08.01.2010
Finanzgericht Köln: Urteil vom 06.09.1999 – 11 K 1387/99
1) Kann der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen, steht dem FA gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO eine Schätzbefugnis zu.
2) Eine solche besteht dann, wenn ein Landwirt mit Gemüsebaubetrieb zwecks Einbeziehung der Gewinne aus Sonderkulturen in den Durchschnittssteuersatz entgegen § 13a Abs. 8 EStG (bis Wj 1998/99) weder Aufzeichnungen führt noch Belege aufbewahrt.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist Landwirt. Er bewirtschaftet seit 1976 einen Gemüsebaubetrieb in … Er war zunächst Pächter des Hofes, der seinem Vater und nach dessen Tod im Jahr 1981 seiner Mutter gehörte. Nach dem Tode der Mutter im Jahr 1987 bewirtschaftete er den Hof als Eigentümer. Er vermarktet das Gemüse zum Teil auf einem Wochenmarkt bei geringem Zukauf.
Der Kläger ermittelte seinen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft in den Streitjahren nach Durchschnittssätzen. In den Einkommensteuererklärungen gab er den Umfang seines Betriebes mit 8 ha landwirtschaftlicher Nutzung und 1 ha Gemüseanbau an. Die Einkünfte wurden in allen Streitjahren zunächst i.H.v. …,– DM nach den Angaben der von dem Kläger abgegebenen Anlagen L zu den Einkommensteuererklärungen berücksichtigt. Die Steuerbescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Aus der Bewertungsakte für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft EW-Nr.… ergibt sich folgendes:
In der Erklärung zur Feststellung des Einheitswertes auf den 01.01.1974 vom 12.08.1974 ist eine Gemüseanbaufläche von 3 ha und eine Nutzungsfläche unter Glas von 250 qm ausgewiesen. Im Bescheid vom 31.10.1975 wurde unter Übernahme dieser Werte ein Vergleichswert für Gemüseanbau von 24.545 DM angesetzt.
Mit Schreiben vom 29.12.1976 wurde eine Wertfortschreibung beantragt. Hierzu wurde eine Aufstellung über den Umfang des Gemüseanbaus zum 1.7.1974, 1.7.1975 und 1.7.1976 vorgelegt. Danach wurden je 0,25 ha Zwiebeln, Porree, Möhren, Bohnen, Sellerie, Blumenkohl, Rosenkohl, Weißkohl, Rotkohl, Grünkohl, Wirsing, ferner je 0,125 ha Kohlrabi und Salat sowie – beschränkt auf den Zeitpunkt 01.01.1976 – 0,25 ha Frühkartoffeln und 0,50 ha Spätkartoffeln, angebaut. Am 26.05.1978 wurde in Anwesenheit des Kläger eine Ortsbesichtigung durch den amtlichen landwirtschaftlichen Sachverständigen (ALS) des Finanzamtes durchgeführt, die in einer gutachtlichen Äußerung vom 07.08.1978 ihren Niederschlag fand. Als Ergebnis wurde festgehalten, daß der Betrieb immer eine Gemüseanbaufläche von 3 ha haben werde und ein ertragsteuerlicher Ansatz von 2 – 3 ha angemessen sei. Im Bescheid auf den 1.1.1978 vom 31.10.1978, in dem letztlich eine Wertfortschreibung abgelehnt wurde, blieben die Flächen für den „Gemüse-, Blumen- und Zierpflanzenanbau” mit 3 ha berücksichtigt.
Zum 01.01.1982 erfolgte eine Zurechnungsfortschreibung des Betriebes auf die Mutter des Klägers, zum 01.01.1988 auf den Kläger.
Im Dezember 1988 und März 1989 wurde der Kläger zur Abgabe einer Erklärung zur Feststellung des Einheitswertes auf den 01.01.1988 aufgefordert. Nachdem keine Erklärung eingegangen war, schaltete der Beklagte den ALS ein. Dieser nahm lt. Aktenvermerk vom 13.07.1989 am 11.07.1989 einen Ortstermin vor, bei dem er die erforderlichen Angaben einholte. Hierbei stellte er fest, daß von einer insgesamt bewirtschafteten Fläche von 6,775 ha 2 ha gärtnerisch (Gemüsebau) genutzt würden. Der Absatz erfolge auf dem Wochenmarkt bei sehr geringem Zukauf. Zur Prüfung, ob eine Wertfortschreibung auf den 01.01.1988 in Betracht komme, wurden bei einer Neuberechnung 2 ha Gemüseanbau berücksichtigt. Dies führte zu einer Herabsetzung des Vergleichswerts für Gemüsebau auf 18.577,– DM. Eine Wertfortschreibung unterblieb, weil die Wertfortschreibungsgrenzen nicht erreicht waren. Dies wurde dem Kläger durch Bescheid vom 10.10.1989 mitgeteilt.
Im Einkommensteuerbescheid 1976 setzte das Finanzamt einen Zuschlag nach § 13 a Abs. 6 a. F. EStG in Höhe von 15.000 DM an. Der Kläger trug im damaligen Einspruchsverfahren mit Schreiben vom 19.02.1978 u.a. vor, der Anteil der gärtnerischen Nutzung sei vom …, der die Steuererklärung erstellt habe, wahrscheinlich auf Grund eines Übermittlungsfehlers mit 3 ha zu hoch erklärt worden, er betrage nur 1 ha; 2,25 ha würde mit Gemüse der Intensitätsstufe I, 2 ha mit Kartoffeln und 1 ha mit Getreide in Fruchtwechselfolge angebaut. Dem Gutachten vom 07.08.1978 hielt er entgegen, es sei keine Besichtigung der Anbauflächen voraufgegangen. Die Klage des Klägers gegen den Einkommensteuerbescheid 1976 hatte – aus formellen Gründen – Erfolg.
