenden Einkünfte aus der Überlassung von Pflegekräften an andere Einrichtungen.

    Gemäß § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG sind u.a. Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen von der Gewerbesteuer befreit, wenn im Erhebungszeitraum die Pflegekosten in mindestens 40% der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen werden.

    Diese Vorschrift enthält keine unbeschränkte persönliche Steuerbefreiung. Von der Gewerbesteuer wird nicht der Träger, der in § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG genannten Einrichtung mit seinem gesamten Gewerbeertrag befreit; begünstigt werden vielmehr nur die aus dem Betrieb der Einrichtung resultierenden Erträge. Soweit der Träger der Einrichtung außerhalb derselben Erträge erzielt, unterliegen diese der Gewerbesteuer (BFH-Urteil vom 10. März 2010 I R 41/09, BFHE 229, 358, BStBl II 2011, 183; Urteil vom 22. Juni 2011 I R 43/10, BFHE 233, 551, BStBl II 2011, 892). Eine sachliche Rechtfertigung, auch diese gewerblichen Erträge in die Steuerbefreiung einzubeziehen, ist nicht ersichtlich. Sinn und Zweck des § 3 Nr. 20 GewStG ist es, die bestehenden Versorgungsstrukturen bei der Behandlung kranker und pflegebedürftiger Personen zu verbessern und die Sozialversicherungsträger von Aufwendungen zu entlasten (vgl. BFH, Urteil vom 22. Juni 2011, I R 43/10, BFHE 233, 551, BStBl II 2011, 892 m.w.N.). Hieraus lässt sich nach der Rechtsprechung des BFH ableiten, dass nur diejenigen Erträge begünstigt sind, die aus dem Betrieb der jeweiligen Einrichtung selbst erzielt werden. Denn nur insoweit entstehen für die Sozialversicherungsträger Kosten. Eine wirtschaftliche Betätigung mit einem anderem Gegenstand ist dagegen steuerpflichtig. Von vornherein können daher nur diejenigen Einnahmen und Ausgaben gewerbesteuerfrei sein, die mit Leistungen in den jeweiligen Einrichtungen gegenüber den dort untergebrachten und/oder behandelten Personen zusammenhängen, nicht dagegen solche Erträge, die aus Leistungen gegenüber Dritten erwirtschaftet wurden (vgl. BFH, Urteil vom 22. Juni 2011, I R 43/10, BFHE 233, 551; BStBl II 2011, 892 m. w. N.; FG Bremen, Urteil vom 12. Mai 2010 3 K 51/09, EFG 2010, 1526).

