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  • 08.01.2010

    Finanzgericht München: Urteil vom 29.09.2004 – 9 K 3169/03

    1. Der Nachweis der krankheits- und nicht altersbedingten Heimunterbringung eines unterstützten Angehörigen ist nicht von formalen Kriterien wie der Feststellung einer Pflegestufe nach § 14 SGB XI oder der Vorlage eines Behindertenausweises mit den Merkzeichen Bl oder H entsprechend § 65 Abs. 2 EStDV abhängig (Entgegen dem BMF-Schreiben v. 2.12.2002 IV C 4 – S 2284 – 108/02, BStBl I 2002, 270).

    2. Aufwendungen für zwei- bis dreimal im Monat stattfindende Besuchsfahrten bei Zurücklegung einer Fahrstrecke von 140 km sind seitens des einzigen Kindes nicht als außergewöhnlich i.S. des § 33 EStG anzusehen und daher nicht abziehbar.

    3. Nach § 33 EStG sind nur die vom Heim in Rechnung gestellten Unterbringungskosten einschließlich eventueller Kosten für ärztliche Betreuung und Pflege abziehbar, nicht dagegen die vom Steuerpflichtigen gegebenenfalls getragenen Kosten der Lebensführung des Angehörigen. Diese Kosten sind ebenso wie Taschengeldzahlungen an den Angehörigen nur im Rahmen des § 33a Abs. 1 EStG zu berücksichtigen.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In der Streitsache

    wegen Einkommensteuer 1998 (nur Kl. 2)

    Einkommensteuer 1999 bis 2001

    hat der 9. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht …, des Richters am Finanzgericht … und des Richters am Finanzgericht … sowie der ehrenamtlichen Richter … und … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. September 2004

    für Recht erkannt:

    1. In Änderung des Einkommensteuerbescheides 1998 vom 10. Mai 2001 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2003 wird die Einkommensteuer 1998 auf 2.677,12 EUR herabgesetzt. In Änderung des Einkommensteuerbescheides 1999 vom 6. August 2001 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2003 wird die Einkommensteuer 1999 auf 8.262,48 EUR herabgesetzt. In Änderung des Einkommensteuerbescheides 2000 vom 5. Juni 2002 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2003 wird die Einkommensteuer 2000 auf 7.497,58 EUR herabgesetzt. In Änderung des Einkommensteuerbescheides 2001 vom 12. Mai 2003 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2003 wird die Einkommensteuer 2001 auf 481,64 EUR herabgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    2. Die Kosten des Verfahrens tragen zu 7/15 die Kläger und zu 8/15 der Beklagte.