Während einer im Dezember 1996 durchgeführten Betriebsprüfung (Bp) für die Jahre 1989 – 1991 wurden weder Gewinnermittlungen noch Aufzeichnungen zur gärtnerischen Nutzung vorgelegt. Die Vorlage sonstiger Unterlagen erfolgte mit dem Hinweis auf mangelnde Aufbewahrungspflicht ebenfalls nicht. Den Gewinn aus der Sondernutzung schätzte der Betriebsprüfer unter Berücksichtigung der von der Finanzverwaltung (Oberfinanzdirektion Köln) aufgestellten Richtsätze. Diese sehen für den Gemüseanbau (überwiegend Freilandgemüseanbau) Einnahmen zwischen 40.000,– DM und 80.000,– DM je ha vor; der Reingewinn beträgt laut den Richtsätzen 30 – 65 % der Einnahmen. Die Bp setzte die Einnahmen aus der gärtnerischen Nutzung (Gemüseanbau), ausgehend von einer Anbaufläche von 2 ha mit 40.000,– DM je ha, insgesamt 80.000,– DM, und den Gewinn mit 60 v.H. = 48.000,– DM an. Der Gewinn nach § 13 a EStG wurde entsprechend neu berechnet (Anlage 1 des Bp-Berichts vom 3.2.1997). Danach ergab sich für die Wirtschaftsjahre ab 1989/90 ein Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft i.H.v. 58.593,– DM.
Entsprechend den Feststellungen der Bp wurden die Einkommensteuerbescheide zunächst für die Jahre der Bp (1989 – 1991) geändert. Zum 31.12.1990 entfiel die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer, weil wegen der Gewinnerhöhung für 1990 kein verbleibender Verlustabzug mehr vorhanden war.
Der Beklagte ging davon aus, daß sich die Verhältnisse in den Folgejahren nicht verändert hätten. Deshalb berechnete er den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft für die Wirtschaftsjahre 1991/1992 bis 1995/1996 ebenfalls auf jeweils 58.593,– DM. Die Einkommensteuerfestsetzungen wurden entsprechend geändert. Im Einkommensteuerbescheid 1994 wurde allerdings zu dem auf das laufende Jahr entfallenden Anteil am Gewinn in Höhe von 29.296,– DM der ursprüngliche Anteil am Gewinn aus dem vorangegangenen Wirtschaftsjahr in Höhe von 5.838,– DM statt des neu ermittelten in Höhe von 29.296,– DM hinzuaddiert. Der Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 1994 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Der Kläger wurde außerdem mit Verfügung vom 09.06.1997 aufgefordert, für seinen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft ab 01.07.1998 Bücher zu führen, weil der Gewinn 1995/1996 – mit 69.843 DM – mehr als 48.000,– DM betragen habe.
Gegen die Einkommensteuerbescheide 1989, 1994 und 1995 sowie die Aufforderung zur Buchführung reichten die Kläger am 23.12.1997 unter Az. 11 K 10010/97 eine Untätigkeitsklage, zur Einkommensteuer 1994 zusätzlich eine Sprungklage ein. Mit Schriftsatz vom 12.01.1998 bezogen sie im Wege der Klageänderung gemäß § 67 FGO, hilfsweise Sprungklage, die Einkommensteuer 1990 – 1993 sowie die Verlustfeststellung 1991 und 1992 in das Verfahren ein. Der Beklagte stimmte der Sprungklage nicht zu, sondern behandelte sie als Einsprüche.
Die Einsprüche der Kläger gegen die Schätzungsbescheide sowie gegen die Aufforderung zur Buchführung wurden durch Einspruchsentscheidung vom 16.09.1998 als unbegründet zurückgewiesen. Der Einkommensteuerbescheid 1994 wurde hierbei zu Ungunsten der Kläger abgeändert. Im Verfahren 11 K 10010/97 stellten die Kläger nach Ergehen der Einspruchsentscheidung mit Schriftsatz vom 19.10.1998 den Antrag auf Klageänderung hinsichtlich der Einkommensteuer 1989 bis 1992 und der Verlustfeststellung 1990 und erhoben gleichzeitig insoweit hilfsweise Klage; hinsichtlich der Einkommensteuer 1994 und 1995 sowie der Aufforderung zur Buchführung erklärten sie die Einspruchsentscheidung zum Gegenstand des Verfahrens. Der Beklagte hat der Klageänderung nicht zugestimmt.
Die Kläger tragen vor, der Beklagte habe seine Behauptung, es liege eine gärtnerische Nutzung als Gemüsebau vor, weder begründet noch bewiesen oder nachvollziehbar dargelegt. Es liege tatsächlich nur eine gärtnerische Gemüsebaunutzung durchgehend von 1 ha vor. Der Beklagte trage in vollem Umfang die Darlegungs- und Beweislast, daß demgegenüber 2 ha gärtnerisch genutzt worden seien. Der Beklagte könne nicht sagen, welches Gemüse mit der Qualität der gärtnerischen Nutzung angebaut worden sein solle, wo und in welchem Umfang. Was gärtnerische Nutzung sei, sei in den Bewertungsrichtlinien Abschnitt 1.08 und 6.07 beschrieben. Danach gehöre Gemüseanbau nur in den Intensitätsstufen 2 ff zur gärtnerischen Nutzung; in der Intensitätsstufe 1 aber zur landwirtschaftlichen Nutzung. Dieser Bereich sei im Rahmen des § 13a Abs. 8 EStG nicht zu erfassen. Auch der ALS habe in dem „Gutachten” vom 07.08.1978 eine entsprechende Differenzierung nicht vorgenommen. Er habe 3 ha Gemüsebau festgestellt, „… ohne die Unterscheidung von Feingemüse und Grobgemüse, Kopfkohl, Pflückerbsen, Pflückbohnen”. Auch der Beklagte habe in seinem Schreiben vom 12.04.1979 bestätigt, daß eine Unterscheidung von ihm gar nicht getroffen worden sei; er betrachte alles Gemüse als „produktive Gemüsebaufläche” ohne Unterscheidung von Fein- und Grobgemüse usw. Vergleiche man den vermeintlichen ca.–Wert des Sachverständigen mit seinen eigenen, des Klägers, Angaben, so sagten beide das Gleiche. Beide gingen von etwa 3 ha Gemüsebau aus. Nur differenziere er, der Kläger, nach Gemüsebau der Intensitätsstufe 1, also landwirtschaftlicher Nutzung und nach gärtnerischer Nutzung. Die landwirtschaftliche Nutzung betrage 2,25 ha, die gärtnerische Nutzung 1 ha.
