08.01.2010
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 16.01.2003 – 4 K 1937/99
Erstattet der Arbeitnehmer ein irrtümlich überzahltes Gehalt zurück, so ist diese Rückzahlung bei der Einkommensteuerveranlagung des Jahres der Überzahlung einnahmenmindernd zu berücksichtigen.
Die Rückerstattung des überzahlten Arbeitslohns stellt ein rückwirkendes Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit dar. Nach § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG zählen zu den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit nur die tatsächlich für eine Beschäftigung geleisteten Einnahmen, so dass der Steuerpflichtige bei der Rückzahlung eines darüber hinausgehenden Gehalts, unabhängig von § 11 EStG, so gestellt werden muss, als ob er von Anfang an zutreffend besteuert worden wäre.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Rückerstattung von irrtümlich zu viel überwiesenem Gehalt steuerrechtlich als Arbeitslohn einzuordnen und in welchem Jahr die Rückzahlung des überbezahlten Gehaltes bei dem Arbeitnehmer zu berücksichtigen ist.
Die Kläger wurden in den Streitjahren 1995 bis 1997 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte bis 30. November 1996 als Sozialarbeiter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, ab 19. Juli 1995 aufgrund rückwirkender Bewilligung vom 5. März 1996 Berufsunfähigkeitsrente und ab 1. Dezember 1996 Erwerbsunfähigkeitsrente. Die Klägerin erzielte keine Einkünfte. Für das Veranlagungsjahr 1995 erließ der Beklagte am 20. März 1996 einen Einkommensteuerbescheid, den er am 28. Februar 1997 wegen später nachgewiesener Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers nach § 175 AO änderte. Am 11. Juni 1997 erging gegenüber den Klägern ein Einkommensteuerbescheid für das Veranlagungsjahr 1996. Am 10. Juli 1997 soll der Kläger, wie aus einem Schreiben des Beklagten an den Kläger hervorgeht, eine Änderung der Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungsjahre 1995 und 1996 beantragt haben. Aus den Akten nicht ersichtlich ist, ob dieser Antrag (fern-)mündlich oder schriftlich gestellt wurde, da weder ein Schreiben der Kläger noch eine Aktennotiz des zuständigen Sachbearbeiters beim Beklagten in den Akten vorhanden ist. Für die beantragte Änderung legte der Kläger dem Beklagten besondere Lohnsteuerbescheinigungen seines Arbeitsgebers vom 18. Juli 1997 für die Kalenderjahre 1995 und 1996 vor. Aus den besonderen Lohnsteuerbescheinigungen ergibt sich u.a. ein verminderter Bruttoarbeitslohn (1995: 74.860,66 DM anstatt 78.133 DM, 1996: 51.916,31 DM anstatt 72.261,12 DM) und ein verminderter Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag (1995: 9.507,35 DM anstatt 9.931,31 DM, 1996: 6.765,06 DM anstatt 9.403,38 DM). Im Übrigen wird auf die Lohnsteuerkarten sowie die besonderen Lohnsteuerbescheinigungen Bezug genommen. Die Ausstellung der besonderen Lohnsteuerbescheinigungen liegt im folgenden Sachverhalt begründet: Der Kläger bezog aufgrund von Arbeitsunfähigkeit ab dem 3. November 1995 Krankenbezüge im Rahmen der Lohnfortzahlung. Nach § 71 Abs. 2 BAT werden Krankenbezüge nicht über den Zeitraum hinaus gezahlt, von dem an ein Angestellter Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung, hier: Berufsunfähigkeitsrente, erhält, wobei jedoch ein Zeitraum von 6 Wochen (Lohnfortzahlungsverpflichtung des Arbeitgebers) unberücksichtigt bleibt. Überbezahlte Krankenbezüge gelten nach der o.g. Regelung als Vorschüsse auf die zustehenden Rentenbezüge, die Ansprüche gehen insoweit auf den Arbeitgeber über (vgl. Bl. 58 der ESt-Akte). In der Zeit vom 15. Dezember 1995, also nach Ablauf der 6-Wochenfrist, bis zum 31. März 1997 wurden Krankenbezüge und vom 1. April bis 14. Mai 1996 Urlaubsvergütung von insgesamt 23.617,50 DM brutto seitens des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers überbezahlt. Im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs vom 19. März 1997 vor dem Arbeitsgericht S vereinbarte der Kläger mit seinem ehemaligen Arbeitgeber die Rückzahlung eines Betrages von 7.248,29 DM. Von der Rückforderung der in der Zeit vom 15. Dezember 1995 bis 31. März 1996 gezahlten Krankenbezüge sah der ehemalige Arbeitgeber des Klägers gemäß § 71 Abs. 2 BAT ab und verzichtete insoweit auf eine Erstattung. Daraufhin stellte der ehemalige Arbeitgeber dem Kläger die besonderen Lohnsteuerbescheinigungen aus, was er wie folgt begründete: Überbezahlte Krankenbezüge gelten als Vorschüsse auf die zustehenden Rentenbezüge und unterliegen somit nicht der Sozialversicherungs- und Lohnsteuerpflicht. Die zunächst als Krankenbezüge gezahlten Beträge würden steuerlich zu einer Erstattung von Arbeitslohn führen. Insofern verwies er auf die Besprechung der Lohnsteuerreferenten des Bundes und der Länder vom 10.-13. September 1991, bei der zur steuerlichen Behandlung der Rückzahlung von Krankenbezügen folgende Auffassung vertreten wurde: „Krankenbezüge, die als Vorschüsse auf Beträge aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzusehen sind, gelten rückwirkend als Rentenbezüge, die nach § 22 EStG zu versteuern sind. Deshalb sind die bisher lohnsteuerpflichtigen Krankenbezüge als sonstige Einkünfte (§ 22 EStG) als Arbeitslohn rückgängig zu machen. Wirkt die nachträgliche Feststellung des Rentenanspruches auf Zeiträume zurück, für die bereits Steuerbescheide vorliegen, so sind diese nach §175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern. (vgl. Bl. 58, a.a.O.)”.
