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  • 01.02.2006 | Bundesfinanzhof

    Legasthenie-Behandlungen auf dem Prüfstand

    von Georg Nieskoven, Troisdorf
    Seit geraumer Zeit befasst sich der V. Senat des BFH mit der Einordnung der im Gesundheitswesen tätigen Unternehmer hinsichtlich der Einschlägigkeit der Umsatzsteuerbefreiung i.S. von § 4 Nr. 14 bzw. 16 UStG. Jüngst hatte er über die Einstufung der Leistungen einer Legasthenie-Therapeutin zu entscheiden und lehnte die Anwendung von § 4 Nr. 14 UStG wegen fehlender Qualität als „Heilbehandlung“ ab – so der BFH mit Urteil vom 18.8.05 (V R 71/03, Abruf-Nr. 053523). Gleichwohl sei eine Umsatzsteuerfreiheit im Hinblick auf eine EG-konforme Rechtsauslegung möglich, soweit die Unternehmerin ihre Leistungen vor dem Hintergrund der sozialen Fürsorge im Auftrag des Jugendamtes durchführte.

     

    Sachverhalt

    U war im Streitjahr 2000 vom städtischen Jugendamt beauftragt, im Rahmen der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche (§ 35a Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII i.V.m. §§ 39u. 40 BSHG), Legasthenie-Therapien durchzuführen. Daneben war sie als Dozentin sowie als pädagogisch-psychologische Beraterin tätig. Hinsichtlich ihrer Berufsausbildung hatte sie das Staatsexamen als Deutschlehrerin abgelegt, in Pädagogik promoviert und sich anschließend als geprüfte psychologische Beraterin zur Legasthenie-Therapeutin fortgebildet. Über eine Kassenzulassung für die Legasthenie-Therapien (§ 124 SGB V) verfügte sie nicht; die hierbei entstandenen Gebühren wurden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht und von den privaten Kassen nur teilweise bezahlt.  

     

    Das FA beurteile die Umsätze aus den im Auftrag des Jugendamtes durchgeführten Legasthenie-Therapien als umsatzsteuerpflichtig und lehnte den hiergegen eingelegten Einspruch ab. Demgegenüber gab das FG ihrer Klage mit der Begründung statt, bei der Legasthenie handele es sich um eine Krankheit und Ihre Therapeutinnentätigkeit sei als arztähnliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 EStG zu werten. Die Steuerfreiheit der Umsätze aus Legasthenie-Therapie führe auch zu einer Entlastung der öffentlichen Hand und erfülle damit den Normzweck der Kostensenkung im Gesundheitswesen. Soweit die Leistungen von den Jugendämtern vergütet würden, sei zudem eine gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-RL umsatzsteuerfreie Heilbehandlung gegeben. Der BFH schloss sich dem in der Revision zumindest im Ergebnis an. 

     

    Anmerkungen

    Anders als das FG hält der BFH im Ausgangsfall § 4 Nr. 14 UStG für nicht einschlägig. Nach § 4 Nr. 14 UStG seien nur Umsätze aus Heilbehandlung – also ärztliche oder arztähnliche Leistungen – begünstigt, für die der Unternehmer zudem einen entsprechenden beruflichen Befähigungsnachweis besitze. Die Umsätze der U erfüllten jedoch bereits die erste dieser Voraussetzungen nicht, da die Legasthenie-Therapie keine Heilbehandlung in diesem Sinne darstelle. Denn bei der Legasthenie handele es sich nicht um eine Krankheit im versicherungsrechtlichen Sinne, sondern Behandlungsziel sei vielmehr die schulische Ausbildung und weitere berufliche Qualifikation. Untermauert werde diese Sichtweise durch Entscheidungen in der Sozialgerichtsbarkeit, wonach nur in Einzelfällen eine Erstattung solcher Aufwendungen seitens der gesetzlichen Krankenversicherungen möglich ist.  

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