Eine örtliche Besichtigung des ALS am 11.07.1989 habe nach seiner Kenntnis nie stattgefunden. Nicht jeder Gemüseanbau sei gärtnerische Nutzung. Der regional weit verbreitete Anbau von Kohlgemüse sei nach den Bewertungsrichtlinien landwirtschaftliche Nutzung. Gemüseanbau sei nur dann der gärtnerischen Nutzung zuzuordnen, wenn er unter Glas erfolge oder als Freilandgemüse außerhalb der Intensitätsstufe 1 angebaut werde. Einen Gemüseanbau als gärtnerische Nutzung zu qualifizieren, müsse demnach die Darlegung beinhalten, um welche Art von Gemüseanbau es sich handele, etwa der Intensitätsstufe 2, 3 oder 4. Bei der Intensitätsstufe 2 müsse zumindest angegeben sein, um welche Gemüsearten es sich dabei gehandelt haben solle, da ja alle Kohlgemüse wie auch Bohnen und Erbsen als freier Flächenanbau in jedem Fall der landwirtschaftlichen Nutzung zuzurechnen seien. Der Prüfer oder ein ALS, der gärtnerische Nutzung behaupten wolle, müsse zumindest sagen können, welche der gärtnerischen Nutzung zuzurechnenden Gemüsesorten er festgestellt habe und in welchem flächenmäßigen Umfang. Dazu sage aber niemand etwas. Dazu schweige auch der Betriebsprüfungsbericht. Der Prüfer habe solche Feststellungen nicht getroffen. Der Prozeßbevollmächtigte sei anwesend gewesen und habe selbst zusammen mit dem Sohn der Kläger dem Prüfer Zugang zu allen Räumen verschafft. Er habe auch festgestellt, daß Bevorratungsmöglichkeiten (Kühlanlagen etc.) für sog. Feingemüse, so es denn angebaut werde, nicht gegeben seien. Er habe sich durch ausdrückliches Nachfragen und Besichtigung der in Frage kommenden Räume überzeugt. Gewollt gewesen sei in jedem Fall die Einstufung in die Buchführungspflicht. Ohne gärtnerischen Gemüseanbau sei weder die Berechtigung zur Zuschätzung noch die Verpflichtung zur Gewinnermittlung gegeben. In den Bewertungsrichtlinien L Nr. 1.08 und 6.07 sei geregelt, daß Kopfkohl … Pflückerbsen und Pflückbohnen zur landwirtschaftlichen Nutzung gehörten, wenn sie nach landwirtschaftlicher Anbaumethode im Rahmen der landwirtschaftlichen Fruchtfolge als Kultur angebaut würden.
Er – der Kläger – habe am 01.07.1978 zusammen mit seinem Hofnachbarn als sachverständigem Landwirt eine Momentaufnahme der Anbauverhältnisse gemacht und dies dokumentiert. Nach dieser Aufzeichnung, die er in Kopie vorlege, seien 8.804 qm gärtnerisch genutzt worden. Auf die Aufstellung wird Bezug genommen (Bl 83 in 11 K 10010/97). Sie weist ca. 19.000 qm brachliegende Fläche aus, die der landwirtschaftlichen Nutzung zugeordnet wurde.
Der Bp-Bericht vom 03.02.1997 sage über die Kernfrage, ob nämlich in der Größe von 2 ha Gemüsebau in gärtnerischer Nutzung vorgelegen habe, nichts aus. Die Prüfungsfeststellungen hätten am 10.12.1996 stattgefunden, an einem Tag also, an dem auf dem Hof keine Feststellungen hinsichtlich der Nutzung hätten getroffen werden können. Der Prüfer beziehe sich auf eine örtliche Besichtigung des ALS am 11.07.1989, bei der 2 ha gärtnerische Gemüsebaunutzung festgestellt worden sei. Dessen Bericht sei nichts weiter als ein Schmierzettel mit nichtssagenden Angaben, dem nicht einmal der Verfasser zu entnehmen sei. Auch werde nicht ausgeführt, welches Gemüse und wann und wie festgestellt worden sei. Selbst wenn der ALS tatsächlich auf dem Hof gewesen sei, so könne er eine solche Feststellung nicht getroffen haben. Denn zu dieser Zeit sei es wiederum regional klimatisch bedingt, unmöglich, derartige Feststellungen zu treffen. Es sei die Haupterntezeit in der sich alles im Umbruch befinde, Großteile der Felder abgeerntet oder vorbereitet seien zum Aussähen und zum Anbau von Zwischenfrüchten zur Bodenregeneration und/oder Spätkartoffeln oder Wintergemüse. Die gutachterliche Äußerung vom 07.08.1978 sei in verschiedenen Schriftsätzen dargelegt worden. Sie hätten den Beklagte veranlaßt, zunächst nicht von 2 ha Gemüsebau auszugehen, sondern von 1,5 ha. Wenn diese Äußerung auch nicht einmal dazu habe führen können, den angefochtenen Steuerbescheid für 1976 zu begründen, könne sie jetzt die Veranlagung 1990 bis 1995 nicht stützen. Zu der nicht für die Kläger und deren Betrieb abgegebenen Aufstellung vom 29.12.1976 sei festzustellen, daß darauf handschriftlich ein Anbau von 2 ha Feingemüse vermerkt sei. Dieser Vermerk sei schon aus den Zahlen heraus nicht richtig. In die Nutzung von 2 ha seien Bohnen eingerechnet worden, die als Pflückbohnen der Intensitätsstufe 1 angehörten. Darüber hinaus seien in dieser Stufe auch die angegebenen Flächen Blumenkohl, Rosenkohl zuzurechnen, die ebenfalls als Kopfkohlgemüse einzuordnen seien. Es handele sich bei dieser Aufstellung offenbar um ein Formblatt des Rheinischen Landwirtschaftsverbandes nach den damaligen bürotechnischen Möglichkeiten, das dann je nach Bedarf im einzelnen Betrieb angewandt worden sei. Darüber hinaus falle auf, daß zum 01.07.1974, 1975 und 1976 immer die gleichen Anbausorten im gleichen Flächenverhältnis vorgelegen hätten. Dies widerspreche Naturgesetzen. Spätestens in der dritten Fruchtperiode wäre dann infolge der dann auftretenden sog. Kohlhernie nichts gewachsen. Wer sich mit dem Freilandanbau in der Landwirtschaft beschäftige, stoße immer auf den Begriff der Dreifelderwirtschaft und, wie auch in den Richtlinien angegeben, der landwirtschaftlichen Fruchtfolge. Dies seien Anbaumethoden, die zur Bodenregeneration und Erhaltung zwingend notwendig seien. Auch die aufgeführten glatten Zahlen könnten so nicht stimmen. Im übrigen hätte man angesichts der personalintensiven Anbaumethoden mehr als 1 ha Feingemüse arbeitsmäßig nicht bewältigen können.