    Ausgehend hiervon sind die hier in Rede stehenden Erträge der Klägerin aus der Überlassung von Pflegepersonal an dritte Einrichtungen wie Altenheime oder Privatkliniken nicht von der Gewerbesteuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG erfasst. Denn in diesem Fall hat die Klägerin nicht - wie es nach dem oben Ausgeführten gefordert ist - mit ihrer nach § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG privilegierten Einrichtung - nämlich dem ambulanten Pflegedienst - Leistungen gegenüber den von ihr mit dieser Einrichtung betreuten hilfs- und pflegebedürftigen Personen erbracht. Nicht die hilfsbedürftigen Personen sind Empfänger ihrer Leistungen bei den hier streitgegenständlichen Umsätzen, sondern die in den Kooperationsverträgen als Leistungsnehmer bezeichneten anderen Einrichtungen, welche dann ihrerseits u. U. nach § 3 Nr. 20 GewStG begünstigte Leistungen mit den ihnen zur Verfügung gestellten Pflegefachkräften gegenüber den dort untergebrachten oder behandelten kranken oder pflegebedürftigen Personen erbringen könnten (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 24. November 2011 6 K 233/10, zitiert nach juris zu § 4 Nr. 16 UStG n. F.). Eine andere Auslegung ist auch unter Berücksichtigung des mit dem Erlass dieser Vorschrift verfolgten Zwecks nicht geboten. Zwar ist es - wie oben unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH ausgeführt - Sinn und Zweck des § 3 Nr. 20 GewStG, die bestehenden Versorgungsstrukturen bei der Behandlung kranker und pflegebedürftiger Personen zu verbessern und die Sozialversicherungsträger von Aufwendungen zu entlasten. Es kann aber - wie oben ebenfalls ausgeführt - nur diejenige Leistung der Einrichtung privilegiert sein, mit der überhaupt - bei einem Anspruch gegen den Sozialversicherungsträger - auch unmittelbar den Sozialversicherungsträgern Kosten entstehen können. Diese entstehen jedoch unmittelbar den Sozialversicherungsträgern nur durch die in den anderen Einrichtungen erbrachten Leistungen und nicht durch die Überlassung der Pflegekräfte durch die Klägerin. Dass mit den zur Verfügung gestellten Pflegekräften Leistungen gegenüber kranken oder pflegebedürftigen Personen erbracht werden, ist insoweit nicht maßgeblich, da diese Leistungen nicht von der privilegierten Einrichtung der Klägerin erbracht wird, sondern von den Einrichtungen, denen die Pflegekräfte überlassen werden. Dass eine Gewerbesteuerpflicht der Klägerin für die insoweit erzielten Einkünfte mittelbar auch zu einer Erhöhung der den anderen Einrichtungen in Rechnung gestellten Preise für die Personalgestellung und damit mittelbar auch zu einer weiteren Belastung der Pflege- oder Behandlungskosten führen könnte, kann keine andere Auslegung rechtfertigen. Denn die möglichen finanziellen Folgen durch erhöhte Kosten, die etwaigen begünstigten Einrichtungen für diesen gestelltes Personal durch eine Gewerbe- oder Umsatzsteuerpflicht entstehen, sind nicht Regelungsgegenstand des hier in Rede stehenden Steuerbefreiungstatbestandes (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 24. November 2011 6 K 233/10, zitiert nach juris zu der Steuerbefreiung in § 4 Nr. 16 UStG n. F.).

    Es handelt sich auch nicht um eng mit der originären und privilegierten Tätigkeit der klägerischen Einrichtung verbundene Leistungen, bei denen es - in Anlehnung an die im Wesentlichen wortgleiche umsatzsteuerliche Befreiungsvorschrift in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG in der im Streitjahr geltenden Fassung - gerechtfertigt sein könnte, diese ebenfalls von der Gewerbesteuer zu befreien, obwohl der Begriff der „eng verbundene Umsätze” in der gewerbesteuerlichen Vorschrift nicht erwähnt wird. Angesichts des auch in der Umsatzhöhe zum Ausdruck kommenden Umfangs der Überlassung der Pflegekräfte an diverse Einrichtungen kann nicht mehr von einer Nebenleistung zu der originären Tätigkeit gesprochen werden. Vielmehr sind die insofern erzielten Umsätze im Wesentlichen dazu bestimmt, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch eine Tätigkeit - hier die Arbeitnehmerüberlassung - zu verschaffen. Dies kommt insbesondere auch dadurch zum Ausdruck, dass nach den Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zumindest ca. ein Viertel der überlassenen Pflegekräfte auch ausschließlich zu dem Zweck der Überlassung an andere Einrichtungen angestellt wurde. Zudem steht die Klägerin mit ihrer Tätigkeit insoweit in unmittelbarem Wettbewerb zu steuerpflichtigen Umsätzen anderer, nicht von der Gewerbesteuer befreiter Personalvermittlungsunternehmen, die im Rahmen einer gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung u. a. auch Pflegekräfte zur Verfügung stellen. In diesem Fall gebietet aber der Gesichtspunkt der Wettbewerbsneutralität des Steuerrechts, derartige Umsätze nicht in die Steuerbefreiung mit einzubeziehen (vgl. FG Bremen, Urteil vom 12. Mai 2010 - 3 K 51/09 (1), EFG 2010, 1526).

