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  • 02.01.2014

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 08.08.2013 – 11 K 3540/12 E

    Bei der freiwilligen Anrufung der Schlichtungsstelle Bergschaden in NRW handelt es sich um eine „Vorstufe” zum Zivilprozess
    und damit eine Maßnahme zur Beschreitung des Rechtswegs im weiteren Sinne, deren Kosten dem Steuerpflichtigen in gleicher
    Weise wie die eines Zivilprozesses (vgl. dazu BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10, BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) aus
    rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen und daher – nach der bis zum 31.12.2012 geltenden Rechtslage - als außergewöhnliche
    Belastung abgezogen werden können.


    Tatbestand

    Streitig ist die Berücksichtigung von Kosten für ein Schlichtungsverfahren als außergewöhnliche Belastung.



    Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
    Daneben erzielt der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Solaranlage).



    Der Kläger ist seit 8. Dezember 2010 Eigentümer des Objekts A-Weg in A-Stadt, das sich in einem ehemaligen Bergbaugebiet
    befindet. Er hat das Zweifamilienhaus aufgrund des notariellen Übergabevertrags vom 4. März 2010 im Wege der vorweggenommenen
    Erbfolge von seinen Eltern, den Eheleuten E, übernommen. Besitz, Nutzungen und Lasten sind am 1. April 2010 auf den Kläger
    übergegangen. Nachdem der Vater des Klägers zwischenzeitlich verstorben und von der Mutter des Klägers beerbt worden war,
    änderten der Kläger und seine Mutter den Vertrag mit notarieller Urkunde vom 28. Oktober 2010 im Hinblick auf nicht streitrelevante
    Regelungen ab. Zugleich wurde der Vertrag vom 4. März 2010 genehmigt.



    In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2010 machten die Kläger Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Bergbauschaden
    an dem vorgenannten Objekt i.H.v. 5.388 € als außergewöhnliche Belastung geltend. Hierbei handelte es sich um Rechtsanwaltsgebühren
    für die Vertretung in einem Schlichtungsverfahren vor der Schlichtungsstelle Bergschaden in NRW i.H.v. 3.111,85€, die den
    Eltern des Klägers in Rechnung gestellt worden waren, sowie um gegenüber dem Kläger selbst abgerechnete Gutachterkosten im
    Zusammenhang mit dem Schlichtungsverfahren i.H.v. 2.275,28 €. Im Einzelnen wurden folgende Aufwendungen geltend gemacht:



    Zahlungsempfänger (Rechnungsdatum) Abgerechnete Tätigkeit Betrag



    RA R (24.04.2010) Vorschussrechnung für die Vertretung im Schlichtungsverfahren 3.111,85 €



    Dipl.-Ing. D (27.10.2010) Bergschadenkundliche Begleitung im Verhandlungstermin vor der Schlichtungsstelle 547,40 €



    Dipl.-Ing. D (29.06.2010) Erstellung der Schadensdokumentation 561,68 €



    Dipl.-Ing. D (04.06.2010) Markscheiderische Fachbegleitung im Schlichtungsverfahren 309,40 €



    Dipl.-Ing. D (26.05.2010) Markscheiderische Fachbegleitung im Schlichtungsverfahren 309,40 €



    Dipl.-Ing. D (21.04..2010) Bergschadenkundliche Begleitung im Verhandlungstermin vor der Schlichtungsstelle 547,40 €



    Hintergrund dieser Aufwendungen war, dass die Eltern des Klägers im Jahr 2009 einen Schadensersatzanspruch gegenüber der
    zuständigen RAG AG geltend gemacht hatten. Diese hatte zunächst weitere – über eine im Jahr 2007 erfolgte Schadensregulierung
    hinausgehende – Entschädigungszahlungen abgelehnt (vgl. Schreiben vom 9. Oktober 2009, Blatt 21 ff. der Gerichtsakte). Daraufhin
    hatten die Eltern des Klägers ein Schlichtungsverfahren bei der Schlichtungsstelle Bergschaden in NRW beim Regionalverband
    Ruhr eingeleitet. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 15. Februar 2011 hatten die Beteiligten einen Vergleich geschlossen,
    wonach die RAG AG 22.000 € zu zahlen hatte (Blatt 24 der Gerichtsakte). Die Zahlung war auf das Konto des Klägers erfolgt.