Der von der OFD vorgegebene Umsatzrahmen liege zwischen 15.000 und 85.000,– DM. Er sei vom Beklagten um den unteren Bereich einfach gekürzt worden. Ebenfalls werde unterdrückt, daß die Bp des Jahres 1996 klar ergeben habe, daß auch hier die unterste Gewinnmarge im Rahmen einer Schätzung zu unterstellen sei, weil alle erforderlichen Möglichkeiten und Einrichtungen fehlten, Feingemüse außerhalb der Haupterntezeit, also der Zeit der Marktübersättigung, an den Mann zu bringen. Daß sich die Ertragslage gerade kleinerer Landwirte in den 80er und 90er Jahren extrem verschlechtert hätte, gerade infolge der fortschreitenden Öffnung des EG-Marktes und der Überschwemmung des Einzelhandels zu jeder Jahreszeit durch billige Feingemüse aus spanischem, portugiesischem oder niederländischem Freiland und Unterglasanbau, sei allgemein bekannt. Selbst wenn man von 2 ha gärtnerischer Anbaufläche ausgehe, so sei die Gewinnschätzung i.H.v. 50% in keinem Fall zu begründen oder auch nur haltbar. Die Gärtnereien in der Regionalgruppe West wiesen für die Jahre 1989 bis 1992 Reingewinne zwischen 5 und 28% aus, im Mittel 13%. Von diesem Mittel, daß die Finanzbehörden selbst erarbeitet und als Richtschnur herausgegeben hätten, schätze der Beklagte das 3,85fache für ihren Betrieb. Tatsächlich sei die Ertragskraft der Gärtnereien höher als die des landwirtschaftlichen Betriebes bei gleicher Nutzung.
Die Kläger heben im Anschluß an den Senatsbeschluß vom 05.02.1999 – 11 V 7544/97, 11 V 4212/98 – wegen Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide hervor, daß bei fehlenden Aufzeichnungen im Streitfall die Schätzung nicht „grenzenlos” sein könne. Bei unterstellter Verpflichtung einer Gewinnermittlung nach § 13a Abs. 8 Nr. 1 EStG sei eine Schätzung zwar zwingend, da im Streitfall nach Betriebsart und – größe unter Berücksichtigung der tatsächlichen Anbau- und Absatzverhältnisse die erforderliche Gewinnermittlung nicht möglich sei; Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben ließen sich für eine Sondernutzung nicht abgrenzen. Der Richtliniengeber (Hinweis auf EStG-Kartei unter 2.2.4.3 im 3. Abs.) habe aber mit der Regelung
„…sofern im Einzelfall eine auf die betrieblichen Verhältnisse abgestimmte Schätzungsmethode nicht vorzuziehen ist oder Buchführungsergebnisse vergleichbarer Betriebe oder Erfahrungssätze nicht zur Verfügung stehen, kann der Gewinn wie folgt geschätzt werden:”
eine bestimmte Reihenfolge bei der Schätzung vorgegeben, die der Beklagte hätte einhalten müssen. Demgemäß wäre das Schätzungsergebnis über das untere Viertel des vom Richtliniengeber vorgegebenen Rahmens nicht hinausgekommen. Die Betriebsprüfung sei unter Verletzung von Amtspflichten und mit Ermittlungsmängeln durchgeführt worden. Eine ordnungsgemäße Prüfung hätte demgegenüber ergeben, daß gärtnerischer Gemüsebau allenfalls „im vergleichenden Rahmen der Fruchtperioden von 1 ha” vorgelegen habe und daß mit Rücksicht auf die betriebsinternen Umstände „wegen der untergeordneten flächenmäßigen Bedeutung” die Sondernutzung allenfalls zu einer Schätzung in Anlehnung an die Durchschnittssätze des § 13a EStG geführt hätte. Im übrigen sei hinsichtlich der gärtnerischen Nutzung unberücksichtigt geblieben, daß dafür nur begrenzte Möglichkeiten bestanden hätten, da es an einer ausreichenden Bewässerung, an Anbau unter Glas und an Aufbewahrungsmöglichkeiten gefehlt habe. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Schriftsatz der Kläger vom 07.06.1999 Bezug genommen.
Die Kläger beantragen,
die angefochtenen Änderungsbescheide aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verbleibt bei seiner Auffassung. Sollte entgegen der bisherigen Feststellungen landwirtschaftlicher Gemüseanbau vorliegen, so bitte er, dies durch geeignete Unterlagen nachzuweisen. Der Anbau anderer landwirtschaftlicher Kulturen könne durch Getreideabrechnungen der Produktenhändler oder durch Zuckerrübenabrechnungen dargelegt werden.
Die Einkommensteuerbescheide 1990 – 1995 sowie der Verlustfeststellungsbescheid zur Einkommensteuer auf den 31.12.1990 seien zu Recht geändert worden.
Der Gewinn nach § 13a EStG ermittele sich u.a. nach dem Grundbetrag zuzüglich des nach § 13a Abs. 8 EStG gesondert zu ermittelnden Gewinns (vgl. § 13a Abs. 3 EStG). Um den Grundbetrag zu erhalten, sei ein Ausgangswert zu ermitteln. Ausgangswert sei der im maßgebenden Einheitswert des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft ausgewiesene Vergleichswert der landwirtschaftlichen Nutzung zuzüglich des im Einheitswert enthaltenen Vergleichswerts der gärtnerischen Nutzung, wenn der für diese letztere Nutzung nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes ermittelte Wert insgesamt 2.000,– DM nicht übersteige. Maßgebend sei grundsätzlich der Einheitswert, der auf den letzten Feststellungszeitpunkt festgestellt worden sei, der vor dem Beginn des Wirtschaftsjahres liege oder mit dem Beginn des Wirtschaftsjahres zusammenfalle, für das der Gewinn zu ermitteln sei. Insoweit sei der Einheitswertbescheid ein Grundlagenbescheid (Hinweis auf Schmidt, EStG § 13a Rz 15). Im maßgebenden Einheitswert auf den 1.1.1988 sei der Gemüsebau mit einem Vergleichswert von 24.545,– DM enthalten. Der niedrigere Vergleichswert im Bescheid vom 10.10.1989 sei nicht zu berücksichtigen, weil er nicht auf dem Abgang von Flächen beruhe.
Da der gärtnerische Nutzungswert mehr als 2.000,– DM betrage, sei die gärtnerische Nutzung vorliegend nicht im Ausgangswert enthalten (§ 13a Abs. 3 Nr. 5 EStG). Der Gewinn aus gärtnerischer Nutzung sei demnach gesondert zu ermitteln. Er könne nach § 4 Abs. 1 oder 3 EStG ermittelt werden (Hinweis auf BFH BStBl II 1988, 774).
