08.01.2010
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 22.05.2000 – V 43/98
Zur Frage, wann die Prüfer in der mündlichen Steuerberaterprüfung das Fairness-Gebot verletzen
Tatbestand
Die Klägerin hat die Steuerberaterprüfung 1997 nicht bestanden; sie war in den Vorjahren bereits zweimal durch die Steuerberaterprüfung durchgefallen. In der Prüfung 1997 erreichte sie bei den schriftlichen Aufsichtsarbeiten die Gesamtnote 4,5; die Prüfer bewerteten ihre Klausuren wie folgt:
Verfahrensrecht und andere Steuerrechtsgebiete 4,0, Steuern vom Einkommen und Ertrag 4,5, Buchführung und Bilanzwesen 5,0.
Für ihre Leistungen in der mündlichen Prüfung erhielt sie die Gesamtnote 4,28; die Prüfer bewerteten ihre mündlichen Leistungen im einzelnen wie folgt:
Vortrag | 4,5 |
Prüfer 1 | 4 |
Prüfer 2 | 4,5 |
Prüfer 3 | 4 |
Prüfer 4 | 4,5 |
Prüfer 5 | 4,5 |
Prüfer 6 | 4. |
Die durch 2 geteilte Summe aus den Gesamtnoten für die schriftliche und die mündliche Prüfung (4,5 und 4,28) ergab die Zahl 4,39 - überstieg also die Zahl 4,15, die nach § 28 Abs. 1 DVStB die Bestehensgrenze markiert. Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses 4 bei der Beklagten teilte der Klägerin deshalb - im Anschluss an die mündliche Prüfung am 10.2.1998 - mit, dass sie die Prüfung nicht bestanden habe.
In der „Niederschrift über die mündliche Prüfung am 10.2.98 (§ 30 Abs. 1 DVStB) sind für die einzelnen Prüfungsgebiete folgende Prüfungszeiten festgehalten:
Prüferin 1 (A) | 22 Min.; | |
Prüferin 2 (B) | 20 Min.; | |
Prüfer 3 (C) | 18 Min.; | |
Prüfer 4 (D) | 20 Min.; | |
Prüfer 5 (E) | 22 Min.; | |
Prüfer 6 / Vors. (F) | 27 Min. (vgl. FGA Bl. 42 bis 45). |
Abschließend heißt es in der Niederschrift: „Dem Bewerber, der die heutige Prüfung nicht bestanden hat, wurden die Gründe für das Nichtbestehen erläutert und eine Rechtsbehelfsbelehrung ausgehändigt”.
Der Ehemann der Klägerin rief am Tage nach der Prüfung - ohne sein Vorhaben mit der Klägerin vorher abzusprechen - den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses, den Zeugen F, an und erörterte mit ihm das Prüfungsergebnis in einem Telefonat von ca. 15 Minuten Dauer. Bei dieser Gelegenheit erwähnte der Zeuge F u.a., dass die Klägerin seiner Einschätzung nach an einer „Wahrnehmungseinengung” gelitten habe und dass bei der Prüfung in Hamburg derzeit die Form der Äußerung der Prüflinge stärker bewertet werde als früher.
Gegen die Prüfungsentscheidung hat die Klägerin am 10.3.1998 Klage erhoben. Sie hat sich zunächst nur gegen die Bewertung ihrer Leistungen in der mündlichen Prüfung gewandt und meint, dass sie für den Vortrag die Note 4,0 verdient habe und dass die Prüfer richtigerweise wie folgt hätten benoten müssen:
Prüfer 1 | 3,5 |
Prüfer 2 | 4,0 |
Prüfer 3 | 3,0 |
Prüfer 4 | 4,0 |
Prüfer 5 | 3,5 |
Prüfer 6 | (der Vorsitzende des Prüfungsausschusses) 3,5. |
Auf diese Weise errechnet die Klägerin eine durchschnittliche Gesamtnote der mündlichen Prüfung von 3,64 (25,5 : 7). Insbesondere sei die Bewertung im zweiten Prüfungsabschnitt - durch die Prüferin B - zu beanstanden. Diese habe sie, die Klägerin, insgesamt nur dreimal gefragt bzw. zu Wort kommen lassen. Die Prüferin habe sie im Verlaufe der Prüfung „barsch” angefahren mit der Bemerkung: „Nun mal nicht so zögerlich, was sollen die Mandanten davon halten!”. Die Bemerkung der Prüferin B dokumentiere einen Missbrauch des Übergewichts der Prüfungsgewalt. Kein Prüfling müsse dulden, dass er der Lächerlichkeit preisgegeben werde, auch wenn seine Leistungen noch so unzulänglich seien. Insgesamt sei dem Prüfungsausschuss vorzuwerfen, dass er ihr als „gefährdeter” Bewerberin nicht die besondere Fürsorge habe angedeihen lassen, die im Hinblick auf den Grundsatz der Chancengleichheit geboten gewesen wäre.