    3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

    Tatbestand

    Die ab 1999 mit dem Kläger verheiratete und zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Klägerin ist Verwaltungsangestellte. Sie ist das einzige Kind der am … 1911 geborenen Frau H, die seit 1. August 1992 im Alten- und Pflegeheim X lebt. Die Klägerin bzw. ab 1999 die Kläger machten in ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre Kosten für die Unterbringung von Frau H im Altersheim in Höhe von 19.277,79 DM (1998), 19.257,18 DM (1999), 18.394,95 DM (2000) und 19.253,76 DM (2001) als außergewöhnliche Belastung geltend. Diese Kosten wurden dadurch ermittelt, dass die jährlichen Heimkosten zuzüglich der sonstigen Kosten von Frau H wie Versicherungen, Zeitungen, Telefon usw. zusammengezählt wurden. Außerdem wurde ein Taschengeld an Frau H in Höhe von 6.000 DM, Weihnachtszuwendungen an das Heimpersonal in Höhe von 750 DM bzw. 1.200 DM sowie Fahrtkosten für jährlich 31 bis 36 Fahrten der Klägerin zu Frau H mit dem Auto (einfache Entfernung 70 km) mit je 0,52 DM je Kilometer geltend gemacht. Von diesem jährlichen Gesamtbetrag an Kosten wurde die Rente von Frau H in Höhe von 20.344,38 DM (1998), 20.558,64 DM (1999), 20.763,18 DM (2000) und 21.059,31 DM (2001) in Abzug gebracht. Das beklagte Finanzamt (das Finanzamt -FA-) erkannte diese Kosten insgesamt nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastung an, da Frau H nicht in der Pflegeabteilung des Heims untergebracht sei und übernommene Kosten für die Unterbringung in einem Altenheim nur im Rahmen des § 33a Abs. 1 EStG berücksichtigt werden könnten. Die eigenen Einkünfte und Bezüge von Frau H überstiegen aber die Höchstgrenze des § 33a Abs. 1 EStG. Dagegen legten die Kläger Einspruch ein mit der Begründung, Frau H, die zwischenzeitlich 90 Jahre alt und zu 100 % gehbehindert sei, leide an Myasthenia gravis. Ein Antrag auf Pflegegeld sei bislang nicht gestellt worden, da Frau H bisher noch aus dem Rollstuhl heraus sich selbst versorgen könne. Sie sei jedoch auf die dauernde Versorgung durch das Heimpersonal angewiesen, von welchem sie die täglich notwendigen Medikamente, Augentropfen und Spritzen gegen Diabetes erhalte. Diese Leistungen seien vom Preis für das Heim mit umfasst. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2003). Das FA berief sich dabei auf das Schreiben des BMF vom 2. Dezember 2002 IV C 4 – S 2284 – 108/02, Bundessteuerblatt -BStBl- I 270, wonach der Nachweis einer krankheits- oder behinderungsbedingten Heimunterbringung nur erbracht sei, wenn eine Pflegestufe nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch festgestellt worden sei oder die Voraussetzungen des § 65 Abs. 2 EStDV vorliegen, was im Streitfall fehle.

    Dagegen richtet sich die Klage. Die Kläger tragen vor, die Auffassung der Finanzverwaltung, dass Kosten für die Unterbringung eines Angehörigen in einem Altersheim nur als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG abzugsfähig seien, wenn die krankheitsbedingte Unterbringung durch eine Bescheinigung über die Feststellung einer Pflegestufe nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch nachgewiesen sei oder wenn entsprechend § 65 Abs. 2 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) der Behindertenausweis das Merkzeichen „Bl” oder „H” enthalte, widerspreche der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der solche formalen Kriterien nicht aufgestellt habe. Frau H leide seit 1992 u.a. an Myasthenia gravis, einer umfassenden Muskelschwäche, die es ihr unmöglich gemacht habe, selbst einen Haushalt zu führen und sich allein zu versorgen. Auf dringendes ärztliches Anraten sei Frau H daher ab August 1992 in ein Altenheim gezogen. Die Krankheit habe nicht geheilt werden können, so dass die Heimunterbringung auch in der Folgezeit aus ärztlicher Sicht notwendig gewesen sei. Die Kläger legen zum Beweis ärztliche Bescheinigungen und Berichte vor, auf die hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird (ärztliche Beurteilung vom 10. Juli 1992, Attest vom 15. Juli 1992, ärztliche Berichte vom 21. September 1982, vom 15. April 1993, vom 14. Mai 1993, vom 14. Juni 1995, ärztliche Bescheinigung vom 17. Januar 1995). Frau H sei zudem seit Jahren behindert und habe einen Schwerbehindertenausweis. Mit Ausweis vom 26. November 1990 sei ein GdB von 60 mit dem Merkzeichen „G”, mit Ausweis vom 18. November 1997 ein GdB von 100 mit den Merkzeichen „G” und „aG” festgestellt worden. Das Merkzeichen „H” sei nicht beantragt worden, da die Wichtigkeit nicht bekannt gewesen sei. Ab 1. November 2002 sei Frau H in die Pflegestufe 1 eingestuft worden. Bei allen geltend gemachten Kosten, die in Anlage 1a bis 1d zur Klageschrift vom 31. Juli 2003 im Einzelnen aufgeführt werden, handle es sich um Kosten der krankheitsbedingten Unterbringung im Sinne der Rechtsprechung des BFH, die lediglich um eine Haushaltsersparnis zu kürzen seien. Die in den Kosten enthaltenen Fahrtkosten seien durch Besuche der Klägerin bei Frau H entstanden. Sie seien zur Versorgung der Mutter unbedingt notwendig gewesen. Da das Heim sich nicht in vollem Umfang um den einzelnen Heimbewohner kümmern könne, sei die Pflege durch Angehörige als Ergänzung zur Heimbetreuung unerlässlich.