Diese gesonderte Gewinnermittlung sei vom Kläger bisher nicht vorgenommen worden. Im Rahmen der Betriebsprüfung seien von ihm auch keine Unterlagen vorgelegt worden, die eine zutreffende Gewinnermittlung seitens des Finanzamts zugelassen hätten. Der Gewinn aus gärtnerischer Nutzung sei demnach zu schätzen, aber nicht nur für den Betriebsprüfungszeitraum, sondern für alle Jahre, in denen der Vergleichswert im Einheitswertbescheid über 2.000,– DM liege und der Kläger keine Gewinnermittlung für den Gemüseanbau eingereicht habe. Dies sei in allen Streitjahren der Fall.
Im Rahmen der Schätzung habe das Finanzamt alle bekannten Umstände zu würdigen. Hierbei müsse auch der Umfang der gärtnerischen Nutzung nach den dem Finanzamt bekannten Merkmalen bestimmt werden, insbesondere weil der Kläger die Versuche, aktuelle Daten über den Umfang der gärtnerischen Nutzung zu ermitteln, vereitelt habe. Denn er habe dem ALS die Ortsbesichtigung verweigert.
Zur gärtnerischen Nutzung gehöre u.a. der Anbau von Gemüse, ausgenommen der Anbau von Weiß-, Rot-, und Wirsingkohl, Pflückerbsen und Pflückbohnen, wenn sie nach landwirtschaftlicher Anbaumethode im Rahmen der landwirtschaftlichen Fruchtfolge als Hauptkultur angebaut würden, denn dann handele es sich um landwirtschaftliche Nutzung (A 1.08 u. 1.11 BewR L).
Bei der Schätzung sei zutreffend eine Anbaufläche von 2 ha zugrundegelegt worden. Dabei habe sich das Finanzamt auf die Erklärungen des Kläger gestützt. Aus dem Schreiben des Rheinischen Landwirtschaftsverbands vom 29.12.1976 ergebe sich eine gärtnerische Nutzfläche von 2 ha, wenn man unterstelle, daß Weiß-, Rot- und Wirsingkohl sowie die Bohnen im Rahmen der landwirtschaftlichen Fruchtfolge als Hauptkultur angebaut würden, also der landwirtschaftlichen Nutzung zuzurechnen seien. Die Nutzungsverhältnisse, die der Kläger in einem persönlichen Gespräch mit dem ALS am 11.7.1989 bestätigt habe, entsprächen dann hinsichtlich der Nutzung von Feingemüse dem Umfang der Nutzung, der sich aus den Angaben seines Vaters aus 1976 ergebe. Der ALS habe hierüber einen Aktenvermerk gefertigt, der bestätige, daß das Gespräch tatsächlich stattgefunden habe. Dieser Aktenvermerk könne nicht dadurch entkräftet werden, daß der Kläger behaupte, er könne sich nicht daran erinnern.
Das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 26.1.1983, Az. VIII 569/79 E sei nicht einschlägig, weil keine Entscheidung in der Sache getroffen worden sei. Gründe für eine spätere Verringerung der gärtnerischen Nutzfläche seien nach Aktenlage nicht erkennbar und würden von den Kläger auch nicht vorgetragen.
Eine andere als die durch die Betriebsprüfung zugrundegelegte Nutzung hätte im übrigen leicht durch eine Ortsbesichtigung des ALS auch für die Vergangenheit glaubhaft gemacht werden können. Evtl. Nachteile, die sich durch insoweit fehlende Feststellungen ergäben, seien durch die Kläger selbst verursacht, und müßten von ihnen in Kauf genommen werden.
Für den Gemüseanbau (Einnahmen überwiegend aus Freilandgemüseanbau) ergäben sich lt. der Oberfinanzdirektion Köln Erfahrungswerte bei den Einnahmen zwischen 40.000,– DM und 80.000,– DM je ha, beim Reingewinn zwischen 30 bis 65 % der Einnahmen. Einnahmen und Gewinn würden wesentlich beeinflußt durch die Art der Vermarktung und den Lohnaufwand. Da auch hierzu im Rahmen der Betriebsprüfung keine Unterlagen vorgelegt worden seien, müsse insgesamt geschätzt werden. Die Schätzung der Bp, die Einnahmen aus der gärtnerischen Nutzung mit 80.000,– DM, das seien 40.000,– DM je ha, und den Gewinn mit 48.000,– DM, das seien 60 % der Einnahmen, anzusetzen, sei nach Aktenlage nicht zu beanstanden.
Die Schätzung des Umsatzes bewege sich am unteren möglichen Rahmen, der Gewinn im oberen Bereich. Damit werde das Ergebnis insgesamt im mittleren Bereich angesiedelt und nicht das auch mögliche Ergebnis, nämlich ein Ansatz an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens, gewählt. Der Kläger habe die Veranlassung zur Schätzung allein zu verantworten. Grundsätzlich könne und solle die im Wesen jeder Schätzung liegende Unsicherheit nicht gegen die Allgemeinheit, sondern gegen die Personen, deren Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden müssen, ausschlagen, indem das Finanzamt im Rahmen des Schätzungsspielraums an der oberen Grenze bleibe.
Da die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für 1990 zutreffend in Höhe von 58.593,– DM angesetzt worden seien, ergebe sich kein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte. Es sei demnach zu Recht keine gesonderte Feststellung des Verlustes auf den 31.12.1990 durchgeführt worden, weil kein verbleibender Verlustabzug mehr bestehe.
Der Einkommensteuerbescheid 1994 sei hinsichtlich der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu ändern gewesen, denn der aus dem vorangegangenen Wirtschaftsjahr 1993/1994 auf das Jahr 1994 entfallende Anteil am Gewinn habe 29.296,– DM betragen, so daß die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sich auf 58.592,– DM beliefen. Die Änderung sei ohne vorhergehende Mitteilung möglich, denn sie habe ohnehin nach § 164 Abs. 2 AO jederzeit auch außerhalb des Einspruchsverfahrens durchgeführt werden können.
Die Aufforderung zur Buchführung sei zu Recht ergangen.
