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  • 12.05.2015 · IWW-Abrufnummer 144490

    Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 20.01.2015 – 3 K 157/14

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Hamburg

    Urt. v. 20.01.2015

    Az.: 3 K 157/14

    Tatbestand

    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin eine Kindertagesstätte auf freiberuflicher oder gewerblicher Basis betreibt.

    I.

    1. Die Klägerin ist Diplom-Sozialpädagogin. Im ... 2006 eröffnete sie in A die Kindertagesstätte "B", in der Kinder XX erzogen werden. Wegen der Einzelheiten des Konzepts der XX Erziehung wird auf den entsprechenden Auszug des Internetauftritts Bezug genommen (Rechtsbehelfsakten -RbA- Bl. 60 ff.). Seit ... 2014 gibt es einen weiteren Standort der Kindertagesstätte.

    2. Die Kindertagesstätte verfügte im Streitzeitraum 2007 bis 2013 über insgesamt 45 Plätze, von denen regelmäßig 43 besetzt waren. Die Kinder wurden in zwei Gruppen betreut, einer Krippengruppe für die Ein- und Zweijährigen und einer Elementargruppe für die Drei- bis Sechsjährigen. In den beiden Gruppen waren jeweils drei angestellte Erzieherinnen tätig, von denen jeweils zwei ... hatten. Daneben beschäftigte die Klägerin eine Verwaltungsangestellte (mit zunächst 25 und später 10 Wochenstunden), eine hauswirtschaftliche Kraft (15 Wochenstunden) und eine Aushilfe im pädagogischen Bereich (12 Wochenstunden). Regelmäßig waren darüber hinaus zwei Teilnehmer des Bundesfreiwilligendienstes in dem Kindergarten tätig sowie Praktikanten (vgl. Übersicht, RbA Bl. 63).

    3. Die Verwaltungsangestellte war mit dem gesamten laufenden Schrift- und Zahlungsverkehr befasst. U. a. erstellte sie die Warteliste, verwaltete alle Adressdaten, wickelte die Vertragsschlüsse ab, verwaltete die Betreuungsgutscheine, zog die Elternbeiträge ein, erstellte die Dienstpläne, sorgte für die Bezahlung der Gehälter und der Rechnungen, verwaltete die Arbeitsverträge, bereitete die Unterlagen für die Buchhaltung vor und erledigte Korrespondenz (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Aufstellung gemäß Anlage K 2, Finanzgerichtsakten -FGA- Anlagenband Bl. 39, Bezug genommen).

    4. Die Krippengruppe verfügte über zwei Gruppenräume mit einem eigenen Eingang und die Elementargruppe über drei Räume. Das Büro der Klägerin befand sich zunächst vier Jahre lang im Elementarbereich und anschließend im Krippenbereich.

    5. Die Krippengruppe wurde erst im Jahr 2008 eingerichtet. Bis einschließlich 2007 war die Klägerin neben den Erzieherinnen ganztägig in der Gruppe tätig und im Jahr 2008 noch überwiegend in jeweils einer Gruppe. Seit 2009 war ihre Tätigkeit wie folgt strukturiert:

    a) Die Klägerin war grundsätzlich täglich von ca. 7.30 Uhr bis 8.00 Uhr im Büro tätig. Anschließend nahm sie täglich abwechselnd in einer der beiden Gruppen an der sog. Bringzeit bis 9.00 Uhr teil, in der sie mit den Eltern und Erzieherinnen sprach und sich mit den Kindern beschäftigte. Ab 9.00 Uhr nahm sie regelmäßig am Morgenkreis der jeweils anderen Gruppe teil und tauschte sich während des um 9.25 Uhr beginnenden Frühstücks mit den Erzieherinnen aus. Zwei- bis dreimal pro Woche begleitete sie für jeweils ca. eine halbe Stunde den Vorschulunterricht und etwa vier- bis fünfmal monatlich zwischen 15.00 Uhr und 17.00 Uhr den Spätdienst. Auch während der Freispielphase der Kinder auf dem Hof zwischen 11.00 Uhr und 12.00 Uhr war die Klägerin regelmäßig anwesend. In Krankheits- und Urlaubsfällen vertrat sie die Erzieherinnen, wenn die hierfür eigentlich vorgesehene Aushilfskraft gleichzeitig verhindert war. Zusätzlich unterstützte die Klägerin die Erzieherinnen punktuell bei Bedarf.

