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  • 10.12.2003 · IWW-Abrufnummer 032795

    Finanzgericht München: Urteil vom 09.07.2003 – 3 K 4787/01

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Az.: 3 K 4787/01

    Finanzgericht München

    URTEIL

    In der Streitsache XXX

    wegen Umsatzsteuer 2000

    hat der 3. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung
    des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht,
    des Richters am Finanzgericht und des Richters am Finanzgericht
    sowie der ehrenamtlichen Richter und
    auf Grund mündlicher Verhandlung vom 9. Juli 2003
    für Recht erkannt:

    1. Der Bescheid vom 26. Mai 2001 und die Einspruchsentscheidung werden aufgehoben.

    2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

    3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    4. Die Revision wird zugelassen.

    Rechtsmittelbelehrung

    Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.

    Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Abschrift oder Ausfertigung des Urteils soll ihr beigefügt werden.
    Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen.

    Bei der Einlegung und Begründung der Revision sowie in dem weiteren Verfahren vor dem Bundesfinanzhof muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt,

    einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften
    sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie durch Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.

    Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089 / 92 31-201.

    G r ü n d e:

    I.
    Die Klägerin ist eine aus der Freiwilligen Feuerwehr und dem Radverein bestehende Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Sie wurde mündlich im Jahr 1999 ausschließlich zum Zweck der Durchführung der Veranstaltung ?*******? (21. bis 25. Juni 2000) gegründet und ist mittlerweile aufgelöst und auseinandergesetzt. Im Fragebogen zur Anmeldung einer Gesellschaft wurde als Beginn der Tätigkeit der 22. Juni 2000, als Ende der 30. Juni 2000 angegeben. Die Klägerin erhielt im Jahr 1999 als finanzielle Grundausstattung zwei Spenden i. H. v. je 50 DM aus dem Privatvermögen der jeweiligen Vorstände der Gesellschafter. Hieraus bestritt sie die im Jahr 1999 für die Vorbereitung der Veranstaltung anfallenden Kosten (insb. Portokosten für das Einholen von Angeboten, Auslagen Getränkekosten bei Verhandlungen). Die Bruttoeinnahmen aus der Veranstaltung im Jahr 2000 betrugen 97 523 DM.

    Am 16. März 2001 reichte die Klägerin die Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2000 bei dem Beklagten (dem Finanzamt ?FA--) ein und begehrte die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung nach § 19 Abs. 1 des im Streitjahr geltenden Umsatzsteuergesetzes (UStG). Das FA stimmte der Erklärung nicht zu, ermittelte aus den Bruttoeinnahmen einen Umsatz i. H. v. 85 910 DM sowie Vorsteuerbeträge i. H. v. 7462,08 DM und setzte die Umsatzsteuer 2000 der Klägerin mit Bescheid vom 26. Mai 2001 auf 6 283,00 DM fest. Den Einspruch der Klägerin wies es mit Einspruchsentscheidung vom 9. Oktober 2001 als unbegründet zurück.

    Mit ihrer hiergegen am 8. November 2001 beim FA angebrachten Klage trägt die Klägerin vor, sie habe ihre Geschäftstätigkeit bereits im Jahre 1999 begonnen. Da der Umsatz in diesem Jahr unter 32 500 DM und im Jahr 2000 unter 100 000 DM gelegen habe, sei § 19 Abs. 1 UStG anwendbar.

    Die Klägerin beantragt,

    den Bescheid vom 26. Mai 2001 und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.

    Das FA beantragt,
    die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung verweist es auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und das Urteil des Hessischen Finanzgerichts (FG) vom 12. April 1989 6 K 72/88 (EFG 1989, 544).

    Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten, die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

    II.
    Die Klage ist begründet.

    1. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG wird die für Umsätze im Inland geschuldete Umsatzsteuer nicht erhoben, wenn der in § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 32 500 DM nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 100 000 DM voraussichtlich nicht übersteigen wird.

    Die genannte Vorschrift regelt nicht, wie bei Neugründungen von Unternehmen zu verfahren ist. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in diesem Zusammenhang im Wege der Rechtsanalogie entschieden, dass im Erstjahr einer unternehmerischen Betätigung allein die Umsatzgrenze von (im Streitjahr) 32 500 DM (damals noch 20 000 DM) maßgeblich für die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung auf Neugründungen ist (Urteil vom 22. November 1984 V R 170/83, BFHE 142, 316, BStBl II 1985, 142). Nach dem Urteil des Hessischen FG in EFG 1989, 544 soll dies auch zutreffen, wenn das bereits im Vorjahr gegründete Unternehmen Umsätze erst im Folgejahr ausführt. Die Literatur hat sich dieser Auffassung überwiegend angeschlossen (Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, VI Rz. 484; Widmann in Plückbaum/Malitzky, 10. Aufl., Umsatzsteuergesetz, § 19 Rz. 17; Pflüger in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, E § 19 Tz. 36; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 19 Anm. 33).