    Der Beklagte versagte den Abzug der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung im Einkommensteuerbescheid vom 10. August
    2011 und wies auf die fehlende Zwangsläufigkeit der Aufwendungen hin. Dagegen legten die Kläger rechtzeitig Einspruch ein
    und beriefen sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 12. Mai 2011 (VI R 42/10, BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015).
    Mit Bescheid vom 17. Oktober 2011 änderte der Beklagte die Festsetzung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung –
    AO –, allerdings ohne die Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens
    verwies er auf den Nichtanwendungserlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Dezember 2011 (BStBl I 2011, 1286).



    Mit Einspruchsentscheidung vom 21. August 2012 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte
    er aus, dass dem Abzug der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung die fehlende Zwangsläufigkeit entgegenstehe. Das BFH-Urteil
    vom 12. Mai 2012 (VI R 42/10, BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) sei zu Zivilprozesskosten ergangen. Anders als der Zivilprozess,
    dem sich der Steuerpflichtige aufgrund des Rechtsstaatsprinzips nicht entziehen könne, sei das Schlichtungsverfahren ein freiwilliges
    Verfahren. Zudem seien die Gutachterkosten im Zeitraum April bis Oktober 2010 und damit vor dem Eigentumsübergang auf den
    Kläger abgerechnet worden. Der Kläger selbst habe den Sachverständigen beauftragt, Schadensersatzansprüche hätten jedoch allein
    seinen Eltern zugestanden. Daher lägen steuerlich nicht absetzbare Zuwendungen des Klägers an seine Eltern vor. Soweit die
    Eltern selbst Rechnungsempfänger gewesen seien, komme eine Berücksichtigung nach den Grundsätzen des abgekürzten Zahlungs-
    oder Vertragswegs ebenfalls nicht in Betracht.



    Die Kläger haben am 24. September 2012 Klage erhoben. Zur Begründung berufen sie sich weiterhin auf das BFH-Urteil vom 12.
    Mai 2011 (VI R 42/10, BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) und machen geltend, die Aufwendungen seien zwangsläufig entstanden.
    Die RAG AG habe eine Schadensregulierung mit Schreiben vom 9. Oktober 2009 abschließend zurückgewiesen. Für derartige Fälle
    sei beim Regionalverband Ruhr eine Schlichtungsstelle für Bergschäden eingerichtet, an die sich Bergschadensbetroffene in
    NRW wenden könnten. Der ordentliche Rechtsweg werde durch dieses Schlichtungsverfahren nicht ausgeschlossen, allerdings werde
    die Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche gehemmt. Da sich im Schlichtungsverfahren regelmäßig Kostenvorteile ergäben,
    da insbesondere für das Verfahren selbst keine Kosten – insbesondere keine Gerichtskosten – anfielen, sei dies für Betroffene
    der günstigste Weg, ihre Entschädigungsansprüche geltend zu machen, ohne einen Rechtsverlust zu erleiden. Im Rahmen des Schlichtungsverfahrens
    sei in der mündlichen Verhandlung vom 15. Februar 2011 hinsichtlich der geltend gemachten Schäden eine Einigung gefunden worden.
    Dieses Verfahren habe der Kläger selbst geführt, die Entschädigung sei auf sein Konto geflossen. Das Verhandlungsergebnis
    zeige, dass das Schlichtungsverfahren nicht mutwillig gewesen sei, sondern Aussicht auf Erfolg geboten habe, denn ansonsten
    hätte sich die RAG AG zu der entsprechenden Zahlung nicht verpflichtet.



    Die angefallenen Rechtsverfolgungskosten seien zwangsläufig, da die Bergbauschäden insbesondere im Hinblick auf die damit
    regelmäßig verbundenen Schadenshöhen und die Auswirkungen in vermögensrechtlicher Sicht gravierend und existenzberührend seien.
    Insbesondere aufgrund dieser für die Geschädigten mit der Geltendmachung verbundenen Folgen, der bergbaurechtlichen Besonderheiten
    und gesetzlichen Regelungen sei auch die anwaltliche Zuhilfenahme im Verfahren dringend geboten und daher im Sinne der gesetzlichen
    Regelung zwangsläufig. Denn alternativ zum Schlichtungsverfahren wäre den Klägern nur die Durchführung der Zivilklage möglich
    gewesen, um die eindeutige und endgültige Zurückweisung der Ansprüche durch die RAG AG angreifen zu können. In diesem Verfahren
    wären jedoch nicht nur identische, sondern tatsächlich sogar noch höhere Kosten – insbesondere Gerichtskosten – angefallen,
    die durch die Durchführung des Schlichtungsverfahrens tatsächlich hätten vermieden werden können. Die Auffassung des Beklagten,
    es würde sich insoweit nicht um Prozesskosten handeln, sei jedenfalls falsch. Tatsächlich sei der ordnungsgemäße Rechtsweg
    beschritten und eine staatliche Stelle genutzt worden. Im Übrigen werde auch ein Zivilprozess freiwillig eingeleitet. Es könne
    keinerlei Unterschied machen, ob der Steuerpflichtige unmittelbar ein (kostenträchtigeres) Zivilverfahren einleite oder ein
    staatlich zur Verfügung gestelltes Schlichtungsverfahren nutze. Die Ausführungen des BFH im vorgenannten Urteil seien eins
    zu eins auf das Schlichtungsverfahren übertragbar.