    b) Neue Mitarbeiter arbeitete die Klägerin grundsätzlich eine Woche lang ein. Einmal im Monat nahm sie an den während der Mittags- und Schlafenszeit der Kinder stattfindenden Teambesprechungen der Erzieherinnen teil. Ferner organisierte sie die drei jährlichen pädagogischen Fortbildungen für die Erzieherinnen.

    c) Die Klägerin führte mit den Eltern, die ihre Kinder im Kindergarten angemeldet hatten, Aufnahmegespräche und nach zwei Monaten Feedbackgespräche. Sie begleitete neue Kinder und ihre Eltern während der Eingewöhnungszeit. Darüber hinaus führte sie zusammen mit den jeweiligen Erzieherinnen zweimal jährlich ungefähr sechzehn der insgesamt 86 turnusmäßigen Elterngespräche und weitere bei Bedarf. Schließlich leitete sie die insgesamt vier Elternabende pro Jahr.

    d) Wegen der Einzelheiten der Tätigkeit der Klägerin wird auf ihre schriftliche Darstellung (FGA Anlagenband Bl. 133 ff.) und auf ihren Vortrag im Erörterungstermin (FGA Bl. 31 ff.) Bezug genommen. Dieser Vortrag ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

    II.

    1. Die Klägerin behandelte die mit dem Betrieb der Kindertagesstätte erzielten Einkünfte in ihren Einkommensteuererklärungen für 2007 bis 2011 als Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

    2. Der Beklagte erließ am 30.10.2012 einen Gewerbesteuermessbescheid für 2010 (Messbetrag: 1.701,00 €) und am 12.11.2012 Gewerbesteuermessbescheide für 2007 bis 2009 und 2011 (Messbetrag 2007: 1.004,00 €; 2008: 1.242,00 €; 2009: 1.687,00 €; 2011: 1.036,00 €). Am selben Tag ergingen Gewerbesteuermessbescheide für Zwecke der Vorauszahlungen für 2012 (Messbetrag: 1.036,00 €) und ab 2013 (Messbetrag: 1.036,00 €).

    III.

    1. Die Klägerin legte gegen den Gewerbesteuermessbescheid für 2010 am 02.11.2012 Einspruch ein, gegen die Gewerbesteuermessbescheide für 2008, 2009 und 2011 sowie gegen die Vorauszahlungsbescheide am 29.11.2012 und gegen den Gewerbesteuermessbescheid für 2007 am 14.12.2012. Zur Begründung trug sie vor, XX sei ein Konzept, das der Einrichtung, die sie pädagogisch leite, das Gepräge gebe.

    2. Mit Einspruchsentscheidung vom 16.05.2014 verband der Beklagte die Einsprüche zu gemeinsamer Entscheidung und wies sie als unbegründet zurück. Die Klägerin werde nicht freiberuflich tätig, weil es am Tatbestandsmerkmal der Eigenverantwortlichkeit fehle. Der Kernbereich der erzieherischen Tätigkeit liege in der täglichen Einflussnahme von Bezugspersonen auf das jeweilige Kind. Die persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen täglichen Erziehungsarbeit müsse nach ihrem Umfang darauf schließen lassen, dass zu jedem einzelnen Kind ein persönliches Beziehungsverhältnis aufgebaut werde, in dem maßgeblich auf dessen körperliche, geistige und charakterliche Entwicklung eingewirkt werden könne. Bei einer Einrichtung mit mehr als 40 Kindern sei der erforderliche persönliche Kontakt der mit der Leitung und Organisation der Einrichtung betrauten Person zu den Kindern jedoch nicht mehr gegeben; die Klägerin habe nicht zu jedem Kind ein persönliches Beziehungsverhältnis aufbauen können.

    IV.

    Die Klägerin hat am 19.06.2014 Klage erhoben.

    Sie trägt vor, dass in der Kindertagesstätte B exakt das pädagogische Konzept umgesetzt werde, das sie in ihrer Diplomarbeit entwickelt habe. Dieses Konzept gebe dem Kindergarten das Gepräge; es sei der maßgebliche Grund für die Eltern, ihre Kinder dort anzumelden. Sie, die Klägerin, werde dort nicht nur leitend, sondern auch eigenverantwortlich tätig. Anders als in den den vom Beklagten in der Einspruchsentscheidung zitierten Urteilen zugrunde liegenden Sachverhalten habe sie die pädagogische Leitung keiner anderen Person übertragen, sondern übe sie selbst aus, und sie sei täglich vor Ort. Auch werde sie durch die eingestellte Verwaltungskraft von zahlreichen Bürotätigkeiten entlastet.

