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  • 02.06.2009 | Umsatzsteuer

    Das Seeling-Modell für Freiberufler sichern

    von Georg Nieskoven, Troisdorf

    Nutzt der Unternehmer ein seinem umsatzsteuerlichen Unternehmensvermögen zugeordnetes Gebäude teilweise auch für eigene Wohnzwecke, so ermöglicht ihm das Seeling-Modell die Vollzuordnung des Gebäudes und damit grundsätzlich auch den Vorsteuerabzug hinsichtlich der privat genutzten Flächen. Umstritten war bislang, inwieweit dieses Modell auch auf umsatzsteuerfrei agierende Unternehmer - insbesondere Freiberufler - übertragbar ist. Der BFH hat hierzu nun geurteilt, dass - soweit der originär unternehmerische Gebäudeteil der Erwirtschaftung umsatzsteuerfreier Zwecke diene - die Gebäudeprivatnutzung keinen umsatzsteuerpflichtigen Umsatz darstelle und somit der Vorsteuerabzug vollumfänglich verwehrt bleibe (BFH 8.10.08, XI R 58/07, Abruf-Nr. 090492 und BFH 11.3.09, XI R 69/07; Abruf-Nr. 091456).

     

    Sachverhalt

    Eine aus Eheleuten bestehende Grundstücksgemeinschaft errichtete 1996 und 1997 auf eigenem Grundstück ein gemischt genutztes Gebäude. Nach Fertigstellung vermietete sie die im Erdgeschoss befindlichen Praxisräume steuerfrei (§ 4 Nr. 12a UStG) an den Ehemann, der dort als selbstständiger Arzt eine Praxis betrieb. Die im Obergeschoss befindliche Wohnung nutzten die Eheleute zu eigenen Wohnzwecken. Die Grundstücksgemeinschaft reichte für die Jahre 1996 und 1997 Umsatzsteuererklärungen mit Vorsteuerbeträgen über 71.000 bzw. 27.000 DM ein. Dabei entfiel die Vorsteuer ausschließlich auf den die Wohnung betreffenden Anteil der Gebäudeerrichtungskosten. Das FA lehnte entsprechende Umsatzsteuerfestsetzungen ab, da die Gebäudeprivatnutzung einen umsatzsteuerfreien - und damit nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG vorsteuergesperrten - Eigenverbrauch darstelle. Nach erfolglosem Einspruch lehnte auch das FG die hiergegen erhobene Klage mit der Begründung ab, der aus der Privatnutzung resultierende Eigenverbrauch könne nicht als - den Vorsteuerabzug eröffnender Umsatz - gewertet werden. In der Revision bestätigte der BFH dies im Ergebnis.  

     

    Anmerkungen

    Die Eheleute hatten argumentiert, nach der Seeling-Entscheidung des EuGH (8.5.03, BStBl II 04, 378) sei die Privatnutzung eines Unternehmensgebäudes ganz generell umsatzsteuerpflichtig und ermögliche damit den beantragten Vorsteuerabzug. Aus der EuGH-Entscheidung ergebe sich keine Beschränkung dieser Rechtsfolge auf ansonsten umsatzsteuerpflichtig genutzte Gebäude. Der BFH widerspricht dieser Sichtweise jedoch: Das fragliche Gebäude diene der Grundstücksgemeinschaft für deren umsatzsteuerfreie Vermietungsumsätze, sodass die außerunternehmerische Nutzung der Obergeschossräume nach der in den Streitjahren geltenden Regelung des § 4 Nr. 28 b UStG gleichfalls umsatzsteuerfrei bleibe. Denn die Grundstücksgemeinschaft verwende - im Sinne dieser Regelung - einen Gegenstand außerunternehmerisch, der im Übrigen ausschließlich zur Erwirtschaftung steuerfreier (Vermietungs-) Umsätze verwendet werde. Eine davon abweichende Beurteilung ergibt sich nach BFH-Ansicht auch nicht aus dem Gemeinschaftsrecht: Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-RL lasse den Vorsteuerabzug nur zu, soweit das Gebäude umsatzsteuerpflichtigen Zwecken diene. Die Vermietungsumsätze seien unstreitig umsatzsteuerfrei (Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-RL). Entsprechendes gelte auch für die Gebäudeprivatnutzung: Zwar stelle Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-RL die Privatnutzung eines Gegenstands dem entsprechenden entgeltlichen Umsatz gleich - jedoch nur, soweit der Gegenstand wenigstens zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt habe. Gerade dies sei angesichts der vorliegenden Steuerbefreiung aber zu verneinen. Auch die Seeling-Entscheidung stehe dem nicht entgegen. Eine Vorlage dieser Rechtsfrage an den EuGH hielt der BFH nicht für geboten.  

     

    Praxishinweise

    Das Revisionsverfahren erging noch zu der bis 31.3.99 geltenden alten Rechtslage und basierte auf der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 28b UStG. Angesichts der Streichung dieser Regelung zum 1.4.99 stellt sich die Folgefrage der Beurteilung entsprechender Fälle in aktuellen Zeiträumen. Insofern bestimmt nun - seit dem zeitgleichen Wegfall der Eigenverbrauchsregelung in § 1 Abs. 1 Nr. 2 UStG - § 3 Abs. 9a UStG die Gleichstellung des Privatnutzungs-Umsatzes mit entgeltlichen Leistungsaustauschsbeziehungen. Diesbezüglich hatte der EuGH zwar in seiner Seeling-Entscheidung die Privatnutzung von Unternehmensgebäuden als (grundsätzlich) umsatzsteuerpflichtigen Umsatz gewertet. Dabei macht jedoch § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG die Steuerbarkeit solcher Privatnutzungsumsätze davon abhängig, dass Erwerb bzw. Errichtung des fraglichen Gegenstands den Unternehmer zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Vorliegend hatten die Eheleute hierzu argumentiert, die unterstellte Umsatzsteuerpflicht des Eigenverbrauchs sei Grundlage für den daraus folgenden Vorsteuerabzug. Auch hinsichtlich der ab 1.4.99 geltenden Rechtslage hat der BFH dies jüngst explizit bestätigt (BFH 11.3.09, XI R 69/07).  

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