Mit Schreiben vom 6.3.98 forderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte auf, eine schriftliche Begründung der Bewertung der Leistungen in der mündlichen Prüfung vorzulegen. Am 12.6.1996 legte die Beklagte ein Protokoll über die Sitzung des Prüfungsausschusses 4 vom 19.5.98 vor. In der Niederschrift heißt es u.a.: Wie sich bereits aus Bl. 4 der Prüfungsniederschrift gemäß § 30 Abs. 1 DVStB vom 10.2.98 ergebe, habe der Vorsitzende des Prüfungsausschusse, der Zeuge F, im Anschluss an die Prüfung die Gründe des Nichtbestehens ausführlich erläutert. In der telefonischen Unterredung mit dem Ehemann der Klägerin am 11.2.98 sei die Vokabel „Wahrnehmungseinengung” nur im Zusammenhang mit der Behauptung des Ehemanns der Klägerin gefallen, dass die Klägerin im Vergleich zu den anderen Prüflingen zu wenig befragt worden sei; das Gegenteil sei der Fall gewesen. Der Hinweis des Vorsitzenden im genannten Telefonat auf die Bewertung der Form der Äußerungen der Klägerin habe sich nur auf den Prüfungsabschnitt „Vortrag” bezogen. Die sprachliche Darstellung im Vortrag sei „schlicht” gewesen und es habe an „Überzeugungskraft” gefehlt. Die Beklagte weist in diesem Zusammenhang auf das Urteil des BFH vom 30.6.95 VII B 175/94 in BFH/NV 96, 180 hin, in dem als wesentliches Bewertungskriterium des Vortrages die Art der Darstellung, insbesondere die freie und flüssige Rede des Prüflings genannt seien. Weiter heißt es im Sitzungsprotokoll vom 19.5.98: Die einzelnen Prüfungsdurchgänge seien „anhand der von den Ausschussmitgliedern gemachten Prüfungsnotizen bzw. zeitnah gefertigten Aufzeichnungen durchgesprochen und mit den Prüfungsnotizen der Mitprüfer/innen abgeglichen” worden. Auch nach dem Überdenken seien die Prüfer einstimmig der Meinung gewesen, dass die einzelnen Noten nicht zu verändern seien. Abschließend habe der Vorsitzende um Übersendung der „Reinschriften” der einzelnen Stellungnahmen bis zum 27.5.98 gebeten. Die zusammen mit dem Sitzungsprotokoll am 12.6.96 dem Gericht vorgelegten Stellungnahmen („Reinschriften” s.o.) der einzelnen Prüfer datieren vom 18.2., 21.2, 19.2., 18.2. (Prüfer 1 bis 5) (FGA Bl. 54 bis 61); die „Aktennotiz der mündlichen Steuerberaterprüfung ...” des Prüfungsvorsitzenden ist nicht datiert. Den „Anmerkungen vom 21.2.1998 ...” der Prüferin 2 (B) war ein Anschreiben der Prüferin (vom 20. 5. 98) an den Prüfungsvorsitzenden beigefügt, in dem sie zu den speziell gegen sie vorgebrachten Vorwürfen der Klägerin Stellung nimmt. Nach Vorliegen der schriftlichen Begründung der Benotung in der mündlichen Prüfung ergänzte die Klägerin ihren Klagvortrag wie folgt: Die vom BFH in seinem Urteil vom 30.4.96 (VII R 128/95, BStBl II 1997, 149) aufgestellte Zweimonatsgrenze für die nachträgliche Erstellung einer substantiierten Begründung für die Bewertung mündlicher Prüfungsleistungen sei am 19.5.98 - dem Tage der Sitzung des Prüfungsausschusses 4 - bereits abgelaufen gewesen. Die Nachlieferung einer substantiierten Begründung für die Benotung der mündlichen Leistungen - in der Sitzung am 19.5.1998 - sei nicht möglich. Auch die Stellungnahme der Prüferin B vom 20.5.98 sei später als zwei Monate nach der Prüfung verfasst worden. Im übrigen habe sie, die Klägerin, Zweifel, ob die vorgelegten schriftlichen Begründungen der Prüfer tatsächlich in der Zeit zwischen dem 18.2. und 21.2.98 verfasst worden seien; um eine schriftliche Begründung habe sie, die Klägerin, erst mit Schreiben vom 6.3.98 gebeten. In der Niederschrift vom 19.5.98 hätten die Mitglieder des Prüfungsausschusses die einzelnen Noten auch nicht begründet. Die Darstellung des Prüfungsablaufs in der Niederschrift sei in mehreren Punkten unrichtig. In ihrem Schriftsatz vom 5.8.98 stellt die Klägerin im Einzelnen den Prüfungsablauf der mündlichen Prüfung nach ihrer Erinnerung dar, beschreibt die Fragen und Antworten und stellt die von ihr für angemessen gehaltene Prüfungsnote (s.o.) der Note der Prüfer gegenüber - ohne allerdings konkrete Bewertungsfehler zu bezeichnen. Sie betont erneut, dass sie im Prüfungsgespräch bei der Prüferin B zu wenig zu Wort gekommen sei; sie behauptet jetzt, sie habe sich lediglich zweimal äußern können. Ihre Leistungen in der mündlichen Prüfung seien keineswegs „im Vergleich zu den Leistungen der anderen Prüfungskandidaten deutlich schwächer gewesen...” wie das der Prüfungsvorsitzende des Prüfungsausschusses in seiner Stellungnahme darstelle. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin zum Ablauf der mündlichen Prüfung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 5.8.98 Bezug genommen. Die Klägerin trägt weiter vor: Die mündliche Prüfung habe nach dem Prüfungsprotokoll - ohne den Kurzvortrag einzurechnen - 129 Min. gedauert; das ergebe eine durchschnittliche Prüfungsdauer von ca. 32 Min. pro Prüfling. Nach § 26 Abs. 7 DVStB dürfe die Steuerberaterprüfung nicht mehr als 90 Min. pro Bewerber dauern. Diese 90 Min. dürften bei einer sachgerechten Prüfung auch nicht wesentlich unterschritten werden. Sie, die Klägerin habe incl. Vortrag nur 40 Min. Prüfungszeit zugeteilt bekommen - obwohl sie „stark gefährdet” gewesen sei. Der Verlauf der mündlichen Prüfung lege den Verdacht nahe, dass eine verdeckte Bedürfnisprüfung stattgefunden habe. Besonders deutlich sei das bei den Prüfern B und E zutage getreten. Die Prüferin B habe eine Antwort der Klägerin höhnisch mit dem Satz kommentiert: „Nun mal nicht so zögerlich, was sollen die Mandanten davon halten?”