    2. Der Senat teilt die o. g. Auffassung nicht.

    a) Maßgeblich hierfür ist in erster Linie die Überlegung, daß die herrschende Auslegung des § 19 UStG im Kern auf Rechtsprechung zum Umsatzsteuergesetz 1967 beruht (vgl. BFH-Urteil vom 19. Februar 1976 V R 23/73, BFHE 118, 483, BStBl II 1976, 400). Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, der sich der BFH angeschlossen hat, ist mittlerweile geklärt, daß eine Person bereits in der Vorbereitungsphase einer geplanten unternehmerischen Tätigkeit Steuerpflichtiger i. S. der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) bzw. Unternehmer i. S. des UStG ist. (BFH-Urteil vom 8. März 2001 V R 24/98, BFHE 194, 522; BFH/NV 2001, 876, m. N.).

    Diese Rechtsprechung ist zwar zu der Frage ergangen, ab welchem Zeitpunkt das Recht zum Vorsteuerabzug besteht. Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß der Begriff des Unternehmers bzw. der unternehmerischen Tätigkeit bei der Auslegung des § 19 UStG nicht anders gesehen werden kann, als bei der Auslegung des § 15 UStG. Er hält daher die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung i. S. des § 19 Abs. 1 UStG im Folgejahr für möglich, wenn der Umsatz in diesem Jahr 100 000 DM (ab 1. Januar 2002: 50 000 Euro) nicht übersteigt und wenn der Umsatz im Jahr der Vorbereitung Null bis maximal 32 000 DM (ab 1. Januar 2002: 16 620 Euro) betragen hat.

    Der Gesetzeswortlaut läßt die vom Senat vertretene Auffassung zu. Aus dem in § 19 Abs. 3 Satz 1 UStG verwendeten Tatbestandsmerkmal ?steuerbare Umsätze? läßt sich weder für die eine noch für die andere Grenze zwingend etwas herleiten, denn beide Umsatzgrenzen stellen auf eine unternehmerische Tätigkeit ab. Die vom BFH hervorgehobene Notwendigkeit, von vornherein Gewißheit zu haben, ob Steuer gefordert werde und ob Steuer in Rechnung gestellt werden könne oder nicht, besteht gleichermaßen für bereits bestehende (am Beginn des Kalenderjahres) wie für neu gegründete (am Beginn ihrer Tätigkeit) Unternehmen (Mößlang in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 19 Rz 20). Deshalb sind Vorbereitungshandlungen in die Bemessung der Kleinunternehmergrenze mit einzubeziehen (Pflüger in Hartmann/Metzenmacher, E § 19 Tz. 36 a.E.).

    b) Hinzu kommen die besonderen Umstände des Streitfalls.

    Die Klägerin wurde aus zwei gemeinnützigen Vereinen ausschließlich zur einmaligen Durchführung einer Jubiläumsveranstaltung gegründet. Sie strebte von vornherein die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung an, d. h., sie hat weder Rechnungen mit gesondertem Ausweis der Mehrwertsteuer erteilt, noch den ihr zustehenden Vorsteuerabzug geltend gemacht.

    Nach Auffassung des Senats ist eine derartige Fallkonstellation typisch für die grundsätzliche Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung. Zwar hat der BFH in seiner Entscheidung in BFHE 142, 316, BStBl II 1985, 142 ausgeführt, die Praktikabilität der Besteuerung, insbesondere wegen der Frage, ob der Unternehmer Rechnungen mit besonderem Steuerausweis erteilen dürfe und zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, verlange, daß bereits bei Aufnahme der unternehmerischen Betätigung wegen der bedeutsamen Folgewirkungen der einzelnen Besteuerungsformen hinreichende Gewißheit darüber bestehen müsse, welcher Besteuerungsform der Unternehmer im Erstjahr unterliege.

    Dieser Gesichtspunkt tritt jedoch im Fall der Klägerin zurück. Demgegenüber gewinnt der vom BFH ebenfalls in der vorgenannten Entscheidung hervorgehobene Grundsatz Gewicht, es widerspräche der Steuergerechtigkeit und den Wertungen des Gesetzes, einen Unternehmer allein wegen eines fehlenden Vorjahresumsatzes stets der Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes zu unterwerfen.

    3. Im Streitfall betrug der Gesamtumsatz der Klägerin i. S. des § 19 Abs. 3 Satz 1 UStG Null DM. Die Spenden der jeweiligen Vereinsvorstände wurden nicht im Rahmen eines Leistungsaustausches erbracht. Sie dienten der finanziellen Grundausstattung der Klägerin und sind damit als sog. echte Zuschüsse nicht steuerbar (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 1 Rz 50).

    Gleichwohl war die Klägerin im Gründungsjahr unternehmerisch tätig, da sie unstreitig die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hatte, eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben und erste Investitionsausgaben für diesen Zweck tätigte. Sie war aus diesem Grund zum Vorsteuerabzug berechtigt, hat allerdings auf die Abgabe entsprechender Steueranmeldungen verzichtet, weil sie von vornherein die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung beabsichtigte, wie sich aus den Angaben im Fragebogen zur Anmeldung einer Gesellschaft ergibt.

    Da die Umsätze der Klägerin im Streitjahr 100 000 DM nicht überstiegen haben und die Klägerin keine Erklärung i. S. des § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG abgegeben hat, wird die für diese Umsätze geschuldete Umsatzsteuer nicht erhoben.

    4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 der Finanzgerichtsordnung (FGO), die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und über den Vollstreckungsschutz auf § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

    RechtsgebietUSTGVorschriften§ 19 Abs.1 Satz 1u. 2 UStG

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