Im Rahmen der amtlichen Ermittlungen zu diesem Sachverhalt stellte sich dabei weiter heraus, dass der Kläger wegen seiner krankheitsbedingten Fehlzeiten Fahrten zu seiner Arbeitsstätte nicht korrekt angegeben hatte.
Der Beklagte berücksichtigte im Rahmen der erneuten Überprüfung für die Jahre 1995 und 1996, dass die überbezahlten Krankenbezüge Vorschüsse auf die zustehenden Rentenbezüge darstellen und nahm deswegen, wie in den besonderen Lohnsteuerbescheinigungen ausgewiesen, eine Reduktion der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vor und berücksichtigte insoweit in Höhe des Ertragsanteils der Zahlungen sonstige Einkünfte. Aus der internen Darstellung des Beklagten ergibt sich, dass er für das Veranlagungsjahr 1995 Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit über 74.860,66 DM zugrunde legte, aufgrund der korrigierten Fahrtkosten des Klägers niedrigere Werbungskosten von 1.768 DM errechnete sowie Renteneinkünfte von 1.606 DM berücksichtigte, so dass sich eine Änderung des zu versteuernden Einkommens auf 46.975 DM (ursprünglich: 46.897 DM) ergab, was jedoch zu keiner Änderung der tariflichen Einkommensteuer führte (jeweils 7.486 DM). Wegen der fehlenden Änderung der Steuerfestsetzung verzichtete der Beklagte auf eine Änderung des Einkommensteuerbescheides für 1995. Für das Kalenderjahr 1996 ergaben sich aufgrund der neu zu berücksichtigenden Tatsachen diverse Änderungen, so dass der Beklagte den Einkommensteuerbescheid für 1996 mit Bescheid vom 27. Januar 1999 abänderte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den ursprünglichen Bescheid und den Änderungsbescheid verwiesen.
Am 15. Februar 1999 beantragte der Kläger durch persönliche Vorsprache an Amtsstelle, über die eine Gesprächsnotiz durch die zuständige Sachbearbeiterin gefertigt wurde, die Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 erneut zu ändern und zwar wie folgt: Für das Jahr 1995 begehrte er eine Kürzung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um 794,74 DM für von ihm an seinen Arbeitgeber zurückbezahltes Gehalt sowie um eine Erhöhung der Sonderausgaben um 601,95 DM, entsprechend begehrte er für 1996 eine Kürzung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um 1.449,66 DM sowie eine Erhöhung der Sonderausgaben um 5.030 DM. Er begründete diese Verminderung seines Gehalts damit, dass er aufgrund des gerichtlichen Vergleichs an seinen ehemaligen Arbeitgeber in 1997 Lohn zurückerstatten musste, der wirtschaftlich die Jahre 1995 und 1996 in der genannten Höhe betreffe. Die höheren Sonderausgaben (Krankenkassenbeiträge) wies der Kläger durch entsprechende Bescheinigungen nach. Der für die Kläger zuständige Sachbearbeiter nahm hierüber eine Gesprächsnotiz auf, die dieser, nicht jedoch der Kläger, unterzeichnete. Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage folgte der Beklagte dem Begehren des Klägers, soweit es sich um die Erhöhung der Sonderausgaben ging, änderte jedoch diesbezüglich die Einkommensteuerbescheide nicht, da, bedingt durch die Höchstbetragsbegrenzung, sich hierdurch keine steuerlichen Auswirkungen ergeben würden. Hinsichtlich des zurückbezahlten Arbeitslohnes verwies er darauf, dass für die steuerliche Berücksichtigung sich nach § 11 Einkommensteuergesetz -EStG- maßgebend der Zu- und Abfluss darstelle, so dass der zurückbezahlte Arbeitslohn nur im Jahr der Zahlung, mithin in 1997, Berücksichtigung finden könne. Aus diesen Gründen lehnte er den Antrag des Klägers auf Änderung der Einkommensteuerbescheide mit Ablehnungsbescheid vom 17. Februar 1999 ab. Hiergegen wendeten sich die Kläger mit bei dem Beklagten am 22. Februar 1999 eingegangen Einspruch. Darin führten die Kläger aus, dass sie gegen „den Ablehnungsbescheid vom 17.2.1999” Einspruch einlegen und sodann: „Gestritten wird um die steuerliche Berücksichtigung von zurückbezahltem Arbeitslohn”. Ein expliziter Angriff gegen die Nichtauswirkung der Sonderausgaben fand nicht statt. Unter Verweisung auf den gerichtlichen Vergleich vom 19. März 1997 begehren sie die Berücksichtigung von 1997 zurückgezahlten 7.248,29 DM, wovon 794,97 DM auf 1995 und 6.453,32 DM auf 1996 entfielen. Im Übrigen wiederholten sie ihr bisheriges Vorbringen. Mit Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 1999 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück, wobei er den Einspruch auf den gesamten Inhalt des Ablehnungsbescheides vom 17. Februar 1999, einschließlich der Sonderausgaben, bezog. Er bekräftigte darin seine Rechtsauffassung, dass einer Berücksichtigung der Lohnrückzahlungen in 1997 für die Kalenderjahre 1995 und 1996 das Zu- und Abflussprinzip nach § 11 EStG entgegenstehe. In seiner Einspruchsbegründung ging der Beklagte ferner davon aus, dass die Einkommensteuerbescheide bestandskräftig seien. Im Übrigen verwies der Beklagte darauf, dass es den Klägern unbenommen bleibe, für 1997 eine Veranlagung zur Einkommensteuer zu beantragen. Für den Fall eines negativen Gesamtbetrages der Einkünfte sei insofern ein Verlustrücktrag nach § 10d EStG möglich. Nach der Aktenlage sei dies aber nicht zu erwarten, da der Gesamtbetrag der Einkünfte mit 1.090 DM positiv sei.
Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr außergerichtliches Rechtsschutzbegehren, Verlustabzug über 7.248,29 DM für das Jahr 1995 und 1996, weiter. Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens haben die Kläger die Einkommensteuerveranlagung für 1997 beantragt, welcher der Beklagte mit Einkommensteuerbescheid vom 26. Januar 2000 nachkam. Hieraus ergibt sich ein positiver Gesamtbetrag der Einkünfte von 1.088 DM sowie eine tarifliche Einkommensteuer von Null DM. Den hiergegen eingelegten Einspruch hat der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 10. April 2000 mangels Beschwer als unzulässig zurückgewiesen. Mit bei Gericht am 5. Mai 2000 eingegangenen Schriftsatz haben sich die Kläger auch gegen den Einkommensteuerbescheid 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung gewandt.
Sie beantragen unter Berücksichtigung ihrer im Einspruchsverfahren gestellten Anträge, da die Kläger im Klageverfahren keinen expliziten Antrag gestellt haben, sinngemäß,
unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 17. Februar 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 1999 den Beklagten zu verpflichten, den geänderten Einkommensteuerbescheid 1995 vom 28. Februar 1997 und den geänderten Einkommensteuerbescheid 1996 vom 27. Januar 1999 dahin zu ändern, dass im Veranlagungsjahr 1995 ein Betrag von 794,97 DM und im Veranlagungsjahr 1996 ein Betrag von 6.453,32 DM als negative Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden.
Hinsichtlich der Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 1997 vom 26. Januar 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. April 2000 haben die Kläger keinen bestimmten oder auslegungsfähigen Antrag gestellt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist auf seine Einspruchsbegründung und trägt ergänzend vor: Er teile die Rechtsauffassung der Kläger, dass die zu Unrecht überwiesenen Krankenbezüge als Renteneinkünfte zu berücksichtigen seien. Er habe dies entsprechend in den jeweiligen Veranlagungen auch berücksichtigt, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit insoweit vermindert und stattdessen sonstige Einkünfte für 1995 von 1.608 DM und für 1996 von 4.203 DM berücksichtigt. Den Einkommensteuerbescheid 1995 habe er nicht aufgehoben, weil die Kürzung der Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit um 1.768 DM saldiert mit den Renteneinkünften von 1.608 DM nicht zu einer Änderung der festgesetzten Einkommensteuer geführt hätte. Die seitens der Kläger gezogene Schlussfolgerung, in den Veranlagungsjahren 1995 und 1996 sei es zu einer doppelten Versteuerung gekommen, gehe ins Leere, weil der Kläger seinem ehemaligen Arbeitgeber die zu Unrecht erhaltenen Zahlungen erst im Kalenderjahr 1997 und nicht vorher zurücküberwiesen habe. Die 1995 und 1996 von der BfA und der Zusatzkasse gewährten Renten wären nur in der für diese beiden Zeiträume tatsächlich gezahlten Höhe zur Besteuerung herangezogen. Gemäß § 11 Abs. 2 EStG sei die Rückzahlung im Veranlagungsjahr 1997 zu berücksichtigen. Ein Verlustrücktrag in die Jahre 1995 und 1996 sei mangels eines im Veranlagungsjahr 1997 nicht gegebenen negativen Gesamtbetrags der Einkünfte nicht möglich.
Die Parteien haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Gründe
Soweit die Klage zulässig ist, hat sie in der Sache Erfolg.
I.