    Im Hinblick auf die angefallenen Gutachterkosten werde auf die einzelnen Rechnungen und Gutachten (Blatt 104 ff. der Gerichtsakte)
    Bezug genommen. Hintergrund der Aufwendungen sei die Schadensdokumentation und -feststellung sowie die fachkundliche Begleitung
    in dem Verfahren vor der Schlichtungsstelle gewesen. Daher seien auch diese Aufwendungen zwangsläufig angefallen.



    Schließlich komme der Abzug der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung auch auf der Grundlage der früheren – strengeren
    – Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung in Betracht. Da die dem Kläger gehörende und durch Bergschäden erheblich beschädigte
    Immobilie betroffen sei, habe das Schlichtungsverfahren eine existenziell wichtige Lebensfrage im Kernbereich des Lebens berührt.
    Dies gelte umso mehr, als die Bergschäden zu einer Beschädigung des Entwässerungssystems und damit zu einer Verunreinigung
    des Grundwasserbrunnens geführt hätten.



    Nachdem der Beklagte den angefochtenen Bescheid am 21. November 2012 wegen nicht streitiger Gesichtspunkte nach § 172 Abs.
    1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert hat, beantragen die Kläger,



    den Einkommensteueränderungsbescheid vom 21. November 2012 dahingehend abzuändern, dass Aufwendungen im Zusammenhang mit
    dem Schlichtungsverfahren i.H.v. 5.388 € nach Abzug der zumutbaren Belastung als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt
    werden sowie



    die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,



    hilfsweise, die Revision zuzulassen.



    Der Beklagte beantragt,



    die Klage abzuweisen,



    hilfsweise, die Revision zuzulassen.



    Zur Begründung verweist der Beklagte im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, das Schlichtungsverfahren
    sei – anders als der Zivilprozess – ein freiwilliges Verfahren. Denn der ordentliche Rechtsweg sei durch das Schlichtungsverfahren
    nicht ausgeschlossen worden. Der Steuerpflichtige müsse aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols zur Durchsetzung seiner Ansprüche
    den Rechtsweg beschreiten, nicht aber ein Schlichtungsverfahren durchführen.



    Darüber hinaus hat der Beklagte im Hinblick auf die beim BFH anhängigen Revisionsverfahren das Ruhen des Verfahrens angeregt.



    Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Sitzungsniederschrift
    vom 8. August 2013, und der beigezogenen Steuerakte des Beklagten Bezug genommen.



    Gründe

    Die vom Beklagten vor dem Hintergrund der anhängigen Revisionsverfahren angeregte Verfahrensruhe (§ 155 der Finanzgerichtsordnung
    – FGO – in Verbindung mit § 251 der Zivilprozessordnung – ZPO –) kommt nicht in Betracht, da die Kläger ihr nicht zugestimmt
    haben. Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO hält der Senat im Hinblick auf die besonderen Umstände des Streitfalls
    (Schlichtungsverfahren als besondere „Form” des Zivilprozesses) für nicht angezeigt.



    Die Klage ist begründet



    Der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 21. November 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, soweit
    der Beklagte Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Schlichtungsverfahren i.H.v. 5.388€ nach Abzug der zumutbaren Belastung
    nicht als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG berücksichtigt hat (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).



    Die geltend gemachten Aufwendungen können i.H.v. 5.388 € unter Abzug der zumutbaren Belastung als außergewöhnliche Belastung
    gemäß § 33 des Einkommensteuergesetzes – EStG – abgezogen werden.



    Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen
    gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung),
    so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare
    Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs.
    2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen
    oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen
    Betrag nicht übersteigen.