. Dieses Verhalten der Prüferin zeige, dass nicht der Inhalt der Antwort wesentliche Grundlage der Bewertung gewesen sei, sondern die Persönlichkeit der Klägerin. Die zitierte Äußerung der Prüferin B lasse Zweifel aufkommen, ob die Voraussetzungen für eine faire Prüfung gegeben gewesen seien. Der Prüfer E habe die Leistung der Klägerin nur mit einer Note 4,5 bewertet, obwohl sie überdurchschnittlich schwierige Fragen gut beantwortet habe. Auch dieses Verhalten lege den Verdacht einer verdeckten Bedürfnisprüfung nahe. Da sie mehr als 50% der Fragen richtig und ausführlich beantwortet habe, sei nach allgemeinen Bewertungsmaßstäben mindestens die Note 3,5 angebracht gewesen. Der Prüfer habe in seiner Stellungnahme inhaltlich „befriedigende” Antworten konstatiert, trotzdem aber nur ein „ausreichend” vergeben - wegen „sprachlicher Unbeholfenheit” oder fehlender rechtlicher Präzision der Antworten. Diese Gewichtung sei nicht nachvollziehbar. Der Ausschussvorsitzende, der Zeuge F habe überwiegend Fragen aus der Statistik gestellt, nicht solche, die eigentlich auf dem Gebiet der Steuerberatung lägen. Auch der Prüfer D hätte eine bessere Note, nämlich 4,0 geben müssen, er habe den Schwierigkeitsgrad der Fragen aus dem Teilbereich Vermögensbildung falsch eingeschätzt. Die Prüfer hätten sich selbstherrlich verhalten und ihr Übergewicht an Prüfungsgewalt im Verlaufe der Prüfung missbraucht. Das dokumentiere u.a. folgende Passage aus der Niederschrift über die Sitzung des Prüfungsausschusses 4 vom 19.5.1998. Dort heiße es u.a. - zum Vorwurf der fehlenden Begründung der Note der mündlichen Prüfung - ”... dabei hat Herr F sich sogar auf die Gegenargumente der Kandidatin eingelassen...”. Nach alledem sei eine Wiederholung der mündlichen Prüfung die einzige sachgerechte Lösung zur Kompensation der festgestellten Fehler.
Ergänzend trägt die Klägerin vor: Auch ihre schriftlichen Arbeiten seien jedenfalls teilweise falsch benotet: Die Ertragsteuerklausur hätte richtigerweise mit der Note 4,0 bewertet werden müssen - statt mit der Note 4,5 (Prüfer X: 44,5 Punkte; Prüfer Y: 42 Punkte). Bei der Ertragsteuerklausur habe die Beklagte den Grundsatz der Chancengleichheit verletzt; bekanntermaßen sei einigen Mit-Prüflingen die Klausur bekannt gewesen. Auch die Benotung der Bilanzsteuerklausur mit der Note 5,0 (Prüfer 1: 33,5; Prüfer 2: 32 Punkte) sei zu beanstanden; sie habe insgesamt 8,5 Punkte zu wenig erhalten. Statt der Note 5 sei mindestens die Note 4,5 angemessen gewesen. In ihrem Schriftsatz vom 9.2.99 stellt die Klägerin auf S. 5 (ff) im Einzelnen dar, welche Punkte der Musterlösung ihr ihrer Meinung nach zu Unrecht vorenthalten worden seien; darauf wird Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 5.3.99 hat der Senat das Verfahren entsprechend § 74 FGO ausgesetzt, damit die Prüfer Gelegenheit haben, die Einwände der Klägerin gegen die Bewertung ihrer Klausuren und ihrer Leistungen in der mündlichen Prüfung zu überdenken. Am 16. November 1999 sind die von den Prüfern verfassten Stellungnahmen bei Gericht eingegangen. In ihren Stellungnahmen vom 3.5.1999 bzw. 5.10.1999 haben die Prüfer die Einwände der Klägerin gegen die Benotung der Ertragsteuer- bzw. der Bilanzsteuerrechtsklausur zurückgewiesen: Die Prüfer X und Y (Ertragsteuer) haben keinen zusätzlichen Punkt vergeben und betonen in ihrer Stellungnahme, dass die vergebene Note (4,5) auch bei einer Gesamtbetrachtung der Klausur berechtigt erscheine; die Arbeit sei nicht mehr brauchbar. Die Prüfer B (1) und G (2) (Bilanz) gewährten auf die Einwände der Klägerin beide nachträglich 2,5 Punkte, die Prüferin B zusätzlich weitere 2,5 Punkte; es ergab sich eine Punktebewertung von 38 bzw. 34,5 Punkten; die Note blieb dieselbe (5,0). In der Sitzung vom 20.10.1999 (vgl. Protokoll über die Sitzung des Prüfungsausschusses 4 vom 20.10.1999) haben sich die Mitglieder des Prüfungsausschusses 4 mit den Einwänden der Klägerin gegen den korrekten Ablauf des Verfahrens der mündlichen Prüfung auseinandergesetzt und auch diese zurückgewiesen. Es sei insbesondere unrichtig - so heißt es im Protokoll - dass die Kandidatin im Prüfungsabschnitt der Prüferin B lediglich zweimal zu Wort gekommen sei. Es sei auch unzutreffend, dass die Prüferin B die Klägerin „angefahren” habe und sie deshalb „völlig aus der Bahn geworfen” worden sei. Wegen der Einzelheiten der Stellungnahme der Prüfer zu dem Ablauf der mündlichen Prüfung wird auf die Niederschrift vom 20.10.99 verwiesen.
