08.01.2010
Finanzgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 17.10.2002 – 3 K 313/01
Eine mit Gewinnerzielungsabsicht tätige, aus zwei Zahnärzten bestehende GbR, die ein Dentallabor betreibt, ausschließlich zahnprothetische Produkte für die Einzelpraxen ihrer Gesellschafter herstellt und bei der die Arbeiten fast ausschließlich durch zwei angestellte, nicht über einen Meisterbrief verfügende Zahntechniker erledigt werden, ist gewerblich und nicht freiberuflich tätig.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt – 3. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 17. Oktober 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht Schurwanz, den Richter am Finanzgericht …, den Richter am Finanzgericht …, die ehrenamtliche Richterin …, den ehrenamtlichen Richter …
für Recht erkannt:
Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.
Tatbestand
Die Zahnärzte xxx xxxxxx xxxxx und seine Ehefrau xxxxx xxxxx, die beide eine eigene Zahnarztpraxis führen, gründeten die Klägerin mit Wirkung zum 1. September 1996. Ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag besteht nicht. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist das Betreiben eines Dentallabors. In den Streitjahren beschäftigte die Klägerin zwei Zahntechniker, von denen keiner die Meisterprüfung abgelegt hat Einzige Auftraggeber der Klägerin waren ihre Gesellschafter xxx xxxxxx xxx xxxxx xxxxx. Die Gesellschafter xxx xxxxxx xxx xxxxx xxxxx beschrieben die benötigten zahntechnischen Erzeugnisse mündlich und übergaben die jeweiligen Zahnabdrücke als Vorlage.
Die angestellten Zahntechniker der Klägerin fertigten oder verbesserten die zahntechnischen Erzeugnisse. Die Gesellschafter der Klägerin wiesen die Mitarbeiter der Klägerin zu den einzelnen Arbeiten ein und überprüften kontinuierlich den Arbeitsfortschritt sowie die Arbeitsergebnisse. Nur gelegentlich arbeiteten die Gesellschafter der Klägerin bei der Fertigung oder Verbesserung der zahntechnischen Erzeugnisse mit.
Ihre erbrachten Leistungen stellte die Klägerin jeweils dem Gesellschafter in Rechnung, an den sie erfolgte.
Die Klägerin erzielte folgende Gewinne:
1996: | 11.137,– DM |
1997: | 149.873,– DM |
1998: | 71.676,– DM. |
Der Beklagte führte im Jahr 2000 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch und gelangte zu der Auffassung, dass sie keine Einkünfte aus selbständiger Arbeit, sondern Einkünfte aus Gewerbebetrieb erziele. Er erließ daraufhin jeweils unter Datum vom 20. September 2000 Bescheide über die einheitlichen Gewerbesteuermessbeträge für die Jahre 1997 und 1998.
Die Klägerin legte gegen die (erstmalige) Festsetzung der Gewerbesteuermessträge für die Jahre 1997 und 1998 am 5. Oktober 2000 Einspruch ein. Sie vertrat die Auffassung, sie stelle lediglich eine „Kostengemeinschaft” zur kostengünstigen Erstellung labortechnischer Arbeiten für die Zahnarztpraxen ihrer Gesellschafter unter Zuhilfenahme angestellter Fachkräfte dar. Ihr Zusammenschluss sei entsprechend der Zusammenschlüssen von Freiberuflern in Apparategemeinschaften erfolgt. Angesichts der vorgegebenen begrenzten Abrechnungsmöglichkeiten eines Zahnarztes für labortechnische Arbeiten werde eine Gewinnerzielungsabsicht als nicht gegeben angesehen. Bei ihr handele es sich um einen unselbständigen Teilbereich der Zahnarztpraxen, so dass ihre Einkünfte als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit zu qualifizieren seien. Das fertige Werk sei ihren Gesellschaftern zuzurechnen, da sie bzw. ihre Mitarbeiter keine Eingliederung der Laborarbeiten am Patienten vornehme.