    Schließlich ergibt sich etwas anderes auch nicht aus der von der Klägerin zitierten Verwaltungsvorschrift (Umsatzsteuerrichtlinie), auf die in der im Streitjahr geltenden Gewerbesteuerrichtlinie (R 31 Abs. 5) verwiesen wird. Unabhängig davon, dass eine Verwaltungsvorschrift in Form einer Richtlinie, soweit sie - wie hier - weder eine Ermessensrichtlinie noch eine Typisierungsvorschrift, sondern eine norminterpretierende Verwaltungsanordnung darstellt, für die Gerichte nicht bindend ist (vgl. dazu Gersch in Klein, AO, 11. Aufl. § 4 Rz 9 ff.), ergäbe sich nach Auffassung des Senats auch nach den von der Klägerin zitierten Passagen der Umsatzsteuerrichtlinie (R 99a Abs. 2 Satz 2 und R 100 Abs. 1 und Abs. 2 Ziff. 9 UStG) nicht die von der Klägerin begehrte Steuerbefreiung. Zwar heißt es in R 99 a Abs. 2 Satz 2 UStR in der im Streitjahr geltenden Fassung, dass dann, wenn eine Pflegeeinrichtung als Kooperationspartner einer anderen Einrichtung einen Teil des Pflegeauftrags für eine zu pflegende Person übernehme und bei beiden Einrichtungen die Voraussetzungen vorliegen, dass sie jeweils sämtliche im Zusammenhang mit der Übernahme einer ambulanten Pflege anfallenden Pflegeleistungen erbringen könnten, für beide Einrichtungen die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG in Betracht komme. Vorliegend hat die Klägerin jedoch - worauf der Beklagte zu Recht hinweist - nicht als Kooperationspartner in dem oben genannten Sinne einen spezifizierten Teil des eigentlich von den in den Kooperationsverträgen als Leistungsnehmer bezeichneten Einrichtungen gegenüber ihren Heimbewohnern oder Patienten zu erbringenden Pflegeauftrags übernommen. Den Pflegeauftrag für die Pflegebedürftigen und Kranken in diesen Einrichtungen haben weiterhin diese Einrichtungen selbst; die Klägerin hat lediglich diesen Einrichtungen Personal zur Erbringung ihres Pflegeauftrags zur Verfügung gestellt, damit jedoch nicht einen bestimmten Teil des Pflegeauftrags selbst übernommen. Nach den Kooperationsverträgen ist auch der dortige Leistungsnehmer gegenüber dem von der Klägerin überlassenen Personal weisungsbefugt („Inhalt der Leistungen gibt im Detail der Leistungsnehmer vor”) und bestimmt den Umfang der Leistungsabnahme nach seinem Bedarf. Die vorliegende Konstellation ist auch nicht mit der nach UStR 100 Abs. 2 Ziff. 9 in der im Streitjahr geltenden Fassung nach Auffassung der Finanzverwaltung als eng verbundener Umsatz anzusehenden Gestellung von Ärzten und von medizinischem Hilfspersonal durch Krankenhäuser und Diagnosekliniken an andere Einrichtungen vergleichbar. Anders als die hier in Rede stehende Arbeitnehmerüberlassung, im Rahmen derer nach den Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zumindest ca. ein Viertel der überlassenen Pflegekräfte ausschließlich zu dem Zweck der Überlassung an andere Einrichtungen angestellt wurde, sind die in der Richtlinie genannten Tätigkeiten der Krankenhäuser und Diagnosekliniken in der Regel nicht im Wesentlichen dazu bestimmt - wie hier - der steuerlich privilegierten Einrichtung (Krankenhaus, Diagnoseklinik) zusätzliche Einnahmen zu verschaffen. Anders als in den vom BFH entschiedenen Fällen (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 2005 V R 35/02, BFHE 208, 486, BStBl II 2005, 507; Urteil vom 25. Januar 2006 V R 46/04, BFHE 21, 571, BStBl II 2006, 481), bei denen die Personalgestellung an Gemeinschaftspraxen, denen in einem Krankenhaus fehlende medizinische Großgeräte zur Verfügung standen, für die ärztliche Versorgung der Krankenhauspatienten als unerlässlich angesehen wurde, ist im Streitfall zudem auch nicht erkennbar, dass die Gestellung des Personals an die in Rede stehenden Einrichtungen für die Pflege der von der Klägerin ambulant betreuten Personen unerlässlich wäre.

    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135, 143 FGO.

    Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Nach Auffassung des Senats liegen mit der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 22. Juni 2011 (I R 43/10, BFHE 233, 551; BStBl II 2011, 892) insoweit die wesentlichen Rechtsprechungsgrundsätze zur Auslegung der Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG bereits vor.

    Vorschriften§ 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG

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