Nach der Stellungnahme der Prüfer im Überdenkungsverfahren hat die Klägerin weiter vorgetragen: Der Beklagte habe bislang nicht erklärt, warum die angeblich bereits zwischen dem 18.2. und 21.2. gefertigten schriftlichen Begründungen der Prüfer zu der im Mündlichen vergebenen Note nicht sofort bzw. spätestens mit dem Schriftsatz der Beklagten vom 15.4.98 vorgelegt worden seien. Die Sitzung vom 19.5. habe jedenfalls mehr als 2 Monate nach dem Prüfungstermin stattgefunden. Die dort wiedergegebenen Stellungnahmen der Prüfer seien eher eine nachträgliche Rechtfertigung der am 10.2. 1998 getroffenen Entscheidung. Im Übrigen sei das Protokoll der mündlichen Prüfung insoweit unrichtig, als darin das Prüfungsende auf 13.00 Uhr protokolliert sei; tatsächlich habe die Prüfung bereits um 12.40 Uhr geendet. Sie, die Klägerin, bleibe bei ihrem Vortrag - auch nach der Stellungnahme der Prüfer im Überdenkensverfahren - dass sie max. 35 Min. lang geprüft worden sei (ohne Kurzvortrag). Sie bleibe auch bei ihrem Vortrag, dass die Prüferin B sie „angefahren” habe und dass sie dadurch völlig aus der Bahn geworfen worden sei. Das könnten ihre damaligen Mit-Kandidaten bestätigen. Es sei unzutreffend, wenn der Prüfer E in seiner Stellungnahme ausführe, er habe „stark helfend” bei der Klägerin eingreifen müssen. Auch das könnten die Mitprüflinge bestätigen. Der Ausschussvorsitzende F habe Dinge geprüft, die nicht in die Steuerberaterprüfung gehörten, insbesondere die finanzpolitischen Fragen nach der Höhe des Aufkommens der einzelnen Steuerarten. Die Stellungnahmen der Prüfer X und Y (Ertragsteuerklausur) stellten kein wirkliches Überdenken der Beurteilung dar. Das gelte auch für die Stellungnahme der Prüfer B und G zu deren Klausur aus dem Bereich der Buchführung und des Bilanzwesens. Wegen der Einzelheiten der Stellungnahme der Klägerin wird auf ihren Schriftsatz vom 26.1. 2000 S. 8 f verwiesen. Die Klägerin beantragt, die Entscheidung des Prüfungsausschuss 4 für Steuerberater bei der Finanzbehörde Hamburg vom 10.2.1998 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor: Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses 4, der Zeuge F, habe die Entscheidung des Prüfungsausschusses unmittelbar im Anschluss an die mündliche Prüfung der Klägerin gegenüber unter Nennung der Noten für den Vortrag und die einzelnen Prüfungsabschnitte und Angabe der wesentlichen Gesichtspunkte mündlich begründet. Das ergebe sich aus dem Protokoll vom 10.2.98. Er habe diese Begründung in dem Telefonat mit dem Ehemann der Klägerin am Tage nach der mündlichen Prüfung vertieft. Die Klägerin habe selber erst ca. 1 Monat nach der mündlichen Prüfung eine schriftliche Begründung der Bewertung der mündlichen Prüfungsleistung verlangt. Im Übrigen habe das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 6.9.95 (DVBl.1996, 436) deutlich gemacht, dass der „Zweimonatsgrundsatz” dann nicht gelte, wenn sich die Prüfer, wie hier, Aufzeichnungen zur mündlichen Prüfung gemacht hätten. Das „Begründungsgespräch” des Vorsitzenden - im Anschluss an die mündliche Prüfung -, an dem sich auch die übrigen Prüfer beteiligt hätten, aber auch das Telefonat des Vorsitzenden mit dem Ehemann der Klägerin am Folgetage, sei für alle Prüfer Anlass gewesen, sich detaillierte Aufzeichnungen zum Prüfungsgespräch der Klägerin zu machen bzw. ihre Notizen aus der mündlichen Prüfung zu ergänzen und aufzubewahren. Die „Reinschriften” seien aufgrund dieser Notizen und Aufzeichnungen ausformuliert worden. In der mündlichen Prüfung sei die Klägerin am häufigsten drangekommen und habe gegenüber den anderen Bewerbern deutlich mehr Chancen bekommen. Das ergebe sich auch aus den Stellungnahmen der Prüfer. Aber ein Verfahrensfehler sei auch dann nicht zu konstruieren, wenn die Klägerin tatsächlich - wie sie behauptet - nur 33 Min. geprüft worden sei (vgl. BFH BStBl II 1998, 218 f). Eine solche Rüge sei aber auch verfristet (BFH aa0 S. 222). Die Stellungnahme der Klägerin zu Inhalt und Ablauf der mündlichen Prüfung sei pauschal und lasse nicht erkennen, wo ihrer Auffassung nach Bewertungsfehler zu beanstanden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf die Sitzungsniederschriften vom 11. und 22.5. 2000 Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben über die Frage, wann die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 10.6.98 vorgelegten „Reinschriften” der Prüfer angefertigt worden sind, und ob und inwieweit sie mit den ursprünglichen Grundaufzeichnungen übereinstimmen und wann solche Grundaufzeichnungen gefertigt worden sind, durch Vernehmung der Zeugen F und D. Der Senat hat ferner den Ehemann der Klägerin und den Zeugen F zu der Frage gehört, welchen Inhalt das zwischen ihnen geführte Telefongespräch am 11.2.00 gehabt hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 22.5.2000 Bezug genommen. Dem Senat haben die Personalakte der Klägerin sowie die Aufsichtsarbeiten und die Lösungshinweise der Klausuren vorgelegen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Der Verwaltungsakt, mit dem die Beklagte der Klägerin ihr Nichtbestehen eröffnet hat, ist - soweit er einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist - nicht zu beanstanden.
I. Das gilt zunächst hinsichtlich des Prüfungsverfahrens einschließlich des Begründungsvorganges der Benotung sowie der Bewertung der Leistungen der Klägerin in der mündlichen Prüfung.
1. Die Klägerin - die sich zunächst nur gegen die Bewertung ihrer mündlichen Prüfungsleistungen gewendet hat - beanstandet zu Unrecht, dass sie keine oder doch keine rechtzeitige Begründung der Bewertung ihrer mündlichen Leistungen erhalten hat. Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob die mündliche Begründung der Benotung im unmittelbaren Anschluss an die Prüfung - in Anbetracht der psychischen Ausnahmesituation, in der sich die Klägerin möglicherweise unmittelbar im Anschluss an die mündliche Prüfung befunden haben könnte - ihrem berechtigten Informationsbedürfnis genügt hat. Jedenfalls haben die von den Prüfern auf ihren Wunsch gefertigten schriftlichen Begründungen diesen Zweck erfüllt; denn sie sind, wie nach Durchführung der Beweisaufnahme unstreitig geworden ist, zeitnah zu Papier gebracht oder doch jedenfalls auf grund zeitnah erstellter Notizen niedergelegt worden.