1. a) Das klägerische Rechtsschutzbegehren war dahingehend auszulegen, dass die Kläger für die Veranlagungsjahre 1995 und 1996 eine Verpflichtungsklage auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides nach § 175 AO begehren, da beide Einkommensteuerbescheide bereits bestandskräftig sind.
b) Für den Einkommensteuerbescheid 1995 folgt die Bestandskraft bereits daraus, dass gegen den Bescheid vom 28. März 1996 kein Rechtsbehelf eingelegt wurde und die spätere Änderung des Einkommensteuerbescheides nach § 175 AO gemäß § 351 AO den Steuerbescheid nur insoweit angreifbar machte, als die Änderung reicht, im Übrigen auch gegen diesen geänderten Bescheid kein Rechtsbehelf erfolgte.
c) Auch der Einkommensteuerbescheid 1996 ist bereits bestandskräftig. Zugunsten der Kläger war wohl davon auszugehen, dass der Abänderungsantrag der Kläger vom 10. Juli 1997 bei dem Beklagten schriftlich eingegangen ist, da die insoweit unvollständige Aktenführung des Beklagten, aus der sich ein solcher Antrag nicht ergibt, sondern nur ein Schreiben des Beklagten, bei dem auf diesen Antrag Bezug genommen wird, nicht zu Lasten der Kläger gehen darf sowie ferner, dass der Abänderungsantrag als Einspruch zu werten war. Bestandskraft trat jedoch spätestens dadurch ein, dass die Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid vom 27. Januar 1999 keinen Rechtsbehelf eingelegt haben. Der Kläger sprach wohl am 15. Februar 1999 und damit innerhalb der laufenden Einspruchsfrist persönlich an Amtsstelle vor und beantragte eine erneute Abänderung des Einkommensteuerbescheides. Dieser Antrag, selbst wenn er als Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid zu werten wäre, erfolgte jedoch nicht in der notwendigen Form. Nach § 357 Absatz 1 Satz 1 AO kann der Einspruch schriftlich oder zur Niederschrift erklärt werden. Eine Erklärung zur Niederschrift liegt jedoch nicht vor, wenn die zuständige Sachbearbeiterin lediglich eine Gesprächsnotiz von einer persönlichen Vorsprache an Amtsstelle fertigt (vgl. OVG Weimar, Beschluss vom 17. Mai 2001, 4 ZKO 263/01, NVwZ-RR 2002, 408). Ein mündlich bei der zuständigen Finanzbehörde vorgebrachter Einspruch reicht selbst dann nicht, wenn er schuldhaft nicht protokolliert worden ist (BFH/NV 1989, 547).
2. Die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 1997 war als unzulässig abzuweisen, da die Kläger insoweit keinen auslegungsfähigen Klageantrag angebracht haben. Ein richterlicher Hinweis konnte unterbleiben, da dem klägerischen Begehren bereits durch die Stattgabe der Klage hinsichtlich der Veranlagungsjahre 1995 und 1996 voll entsprochen wurde und den Klägern durch die insoweit erfolgte Abweisung keine Rechtsnachteile, auch nicht hinsichtlich der Kosten, entstanden sind.
II. Soweit die Klage zulässig ist, war ihr stattzugeben.
1. Dem Beklagten ist wohl insoweit zuzustimmen, dass Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 19 EStG) gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG der Einnahmenüberschussrechnung unterfallen. Einnahmen gelten grundsätzlich nach § 11 Abs. 1 EStG innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in denen sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind, Werbungskosten sind nach § 11 Abs. 2 EStG als Ausgaben für das Kalenderjahr abzusetzen, in denen sie geleistet worden sind. Damit ordnet der Gesetzgeber ein Zufluss-Abflussprinzip, eine Kassenrechnung an, d.h. maßgebend für die steuerrechtliche Berücksichtigung sind der Zeitpunkt der Ein- oder Auszahlung. Als unerheblich erweist sich, welchem Zeitraum eine Ein- oder Auszahlung wirtschaftlich zuzuordnen ist, da eine periodengerechte Rechnungslegung, die für andere Einkunftsarten Anwendung findet (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG), im Bereich der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht stattfindet.
2. a) Die überbezahlten hier in Streit stehenden irrtümlichen Zahlungen des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers zählen jedoch nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 Abs. 1 EStG. Bereits in der zur Veröffentlichung bestimmten Entscheidung des Senats vom 19. Dezember 2002 - 4 K 2257/01 - wurde in Frage gestellt, ob versehentliche Lohnzahlungen zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören. Während die Qualifizierung von irrtümlich gezahlten Arbeitslohn im angesprochenen Verfahren dahinstehen konnte, knüpft der Senat wie folgt an seine Rechtsprechung an: Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Löhne, Gehälter, Gratifikationen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Dabei ist gleichgültig, ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG) und unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie gewährt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV -). Erforderlich ist jedoch, wenn es sich um Bezüge handelt, auf die kein Rechtsanspruch besteht, dass diese Zahlungen durch den Arbeitgeber freiwillig geleistet werden und nicht aufgrund eines Irrtums. Denn in diesem Fall fehlt es an der erforderlichen Beziehung zwischen Zahlung und Dienstverhältnis, die § 19 EStG voraussetzt. Dort heißt es, dass zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören, die „ für ” eine Beschäftigung gewährt werden. Dies ist nicht der Fall, wenn die Zahlung wie hier lediglich auf einem Irrtum beruht.