    Die Kläger beantragen,

    in Änderung des Einkommensteuerbescheids 1998 der Klägerin vom 10. Mai 2001 und der hierzu erlassenen Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2003 und der Einkommensteuerbescheide der Kläger vom 6. August 2001 für 1999, vom 5. Juni 2002 für 2000, vom 12. Mai 2003 für 2001 und der hierzu erlassenen Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2003 die Einkommensteuer 1998 auf 2.328,42 EUR, die Einkommensteuer 1999 auf 7.140,70 EUR, die Einkommensteuer 2000 auf 5.938,66 EUR und die Einkommensteuer 2001 auf 0 EUR herabzusetzen.

    Der Beklagte beantragt Klageabweisung und beruft sich im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung. Auch für die geltend gemachten Kosten für Fahrten zum Altersheim lägen die Voraussetzungen für einen Abzug als außergewöhnliche Belastung angesichts der Anzahl der Besuche und der Entfernung von ca. 70 km nicht vor, denn Besuche der in einem Altersheim lebenden Mutter seien nicht ungewöhnlich, sondern entsprächen einem gesamtgesellschaftlichen Konsens.

    Auf Anforderung des Berichterstatters legten die Kläger mit Schreiben vom 18. Dezember 2003 die Bankauszüge von Frau H im Zeitraum 1998 bis 2001 sowie verschiedene Rechnungen über Kosten von Frau H vor, auf die Bezug genommen wird. Mit Schreiben vom 20. September 2004 machten die Kläger ergänzende Erläuterungen zur Höhe der von derKlägerin getragenen Heimkosten. Auf die Schriftsätze und vorgelegten Unterlagen sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung wird Bezug genommen.

    Gründe

    Die Klage ist teilweise begründet. Zu Unrecht hat das FA es abgelehnt, die von der Klägerin getragenen Kosten für die Unterbringung ihrer Mutter in einem Altersheim als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG zu berücksichtigen. Die von den Klägern geltend gemachten Kosten können jedoch nur zum Teil angesetzt werden.

    1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (BFH-Urteil vom 29. September 1989 III R 129/86, BStBl II 1990, 418). Zu den üblichen Aufwendungen der Lebensführung rechnen regelmäßig auch die Kosten für die altersbedingte Unterbringung in einem Altersheim (BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 III R 80/97, BStBl II 2000, 294 m.w.N.).

    Allerdings kann auch im Falle der Heimunterbringung der Tatbestand des § 33 EStG ausnahmsweise erfüllt sein, wenn der dortige Aufenthalt ausschließlich durch eine Krankheit veranlasst ist, denn Krankheitskosten sind immer zwangsläufig. Zu den Krankheitskosten gehören nicht nur die Aufwendungen für medizinische Leistungen im engeren Sinn, sondern auch solche für eine krankheitsbedingte Unterbringung (BFH-Urteil vom 18. April 2002 III R 15/00, BStBl II 2003, 70). In diesem Fall sind die gesamten vom Heim in Rechnung gestellten Kosten für Unterbringung und Verpflegung abzüglich einer Haushaltsersparnis in Höhe der ersparten Verpflegungs- und Unterbringungskosten als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG zu berücksichtigen.

    Diese Grundsätze kommen auch zur Anwendung, wenn einem Steuerpflichtigen Kosten für die Heimunterbringung eines Angehörigen entstehen, weil dieser sie nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen bestreiten kann, mit der Maßgabe, dass es sich bei Kosten für eine lediglich altersbedingte Unterbringung um Unterhaltsaufwendungen handelt, die nur im Rahmen des § 33a Abs. 1 EStG berücksichtigt werden können, während Kosten für eine krankheitsbedingte Unterbringung eines Angehörigen nach § 33 EStG berücksichtigt werden können (BFH in BStBl II 2000, 294).