    Nach dem BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 (VI R 42/10, BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 mit weiteren Nachweisen) können Zivilprozesskosten
    – in Änderung der bis dato ständigen Rechtsprechung – unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig
    erwachsen. Zur Begründung hat der BFH ausgeführt, dass die Auffassung, der Steuerpflichtige übernehme das Prozesskostenrisiko
    „freiwillig”, verkenne, dass streitige Ansprüche wegen des staatlichen Gewaltmonopols regelmäßig nur gerichtlich durchzusetzen
    oder abzuwehren seien. Dies folge aus dem Rechtsstaatsgrundsatz. Es sei ein zentraler Aspekt der Rechtsstaatlichkeit, die
    eigenmächtig-gewaltsame Durchsetzung von Rechtsansprüchen grundsätzlich zu verwehren. Die Parteien würden zur gewaltfreien
    Lösung von Rechtsstreitigkeiten und Interessenkonflikten der Staatsbürger vielmehr auf den Weg vor die Gerichte verwiesen.
    Entgegen der bisherigen Rechtsprechung sei für die Frage der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten nicht auf die Unausweichlichkeit
    des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen.
    Denn der Steuerpflichtige müsse, um sein Recht durchzusetzen, im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten.
    Dieser Unausweichlichkeit stehe nicht entgegen, dass mit den Kosten eines Zivilprozesses in der Regel nur die unterliegende
    Partei (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO) belastet sei. Denn der Einwand, der Unterliegende hätte bei gehöriger Prüfung seiner Rechte
    und Pflichten erkennen können, der Prozess werde keinen Erfolg haben, werde der Lebenswirklichkeit nicht gerecht. Als außergewöhnliche
    Belastungen seien Zivilprozesskosten jedoch nur zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig
    auf den Prozess eingelassen habe. Er müsse diesen vielmehr unter verständiger Würdigung des Für und Wider – auch des Kostenrisikos
    – eingegangen sein. Demgemäß seien Zivilprozesskosten des Klägers wie des Beklagten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte
    Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten
    habe.



    1. In Anwendung dieser Grundsätze sind dem Kläger die streitgegenständlichen Aufwendungen aus rechtlichen Gründen zwangsläufig
    erwachsen. Zwar handelt es sich bei der Anrufung der Schlichtungsstelle Bergschaden in NRW nicht um die Beschreitung des Rechtsweges
    im engeren Sinne. Die Durchführung des Schlichtungsverfahrens stellt insbesondere keine Prozessvoraussetzung für das zivilgerichtliche
    Verfahren (vgl. die obligatorische Streitschlichtung in § 15a des Einführungsgesetzes zur ZPO – EGZPO –) dar. Zudem ist die
    Einrichtung der Schlichtungsstelle nicht auf gesetzlicher Grundlage erfolgt, vielmehr haben sich die RAG AG und weitere Bergbauunternehmen
    vertraglich zur Beilegung von Streitigkeiten aus Bergschadensersatzansprüchen im Steinkohlerevier in NRW verpflichtet. Gleichwohl
    sieht der erkennende Senat im Schlichtungsverfahren eine „Vorstufe” zum Zivilprozess und damit eine Maßnahme zur Beschreitung
    des Rechtswegs im weiteren Sinne. Die Durchführung des Schlichtungsverfahrens ist ebenfalls Ausdruck des staatlichen Gewaltmonopols.
    Dafür spricht insbesondere, dass das Wirtschaftsministerium des Landes NRW die Schlichtungsstelle auf Anregung des Landesverbandes
    der Bergbaubetroffenen und auf Initiative des Unterausschusses „Bergbausicherheit” des Landtages unter Mitwirkung der beteiligten
    Interessenverbände, der Unternehmen des Steinkohlenbergbaus sowie des Regionalverbands Ruhr und des Justizministeriums organisiert
    hat (vgl. Presseinformation des Landesministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Energie vom 6. Februar 2009, abrufbar unter.
    Zudem ist die Schlichtungsstelle beim Regionalverband Ruhr, dem Zusammenschluss der elf kreisfreien Städte und vier Kreise
    in der Metropole Ruhr, und damit bei einer staatlichen Stelle eingerichtet worden.