    Die Eigenverantwortlichkeit der Tätigkeit ergebe sich aus der Übertragung der Rechtsprechungsgrundsätze aus dem Urteil des BFH vom 16.07.2014 (VIII R 41/12) auf den Streitfall im Hinblick auf die von ihr, der Klägerin, durchgeführten Aufnahmegespräche mit den Eltern der Kinder, die intensive Teilnahme an der Eingewöhnungszeit, die Überwachung bzgl. der Umsetzung des XX Konzeptes durch die Mitarbeiter und die persönliche Einflussnahme in problematischen Fällen. Ergänzend werde auf die regelmäßigen Teambesprechungen und Elterngespräche sowie auf die persönliche Mitwirkung in den beiden Gruppen hingewiesen.

    Die Klägerin beantragt (FGA Bl. 2),

    die Gewerbesteuermessbescheide für 2007 bis 2009 und 2011 vom 12.11.2012, den Gewerbesteuermessbescheid für 2010 vom 30.10.2012 und die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für Zwecke der Vorauszahlungen für 2012 und ab 2013 vom 12.11.2012, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.05.2014, ersatzlos aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte nimmt zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung Bezug und weist ergänzend darauf hin, dass der Kindergarten zu groß sei für eine noch gestaltende eigene Einflussnahme der Klägerin.

    V.

    1. Wegen des Inhalts des Erörterungstermins am 10.11.2014 und der mündlichen Verhandlung am 20.01.2015 wird auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen (FGA Bl. 31 ff., Bl. 51 ff.).

    2. Dem Gericht hat je ein Band Einkommensteuer-, Gewerbesteuer- und Rechtsbehelfsakten (St.-Nr. .../.../...) vorgelegen.
    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist zulässig und begründet.

    I.

    Die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Der Beklagte ist zu Unrecht vom Bestehen eines Gewerbebetriebes der Klägerin ausgegangen. Die Tätigkeit der Klägerin ist als Ausübung eines freien Berufs anzusehen und somit kein Gewerbebetrieb.

    1. a) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG) unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird, der Gewerbesteuer. Unter Gewerbebetrieb ist nach Satz 2 der Vorschrift ein gewerbliches Unternehmen i. S. des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu verstehen. Nach § 15 Abs. 2 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn sie weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als andere selbständige Arbeit anzusehen ist.

    b) Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zählen zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Hierzu gehört u. a. die erzieherische Tätigkeit (Satz 2). Ein Angehöriger eines freien Berufes ist auch dann freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient; Voraussetzung ist dabei, dass er auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird (Satz 3).

    2. Die Voraussetzungen für eine freiberufliche Tätigkeit der Klägerin sind im Streitfall erfüllt.

    a) Die Klägerin war erzieherisch tätig.

    aa) aaa) Unter Erziehung ist die planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und charakterlichen Formung junger Menschen zu verstehen (BFH-Urteile vom 17.05.1990 IV R 14/87, BFHE 161, 361, BStBl II 1990, 1018 [BFH 17.05.1990 - IV R 14/87]; vom 21.11.1974 II R 107/68, BFHE 115, 64, BStBl II 1975, 389 [BFH 21.11.1974 - II R 107/68]). Sie erfasst alle Bestrebungen, Vorgänge und Tätigkeiten, die den Entwicklungsvorgang beeinflussen. Der steuerrechtliche Erziehungsbegriff beschränkt sich daher nicht auf die schulische Erziehung, sondern beinhaltet auch die Erziehung des Kleinkindes einschließlich der Gruppenerziehung (BFH-Urteil vom 19.06.1997 IV R 26/96, BFHE 183, 488, BStBl II 1997, 652 [BFH 19.06.1997 - IV R 26/96]).

    bbb) In einer Kindertagesstätte wie der von der Klägerin betriebenen werden die sozialen, sprachlichen und motorischen Fähigkeiten der Kinder umfassend gefördert und entwickelt. Dass dies eine erzieherische Tätigkeit ist, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und nicht zweifelhaft.

    bb) Der Umstand, dass die Kinder in dem Kindergarten daneben auch verpflegt und allgemein betreut wurden, steht der Annahme einer insgesamt erzieherischen und damit freiberuflichen Tätigkeit nicht entgegen.