    2. Im Streitfall steht es zur Überzeugung des Senats fest, dass die Übersiedlung von Frau H in das Altersheim im Jahr 1992 unmittelbar durch ihre Erkrankung an Myasthenia gravis bedingt war und nicht lediglich wegen ihres Alters und der damit verbundenen Erschwernisse bei der Führung eines eigenen Haushaltes. Dies ergibt sich aus den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen und Berichten, aus denen sich unzweifelhaft ergibt, dass Frau H nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus im Juli 1992 wegen der durch die Krankheit ausgelösten Muskelschwäche nicht mehr in der Lage war, sich selbst zu versorgen und einen eigenen Haushalt zu führen. Von ärztlicher Seite wurde daher die Unterbringung in einem Altersheim dringend angeraten. Dass Frau H nicht in der Pflegestation des Heimes untergebracht war, widerspricht dem nicht. Frau H war bei ihrem Einzug ins Altersheim 81 Jahre alt und noch kein Pflegefall; denn sie konnte ihre gewöhnlichen täglichen Verrichtungen wie Waschen, Essen usw. (vgl. § 14 Abs. 4 des Elften Buches Sozialgesetzbuch – SGB XI –) noch selbst vornehmen. Das ändert aber nichts daran, dass nur im Heim ihre übrige Versorgung, die sie wegen der Folgen ihrer Krankheit nicht mehr allein vornehmen konnte, sichergestellt war. Aus demselben Grund kann auch der Auffassung der Verwaltung (BMF-Erlass vom 2. Dezember 2002 IV C 4 – S 2284 – 108/02, BStBl II 2002, 1389), wonach eine krankheits- oder behinderungsbedingte Heimunterbringung nur nach § 33 EStG berücksichtigt werden könne, wenn eine Pflegestufe nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch festgestellt worden sei, nicht gefolgt werden. Die Zwangsläufigkeit von Krankheitskosten i.S.v. § 33 EStG ist nicht von einer bestimmten Qualität der Krankheit abhängig und ist nicht daran gekoppelt, dass die Voraussetzungen für eine Pflegestufe nach § 15 SGB XI gegeben sind. Es widerspräche auch der Systematik des Einkommensteuerrechts, bei Kosten, die durch eine krankheitsbedingte Heimunterbringung eines Angehörigen entstanden sind, höhere Anforderungen für eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung zu stellen, als dies bei sonstigen Krankheitskosten der Fall ist (vgl. BFH-Urteil vom 11. Juli 1990 – III R 111/86, BStBl II 1991, 62). Es gibt auch keine Rechtsgrundlage dafür, einen Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen „Bl” oder „H” nach § 64 Abs. 2 EStDV zu verlangen, denn in § 33 EStG hat der Gesetzgeber keine dem § 33b Abs. 7 EStG in Verbindung mit § 65 EStDV entsprechende Regelung getroffen. Bestimmte formale Kriterien sind an den Nachweis der krankheitsbedingten Unterbringung in einem Heim nicht zu stellen (ebenso FG Saarland, Urteil vom 26. November 2002 2 K 157/00, Juris; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. März 2000 4 K 1899/98, DStRE 2000, 636; Schmidt/Drenseck, EStG, 23. Auflage, § 33 Rz. 35 „Altersheim”).

    3. Allerdings fallen unter die nach § 33 EStG berücksichtigungsfähigen Kosten für die krankheitsbedingte Heimunterbringung nur die vom Heim in Rechnung gestellten Unterbringungskosten einschließlich eventueller Kosten für ärztliche Betreuung und Pflege, nicht dagegen die von der Klägerin gegebenenfalls getragenen Kosten der Lebensführung von Frau H wie Versicherungen, Kleidung etc., deren Abzug die Kläger ebenfalls beantragt haben (BFH in BStBl II 2000, 294). Diese Kosten gehören – ebenso wie die geltend gemachten Taschengeldzahlungen an Frau H – zu den typischen Aufwendungen für den Unterhalt einer unterhaltsberechtigten Person, die nur im Rahmen des § 33a Abs. 1 EStG abzugsfähig sind. Wegen der Höhe der eigenen Einkünfte von Frau H kommt ein Abzug nach § 33a Abs. 1 EStG unstreitig nicht in Betracht.