Die maßgeblichen Rechtsgrundsätze eines bislang nicht kodifizierten Informationsrechts des Prüflings über die Bewertung seiner mündlichen Prüfungsleistungen hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 6.9.1995 (6 c 18/93, BVerfGE 99, 185-201) entwickelt. Dieser Rechtsprechung hat sich der Bundesfinanzhof angeschlossen (Urteil vom 30.4.96 VII R 128/95, BStBl. II 1997, 149). Auch der erkennende Senat folgt der Auffassung, dass dem Prüfling ein solches Informationsrecht zusteht, weil er sich andernfalls nicht wirksam gegen rechtsfehlerhafte Benotungen in der mündlichen Prüfung zur Wehr setzen kann.
Nach den vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Rechtsgrundsätzen steht dem Prüfling - gestützt auf Art. 12 Abs. 1 und 19 Abs. 4 Grundgesetz - ein Informationsrecht zu; dieses Informationsrecht umfasst einen Anspruch auf angemessene Begründung der Prüfungsentscheidung, d.h. auf die Bekanntgabe der wesentlichen Gründe der Benotung. Da eine gesetzliche Regelung bislang fehlt, kann die Begründung der Prüfungsleistungen in Form, Zeitpunkt, Umfang und Inhalt auf unterschiedliche Weise geschehen. Der Prüfling kann den Inhalt dieses Anspruchs durch sein Verlangen - nach mündlicher oder schriftlicher Angabe der Gründe - spezifizieren. Dabei muss er - abseits einer pauschalen Kritik - Gründe für sein Verlangen rechtzeitig und sachlich vertretbar begründen. Die Prüfer müssen die Gründe für ihre Prüfungsentscheidung bei einer mündlichen Prüfung nur dann schriftlich darlegen, wenn das Verlangen sachlich vertretbar begründet ist und wenn das Verlangen zu einem Zeitpunkt gestellt wird, zu dem eine schriftliche Begründung noch unter zumutbaren Bedingungen verlangt werden kann. Als zeitliche Grenze nennt das Bundesverwaltungsgericht eine Frist von zwei Monaten seit der Prüfung. In diesem Zusammenhang heißt es in den Entscheidungsgründen des Urteils, dass die Erstellung einer Begründung erfahrungsgemäß nach zwei Monaten nicht mehr möglich sei. Nur ausnahmsweise sei eine substantielle Begründung noch möglich - etwa weil die Prüfer sich detaillierte Aufzeichnungen gemacht und diese auch aufbewahrt hätten.
Bei Anwendung dieser Grundsätze gilt folgendes: Die vorgelegten „Reinschriften” (vgl. Sitzungsprotokoll des Prüfungsausschusses vom 19.5.1998) datieren aus der Zeit vom 18. bis 21.2.1998 und sind aufgrund der Notizen der Prüfer während oder kurz nach der Prüfung hergestellt worden. Das ist nach der Beweisaufnahme geklärt - und auch unstreitig. Da die sog. „Reinschriften” entweder anhand der Notizen gefertigt worden sind - oder in einigen Fällen tatsächlich „Erstschriften” und gar nicht „Reinschriften” waren -, waren alle vorgelegten Begründungen verlässliche Begründungen, die das Erinnerungsvermögen der Prüfer nicht überforderten - die „Reinschriften” deshalb, weil sie inhaltlich mit den Notizen übereinstimmten, die zeitnah angefertigt worden sind. Der Senat geht deshalb davon aus, dass die „Reinschriften” und die „Erstschriften” eine zutreffende Darstellung des Prüfungsgeschehens - aus der Sicht der Prüfer - enthalten: Sie s i n d Begründungen, die den oben genannten Grundsätzen des Bundesverwaltungsgerichts gerecht werden.
Die Begründungen sind allerdings der Klägerin erst nach gut vier Monaten zur Kenntnis gegeben worden. Nach Ansicht des Senats muss es - korrespondierend mit der Zweimonatsfrist des Bundesverwaltungsgerichts für die Fixierung der Begründung der Benotungen durch die Prüfer - auch eine Frist für die Bekanntgabe der Begründung an den Prüfling geben. Denn dieser kann sich gegen eine ihm ungerecht erscheinende Benotung seiner Leistungen in einer mündlichen Prüfung mit fundierten Gründen in der Regel nur dann zur Wehr setzen, wenn ihm die Begründung der Prüfer bekannt ist. Dies ergibt sich - jedenfalls mittelbar - auch aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. 9. 1995 (aaO). Denn dort wird zu Recht ausgeführt, dass das Informationsrecht des Prüflings mehrstufig sein kann: Auf eine zunächst nur allgemein gehaltene Begründung der Bewertung durch die Prüfer kann nach dezidierten Einwänden des Prüflings eine zusätzliche detaillierte Begründungspflicht für die Prüfer entstehen. Die Frist für die Bekanntgabe an den Prüfling kann indes nicht so knapp bemessen sein, wie die Zweimonatsfrist für die Fixierung der Begründung durch die Prüfer. Denn die Zweimonatsfrist ist - wie das Bundesverwaltungsgericht (aaO) zu Recht ausführt - so knapp zu bemessen, weil die Erinnerung der Prüfer an den Prüfungsablauf sich relativ schnell verflüchtigen wird. Letzteres beruht im Wesentlichen auf dem Umstand, dass die Prüfungsausschüsse für die Steuerberaterprüfung in jedem Prüfungsturnus eine Vielzahl von Prüfungen nacheinander abzunehmen haben. In einer solchen Situation befindet sich der Prüfling nicht, denn er steht nur einmal in einer Prüfungssituation. Bei ihm besteht somit nicht, wie bei den Prüfern, die Gefahr, dass die Erinnerung an die Prüfungen durch Eindrücke aus anderen Prüfungsvorgängen überlagert wird. Der Senat ist allerdings der Ansicht, dass wegen der Gefahr des Verblassens des Erinnerungsvermögens des Prüflings auch auf eine möglichst zeitnahe Bekanntgabe der Begründung geachtet werden sollte und dass dies nicht nur ein „nobile officium” der Prüfungsbehörde sein sollte, sondern dass bei Überschreiten eines maximalen Zeitraumes es zu einer nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigung des Verteidigungsrechtes des Prüflings kommen kann. Aufgrund dieser Erwägungen hält der Senat einen Zeitraum von vier Monaten nach der mündlichen Prüfung bzw. von drei Monaten seit Anforderung der schriftlichen Begründung durch den Prüfling - wie im Streitfall - für noch tolerabel.