b) Dieser Rechtsauffassung des Senats steht nicht entgegen, dass nach gefestigter Rechtsprechung von einem weiten Verständnis des Einkünftebegriffs aus nichtselbständiger Arbeit auszugehen ist. So wird im Rahmen der Rechtsprechung zu Gelegenheitsgeschenken (grundlegend BFH, Urteil vom 22. März 1985 - VI R 26/82, BFHE 143, 539) betont, dass eine Zuwendung durch das individuelle Dienstverhältnis auch veranlasst ist, wenn der Vorteil nur deshalb gewährt wird, weil der Zuwendungsempfänger Arbeitnehmer dieses Arbeitgebers ist, der Vorteil also mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird, und wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist. An einer solchen Gegenleistung mangelt es jedoch, wenn die Zahlung allein durch Irrtum beeinflusst ist (vgl. von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, § 9 B 63, zur irrtümlichen Zahlung bei Werbungskosten, sowie Trzaskalik, a.a.O. § 11 B 70).
c) Grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, dass Zahlungen eines Arbeitgebers durch ein Dienstverhältnis veranlasst sind (vgl. Schmidt/Drenseck, EStG, 21. Aufl. § 19 Rz. 24 mit Hinweis auf das BFH-Urteil vom 06. April 1993 - VIII R 68/90, BStBl II 1993, 825, 827 re. Sp. oben), so dass für das Vorliegen von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit eine Vermutung spricht. Insbesondere spricht gegen die Einordnung als Einkünfte aus selbständiger Arbeit nicht allein der Umstand, dass eine Gehaltszahlung irrtümlich erfolgt ist, wenn der Arbeitgeber nach Erkennen des Irrtums zu erkennen gibt, dass er an der Zahlung festhalten will und auf eine Rückforderung verzichtet. Nach der Rechtsauffassung des Senats kann auch eine irrtümliche Zuvielleistung durch den Arbeitgeber Arbeitslohn aus nichtselbständiger Arbeit darstellen, wenn der Arbeitgeber diese nachträglich billigt. Die Vermutung, dass Zahlungen seitens des Arbeitgebers Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit darstellen, ist jedoch für den Steuerpflichtigen widerlegbar und ist insbesondere wie hier widerlegt, wenn der Arbeitgeber irrtümlich geleisteten Arbeitslohn zurückfordert und eine Rückzahlung durch den Arbeitnehmer erfolgt ist.
d) Damit stellten die seitens des ehemaligen Arbeitgebers im Jahr 1995 und 1996 geleisteten Zahlungen, soweit sie irrtümlich erfolgten, keinen Arbeitslohn des Klägers dar, soweit dieser diese Zahlungen zurückforderte und der Kläger diese im Jahr 1997 aufgrund des gerichtlichen Vergleiches auch zurückbezahlt hat.
3. a) Der Beklagte ist verpflichtet, diese Änderung für die Veranlagungsjahre 1995 und 1996 zu berücksichtigen. Der Berücksichtigung steht die Bestandskraft der Einkommensteuerbescheide von 1995 und 1996 nicht entgegen. Nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Dies ist nach der Rechtsauffassung des Senats hier der Fall.
b) Welche Voraussetzungen für das Bejahen eines rückwirkenden Ereignisses gegeben sein müssen, hat der Große Senat des BFH in seiner grundlegenden Entscheidung vom 19. Juli 1993 (GrS 2/92, BFHE 172, 66 - Änderung des Veräußerungsgewinns bei Uneinbringlichkeit der gestundeten Kaufpreisforderung -), unter teilweiser Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung, entschieden.
(1) Darin hat der BFH zunächst ausgeführt, dass die Vorschrift von ihrem Wortlaut her nicht eindeutig ist und daher der Auslegung bedarf. Aus dem Bedeutungszusammenhang, in dem § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 steht und aus seiner Zielsetzung ergibt sich nach Auffassung des Großen Senats zunächst, dass der Begriff „Ereignis” alle rechtlich bedeutsamen Vorgänge umfasse. Dazu rechnen nicht nur solche mit ausschließlich rechtlichem Bezug, sondern auch tatsächliche Lebensvorgänge. Ferner verdeutlichen die sprachliche Bedeutung des Begriffs „eintritt” und der Bedeutungszusammenhang mit § 173 Abs. 1 AO, dass sich der Vorgang ereignen muss, nachdem der Steueranspruch entstanden sei und bei Änderung eines Steuerbescheids, nachdem dieser Steuerbescheid ergangen sei.
(2) Die Voraussetzungen des §175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO liegen nicht vor, wenn das Finanzamt, wie im Fall des § 173 Abs. 1 AO, lediglich nachträglich Kenntnis von einem bereits gegebenen Sachverhalt erlange oder wenn das FA den Sachverhalt lediglich anders würdige. Der Große Senat hat darüber hinaus festgehalten, dass es nicht ausreicht, dass das spätere Ereignis den nach dem Steuertatbestand rechtserheblichen Sachverhalt anders gestaltet. Die Änderung muss sich darüber hinaus nach Auffassung des Großen Senats - ungeachtet der zivilrechtlichen Wirkungen - steuerlich in die Vergangenheit auswirken, und zwar in der Weise, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist.
(3) Ob einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, ob mit anderen Worten eine solche Änderung dazu führt, dass bereits eingetretene steuerliche Rechtsfolgen mit Wirkung für die Vergangenheit sich ändern oder vollständig entfallen, bestimmt sich nach Ansicht des Großen Senats allein nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht. Liegen beide Voraussetzungen vor, dann bedarf es für die Änderung eines bereits bestandskräftigen Steuerbescheids des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO als verfahrensrechtlicher Grundlage.