Nach § 141 Abs. 1 Nr. 5 AO seien Land- und Forstwirte, die nach den Feststellungen der Finanzbehörde für den einzelnen Betrieb einen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft von mehr als 48.000,– DM im Kalenderjahr gehabt hätten, auch dann verpflichtet, für diesen Betrieb Bücher zu führen, wenn sich eine Buchführungspflicht nicht aus § 140 AO ergebe. Die Verpflichtung, Bücher zu führen, sei vom Beginn des Wirtschaftsjahres an zu erfüllen, das auf die Bekanntgabe der Mitteilung folge, durch die das Finanzamt auf den Beginn dieser Verpflichtung hingewiesen habe (§ 141 Abs. 2 AO).
Der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft sei für das Kalenderjahr 1995 unter Berücksichtigung der erklärten Einnahmen aus der Vermietung von Grundstücken und Wohnräumen in Höhe von 11.250,– DM auf 64.218,– DM festgesetzt worden. Er habe also mehr als 48.000,– DM betragen. Die Aufforderung zur Buchführung sei am 09.06.1997 abgesandt worden und gelte ab 01.07.1998. Die Verpflichtung sei demnach auch vom Beginn des Wirtschaftsjahres an zu erfüllen, das der Bekanntgabe der Mitteilung folge.
Gründe
II.
Die Klage ist zulässig.
Hinsichtlich der von der Klageänderung erfaßten Einkommensteuerbescheide für 1991 bis 1993 hat zwar der Beklagte nicht zugestimmt, gleichwohl hat aber der Senat eine Klageänderung gemäß § 67 FGO für zweckmäßig gehalten; dies gilt ebenso für die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs. Nach anfänglicher Untätigkeitsklage ist dieser Klagekomplex aufgrund der zu den Bescheiden (vom 07.01.1998) ergangenen Einspruchsentscheidung vom 16.09.1998 in die Zulässigkeit hineingewachsen. Die Klageänderung ist auch deshalb zweckmäßig, weil dem zu entscheidenden Streitkomplex in allen Jahren im wesentlichen der gleiche Sachverhalt zugrundeliegt.
Die Klage ist auch hinsichtlich der Einkommensteuer 1993 zulässig. Zwar ist dieses Jahr im Schriftsatz vom 19.10.1998 nicht aufgeführt. Aus der Tatsache, daß diesem Schreiben die – auch dieses Jahr einbeziehende – Einspruchsentscheidung beigefügt und dieses Streitjahr auch im Schriftsatz vom 12.01.1998 benannt war, ist im Auslegungswege davon auszugehen, daß auch dieses Jahr von der Klageänderung erfaßt sein sollte.
Die Klage ist aber unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig und verletzen die Kläger auch nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO); demgemäß sind die angegriffenen Einkommensteuerbescheide – einschließlich gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31.12.1990 bis 1992 – sowie die darauf gegründete Aufforderung zur Buchführung nicht zu beanstanden.
Der Beklagte war zur Schätzung der Einkünfte aus Sonderkulturen dem Grunde nach berechtigt.
Eine Schätzung setzt voraus, daß die Besteuerungsgrundlagen nicht ermittelt oder nicht berechnet werden können (§ 162 Abs.1 AO). Nach § 162 Abs.2 Satz 2 AO ist u.a. dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann. Das ist hier der Fall. Die Kläger räumen in ihrem Schriftsatz vom 07.06.1999 selbst ein, daß der Gewinn geschätzt werden müsse, weil es nämlich dem Kläger unmöglich sei, die die gärtnerische Nutzung betreffenden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben von denen die landwirtschaftliche Bewirtschaftung betreffenden zu trennen.
Nach § 13a Abs. 8 EStG sind Gewinne aus Sonderkulturen, u.a. gärtnerischer Nutzung, soweit sie insgesamt 3.000 DM übersteigen, in den sog. Durchschnittssatzgewinn einzubeziehen, wenn die hierfür nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes ermittelten Werte 2.000 DM übersteigen. Hierbei ist grundsätzlich § 4 Abs. 3 EStG anzuwenden, soweit der Gewinn nicht wahlweise nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt wird (vgl. BFH-Urteile vom 27.11.1997 IV R 33/97, BStBl 1998 II 145; vom 14.04.1988 IV R 40/86, BStBl II 1988, 774; vom 18.03.1982 IV R 57/79, BStBl II 1982, 549; Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, Teil C Anm. 246; Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 13 a EStG Anm. 12). Selbst wenn man keine besondere Gewinnermittlung verlangen wollte, so bestände zumindest die Pflicht, die Einnahmen und Ausgaben aufzuzeichnen und zu erklären sowie die Belege aufzubewahren und bereitzuhalten, da ansonsten § 13 a Abs. 8 EStG ins Leere laufen würde.
Der für Gemüseanbau in der Einheitsbewertung angesetzte Vergleichswert betrug im insoweit noch maßgeblichen Einheitswertbescheid vom 31.10.1975 24.545 DM. Auch zu späteren Stichtagen war der Wert von 3.000 DM stets eindeutig überschritten. Der Kläger, auf den der Einheitswert fortgeschrieben wurde, war demnach verpflichtet, den Gewinn aus gärtnerischer Nutzung gesondert nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln. Da der Kläger dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist, ist dieser Gewinn zu schätzen (vgl. Schmidt, EStG, § 13 a EStG Rz. 40). Dabei kommt es hier nicht darauf an, ob der Kläger Gemüseanbau auf 1 ha, 2 ha oder mehr betrieben hat. An der grundsätzlichen Schätzungsbefugnis des Beklagte kann daher kein ernstlicher Zweifel bestehen.
Die Schätzung des Beklagten begegnet auch der Höhe nach keinen Bedenken. Der Senat schließt sich ihr an.
Der Kläger kann mit seinem Einwand nicht durchdringen, daß der Beklagte von einer unzutreffenden Flächengröße der gärtnerischen Nutzung ausgegangen sei. Die von ihm gärtnerisch bewirtschaftete Fläche mag der Größe nach letztlich ungeklärt sein. Diese Unklarheit geht indes zu seinen Lasten. Zum einen hat der Kläger insoweit seine Mitwirkungspflicht verletzt. Zum anderen deuten einige Anhaltspunkte darauf hin, daß die Annahme des Beklagte, es seien 2 ha gärtnerisch genutzt worden, nicht realitätsfern ist.