2. Die „materiellen” Einwände der Klägerin gegen die Benotung ihrer mündlichen Prüfungsleistungen lässt keine Fehler erkennen. Die Klägerin schildert aus ihrer Sicht den Prüfungsablauf, ohne dass erkennbar wäre, warum sie Anspruch auf eine bestimmte - bessere - Note hätte. Dieser Vortrag ist unschlüssig. Es ist nicht ersichtlich, wieso der Beurteilungsspielraum der Prüfer derart eingeengt wäre, dass er - nach dem von der Klägerin geschilderten Prüfungsablauf - zwingend zu einer bestimmten besseren Note hätte führen müssen. Das Zeugnis der Mitprüflinge, auf das sich die Klägerin in diesem Zusammenhang beruft, ist nicht geeignet zu belegen, dass die Leistungen der Klägerin besser zu beurteilen wären. Die Prüflinge können auch nicht „bezeugen”, dass die Leistungen der Klägerin in der mündlichen Prüfung nicht schlechter gewesen sind, als die der anderen Prüflinge. Zeugen können nur Tatsachenbehauptungen bestätigen. Hier geht es jedoch um den Beurteilungsspielraum der Prüfer.
Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Prüfer - u.a. beim Vortrag der Klägerin, aber auch bei ihren sonstigen mündlichen Äußerungen in der Prüfung - die Art und Weise der mündlichen Darstellung bewertet haben. Jüngstes Urteil des Bundesfinanzhofs , das sich mit dieser Frage beschäftigt, ist das Urteil vom 5.10.1999 VII R 152/97 - mitgeteilt in Lexinform Aktuell Nr. 2/2000; dort heißt es: Die Prüfer dürfen auch in der Steuerberaterprüfung Klarheit und Systematik der Darstellung sowie Vollständigkeit und Prägnanz der Begründung richtiger Lösungen wesentliches Gewicht beimessen. Ihre diesbezügliche Beurteilung liegt im Wesentlichen nicht auf fachwissenschaftlichem Gebiet und kann vom Finanzgericht nur dann beanstandet werden, wenn sie offensichtlich nicht vertretbar ist. Dem schließt sich der erkennende Senat an. Dass die Prüfer bei der Bewertung der sprachlichen Darstellung, der Form der Äußerungen der Klägerin, des gedanklichen Aufbaus ihrer mündlichen Beiträge offensichtlich unvertretbare Maßstäbe angewendet hätten, ist nicht ersichtlich.
3. Der Senat hat auch nicht feststellen können, dass die Klägerin in der mündlichen Prüfung nicht ausreichend zu Wort gekommen ist. Zur erforderlichen Prüfungsdauer in der mündlichen Prüfung hat sich der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 11.11.1997 Az. VII R 66/97 (BStBl II 1998, 218 ff) geäußert. In der Entscheidung heißt es u.a.: Die Dauer einer mündlichen Prüfung, deren Mindestzeit gesetzlich nicht bestimmt ist, unterliege weitgehend dem Beurteilungsspielraum der Prüfer bzw. des Prüfungsausschusses. Eine Aufhebung der Prüfungsentscheidung unter dem Gesichtspunkt eines Verfahrensfehlers komme nur dann in Betracht, wenn es nach der Art und dem Umfang der Prüfung oder nach dem Prüfungsverlauf praktisch ausgeschlossen erscheine, dass sich der Prüfungsausschuss schon zu dem Zeitpunkt der Beendigung des Prüfungsverfahrens oder aufgrund der wenigen Prüfungsfragen eine abschließende Meinung bilden konnte. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Prüfungsausschuss bei leistungsschwachen Prüflingen erst nach Ablauf der vorgesehenen Höchstprüfungsdauer ein sicheres Bild machen könne. Diesen Rechtsgrundsätzen schließt sich der Senat an. Nach § 26 Abs. 7 DVStB soll auf jeden Bewerber maximal eine Prüfungszeit von 90 Minuten entfallen. In dem o.g. BFH-Urteil wird auch auf § 21 Abs. 3 DVStBerG a.F. hingewiesen; diese Bestimmung sah für die früheren Steuerbevollmächtigtenprüfungen eine Mindestprüfungszeit von einer halben Stunde vor. Der BFH leitet aus dieser gesetzlichen Bestimmung a.F. aaO ab, dass der Verordnungsgeber seinerzeit auch davon ausgegangen sei, dass sich der Prüfungsausschuss innerhalb einer halben Stunde ein hinreichend sicheres Bild von den Leistungen und Befähigungen eines Prüflings verschaffen könne. Der Senat geht davon aus, dass die Klägerin mindestens eine halbe Stunde geprüft worden ist. Die Klägerin behauptet selber, dass sie „maximal” 35 Minuten geprüft worden sei (ohne Vortrag). Das Prüfungsprotokoll weist eine Prüfungszeit von 129 Minuten aus. Bei 4 Prüflingen errechnet sich eine durchschnittliche Prüfungsdauer von 32,25 Minuten. Auch wenn die Prüfung, anders als im Protokoll vermerkt (13 Uhr), schon gegen 12 Uhr 40 zu Ende gewesen sein sollte - wie dies die Klägerin behauptet - so folgt daraus nicht, dass auf die Klägerin weniger als 30 Minuten Prüfungszeit entfallen sein muss. Der Zeuge F hat glaubhaft bekundet, dass die Klägerin mehr als die anderen Prüflinge befragt worden ist. Im übrigen wäre - wie dargelegt - ein Verfahrensfehler auch nur dann zu konstatieren, wenn es nach der Art und dem Umfang der Prüfung oder nach dem Prüfungsverlauf praktisch ausgeschlossen erscheint, dass sich der Prüfungsausschuss schon zu dem Zeitpunkt der Beendigung des Prüfungsverfahrens aufgrund der wenigen Prüfungsfragen eine abschließende Meinung bilden konnte. Bei welcher Prüfungsdauer davon auszugehen wäre, kann offen bleiben. Die Klägerin hat keine bestimmte Zeitdauer genannt, die für ihre mündliche Prüfung verwendet worden sei. Die Zahl der Fragen, die die Prüferin B an sie gerichtet hat - die Klägerin hat zunächst 3, später 2 Fragen behauptet - sagt nichts über die Intensität der Befragung und das Gewicht der Fragen aus. Auch 2 oder 3 Fragen können für einen Teilabschnitt der Prüfung aussagekräftige Prüfungsleistungen provozieren.