Mit Bescheid vom 26. Juli 2001 wies der Beklagte den Einspruch zurück und führte aus, die selbständige Berufstätigkeit eines Dentisten gehöre grundsätzlich zu den freiberuflichen Tätigkeiten. Angehörige freier Berufe seien auch dann freiberuflich tätig, wenn sie sich der Mitarbeit fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedienten. Voraussetzung sei jedoch, dass die Angehörigen freier Berufe aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig würden. Zwar sei die leitende Tätigkeit der Gesellschafter der Klägerin, nicht jedoch deren eigenverantwortliche Tätigkeit zu bejahen. Da die Gesellschafter der Klägerin in ihren eigenen Zahnarztpraxen regelmäßig selbständig tätig seien, müsse eine Mitarbeit an zahntechnischen Arbeiten in größerem Umfang schon aus Zeitmangel verneint werden. Die zahntechnischen Arbeiten trügen nicht den Stempel der Persönlichkeit der Gesellschafter. Wegen der Einzelheiten wird auf den Einspruchsbescheid verwiesen.
Mit der hiergegen am 22. August 2001 erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, der Beklagte stelle zu Unrecht isoliert auf die technische Herstellung der einzelnen Zahnprodukte ab. Er verkenne, dass die von ihr erbrachten Leistungen ausschließlich Hilfsfunktionen für die von den Gesellschaftern in ihrer Eigenschaft als Zahnärzte gegenüber den Patienten erbrachten Leistungen hätten. Ihren Gesellschaftern wäre es ebenso möglich, diejenigen zahnprotetischen Produkte, die für die Behandlung der Patienten notwendig sind, in einem jeweils eigenen Praxislabor herstellen zu lassen. In diesem Falle hätte der Beklagte keinen Anlass, an der insgesamt freiberuflichen Betätigung der Zahnärzte zu zweifeln. Umgekehrt könne keine abweichende Beurteilung stattfinden, wenn die Labortätigkeit auf eine eigene Gesellschaft ausgegliedert werde. In tatsächlicher Hinsicht sei jedes von ihr in Auftrag genommene Werk den beteiligten Gesellschaftern in ihrer Eigenschaft als Ärzte zuzurechnen. Der Herstellung des zahntechnischen Produktes gehe die Diagnose der notwendigen medizinischen Behandlung voraus, an die sich die Wahl eines bestimmten Zahnersatzproduktes anschließe.
Der Klägerinvertreter beantragt,
die Gewerbesteuermessbetragsbescheide 1997 und 1998 vom 20.09.2000 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 26.07.2001 aufzuheben und im Falle des Unterliegens Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Beklagte hat die von der Klägerin erzielten Einkünfte zu Recht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb qualifiziert und dementsprechend Gewerbesteuermessbetragsbescheide erlassen.
Ein der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ist gemäß § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige eine selbständige nachhaltige Betätigung ausübt, die mit Gewinnerzeilungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und wenn ferner die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufes im Sinne des EStG anzusehen ist. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG sind die selbständigen Berufstätigkeiten eines Zahnarztes, eines Dentisten oder eines Angehörigen eines ähnlichen Berufes eine freiberufliche und damit keine gewerbliche Tätigkeit. Dies gilt gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG auch dann, wenn sich vorgenannte Personen bei Ausübung ihres Berufs der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient; Voraussetzung ist jedoch in diesem Fall, dass der Arzt aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Wegen der besonderen persönlichen Eigenschaften, die die Ausübung eines freien Berufs i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfordert, kann die Tätigkeit einer Personengesellschaft nur dann als „freiberuflich” anerkannt werden, wenn alle Gesellschafter der Personengesellschaft die Voraussetzungen einer freiberuflichen Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllen (BFH-Urteil vom 9. Oktober 1986 IV R 235/84, BStBl. II 1987, 124).
Die Klägerin wurde nicht in Ausübung eines freien Berufes tätig.