    aaa) Wird eine erzieherische Tätigkeit in Verbindung mit weiteren Tätigkeiten wie Unterbringung, Verköstigung, Beaufsichtigung und sonstiger Betreuung erbracht, die für sich genommen gewerblicher Natur sind (BFH-Urteil vom 27.06.1974 IV R 204/70, BFHE 114, 95, BStBl II 1975, 147, [BFH 27.06.1974 - IV R 204/70] für Kindererholungsheim), so bleibt der Charakter freiberuflicher Betätigung dann erhalten, wenn die anderen Tätigkeiten lediglich notwendige Hilfstätigkeiten sind und die Erziehung der Gesamtheit der Leistungen das Gepräge gibt (BFH-Urteile vom 02.10.2003 IV R 4/02, BFHE 203, 459, BStBl II 2004, 129 [BFH 02.10.2003 - IV R 4/02]; vom 19.06.1997 IV R 26/96, BFHE 183, 488, BStBl II 1997, 652 [BFH 19.06.1997 - IV R 26/96]; abgelehnt für ein Kinderheim bei nur sechs- bis siebenwöchigem Aufenthalt der Kinder durch BFH-Urteil vom 27.08.1985 III R 198/81, BFH/NV 1986, 358).

    bbb) Kinder besuchen einen Kindergarten regelmäßig täglich für fünf bis acht (und zum Teil noch mehr) Stunden und über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Die Erziehungsarbeit des entsprechend vorgebildeten Personals spielt schon wegen dieses erheblichen zeitlichen Anteils am Leben der Kinder eine wesentliche Rolle in der Entwicklung und Formung ihrer Persönlichkeit und ihrer Fähigkeiten. Dieser Aspekt steht für die Eltern sowohl bei der Auswahl eines Kindergartens für ihr Kind als auch bei der Zahlung der Vergütung im Vordergrund. Demgegenüber treten die während der mehrstündigen Betreuung notwendige Verpflegung der Kinder und ihre bloße Beaufsichtigung während der Berufstätigkeit der Eltern zurück (vgl. für Kindertagespflege FG Niedersachsen, Urteil vom 21.11.2006, EFG 2007, 994 [FG Niedersachsen 21.11.2006 - 15 K 167/05]).

    cc) Ob und inwieweit die Klägerin und ihre Angestellten daneben unterrichtend tätig wurden, indem sie den Kindern im Vorschulalter Vorschulunterricht erteilen und allen Kindern ... vermittelten, kann dahin gestellt bleiben, weil auch die unterrichtende Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG freiberuflicher Natur ist.

    b) Die Klägerin wurde ferner aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig.

    aa) Unabhängig davon, ob eine bestimmte Vorbildung oder eine staatlich vorgeschriebene Prüfung für eine erzieherische Tätigkeit vorauszusetzen sind (dagegen BFH-Urteil vom 25.04.1974 VIII R 166/73, BFHE 112, 474, BStBl II 1974, 642 [BFH 25.04.1974 - VIII R 166/73]), würde die Klägerin als ausgebildete Diplom-Sozialpädagogin über die für die Erziehung von Kindern im Vorschulalter erforderlichen Fachkenntnisse jedenfalls verfügen.

    bb) Die Klägerin war auch leitend tätig.

    aaa) Unter einer leitenden Tätigkeit eines Freiberuflers, der sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient, ist die Festlegung der Grundzüge für die Organisation des Tätigkeitsbereichs und für die Durchführung der Tätigkeiten, die Entscheidung grundsätzlicher Fragen und die Überwachung des Arbeitsablaufs nach den festgelegten Grundsätzen zu verstehen (BFH-Urteil vom 01.04.1982 IV R 130/79, BFHE 136, 86, BStBl II 1982, 589 [BFH 01.04.1982 - IV R 130/79]).

    bbb) Dass diese Voraussetzungen bei der Klägerin erfüllt sind, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und unterliegt auch keinem Zweifel. Die Klägerin nahm sämtliche mit dem Kindergartenbetrieb verbundenen Leitungsaufgaben selbst und allein wahr, etwa indem sie die Entscheidungen über die Aufnahme neuer Kinder, die Einstellung von Personal und die pädagogische Ausrichtung trifft und die Arbeitsabläufe festlegte und überwachte.