Eine Ungewißheit im Sachverhalt führt nicht zwangsläufig zu einer Entscheidung nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast). Nach diesen Regeln geht die Unerweislichkeit entscheidungserheblicher steuerbegründender Tatsachen zu Lasten der Finanzbehörde, diejenige steuerbefreiender oder steuermindernder Tatsachen zu Lasten des Steuerpflichtigen. Danach würde im Streitfall möglicherweise der Ansatz von zusätzlichen Betriebseinnahmen – teilweise – daran scheitern, daß die hierzu erforderlichen steuerbegründenden Tatsachen nicht feststehen. Die Beweislastregeln knüpfen ausschließlich an die allgemeine verfahrensrechtliche Rollenverteilung unter den Beteiligten an und sind allein an deren (materiell-rechtlich) normierten Interesse am Ausgang des Prozesses ausgerichtet. Diese Beweislastverteilung ist dann ein taugliches prozessuales Instrument, wenn ein entscheidungserheblicher Sachverhalt trotz Ausschöpfung aller zugänglichen und zumutbaren Ermittlungsmöglichkeiten nicht oder nicht vollständig aufgeklärt werden kann, nicht aber dann, wenn die mangelhafte Sachaufklärung nur darauf beruht, daß der Rechtsuchende abgabenrechtliche Mitwirkungspflichten verletzt hat, die ihm gerade zu dem Zweck auferlegt sind, derartige Mängel zu vermeiden. In einem solchen Fall muß die Entscheidung die konkrete Verfahrenssituation berücksichtigen und dem Umstand Rechnung tragen, daß der Pflicht zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Erklärung über tatsächliche Umstände (§ 90 AO, § 76 Abs.1 Satz 3 FGO) eine Mitverantwortung für die Folgen entspricht, die eintreten, wenn das Ziel vollständiger Sachverhaltsermittlung nicht erreicht wird.
Schon den allgemeinen, im Steuerrechtsverhältnis wurzelnden Vorschriften, wie z.B. den §§ 88, 89 AO einerseits und den §§ 90 ff., 140 ff., 200 AO andererseits, ist der Grundsatz zu entnehmen, daß für die wahrheitsgemäße und vollständige Aufklärung abgabenrechtlich bedeutsamer Tatsachen Finanzbehörde und Steuerpflichtiger gemeinsam verantwortlich sind. Besonders deutlich wird die Mitverantwortung des Steuerpflichtigen in der Regelung des § 162 Abs.2 Satz 1 AO, die die Finanzbehörden (über § 96 Abs.1 Satz 1 2.Halbsatz FGO auch die Finanzgerichte im finanzgerichtlichen Verfahren) bei Verletzung bestimmter Mitwirkungspflichten zur Schätzung verpflichtet und es ihnen somit erlaubt, sich mit einem geringeren Grad an Überzeugung zu begnügen, als dies in der Regel (nach § 88 AO bzw. nach § 96 Abs.1 Satz 1 1.Halbsatz FGO) geboten ist (sog. Reduzierung des Beweismaßes; vgl. BFH-Urteile vom 13.03.1985 I R 7/81, BStBl II 1986, 318; vom 15.02.1989, X R 16/86, BStBl II 1989, 462). Diese Grundsätze gelten erst recht bei der Verletzung einer Erklärungspflicht nach § 162 Abs. 2 S. 3 AO.
Aus der gemeinsamen Verantwortung von Steuerpflichtigem einerseits und Finanzbehörde sowie Finanzgericht andererseits für die vollständige Sachaufklärung im Geltungsbereich des Abgabenrechts folgt u.a., daß sich dann, wenn ein Steuerpflichtiger ihm auferlegte allgemeine oder besondere Mitwirkungs-, Informations- oder Nachweispflichten verletzt, grundsätzlich die Ermittlungspflicht der Finanzbehörde (§ 88 Abs.1 AO) oder des FG (§ 76 Abs.1 Sätze 2 bis 4 und § 96 Abs.1 Satz 1 FGO) entsprechend mindert. Kriterien und Ausmaß der Reduzierung von Sachaufklärungspflicht und Beweismaß lassen sich nicht generell festlegen, sondern nur von Fall zu Fall bestimmen. Dabei können folgende Gesichtspunkte –mit je nach den Umständen unterschiedlicher Gewichtung– bedeutsam werden: – der Grad der Pflichtverletzung, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die gesteigerte Mitverantwortung aus vorangegangenem Tun – z.B. bei außergewöhnlicher Sachverhaltsgestaltung oder „ungeordneten Verhältnissen”. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Gedanken der Beweisnähe zu: Die Verantwortung des Steuerpflichtigen für die Aufklärung des Sachverhalts ist um so größer (die von Finanzbehörden und Finanzgerichten um so geringer), je mehr Tatsachen oder Beweismittel der von ihm beherrschten Informations- und/oder Tätigkeitssphäre angehören (vgl. BFH-Urteil BStBl II 1989, 462, 464 m.w.N).
Die Verletzung abgabenrechtlicher Mitwirkungspflichten kann dann, wenn sie Tatsachen oder Beweismittel aus dem alleinigen Verantwortungsbereich des Steuerpflichtigen betrifft, sogar dazu führen, daß aus seinem Verhalten für ihn nachteilige Schlüsse gezogen werden (BFH BStBl II 1989, 462, 464).
Der Kläger hat seine steuerlichen Erklärungspflichten nachhaltig verletzt.
Er hat in den Streitjahren trotz bestehender Verpflichtung den Gewinn aus dem Gemüseanbau nicht ermittelt, keine Aufzeichnungen über die Einnahmen und Ausgaben geführt oder während der Betriebsprüfung entsprechende Belege vorgelegt. Der Beklagte hat bereits zumindest für 1976 versucht, insoweit einen Zuschlag im Schätzungswege anzusetzen. Eine Erklärung zur Einheitsbewertung hat der Kläger ebenfalls nicht abgegeben, obwohl er hierzu mehrfach aufgefordert wurde. Demgegenüber hat die Finanzbehörde es wiederholt unternommen, den Sachverhalt zu klären. Angesichts der fehlenden eigenen Mitwirkung kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, daß die Ermittlungsergebnisse unzulänglich oder fehlerhaft seien. Es liegt auf der Hand, daß eine Ortsbesichtigung eines Gärtnereibetriebs zu nahezu allen Jahreszeiten auf Grund der wechselnden Anbauverhältnisse nur ein unvollständiges Bild der Nutzungen liefern kann und das Finanzamt auf die Mitwirkung des Steuerpflichtigen in besonderem Maße angewiesen bleibt. So weist gerade der Kläger darauf hin, daß bei der Ortsbesichtigung am 11.07.1989 keine verläßlichen Feststellungen möglich gewesen seien. Aus eben diesem Grunde bietet auch die vom Kläger gefertigte Aufstellung aus dem Jahr 1978 als „Momentaufnahme” kein zuverlässiges Bild für die Anbauverhältnisse des jeweiligen Wirtschaftsjahres. Denn die Aufstellung weist ca. 19.000 qm brachliegende Fläche aus, die ohne nähere Erläuterung der Landwirtschaft zugeordnet wurde, wobei offen bleibt, was auf dieser Fläche zuvor konkret angebaut worden war. Immerhin wird aber von dem Kläger in dieser Aufstellung („Momentaufnahme”) eine gärtnerische Nutzung – und damit eine Sondernutzung – hinsichtlich einer Fläche von 8.804 qm eingeräumt. Knüpft man an die in der Vergangenheit gemachten Angaben und gelegentlichen Feststellungen über eine betriebliche Sondernutzung auf 2 bis 3 ha Fläche an, so ist es schon von der Größenordnung her näherliegend, daß das (momentane) Brachland von 1,9 ha aus dem Bereich der gärtnerischen Nutzung (0,8804 ha + 1,9 ha =) 2,7804 ha stammt und dafür vorbehalten worden ist. Zur Klärung und Erläuterung der konkreten Anbauverhältnisse nach Grundstücksfläche und Nutzungsart wäre die Führung eines fortzuschreibenden Anbauverzeichnisses und dessen Vorlage zur Überprüfung erforderlich gewesen. Ein solches Anbauverzeichnis dient dem Landwirt selbst bei der Kontrolle über die Einhaltung der Fruchtfolge.