Ob die Gesellschafter der Klägerin im Hinblick auf ihre angestellten Zahntechniker nicht nur leitend, sondern auch eigenverantwortlich tätig geworden ist, kann der Senat letztlich mangels Entscheidungsrelevanz dahinstehen lassen. Denn diese führen im Rahmen ihrer Tätigkeit als Gesellschafter der Klägerin weder Tätigkeiten eines Zahnarztes noch – wie der Beklagte meint – Tätigkeiten eines Dentisten aus. Zahnarzt ist die Berufsbezeichnung für Personen, die ein Studium der Zahnheilkunde absolviert haben und aufgrund der Approbation zur berufsmäßigen Ausübung der Zahnheilkunde berechtigt sind (Brockhaus, Enzyklopädie, Bd. XXIV, 19. Aufl.). Dentist ist die bis zum Jahr 1952 gültige Bezeichnung für Zahnbehandler, die nicht als Zahnarzt approbiert waren (Brockhaus, Enzyklopädie, Bd. V, 19. Aufl.). Ein Dentist wendet die Zahnheilkunde in engeren Grenzen als der Zahnarzt an. Er enthält sich z.B. der Behandlung von Mund- und Kieferkrankheiten. Er übt aber die Zahnheilkunde in ihren wesentlichen Erscheinungsformen aus. Dazu gehört neben der Eingliederung von Zahnersatz einschließlich des Einsetzens von Stiftzähnen und Brücken, die Vornahme von Füllungen, Extraktionen und Wurzelbehandlungen (BFH-Urteil vom 19. Oktober 1965, I 415/62 U, BStBl. III 1965, 692).
Bei der Tätigkeit der Gesellschafter der Klägerin ist – da sie diese Trennung durch die Gründung der Klägerin selbst herbeigeführt haben – zu unterscheiden, ob sie als Zahnarzt auf dem Gebiet der Zahnheilkunde oder als Gesellschafter der Klägerin auf dem Gebiet der Herstellung zahnprotetischer Produkte tätig wurden. Zwar schließt eine zahnärztliche Heilbehandlung die Herstellung zahnprotetischer Produkte ein. Wenn sich ein Zahnarzt im Rahmen des Betreibens seiner Zahnarztpraxis der Zuarbeit eines Zahntechnikers bedient, so stellt dies eine der freiberuflichen Tätigkeit nicht entgegenstehende Mithilfe dar. Jedoch lässt sich daraus nicht der Schluss ziehen, eine Person, die ausschließlich auf dem Gebiet der Zahntechnik tätig wird, werde zugleich als Zahnarzt, Dentist oder im Rahmen eines ähnlichen Berufes freiberuflich tätig. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Tätigkeit ihrer Gesellschafter im Rahmen ihrer Gesellschaft nicht im Zusammenhang mit ihrer freiberuflichen Tätigkeit als Zahnarzt gesehen werden. Denn durch die Gründung der Klägerin haben ihre Gesellschafter ein selbständiges (Gewerbesteuer-)subjekt geschaffen. Die Tätigkeiten der Gesellschafter der Klägerin muss daher im Rahmen des Steuersubjektes isoliert betrachtet werden. Im Rahmen des Betriebs der Klägerin werden ihre Gesellschafter nur auf dem Gebiet der Zahntechnik tätig. Sie werden damit nicht als Zahnarzt oder Dentist tätig.
Die Gesellschafter der Klägerin werden im Rahmen des Betriebes der Klägerin auch nicht in einem dem Zahnarzt oder Dentisten ähnlichen Berufe, § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG, tätig.
Nach § 18 Abs.1 Nr.1 Satz 2 EStG zählen zu den freiberuflichen Tätigkeiten auch die den sog. Katalogberufen ähnlichen Berufe. Ein Beruf ist einem Katalogberuf ähnlich, wenn er in wesentlichen Punkten mit diesem verglichen werden kann. Dazu gehört die Vergleichbarkeit der Ausbildung und die Vergleichbarkeit der beruflichen Tätigkeit (BFH-Urteil vom 21. März 1996, XI R 82/94, BStBl. II 1996, 518).