    cc) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist das Merkmal der Eigenverantwortlichkeit ebenfalls erfüllt.

    aaa) (1) Eine aufgrund eigener Fachkenntnisse eigenverantwortlich ausgeübte Tätigkeit liegt nur vor, wenn die persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang gewährleistet ist (BFH-Urteile vom 26.01.2011 VIII R 29/08, BFH/NV 2011, 1314; vom 15.12.2010 VIII R 37/09, BFH/NV 2011, 1303; FG Köln, Urteil vom 24.10.2012 15 K 4041/10, [...]). Die Ausführung jedes einzelnen Auftrages muss ihm selbst und nicht qualifizierten Mitarbeitern, den Hilfskräften, den technischen Hilfsmitteln oder dem Unternehmen als Ganzem zuzurechnen sein (BFH-Urteile vom 31.08.2005 IV B 205/03, BFH/NV 2006, 48; vom 05.06.1997 IV R 43/96, BFHE 183, 424, BStBl II 1997, 681 [BFH 05.06.1997 - IV R 43/96]; 21.03.1995 XI R 85/93, BFHE 177, 377, BStBl II 1995, 732 [BFH 21.03.1995 - XI R 85/93]). Die Arbeitsleistung muss den "Stempel der Persönlichkeit" des betreffenden Berufsträgers tragen (BFH-Urteile vom 26.01.2011 VIII R 29/08 BFH/NV 2011, 1314 [BFH 26.01.2011 - VIII R 29/08]; vom 05.06.1997 IV R 43/96, BFHE 183, 424, BStBl II 1997, 681 [BFH 05.06.1997 - IV R 43/96]; BFH-Beschluss vom 31.08.2005 IV B 205/03, BFH/NV 2006, 48).

    (2) Die Rechtsprechung hat diese Grundsätze in Bezug auf eine erzieherische Tätigkeit noch nicht konkretisiert. Für den Bereich der Heilberufe ist entschieden, dass ein Krankenpfleger im Rahmen seiner Tätigkeit eine höchstpersönliche individuelle Arbeitsleistung am Patienten schuldet. Seine Tätigkeit ist daher nur eigenverantwortlich, wenn er einen wesentlichen Teil der Pflegearbeiten selbst übernimmt oder aber aufgrund seiner Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrollen der Mitarbeiter maßgeblich auf die Behandlung bei jedem einzelnen Patienten Einfluss nimmt; dabei muss eine persönliche Beziehung zur weitaus überwiegenden Zahl der Patienten bestehen (BFH-Beschluss vom 27.01.2004 IV B 135/01, BFH/NV 2004, 783; BFH-Urteil vom 05.06.1997 IV R 43/96, BFHE 183, 424, BStBl II 1997, 681 [BFH 05.06.1997 - IV R 43/96]).

    Eine aufgrund eigener Fachkenntnisse eigenverantwortlich ausgeübte Tätigkeit eines Krankengymnasten liegt in vergleichbarer Weise nur vor, wenn er bei jedem einzelnen Patienten auf die Behandlung Einfluss nimmt und dazu jeweils selbst zumindest die Anamnese und zwischenzeitliche Kontrollen durchführt (FG Hamburg, Urteil vom 10.09.2013 3 K 80/13, [...]). Dagegen ist das Merkmal der Eigenverantwortlichkeit bei einem Krankengymnasten nicht erfüllt, wenn er sowohl die Anamnese als auch den Großteil der anfallenden Patientenbehandlungen den fachlich vorgebildeten Mitarbeitern selbstständig überlässt und die Ergebnisse der Mitarbeiter lediglich kontrolliert (BFH-Beschluss vom 31.08.2005 IV B 205/03, BFH/NV 2006, 48; BFH-Urteil vom 20.12.2000 XI R 8/00, BFH/NV 2001, 858).

    Schließlich hat der BFH auch für die ärztliche Tätigkeit entschieden, dass ein Arzt zwar eine höchstpersönliche, individuelle Arbeitsleistung am Patienten schuldet und deshalb einen wesentlichen Teil der Dienstleistungen selbst übernehmen muss. Dafür reicht es aber aus, dass er aufgrund seiner Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrolle maßgeblich auf die Tätigkeit seines angestellten Fachpersonals - patientenbezogen - Einfluss nimmt, sodass die Leistung den "Stempel seiner Persönlichkeit" trägt. Wenn ausschließlich der Arzt selbst die Voruntersuchungen bei den Patienten durchführt und die Behandlungsmethoden festlegt und wenn er sich die Behandlung "problematischer Fälle" selbst vorbehält, ist eine leitende Eigenverantwortlichkeit gegeben (BFH-Urteil vom 16.07.2014 VIII R 41/12, [...]).

