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  • 07.04.2016 · IWW-Abrufnummer 146729

    Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 23.02.2016 – 1 K 2078/15

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Verkündet am: 23.02.2016

    Im Namen des Volkes

    Urteil

    1 K 2078/15

    In dem Finanzrechtsstreit
    1.    des Herrn
    2.    der Frau
    - Kläger -
    gegen
    das Finanzamt
    - Beklagter -

    wegen    Einkommensteuer 2014

    hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 1. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 23. Februar 2016 durch
    den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht    Diehl
    den Richter am Finanzgericht    Niesen
    die Richterin am Landgericht    Nitzsche
    den ehrenamtlichen Richter    Kaufmännischer Leiter Burkard
    den ehrenamtlichen Richter    geschäftsführender Gesellschafter Clemens

    für Recht erkannt:

    I.    Die Klage wird abgewiesen.
    II.    Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

    Tatbestand

    Streitig ist, ob Behandlungskosten nach einem Autounfall auf der Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden können.

    Die Kläger sind Ehegatten und wurden im Streitjahr 2014 zusammen zur Einkommen-steuer veranlagt. Beide erzielen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Klägerin, die im Streitjahr in einem Krankenhaus als MTA beschäftigt war, unterzog sich seit mehreren Jahren wegen diverser Erkrankungen mehrfach ärztlichen und physiotherapeutischen Behandlungen (Bl. 85, 97 der ESt-Akte Bd. II), deren Kosten sie in den Veranlagungsjahren 2012 und 2013 als außergewöhnliche Belastungen geltend machte.

    Am 29. April 2014 erlitt die Klägerin auf der Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einen Autounfall. Nach dem Unfall klagte sie über Schmerzen im Kopf- und Nackenbereich (Auszug aus den medizinischen Daten Dr. med. S., Bl. 97 der ESt-Akte Bd. II).

    In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte die Klägerin u.a. Reparaturkosten in Höhe von 279,10 EUR (6.915,60 EUR abzgl. erhaltener Schadenersatzleistungen in Höhe von 6.636,50 EUR) sowie weitere Aufwendungen in Höhe von 660,85 EUR wie folgt als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend (Bl. 46 f., 67 der ESt-Akte Bd. II):

    Reha Klinik                 160,00 EUR
    Reha Therapie             126,00 EUR
    Ärztebesuche                151,20 EUR
    Reha Klinik Fahrtkosten        136,80 EUR
    Apotheke                    36,85 EUR
    Telefonkosten aus Krankenhaus      50,00 EUR

    Der Beklagte berücksichtigte die Aufwendungen in Höhe von 660,85 EUR im Einkommensteuerbescheid 2014 vom 12. Mai 2015 nicht als Werbungskosten (Bl. 70 - 73 der ESt-Akte Bd. II) und begründete dies damit, dass diese Aufwendungen nur im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen des § 33 Einkommensteuergesetz - EStG - berücksichtigt werden könnten. Weiter ging er davon aus, dass diese Aufwendungen von der Klägerin bereits auch als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht worden seien (Vermerk auf Bl. 62 Rs. der ESt-Akte Bd. II). Wegen der zumutbaren Eigenbelastung wirkten sich die Aufwendungen nicht steuermindernd aus.

    Im Einspruchsverfahren trugen die Kläger vor, die Aufwendungen stünden mit einem Arbeitsunfall in Zusammenhang. Sie, die Klägerin, sei bis zum Unfall geheilt gewesen und habe keine Schmerzen gehabt. Sie habe sich bis zum Unfall keiner aktiven Behandlung wegen dieser Krankheit unterzogen. Nach Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 13. Oktober 1960 und vom 2. März 1962) seien, wenn sich - wie hier - ein Unfall auf einer beruflichen Fahrt ereigne, alle Aufwendungen im Zusammenhang mit Gesundheitsschäden als Werbungskosten absetzbar. Nach § 8 Abs. 2 SGB VII gelte der Unfall als Arbeitsunfall. Die Kurkosten seien nach BFH-Rechtsprechung (Urteil vom 17. Juli 1992) als Werbungskosten absetzbar, da es sich um eine Krankheit aufgrund eines Arbeits- oder Wegeunfalls handele. Absetzbar seien Kurkosten auch dann, wenn die Kur zur Vorbeugung gegen drohende Krankheit durchgeführt werde (Urteil des BFH vom 29. Oktober 1992).