4. Die Behauptung der Klägerin, die Prüferin B habe sie barsch „angefahren” mit der Bemerkung „Nun mal nicht so zögerlich, was sollen die Mandanten davon halten” könnte allerdings ein Hinweis auf eine unfaire, unsachliche Behandlung der Klägerin sein, die einen Verfahrensfehler begründet. Das gilt auch für eine „höhnische” Art der Fragestellung - wie sie die Klägerin an anderer Stelle ihres Sachvortrages behauptet hat. Die Klägerin macht zu Recht geltend, dass kein Prüfling dulden müsse, dass er der Lächerlichkeit preisgegeben werde. Es kann allerdings andererseits nicht so sein, dass jeder Hinweis oder jede Aufforderung der Prüfer, flott zu antworten, als „nachhaltig” irritierendes Verhalten der Prüfer anzusehen ist, das eine Verletzung der Chancengleichheit zur Folge haben könne (vgl. FG des Landes Sachsen Anhalt Urteil vom 29.10.1997, I 107/96, EFG 98, 293). Es wird sehr auf den Ton und den Zusammenhang der Äußerung ankommen. Es bedarf präziser Feststellungen über das Verhalten der Prüfer, aus dem sich nachvollziehbar Schlussfolgerungen auf die Verwirrung oder Verunsicherung der Prüflinge ziehen lassen (FG Bremen Urteil vom 22.11.1994, 2 93 086 K 2, EFG 95, 343). Verstöße gegen die Gebote der Fairness und der Sachlichkeit lassen sich nicht allein aus der subjektiven Empfindung des Prüflings (z.B. über eine „bedrückende” Prüfungsatmosphäre - vgl. FG Bremen Urteil vom 22.11.1994 aaO) herleiten. Der VGH Baden-Würtemberg 9. Senat hat in seinem Urteil vom 24.4.1990 (9 S 3227/89, DVBl. 1990, 944) z.B. einen Verstoß gegen das Gebot der Sachlichkeit bejaht, indem der Prüfer auf eine zutreffende Antwort des Prüflings kommentiert hat: „Ja, das ist richtig, vielleicht haben sie es gewusst, vielleicht haben sie es aber auch nur geraten”.
Die Klägerin konnte ein unsachliches Verhalten der Prüferin B auch noch nach der Prüfung rügen, war also nicht etwa gehalten, während des Prüfungsablaufes aufzustehen und sich gegen eine als abwertend empfundene Behandlung augenblicklich zur Wehr zu setzen. Soweit ein Ablehnungsgrund erst aus dem Verhalten eines Prüfers im Prüfungsverfahren entsteht, ist dem Prüfling ein Entschluss, bereits während der Prüfung darüber zu entscheiden, ob er den Prüfer wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen will, nicht zuzumuten (vgl. BFH Urteil vom 16.7.1985, VII R 120/83, BStBl II 1976, 797, BFHE 120, 106; vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof III. Senat, Urteil vom 7.1.1988, 3 U E 1600/87, DÖV 1988, 745).
Die Rüge des unsachlichen Verhaltens der Prüferin B ist auch nicht deshalb unschlüssig, weil rechnerisch eine Note von 3,8 im Mündlichen notwendig wäre, um die Prüfung zu bestehen ((4,5 + X ) : 2 = 4,15). Man kann das Ergebnis der mündlichen Prüfung - wenn denn die Prüfung störungsfrei verlaufen wäre - nicht vorwegnehmen. Im Übrigen betraf die Störung bereits den zweiten - von sechs - Prüfungsabschnitten. Eine solche Störung konnte sich also auf insgesamt 4 Prüfungsabschnitte auswirken.