(4) Der Senat hält diese Rechtsauffassung für überzeugend und schließt sich ihr an. Wie der Senat zuvor ausgeführt hat, hat der Kläger mit der Rückzahlung in 1997 die Vermutung widerlegt, dass die irrtümlich geleisteten Zahlungen des ehemaligen Arbeitgebers Arbeitslohn sind und diese Zahlungen damit keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit darstellen. Damit ergibt sich aus dem einschlägigen materiellen Recht eine andere steuerliche Rechtsfolge mit Wirkung für die Vergangenheit, für deren Durchsetzung § 175 AO konzipiert ist. Der maßgebende Vorgang, die Lohn-Rückzahlung bzw. Vorlage der besonderen Lohnsteuerbescheinigungen, ereignete sich erst, nachdem dieser Steuerbescheid ergangen war, so dass die erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind.
c) (1) Diesem steht nicht entgegen, dass der Große Senat des BFH in seiner zitierten grundlegenden Entscheidung festgestellt hat, dass bei den laufend veranlagten Steuern wie der Einkommensteuer die aufgrund des Eintritts neuer Ereignisse materiell-rechtlich erforderlichen steuerlichen Anpassungen regelmäßig nicht rückwirkend seien, sondern in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen seien, in dem sich der maßgebende Sachverhalt ändere. Denn der Große Senat geht davon aus, dass sich dieser Grundsatz nur insoweit als maßgebend darstelle, als die einschlägigen steuerrechtlichen Regelungen nicht bestimmen, dass eine Änderung des nach dem Steuertatbestand rechtserheblichen Sachverhalts zu einer rückwirkenden Änderung (Wegfall) steuerlicher Rechtsfolgen führt. Eine solche Rechtslage sei insbesondere bei Steuertatbeständen gegeben, die an einen einmaligen Vorgang anknüpfen.
(2) Um ein solches einmaliges, punktuelles Ereignis handelt es sich nach der Auffassung des Senats im vorliegenden Streitfall. Die irrtümliche Leistung erfolgte aufgrund des alleinigen Umstandes, dass der Kläger seinem ehemaligen Arbeitgeber verschwiegen hat, dass er trotz laufenden Arbeitsverhältnisses Berufsunfähigkeitsrente bezieht.
4. Der Senat sieht sich in seiner Rechtsauffassung durch Entscheidungen des BFH, die im Anschluss an die Entscheidung des Großen Senats ergangen sind, bestätigt.
a) (1) In seinem Urteil vom 26. Juni 1996 (X R 73/94, BFHE 181, 144 - Kirchensteuer), in dem es um die Frage ging, ob die Rückzahlung ohne Rechtsgrund geleisteter Kirchensteuer ein rückwirkendes Ereignis darstelle, hat der BFH ausgeführt, dass bei den in der Regel jährlich wiederkehrenden Sonderausgaben wie Kirchensteuern und Versicherungsbeiträgen häufig die endgültige Belastung im Zahlungsjahr noch nicht feststehe, weil dem Steuerpflichtigen nach Ablauf des Veranlagungszeitraums ein Teil der Versicherungsbeiträge rückerstattet werde oder sich die von der Höhe der festgesetzten Einkommensteuer abhängige Kirchensteuer mindere. In diesen Fällen seien nach ständiger Rechtsprechung und Verwaltungspraxis die erstatteten Beträge mit den im Jahr der Erstattung gezahlten gleichartigen Sonderausgaben zu verrechnen, so dass nur der Saldo zum Abzug als Sonderausgaben verbleibe. Nach Auffassung des BFH bestehen aber gegen diese Verrechnung erstatteter Kirchensteuer mit der im Jahr der Erstattung gezahlten Kirchensteuer aus systematischen Gründen Bedenken. Als Sonderausgaben abziehbar seien nur solche Aufwendungen, durch die der Steuerpflichtige endgültig wirtschaftlich belastet sei. Werden die Aufwendungen in einem späteren Jahr erstattet, liege keine endgültige wirtschaftliche Belastung und in Höhe der Erstattung somit keine Aufwendung i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG vor. Die Erstattung wäre daher an sich durch die Kürzung des Sonderausgabenabzugs im Zahlungsjahr zu berücksichtigen. Da dies aber bei den in der Regel jährlich wiederkehrenden Sonderausgaben wie der Kirchensteuer und den Versicherungsbeiträgen zur Folge hätte, dass zahllose Veranlagungen bei zum Teil nur geringfügigen Erstattungen zu ändern wären, hat er aus Gründen der Praktikabilität und auch der Rechtskontinuität wegen an der bisherigen Rechtsprechung und Verwaltungspraxis am Grundsatz der Verrechnung im Erstattungsjahr festgehalten. Denn bei Sonderausgaben, die wie die Kirchensteuer und Versicherungsbeiträge regelmäßig jährlich wiederkehren und aufgrund geänderter Einkommensteuerfestsetzungen oder aufgrund von Beitragserstattungen der Versicherungsgesellschaften in einem späteren Jahr (teilweise) erstattet werden, sei es nach Auffassung des BFH hinnehmbar, die aufgrund der Erstattung entfallende wirtschaftliche Belastung durch Verrechnung mit den im Erstattungsjahr zu zahlenden gleichartigen Sonderausgaben zu berücksichtigen. Der BFH hat diese systemwidrige, aus Praktikabilitätserwägungen aber hinnehmbare Praxis aber auf den vorherigen Fall begrenzt. Er