Ein Zahntechniker beschränkt sich im Wesentlichen auf die Herstellung von Zahn- und Kieferersatzteilen im Auftrag von Heilkundigen (vgl. BFH-Urteil vom 19. Oktober 1965, I 415/62 U, BStBl. III 1965, 692). Er erbringt damit im Gegensatz zu einem Zahnarzt oder einem Dentisten keine persönliche Dienstleistung am Kranken. Die berufliche Tätigkeit eines Zahntechnikers ist damit nicht mit der eines Zahnarztes oder Dentisten vergleichbar. Die ausschließliche Herstellung zahnprotetischer Produkte stellt keine Heilbehandlung dar.
Die Klägerin wurde auch selbständig tätig. Selbständigkeit heißt, dass der Steuerpflichtige auf eigene Rechnung und Gefahr tätig ist. Mit anderen Worten muss er das Erfolgsrisiko der eigenen Betätigung selbst tragen und Unternehmerinitiative entfalten können (BFH-Urteil vom 27. September 1988 VIII R 193/83, BStBl. II 1989, 414). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Die Klägerin erbrachte gegenüber ihren Gesellschaftern Leistungen „auf eigene Rechnung”.
Auch ist die Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin zu bejahen. Die Tätigkeit der Klägerin war auf die Mehrung des Betriebsvermögens gerichtet, denn letztlich wurde sie, wie im außergerichtlichen Verfahren dargelegt, aus „abrechnungstechnischen” Zwecken gegründet. Ob darüber hinaus – in Anlehnung an die Einkommensteuer – auch noch erforderlich ist, dass die Gesellschafter der Klägerin ebenfalls Gewinnerzielungsabsicht haben (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 23. April 1999, IV B 149/98, BFH/NV 1999, 1336), kann mangels Entscheidungsrelevanz dahinstehen. Denn auch die Gesellschafter der Klägerin handelten in der Absicht, einen Gewinn zu erzielen. Anders als bei den Laborgemeinschaften im eigentlichen Sinne (vgl. hierzu H136 Einkommensteuerrichtlinien 2001, Stichwort Heilberufe, Spiegelstrich 2) – auf welche sich die Klägerin beruft –, soll die Klägerin ihre Leistungen nicht nur kostendeckend an ihre Gesellschafter erbringen. Dies ergibt sich daraus, dass die Gewinnerzielung nicht vertraglich ausgeschlossen wurde und Gewinne auch in erheblichen Umfang erzielt wurden.
Eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr liegt vor, wenn eine Tätigkeit am Markt und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird. Dafür ist nicht zwingend erforderlich, dass die Tätigkeit oder auch nur das Angebot derselben gegenüber einer Mehrzahl von (potentiellen) Abnehmern erfolgt. Denn die Funktion des Merkmals „Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr” liegt im Wesentlichen darin, diejenigen Tätigkeiten aus dem Bereich der Gewerblichkeit auszugrenzen, die nicht auf einen Leistungs- oder Güteraustausch gerichtet sind. Entscheidend ist deshalb, ob die Tätigkeit ihrer Art und ihrem Umfang nach dem Bild einer unternehmerischen Marktteilnahme entspricht. Ist das der Fall, so ist es unschädlich, dass Geschäftsbeziehungen nur zu einem einzigen Vertragspartner bestehen. Das gilt auch dann, wenn der Unternehmer deshalb nicht für weitere Auftraggeber tätig wird, weil der Vertrag mit seinem Geschäftspartner ihm dies verbietet (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999, I R 16/99, BStBl. II, 2000, 404 m.w.N. aus d. Rspr.).
Die von der Klägerin an ihre Gesellschafter erbrachten Leistungen sind – wie sich bereits aus der Rechnungslegung ergibt – auf einen Leistungsaustausch gerichtet. Dass die Klägerin keine Leistungen an gesellschaftsfremde Personen ausführt, steht ihrer Beteilung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht entgegen.
Mithin betrieb die Klägerin in den Streitjahren einen Gewerbebetrieb.
Mangels Vorliegens eines Revisionszulassungsgrund wurde die Revision nicht zugelassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).