    Weihnachtszuwendungen an das Heimpersonal sind nicht zwangsläufig, sondern freiwillige Zuwendungen und daher nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Der Senat verweist auf das Urteil des BFH vom 30. Oktober 2003 III R 32/01, BStBl II 2004, 270, in dem Gleiches für Trinkgelder anlässlich einer Heilbehandlung entschieden wurde.

    Auch die Kosten der Klägerin für die Besuchsfahrten sind nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Als unmittelbare Krankheitskosten können Aufwendungen für Besuchsfahrten nur dann anerkannt werden, wenn sie den strengen Anforderungen an die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen genügen (BFH-Beschluss vom 3. Juli 1998 III B 37/98, BFH/NV 1999, 298). Dazu ist erforderlich, dass die Aufwendungen medizinisch indiziert sind und dass gerade der Besuch des Angehörigen zur Heilung oder Linderung einer bestimmten Krankheit entscheidend beizutragen vermag (BFH-Urteil vom 24. Mai 1991 III R 28/89, BFH/NV 1992, 96). Dagegen sind Aufwendungen für Besuchsfahrten, die der Steuerpflichtige auch ohne Erkrankung des Angehörigen üblicherweise ausgeführt hätte, nicht außergewöhnlich i.S. des § 33 EStG und daher nicht nach dieser Vorschrift abziehbar (BFH-Urteil vom 6. April 1990 III R 60/88, BStBl II 1990, 958). Die Klägerin hat in den Streitjahren jeweils zwischen 31 und 36 Besuchsfahrten durchgeführt. Sie hat ihre Mutter also im Durchschnitt zwei- bis dreimal im Monat besucht und dabei jeweils eine Fahrtstrecke von 140 km zurückgelegt. Dem FA ist darin zuzustimmen, dass es keineswegs außergewöhnlich, sondern vielmehr üblich ist, wenn die allein in einem Heim lebende Mutter von ihrem einzigen Kind zwei- bis dreimal im Monat besucht wird. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Klägerin ihre Mutter in einer Fahrzeit von ca. einer Stunde erreichen kann. Es wird nicht bezweifelt, dass die Klägerin bei ihren Besuchen ergänzende Pflege- und Betreuungsmaßnahmen vorgenommen und ihre Mutter gelegentlich zum Arzt begleitet hat. Es wird jedoch weder vorgetragen noch ist es angesichts des größeren zeitlichen Abstands zwischen den Besuchen anzunehmen, dass die Besuche einer speziellen Therapie gedient hätten. Entscheidend ist, dass im Vordergrund der Besuche die Pflege der familiären Beziehungen steht, wobei es üblich ist und einem gesamtgesellschaftlichen Konsens entspricht, dass die allein lebende und gebrechliche Mutter von ihrer Tochter bei dieser Gelegenheit auch nach individuellen Kräften betreut wird. Auch kann es angesichts des relativ geringen Umfangs der Besuche ausgeschlossen werden, dass die Begleitung der Mutter zum Arzt das familiär Übliche überschritten hat.

    4. Aus den vorgelegten Bankauszügen von Frau H für die Streitjahre ist ersichtlich, dass die Zahlung des Heimentgelts stets vom Konto von Frau H erfolgt ist. Die Klägerin hat sich an den Heimkosten insoweit beteiligt, als sie laufende, meist monatliche Überweisungen auf das Konto von Frau H getätigt hat bzw. im Jahr 1999 zweimal die Erlöse aus dem Verkauf von Wertpapieren in Höhe von insgesamt 11.310,03 DM dem Konto von Frau H gutschreiben ließ. Insgesamt beteiligte sich die Klägerin in folgender Höhe an den Heimkosten:

    199814.500 DM
    199915.610 DM
    20008.000 DM
    20019.000 DM.


    Die von den Klägern geltend gemachten Kosten sind jedoch nur insoweit als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, als die eigenen Einkünfte und Bezüge von Frau H, abzüglich eines angemessenen Betrags für den zusätzlichen persönlichen Bedarf, nicht zur Deckung der Heimkosten ausreichen. Nur insoweit liegt Zwangsläufigkeit i.S.v. § 33 EStG vor. In Anbetracht des Gebots der Gleichmäßigkeit der Besteuerung erscheint es sachgerecht, hierbei die von der Verwaltung verwendeten Berechnungsgrundlagen (siehe BMF-Schreiben in BStBl I 2002, 1389, insbesondere Beispiel 2) heranzuziehen. Dadurch ergeben sich folgende Höchstbeträge:

    1998199920002001
    1. Heimkosten27.521 DM26.068 DM28.090 DM28.038 DM
    2. Eigene Einkünfte/Bezüge von Frau H (Rente abzüglich Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 2.000 DM und Kostenpauschale von 180 DM) 20.344 DM20.558 DM20.763 DM21.059 DM
    - 2.180 DM- 2.180 DM- 2.180 DM- 2.180 DM
    18.164 DM18.378 DM18.583 DM18.879 DM
    abzüglich pauschaler Betrag für den zusätzlichen Bedarf von Frau H- 3.000 DM- 3.000 DM- 3.000 DM- 3.000 DM
    verbleibender Betrag (mindestens Haushaltsersparnis von 14.040 DM) 15.164 DM15.378 DM15.583 DM15.879 DM
    Heimkosten (Ziff. 1)27.521 DM28.068 DM28.090 DM28.038 DM
    - verbleibender Betrag (Ziff. 2)15.164 DM15.378 DM15.583 DM15.879 DM
    = Höchstbetrag der nach § 33 zu berücksichtigenden Heimkosten 12.357 DM12.690 DM12.507 DM12.159 DM


    Damit ist im Streitjahr 1998 anstelle der tatsächlichen Aufwendungen lediglich ein Betrag von 12.357 DM und in 1999 ein Betrag von 12.690 DM zu berücksichtigen, in den übrigen Jahren sind die tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin von 8.000 DM (2000) und 9.000 DM (2001) anzusetzen. Dadurch ergibt sich folgende Einkommensteuer:

    1998
    außergewöhnliche Belastung lt. FA (Überbelastungsbetrag)4.549 DM
    + Kosten für Heimunterbringung lt. Urteil12.357 DM
    Gesamtbetrag § 33 EStG16.906 DM


    zu versteuerndes Einkommen lt. FA48.186 DM
    zu versteuerndes Einkommen lt. Urteil31.280 DM
    Einkommensteuer (Grundtabelle)5.236 DM
    umgerechnet2.677,12 EUR
    1999
    außergewöhnliche Belastung lt. FA4.887 DM
    + Kosten für Heimunterbringung lt. Urteil12.690 DM
    Gesamtbetrag17.577 DM
    ./. zumutbare Belastung6.459 DM
    Überlastungsbetrag11.118 DM
    zu versteuerndes Einkommen lt. FA93.643 DM
    zu versteuerndes Einkommen lt. Urteil82.525 DM
    Einkommensteuer (Splittingtabelle)16.160 DM
    umgerechnet8.262,48 EUR
    2000
    außergewöhnliche Belastung lt. FA2.782 DM
    + Kosten für Heimunterbringung lt. Urteil8.000 DM
    Gesamtbetrag10.782 DM
    ./. zumutbare Belastung4.708 DM
    Überlastungsbetrag6.074 DM
    zu versteuerndes Einkommen lt. FA80.197 DM
    zu versteuerndes Einkommen lt. Urteil74.123 DM
    Einkommensteuer unter Anwendung des
    Progressionsvorbehalts (Splittingtabelle)14.664 DM
    umgerechnet7.497,58 EUR
    2001
    außergewöhnliche Belastung lt. FA2.151 DM
    + Kosten für Heimunterbringung lt. Urteil9.000 DM
    Gesamtbetrag11.151 DM
    ./. zumutbare Belastung2.340 DM
    Überlastungsbetrag8.811 DM
    zu versteuerndes Einkommen lt. FA37.037 DM
    zu versteuerndes Einkommen lt. Urteil28.226 DM
    Einkommensteuer unter Anwendung des Progressionsvorbehalts (Splittingtabelle)942 DM
    umgerechnet481,64 EUR


    5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO); die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 2, 151 Abs. 3, 155 FGO, §§ 708 Ziff. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

    VorschriftenEStG § 33 Abs. 1, EStG § 33a Abs. 1, SGB XI § 14, SGB XI § 15