    Wegen eines hier nicht streitigen Punktes erging unter dem 1. Juli 2015 ein Änderungsbescheid (Bl. 105 - 107 der ESt-Akte Bd. II).
    Mit Einspruchsentscheidung vom 16. September 2015 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück (Bl. 10 - 14 d.A.). Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG seien durch die Entfernungspauschale sämtliche Aufwendungen abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte veranlasst seien. Aus dem klaren Wortlaut der gesetzlichen Norm ergebe sich, dass auch außergewöhnliche Kosten unabhängig von ihrer Höhe unter die Abgeltungswirkung fielen. So sollen durch die Abgeltung sämtlicher Aufwendungen insbesondere Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Finanzamt über die Berücksichtigung besonderer Kosten, z.B. für außergewöhnliche Kosten wie Unfallkosten vermieden werden. Abgegolten seien daher Aufwendungen, die durch Unfälle und außergewöhnliche Reparaturen entstünden. Da ein Werbungskostenabzug aufgrund der Abgeltungswirkung der Gesetzesnorm ausscheide, sei eine Prüfung der Frage, ob die Krankheitskosten überhaupt durch den Unfall verursacht worden seien oder aber in Folge einer bereits vor dem Unfall bestehenden Erkrankung (bekannte Bandscheibenvorfälle der HWS, Behandlung der Vorerkrankung der HWS in den Vorjahren durch Dr. L., in A-Klinik, Reha-Sport) entstanden seien, obsolet. Das von den Klägern angeführte Urteil des BFH vom 13. Oktober 1960, BStBl III 1960, 511, sei auf den Fall nicht anwendbar, da es auf einer anderen Rechtslage beruht habe. Zum damaligen Zeitpunkt habe es noch keine Entfernungspauschale gegeben. Durch die Einführung der Entfernungspauschale im Jahr 2001 sei die Rechtsprechung zur vorangegangenen Vorschrift bzgl. der Abzugsfähigkeit von Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte insoweit überholt, als sie außergewöhnliche Kosten wie beispielsweise Unfallkosten betreffe. Neu an der Entfernungspauschale sei die Abgeltungswirkung für solche außergewöhnlichen Kosten. Entgegen der Auffassung der Kläger seien laut Urteil des BFH vom 17. Juli 1992 (BFH/NV 1993, 19) die Kosten eines Piloten nicht als Werbungskosten berücksichtigt worden, da die Kur nicht als eine berufsspezifische Maßnahme zur Heilung, Linderung oder Vorbeugung gegen berufsbedingte gesundheitliche Risiken zu betrachten gewesen sei. Für die Abzugsfähigkeit von Krankheitskosten als Werbungskosten sei nämlich Voraussetzung, dass sie zur Heilung einer typischen Berufskrankheit oder Vorbeugung gegen eine solche aufgewandt werden. Eine berufsspezifische Erkrankung sei im Fall der Klägerin jedoch nicht gegeben; Bandscheibenvorfälle seien keine typische Berufskrankheit einer MTA. Das BFH-Urteil vom 29. Oktober 1992 (BFH/NV 1993, 231) sei zur Problematik der Abziehbarkeit von Kurkosten als außergewöhnliche Belastung, nicht aber zu Werbungskosten ergangen und daher auf den Fall ebenfalls nicht anwendbar. Die Krankheitskosten könnten daher nur als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

    Mit ihrer Klage begehren die Kläger weiterhin die Berücksichtigung der Krankheitskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Sie vertiefen ihr bisheriges Vorbringen und tragen ergänzend vor, es sei komplett daneben, die Fahrtkostenpauschale mit dem Unfall in Zusammenhang zu bringen. Es handele sich um einen Arbeitsunfall und nicht um Fahrtkosten. Sie hätten durch Arztberichte den Zusammenhang zwischen dem Unfall und der Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin nachgewiesen. Wie den Auszügen der Berufskrankheiten-Verordnung entnommen werden könne, stehe bei einem Arbeitsunfall das gesundheitsschädigende Ereignis in eindeutigem Zusammenhang mit dem Beruf, so dass alle dadurch entstehenden Aufwendungen als Werbungskosten absetzbar seien. Nach § 8 Abs. 2 SGB VII gälten als Arbeitsunfall auch Unfälle auf dem Weg nach und von dem Ort der beruflichen Tätigkeit. Da im SGB geregelt werde, dass die Unfallkosten als Werbungskosten absetzbar seien, stehe das EStG hierzu im Widerspruch. Der SGB-Artikel sei höherwertiger. Die vom Beklagten zitierte BFH-Entscheidung sei falsch. Für die Einstufung als Wegeunfall sei für den Beklagten einzig und allein die Abwicklung durch die Berufsgenossenschaft maßgebend. Die strittige Summe von 660,85 EUR sei eine Addition von 5 Positionen, die einzeln zum Teil auch anders bewertet werden könnten. Die Argumentation des Beklagten konzentriere sich ausschließlich auf die Reha-Maßnahmen und dehne dies auf die gesamte Summe aus. Es sei Fakt und ohne Zweifel nachgewiesen, dass sie - die Klägerin - einen Arbeitsunfall gehabt habe. Sie habe mehrere Ärzte besuchen müssen und habe hierdurch einen bestimmten administrativen Aufwand gehabt. Dies habe nichts mit der Vorerkrankung zu tun. Erst nach einem Reha-Besuch 2010 sei eine HWS-Erkrankung als Nebenbefund entdeckt worden. Es habe sich bei der folgenden Behandlung sozusagen um einen „Mitnahmeeffekt“ gehandelt. Erst durch den Unfall sei eine deutliche Verschlechterung des HWS-Syndroms eingetreten. Sie sei - da es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt habe - auch krankgeschrieben worden. Sie, so die Klägerin weiter, sei zum Zeitpunkt des Unfalls voll arbeitsfähig gewesen und habe als gesund gegolten.