hat ausdrücklich entschieden, dass wenn, wie im vom BFH entschiedenen Streitfall, Kirchensteuer(nach)zahlungen ohne Rechtsgrund geleistet werden, weil der Steuerpflichtige nie Mitglied der Kirche war, und diese zu Unrecht geleisteten Zahlungen nach Änderung der Kirchensteuerbescheide in einem späteren Veranlagungszeitraum erstattet werden, eine Ausnahme von der steuersystematisch richtigen Korrektur im Zahlungsjahr nicht hinreichend begründet sei, da erstattete Sonderausgaben, sofern der Rückforderungsanspruch nicht schon im Zahlungsjahr feststehe, stets nur mit gleichartigen Sonderausgaben im Jahr der Erstattung verrechnet werden könnten, was zu ungerechtfertigten Steuervorteilen führen würde, weil gleichartige Sonderausgaben im Erstattungsjahr nicht angefallen seien. Der Steuerpflichtige würde steuerlich entlastet, obwohl er wegen der Erstattung der Kirchensteuer wirtschaftlich nicht endgültig belastet sei. Die im Veranlagungszeitraum aufgrund einer Steuerfestsetzung gezahlte Kirchensteuer sei daher dann nicht als Sonderausgaben abziehbar, wenn erst nach Ablauf des Veranlagungszeitraums geklärt werde, dass der Steuerpflichtige die Kirchensteuer mangels Kirchenmitgliedschaft nicht geschuldet habe.
(2) Da in der zugrunde liegenden Entscheidung noch keine Bestandskraft des maßgeblichen Einkommensteuerbescheides eingetreten war, konnte der BFH in seiner Entscheidung von einer ausdrücklichen Entscheidung zur Anwendung des § 175 AO offen lassen. Nach Ansicht des erkennenden Senats ist aber davon auszugehen, dass die Ausführungen des BFH zu erkennen geben, dass dessen Anwendung zu bejahen gewesen wäre. Insbesondere hat der BFH in einem späteren, zugleich ( 3 b) anzuführendem Urteil ausdrücklich bestätigt, dass dies zu bejahen ist.
(3) a) Wendet man die vorherige Entscheidung auf den vorliegenden Streitfall entsprechend an, ergibt sich folgendes: Als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zurechenbar sind nur solche Einkünfte, durch die der Steuerpflichtige endgültig wirtschaftlich begünstigt wird. Werden die Einnahmen in einem späteren Jahr aber wieder zurückerstattet, liegt kein endgültiger wirtschaftlicher Vorteil und in Höhe der Erstattung somit keine Einnahme im Sinne des § 19 EStG vor. Die Erstattung war daher durch die Kürzung des Arbeitslohnes im Zuflussjahr zu berücksichtigen. So wie es im vom BFH entschiedenen Streitfall nicht zugunsten des Steuerpflichtigen gehen darf, darf es wie im hier zu entscheidenden Streitfall auch nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen, wenn gleichartige Einkünfte, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, im Erstattungsjahr nicht angefallen sind, weil der Kläger sich zu diesem Zeit bereits in Rente befand. Denn würde die Rückerstattung des zu viel geleisteten Arbeitslohnes erst im Jahr der Rückerstattung, dem Veranlagungsjahr 1997, als negative Einnahmen erfolgen, hätte dies für den Kläger keinen steuerlichen Vorteil, da aufgrund der Ertragsbesteuerung der Rente keine Einkommensteuer anfällt. Auch kann kein Verlustrücktrag nach § 10d EStG erfolgen, da der Kläger mit dem Ertragsanteil der Rente noch positive Einkünfte ausweist. Da sich daher keine steuerlich entlastende Wirkung ergibt, darf daher auch nicht aus Praktikabilitätserwägungen eine ungerechtfertige Steuerbelastung erfolgen.
b) Diese Rechtsprechung hat der BFH in seinem Urteil vom 26. Juni 1996 (X R 73/94, BFHE 181, 144 - Vorsorgeaufwendungen), in der er zur rechtsgrundlos geleisteten und als Sonderausgaben berücksichtigten Versicherungsbeiträgen Stellung genommen hat, fortgeführt und ausdrücklich die Frage bejaht, ob § 175 AO anwendbar ist. Er hat in seiner Entscheidung zur Kirchensteuer den verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken entnommen, dass die zeitlich zutreffende Erfassung der endgültigen steuerlichen Entlastung aufgrund gezahlter Sonderausgaben dann Vorrang vor Praktikabilitätserwägungen habe, wenn eine Erstattung der Aufwendungen deswegen nicht zu einem zeitraumübergreifenden Ausgleich führen würde, weil und soweit die Entlastung infolge einer Erstattung in einem späteren Veranlagungszeitraum mangels verrechenbarer gleichartiger Sonderausgaben, im Streitfall Vorsorgeaufwendungen, nicht mehr kompensiert werden könnte. Werden mithin rechtsgrundlos gezahlte Versicherungsbeiträge vom Versicherungsträger zu einem späteren Zeitpunkt erstattet und ist im Jahr der Erstattung eine Kompensation mit gleichartigen Aufwendungen nicht möglich, sei der Sonderausgabenabzug des Jahres der Verausgabung um die, ggf. zeitanteilig anzusetzende, nachträgliche Erstattung zu mindern. Diese Rechtsprechung hat der BFH auch in der Folge weiter fortgeführt (vgl. BFH 4. Senat, Urteil vom 18. Mai 2000, Az: IV R 28/98, BFH/NV 2000, 1455-1458).