    (3) Für eine Unterrichtstätigkeit ist entschieden, dass diese nur eigenverantwortlich ausgeübt wird, wenn die für diese Tätigkeit charakteristische Beziehung des Unterrichtenden zum Schüler hergestellt wird. Diese Voraussetzung ist immer dann erfüllt, wenn der Unterrichtende einen Teil des Unterrichts selbst erteilt; aber auch das regelmäßige Eingreifen in den Unterricht der mitarbeitenden Lehrer kann eine solche Beziehung begründen (BFH-Urteile vom 01.04.1982 IV R 130/79, BFHE 136, 86, BStBl II 1982, 589 [BFH 01.04.1982 - IV R 130/79]; vom 13.12.1973 I R 138/71, BFHE 111, 105, BStBl II 1974, 213 [BFH 13.12.1973 - I R 138/71]; vom 05.12.1968 IV R 125/66, BFHE 94, 344, BStBl II 1969, 165). Der Begriff der Eigenverantwortlichkeit erfordert bei der unterrichtenden Tätigkeit regelmäßig einen unmittelbaren, persönlichen und deshalb individuellen Einsatz des Betriebsinhabers vor Ort, damit durch den eigenen Kontakt mit den zu Unterrichtenden der Unterricht ein besonderes Gepräge durch den Berufsinhaber erhält (FG Münster, Urteil vom 18.05.2006 8 K 4599/03 F, EFG 2008, 382; nachgehend BFH-Urteil vom 09.03.2010 VIII R 56/07, BFH/NV 2010, 1777; s. auch BFH-Urteile vom 01.04.1982 IV R 130/79, BFHE 136, 86, BStBl II 1982, 589 [BFH 01.04.1982 - IV R 130/79]; vom 05.12.1968 IV R 125/66, BFHE 94, 344, BStBl II 1969, 165).

    (4) Die zur Eigenverantwortlichkeit bei den Heilberufen und den Lehrern entwickelten Grundsätze sind auf die Beurteilung der erzieherischen Tätigkeit übertragbar. Auch insoweit übt der Betriebsinhaber die Tätigkeit eigenverantwortlich aus, wenn er entweder einen wesentlichen Teil der Erziehung selbst übernimmt oder durch regelmäßige und eingehende Kontrollen der Mitarbeiter maßgeblich auf die Erziehung jedes Kindes Einfluss nimmt. Darüber hinaus setzt die Eigenverantwortlichkeit im Rahmen einer erzieherischen Tätigkeit - vergleichbar mit der Beurteilung bei einer unterrichtenden Tätigkeit - eine persönliche Beziehung zu den einzelnen Kindern voraus, die eine zeitlich bedeutsame Anwesenheit des Betriebsinhabers vor Ort bedingt; lediglich sporadische Besuche o. Ä. genügen hingegen nicht (Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 22.11.1984, EFG 1985, 237).

    bbb) Danach wurde die Klägerin in den Streitjahren eigenverantwortlich tätig.

    (1) Ihre Anwesenheit im Kindergarten beschränkte sich nicht auf sporadische Besuche. Die Klägerin war vielmehr während der Öffnungszeiten des Kindergartens regelmäßig durchgehend anwesend. Da sich ihr Büro im Krippenbereich befand (oben A. I. 4.), stand die Klägerin laufend als Ansprechpartnerin für Erzieherinnen, Eltern und Kinder zur Verfügung und konnte von sich aus jederzeit in das Geschehen eingreifen.

    (2) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist eine Kindertagesstätte mit 45 Plätzen keineswegs zu groß, um eine persönliche Beziehung zu jedem Kind herstellen zu können. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Kinder die Kindertagesstätte in der Regel mehrere Jahre lang besuchen. Bei einem fast täglichen Kontakt über einen derart langen Zeitraum war im Streitfall gewährleistet, dass nicht nur jedes Kind die Klägerin kennenlernen, sondern umgekehrt die Klägerin jedes Kind kennenlernen und in seiner individuellen Entwicklung begleiten konnte. Nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Klägerin kannten alle in ihrer Kindertagesstätte betreuten Kinder sie im Streitzeitraum auch tatsächlich, sogar die ganz kleinen Kinder.