    Der erkennende Senat kann keine tragfähigen Gründe erkennen, die eine Differenzierung zwischen zivilgerichtlichen Verfahren
    und Schlichtungsverfahren im Anwendungsbereich des § 33 EStG rechtfertigen könnten. Beide Verfahren werden auf der Grundlage
    einer freien Entscheidung des Steuerpflichtigen eingeleitet. Gleichwohl handelt es sich jeweils um vom Verfassungsstaat legitimierte
    geordnete (staatliche) Verfahren. Sie dienen letztlich beide dazu, die eigenmächtig-gewaltsame Durchsetzung von Rechtsansprüchen
    zu verwehren, einem zentralen Aspekt der Rechtsstaatlichkeit (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10, BFHE 234, 30, BStBl
    II 2011, 1015). Die Schlichtungsstelle trifft ihre Entscheidungen ebenfalls auf der Grundlage der Rechtsvorschriften der BRD
    (§ 4 Ziff. 2 der Schlichtungsordnung). Das Schlichtungsverfahren stellt aus der Sicht der Betroffenen allein eine kostengünstige
    Maßnahme zur Streitbeilegung dar, wobei der (ordentliche) Rechtsweg nicht ausgeschlossen und die Verjährung von Bergschadensersatzansprüchen
    gehemmt wird (§8 der Schlichtungsordnung). Dies rechtfertigt mit Blick auf § 33 EStG aber keine abweichende Beurteilung. Es
    kann dem Steuerpflichtigen aus steuerlicher Sicht nicht zum Nachteil gereichen, wenn er aus wirtschaftlichen Gründen nicht
    den Weg zu den Zivilgerichten beschreitet, sondern ein Schlichtungsverfahren einleitet. Auch dann wird die subjektive Leistungsfähigkeit
    des Steuerpflichtigen gemindert, so dass der Sinn und Zweck des § 33 EStG die Berücksichtigung der Aufwendungen gebietet.



    Der Kläger hat sich auch nicht mutwillig oder leichtfertig auf das Schlichtungsverfahren eingelassen. Die Kosten stellen
    sich als unausweichlich dar, da die Rechtsverfolgung aus der Sicht eines verständigen Dritten – wie der Ausgang des Schlichtungsverfahrens
    zeigt – hinreichende Aussicht auf Erfolg bot.



    Vor diesem Hintergrund kann der Senat offen lassen, ob sich die Schlichtungskosten – wie die Kläger meinen – auch in Anwendung
    der mittlerweile überholten BFH-Rechtsprechung zu Prozesskosten als abzugsfähig darstellen. Danach konnten Zivilprozesskosten
    (nur dann) abzugsfähig sein, wenn der Steuerpflichtige ohne den Prozess Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren,
    oder wenn um Kernbereiche des Lebens gestritten wird (vgl. nur BFH-Urteil vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl
    II 2004, 726; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 32. Aufl. 2013, § 33 Rn. 35 „Prozesskosten”). Im Hinblick auf die aus den streitgegenständlichen
    Bergschäden resultierende Trinkwasserproblematik liegt eine Berührung des Kernbereichs des Lebens zumindest nicht fern. Darauf
    kommt es jedoch nicht mehr an, da die rechtliche Zwangsläufigkeit ohnehin zu bejahen ist.



    2. Die sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 33 Abs. 1 und 2 EStG sind erfüllt. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
    Die Aufwendungen i.H.v. 5.388 € können daher nach Abzug der zumutbaren Belastung im Sinne des § 33 Abs. 3 Satz1 Nr. 2 Buchst.
    a EStG i.H.v. 945,90 € (31.530 € Gesamtbetrag der Einkünfte gemäß Bescheid vom 21. November 2012 x 3%) – mithin im Umfang
    von 4.442,10 € – als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG berücksichtigt werden.



    3. § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher
    Vorschriften vom 26. Juni 2013 (BGBl I 2013, 1809) – AmthilfeRLUmsG –, wonach Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits
    (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen sind, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige
    Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr
    befriedigen zu können, gelangt im Streitfall nicht zur Anwendung. Da der Gesetzgeber keine besondere Anwendungsbestimmung
    aufgestellt hat, gilt die am 1. Januar 2013 in Kraft getretene Norm (Art. 31 Abs. 1 des AmtshilfeRLUmsG) ab dem Veranlagungszeitraum
    2013 (§ 52 Abs. 1 EStG).



    Die Übertragung der Ermittlung des festzusetzenden Steuerbetrags auf den Beklagten beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.



    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.



    Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3
    Satz 3 FGO.



    Die Revision war zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO) zuzulassen.

    VorschriftenEStG § 33 Abs. 1, EStG § 33 Abs. 2 Satz 1, EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG vom 26. Juni 2013 § 33 Abs. 2 Satz 4, EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG vom 26. Juni 2013§ 52 Abs. 1

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