c) Aufgrund dieser Entscheidungen des BFH sieht sich der erkennende Senat darin bestätigt, dass, wenn wie im vorliegenden Streitfall, keine Verrechnungsmöglichkeit besteht, hier wegen fehlender Einkünfte, es in diesem Fall geboten ist, einen Steuerbescheid nach § 175 AO zu ändern und nicht aufgrund Praktikabilitätserwägungen eine Berücksichtigung in einem anderen Veranlagungsjahr erfolgen darf. In diesem Zusammenhang ist aber nochmals zu betonen, dass der Grund für die Änderung ausschließlich im materiellen Recht zu suchen ist. Dies ist vorliegend gegeben, da die irrtümlich geleisteten Zahlungen des Arbeitgebers bei späterer Rückforderung und Rückerstattung keinen Arbeitslohn darstellen.
d) Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass die derzeitige Verwaltungspraxis bei Fällen, wie hier in Streit stehend, komplizierter ist als eine Änderung früherer Bescheide nach § 175 AO. Derzeit wird, wie auch im vorliegenden Streitfall, irrtümlich geleisteter Arbeitslohn im Jahr der Rückerstattung als negative Einkünfte berücksichtigt (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1963 - VI 22/61 S, BStBl III 1964, 184). In diesem Zusammenhang wird sodann geprüft, ob negative Einkünfte im betreffenden Veranlagungsjahr angefallen sind, um sodann die Feststellung von negativen Einkünften nach § 10d EStG vorzunehmen, um sodann zu prüfen, welche Auswirkungen sich durch einen Verlustübertrag ergeben. Schließlich sind dann noch Billigkeitsmaßnahmen zu erwägen (vgl. Vfg. der OFD Frankfurt vom 25. Juli 2000 - S 2399 A, FR 2000, 1237). Diese Vorgehensweise gestaltet sich im Zeitpunkt moderner EDV-Technik schwieriger, als einen Bescheid rückwirkend nach § 175 EStG zu ändern. Daher können Praktikabilitätserwägungen die Ansicht des Beklagten nicht rechtfertigen.
Selbst die Finanzverwaltung gewährt in Fällen nachträglich erstatteter Sonderausgaben die rückwirkende Minderung des Sonderausgabenabzuges des Jahres der Verausgabung um die nachträgliche Erstattung, soweit ein Ausgleich der Erstattung mit gleichartigen Aufwendungen im Jahr der Erstattung nicht möglich ist (BMF-Schreiben vom 11. Juli 2002, BStBl I 2002, 667). Die Oberfinanzdirektion des Beklagten hat dies bereits für die Fälle nachträglich erstatteter Kirchensteuer umgesetzt und lässt fortan die Rückbeziehung der „überschießenden” Kirchensteuererstattung in das Kirchensteuerverausgabungsjahr zu. Soweit die Einkommensteuerbescheide bestandskräftig sind, sind sie mit Wirkung für den Zeitpunkt der Verausgabung der Kirchensteuer nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern (OFD-Verfügung Nr. 072/02 vom 25. November 2002 - S 2221 A).
5. Aus den dargelegten Gründen ist der Beklagte daher wie aus dem Tenor ersichtlich verpflichtet, die Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 entsprechend zu ändern. Weitere Änderungen sind nicht vorzunehmen. Der Senat hat das klägerische Rechtsschutzbegehren dahingehend ausgelegt, dass sich die Kläger nicht dagegen wenden, dass die vom Beklagten berücksichtigten Sonderausgaben zu keinem anderen Ergebnis hinsichtlich der tariflichen Einkommensteuer führen. Das klägerische Begehren wäre wohl, wie der Beklagte es auch im Rahmen seiner Einspruchsentscheidung getan hat, auch dahingehend auslegungsfähig, dass sie auch dies einer gerichtlichen Überprüfung unterziehen wollen. Eine solcher Antrag wäre in der Sache aber unbegründet, da die Sonderausgabenhöchstbeträge insoweit überschritten sind (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 2a), Abs. 2 und Abs. 3 EStG). Es handelt sich insoweit bei den Vorsorgeaufwendungen nur um begrenzt abzugsfähige Sonderausgaben. Unter Berücksichtigung der Verfahrenskosten geht der Senat daher zugunsten der Kläger davon aus, dass sie einen solchen Antrag nicht gestellt haben.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 FGO. Soweit die Kläger hinsichtlich ihrer Klage für das Veranlagungsjahr 1997 unterlegen sind, war dies als geringfügig zu betrachten. Da die Beschwer insoweit bei Null lag, führte dies zu keiner Streitwerterhöhung. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf §§ 151 Abs. 1 bis 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung -ZPO-.
Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO vorliegen. Die in Streit stehenden Fragen haben grundsätzliche Bedeutung.
Der Senat hat gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entschieden.