Es kommt hinzu, daß die Aufstellung vom 01.07.1978 den bis dahin bekannten Nutzungen widerspricht. Die Erklärungen zur Einheitsbewertung gaben einen Gemüsebau von 3 ha an. Es ist nicht erkennbar, daß hierbei ein landwirtschaftlich geprägter Anbau beispielsweise von Kohlgemüse miterfaßt worden sein könnte. Vielmehr spricht hiergegen und für eine entsprechende, durchgehend gärtnerische Nutzung bereits die Vielzahl der im Schreiben vom 29.12.1976 und auch in der Aufstellung vom 01.07.1978 aufgeführten Gemüsesorten. Wenngleich diese Angaben weit zurückliegende Jahre betreffen, so ist doch zu berücksichtigen, daß der Kläger den Hof bereits seit 1976 bewirtschaftet hat und ein wesentlicher Strukturwandel nicht substantiiert geltendgemacht worden ist.
Soweit der Kläger dem Beklagten vorhält, er unterscheide nicht zwischen Grob- und Feingemüse, wird er auch hierdurch nicht von seiner Mitwirkungs- und Erklärungspflicht entlastet. Es reicht insoweit nicht aus, eine Gemüsebaunutzung von etwa 3 ha in Übereinstimmung mit dem ALS einzuräumen, gleichzeitig aber schlicht zu behaupten, davon seien ca. 2 ha der landwirtschaftlichen Nutzung zuzurechnen, da der Anbau von Grobgemüse zu differenzieren sei. Konkrete Angaben, welche Sorten Grobgemüse als Hauptkultur in welchem Umfang, in welcher Fruchtfolge oder abweichenden Bewirtschaftungsweise und Vermarktung tatsächlich in den einzelnen Jahren angebaut wurden, fehlen. Der Kläger hat keine Anbaupläne über die Nutzung und Fruchtfolge vorgelegt und ist ferner nicht der Aufforderung des Beklagten nachgekommen, an Hand entsprechender Verkaufsrechnungen einen landwirtschaftlich ausgerichteten Anbau zu belegen. Dabei kann hier ungeprüft bleiben, ob bei einer zumindest teilweisen Selbstvermarktung eine solche Abgrenzung tragfähig ist. Ferner kann dahingestellt bleiben, ob die in den Richtlinien herausgestellte Anbaumethode als solche überhaupt von ausschlaggebender Bedeutung ist (vgl. verneinend Niedersächsisches FG-Urteil vom 06.06.1989 I 383/84, EFG 1989, 558, rkr.).
In Ausübung seiner Schätzungsbefugnis (§ 162 AO in Verbindung mit § 96 Abs. 1 FGO) folgt der erkennende Senat der Schätzung des Beklagten. Der Beklagte durfte seiner Schätzung eine gärtnerische Nutzung von mindestens 2 ha zugrundelegen. Ferner ist nicht zu beanstanden, daß er hierbei auf Richtwerte zurückgegriffen hat (vgl. Schmidt, § 13 a EStG Rz. 40; Kirchhof/Söhn, § 13 a EStG Anm. I 2). Schließlich begegnet zumindest im Ergebnis keinen Bedenken, daß der Reingewinnsatz sich am oberen Rahmen der Richtwerte orientierte, zumal für die Schätzung der Einnahmen der niedrigste Erfahrungswert gewählt wurde. Es kommt hinzu, daß der Kläger nach dem Akteninhalt zumindest einen Teil der Produkte selbst auf dem Wochenmarkt vermarktet und damit höhere Aufschlagssätze als bei Großabnehmern erzielt hat. Deshalb dürfte die Anwendung der Richtwerte zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis geführt haben oder möglicherweise ohnehin ausgeschlossen sein.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der von den Klägern in ihrem Schriftsatz vom 07.06.1999 genannte Richtliniengeber eine für den Beklagten einzuhaltende Reihenfolge bei der Beachtung der Schätzungsvoraussetzungen vorgegeben hat oder ob es sich lediglich um Alternativvorschläge für ein Vorgehen bei der durchzuführenden Schätzung handelt, denn jedenfalls sind solche Verwaltungsrichtlinien für das Gericht bei seiner Schätzung nicht bindend. Im übrigen handelt es sich entgegen der Ansicht der Kläger bei der Schätzung des umstrittenen Gewinns nicht um die Ausübung eines Ermessens, sondern um ein Verfahren, Besteuerungsgrundlagen mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zu ermitteln, wenn eine sichere Feststellung trotz Bemühens um Aufklärung nicht möglich ist (vgl. BFH-Urteil vom 18.12.1984 VIII R 195/82, BStBl II 1986, 226 m.w.N.). Wenn eine Schätzung auch einen gewissen Unsicherheitsbereich beeinhalten mag (vgl. BFH in BStBl 1986, 226), so liegt darin kein grundsätzlicher Unterschied gegenüber der in anderen Fällen gebotenen Tatsachenfeststellung (vgl. BFH-Urteil vom 12.02.1987 IV R 143/84, BStBl II 1987, 412).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.