    (3) Die Klägerin wurde zur Überzeugung des Senats durch den mit der Leitung eines Kindergartens mit 45 Plätzen verbundenen Organisations- und Verwaltungsaufwand nicht derart beansprucht, dass eine prägende Einflussnahme auf die Erziehung der Kinder nicht mehr möglich gewesen wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die von der Klägerin angestellte Mitarbeiterin in zehn Wochenstunden den allgemeinen Schrift- und Zahlungsverkehr erledigte (s. oben A. I. 3.) und der Klägerin damit einen großen Teil der anfallenden Bürotätigkeit abnahm. Die Klägerin selbst war nach ihrem vom Beklagten nicht bestrittenen Vortrag (Anlage K 1, FGA Anlagenband Bl. 33 ff.) im Verwaltungsbereich v. a. für die Leitung des Personals, die Einhaltung aller Vorschriften und den Kontakt zu den Behörden verantwortlich. Diese Tätigkeiten ließen genügend zeitlichen Raum für die Erfüllung der Aufgaben im pädagogischen Bereich.

    (4) Nach der Überzeugung des Senats nutzte die Klägerin ihre durchgehende Anwesenheit vor Ort und ihre für die pädagogischen Aufgaben zur Verfügung stehende Zeit konsequent dazu, eine persönliche Beziehung zu jedem Kind aufzubauen und selbst oder über die von ihr angestellten sechs Erzieherinnen auf die Erziehung jedes Kindes einzuwirken und der Erziehungsleistung auf diese Weise den "Stempel ihrer Persönlichkeit" aufzudrücken. Aufgrund ihrer regelmäßigen Teilnahme am Alltag der beiden Gruppen (Bringzeit, Morgenkreis, Hofspiel, Vorschulunterricht, Spätdienst, Vertretungen; s. oben A. I. 5. a.) sowie der Aufnahmegespräche und der Begleitung in der Eingewöhnungszeit lernte die Klägerin jedes Kind kennen und beobachtete es laufend in seiner Entwicklung. Sie förderte die Kinder durch ihre eigene Beschäftigung mit ihnen und steuerte durch tägliche individuelle Gespräche mit den Erzieherinnen, die regelmäßige Teilnahme an deren Teambesprechungen, die Organisation der Fortbildungen und allgemeine Vorgaben bzgl. des pädagogischen Konzeptes die Erziehungstätigkeit in der Kindertagesstätte insgesamt. Die Umsetzung ihrer Vorgaben und des (XX) Konzeptes, das sie in ihrer Diplomarbeit erarbeitet hatte, überwachte sie durch ihre persönliche Anwesenheit in den Gruppen.

    (5) Für die Eltern als Kunden der Kindertagesstätte stand die Klägerin täglich während der Bringzeit sowie während der von ihr donnerstags angebotenen Sprechzeit, bei individuell vereinbarten Gesprächsterminen, auf den zwei Elternabenden pro Jahr und Gruppe und bei den turnusmäßigen Elterngesprächen zur Verfügung. Dieser regelmäßige Kontakt zur Klägerin und ihre durchgehende Präsenz vor Ort gewährleisteten, dass für die Eltern die Betreuungs- und Erziehungsleistung des Kindergartens insgesamt als Leistung der Klägerin erschien.

    (6) Wenn sich die Tätigkeit der Klägerin daher in der Zeit ab 2009 als eigenverantwortlich darstellt, gilt das erst recht für die davor liegende Zeit, in der die Klägerin selbst ganztägig oder jedenfalls überwiegend erzieherisch in den Gruppen mitgearbeitet hat (oben A. I. 5.).

    (7) Da die Klägerin bis einschließlich 2013 eigenverantwortlich und damit freiberuflich tätig war, waren die angefochtenen Bescheide einschließlich des Gewerbesteuermessbescheides für Zwecke der Vorauszahlungen ab 2013 rechtswidrig und aufzuheben. Über die Frage, ob sich die Beurteilung durch die Eröffnung eines weiteren Standortes für den Kindergarten ab ... 2014 ändert, musste der Senat nicht befinden.

    II.

    1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

    3. Gründe, die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, liegen nicht vor.

    RechtsgebietEStGVorschriften§ 15 Abs. 2 EStG; § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG

    Karrierechancen

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