Bei Beachtung dieser Grundsätze ist der Senat jedoch der Überzeugung, dass der Sachverhalt - so wie ihn die Klägerin geschildert hat - k e i n e n ausreichenden Anhalt für eine unfaire oder „selbstherrliche” Behandlung durch die Prüferin B bietet. Der Wortlaut der Aufforderung als solcher erscheint eher unbedenklich. Die Aufforderung der Prüferin drückt aus, dass die Klägerin zügig antworten solle und deutet an, dass eine zügige Antwort im künftigen Berufsleben der Klägerin notwendig sein werde. Der gewählte Ton mag der Klägerin „barsch” oder „höhnisch” erschienen sein. Die Klägerin ist aber nicht etwa angeschrien worden; das hat sie in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt. Was einen „barschen” oder „höhnischen” Ton ausmacht, wird weitgehend subjektiv interpretiert werden. Was empfindsame Prüfungskandidaten als barsch bezeichnen, werden andere, psychisch stabilere, als bestimmt oder energisch bezeichnen. Diese Nuancen, die vom subjektiven Empfinden abhängen, werden sich auch nicht durch eine Beweisaufnahme klären lassen, weil sie von unterschiedlichen Adressaten unterschiedlich gewertet werden. Solche Einschätzungen dritter Personen sind nach Auffassung des Senats auch nicht geeignet, eine unfaire Behandlung des Prüfling zu indizieren, soweit nicht bereits der Wortlaut der Äußerung ausreichende Anhaltspunkte für eine unsachliche, unfaire oder voreingenommene Behandlung des Prüflings liefert. Es gibt kein Fairnessgebot in dem Sinne, dass der Prüfer sein Verhalten in der Prüfung auf die Sensibilität besonders empfindlicher Kandidaten abstellen müsste. Auch wenn in „barschem” Ton vorgetragene Äußerungen der Prüfer besser unterbleiben sollten - weil sie beim Prüfling unnötigerweise Emotionen auslösen können - haben sie nach Auffassung des Senats nicht solches Gewicht, dass daraus ein Verfahrensfehler abzuleiten wäre; dazu erscheint die nach durchschnittlichen Maßstäben zu erwartende psychische Beeinträchtigung zu unbedeutend. Dass sich die Klägerin in einem psychischen Ausnahmezustand befunden hätte, ist nicht ersichtlich: Die Klägerin hat sich nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen F, eines erfahrenen Vorsitzenden des Prüfungsausschusses, nicht etwa in einem „pathologischen” Prüfungsstress befunden - d.h. in einer sich über weite Teile der mündlichen Prüfung erstreckenden „Wahrnehmungseinengung”, die normale Reaktionen im Ablauf der mündlichen Prüfung ausgeschlossen hätte.
5. Der Hinweis der Klägerin auf den Vortrag der Beklagten, die Prüfer hätten sich bei der mündlichen Begründung im Anschluss an die Prüfung „sogar” auf Gegenargumente der Klägerin eingelassen, ist nicht geeignet, der Klage zum Erfolg zu verhelfen. Bei dieser Formulierung handelt es sich nach Auffassung des Senats eher um eine sprachlich ungeschickte Formulierung als um ein Anzeichen für den Missbrauch eines „Übergewichts der Prüfungsgewalt”.
6. Der Vorwurf der Klägerin, der Vorsitzende des Prüfungsausschusses F habe im Wesentlichen „Statistik” und „Steueraufkommen” geprüft, greift nicht. Prüfungsgebiete sind nach § 37 a Abs. 3 StBerG u.a. Steuern vom Einkommen und Ertrag (Nr. 2) und Verbrauch- und Verkehrsteuern, Grundzüge des Zollrechts und der Finanzmonopole (Nr. 4); in diesen Bereich gehören auch Fragen zum Steueraufkommen. Ob und in welchem Umfange solche Fragen sinnvoll sind, muss den Beurteilungsspielraum der Prüfer überlassen bleiben.
7. Anhaltspunkte dafür, dass die Prüfer ihre Noten so eingerichtet hätten, dass eine bestimmte Durchfallquote erreicht wird (Bedürfnisprüfung), sind nicht ersichtlich.
II. Auch die Einwände gegen die Bewertung der Klausuren führen nicht zu einem Erfolg der Klage.
1. Soweit die Klägerin einwendet, die Bewertung der Ertragsteuerklausur verstoße gegen den Grundsatz der Chancengleichheit, weil einem Teil der Prüflinge die Ertragsteuerklausur bekannt gewesen sei, ist dieser Einwand nicht schlüssig. Die neuere Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 20. Juli 1999, VII R 22/99) hat in diesem Falle einen Verstoß gegen die Chancengleichheit verneint. Dem schließt sich der Senat an.
2. Die Einwände der Klägerin gegen die Punktbewertung der Ertragsteuerklausur sind nicht überzeugend. Der Senat kann nicht anstelle der Prüfer Punkte vergeben. Die monierten Fehler sind auch nicht von der Art und dem Gewicht, dass eine entscheidend höhere Punktebewertung in Reichweite wäre - selbst wenn der Senat einen Bewertungsfehler feststellen könnte: Die Klägerin hat 44,5 bzw. 42 Punkte bekommen und die Note 4,5. Die Note 4,0 beginnt erst bei 50 Punkten. Im Übrigen haben die Prüfer im Überdenkensverfahren der Auseinandersetzung mit den Einwänden der Klägerin zu den einzelnen Punkten eine Gesamtbewertung vorausgeschickt, die erkennen lässt, dass die Prüfer ihr Urteil nicht nur auf die rechnerische Punktebewertung gestützt haben - eine Entwicklung, die der Senat ausdrücklich begrüßt. Eine solche Gesamtbewertung löst sich - in gewissem Umfang, und zu Recht - von der schematisch-mathematischen Auswertung des Punkteergebnisses und trägt damit dem Postulat der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Rechnung, dass das Punkteschema - auch in der Prüfungspraxis - letztlich nicht allein verbindlich für die Note sein soll. Die Prüfer B und G haben sich im Überdenkensverfahren bezüglich der Klausur Buchführung und Bilanzwesen zwar nur mit den einzelnen Einwänden der Klägerin zur Punktevergabe auseinandergesetzt - ohne eine Gesamtbewertung vorzunehmen. Sie haben nachträglich Punkte gewährt, so hat Frau B 5 Punkte zusätzlich gewährt, Herr G 2,5 Punkte. Die Prüfer kommen auf 38 bzw. 34,5 Punkte und bleiben bei der Note 5,0. Die 4,5 beginnt erst bei 40 Punkten. Der Senat kann keine Bewertungsfehler erkennen, die eine Verbesserung der Note möglich erscheinen ließe.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 135 Abs.1, 115 Abs. 2 FGO.
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