    In der mündlichen Verhandlung trug der Kläger weiter vor, dass am Vorliegen einer typischen Berufskrankheit nicht mehr festgehalten werde.

    Die Kläger beantragen,
    unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 16. September 2015 den Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 12. Mai 2015 in der Fassung vom 1. Juli 2015 dahingehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten in Höhe von 660,85 EUR bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin berücksichtigt werden.

    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.

    Er verweist auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, die Vorschriften des SGB VII und der BKV stünden nicht im Widerspruch hierzu. Das Vorliegen eines Unfalls auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte werde von ihm grundsätzlich nicht negiert. Arbeitsrechtliche oder sozialrechtliche Folgerungen machten allerdings eine steuerrechtliche Prüfung nicht überflüssig. Vielmehr sei die steuerliche Abzugsfähigkeit an Hand der steuerrechtlichen Vorschriften zu prüfen. Die steuerliche Abzugsfähigkeit von Kosten auf Grund solcher Unfälle sei seit 2001 durch die Einführung der Vorschrift der Entfernungspauschale § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG neu und anders als bisher geregelt worden. Nach dem klaren Wortlaut der Norm ergebe sich, dass auch außergewöhnliche Kosten durch den Ansatz der Entfernungspauschale abgegolten seien. Die aktuelle Rechtsprechung (BFH vom 20. März 2014, BStBl II 2014, 849) unterstreiche ausdrücklich den Abgeltungscharakter der geltenden Vorschrift. Er, der Beklagte, habe das Gesetz zutreffend angewendet.

    Im Übrigen sei nicht erwiesen, dass die geltend gemachten Krankheitskosten durch den Unfall verursacht worden seien. Die Klägerin habe bereits vor dem Unfall unter Schmerzen im Halswirbelsäulenbereich gelitten. Sie sei in den vorangegangenen Jahren wegen dieser Vorerkrankung wiederholt in ärztlicher Behandlung gewesen. Auch sei die Klägerin körperbehindert und zwar mit einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit (Bescheinigung des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung vom 10. Januar 2013). Die im Jahr 2014 geltend gemachten Aufwendungen (Reha-Klinik, ambulante Reha-Maßnahmen, Arztbesuche) unterschieden sich nach Art und Kostenhöhe nicht von den therapeutischen Maßnahmen, die in vorangegangenen Jahren durchgeführt worden seien.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze verwiesen (§ 105 Abs. 3 Satz 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist unbegründet. Der Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 12. Mai 2015 in der Fassung vom 1. Juli 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Der Beklagte hat den Ansatz der streitgegenständlichen Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin zu Recht abgelehnt. Diese Aufwendungen können nur als außergewöhnliche Belastung Berücksichtigung finden.

    1. Ohne dass vom erkennenden Senat entschieden werden muss, ob die Behandlungskosten (ausschließlich) unfallbedingt waren, können diese nicht neben der Entfernungspauschale als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden. Da von den Klägern nicht mehr geltend gemacht wird, dass es sich um Aufwendungen im Zusammenhang mit einer typischen Berufskrankheit handelt, erübrigen sich Ausführungen hierzu. 

    Die Behandlungskosten sind als außergewöhnliche Aufwendungen durch die Entfernungspauschale abgegolten. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG sind Werbungskosten auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die regelmäßige Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte von 0,30 EUR anzusetzen. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG sind durch die Entfernungspauschalen „sämtliche Aufwendungen“ abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte veranlasst sind. Die Einführung der verkehrsmittelunabhängigen Entfernungspauschale zum Veranlagungszeitraum 2001 diente neben umwelt- und verkehrspolitischen Erwägungen auch und vor allem dem jeder Typisierung innewohnenden Gedanken der Steuervereinfachung. So sollten durch die Abgeltung „sämtlicher Aufwendungen“ insbesondere Rechtsstreitigkeiten zwischen den Steuerpflichtigen und dem Finanzamt über die Berücksichtigung außergewöhnlicher Kosten (z.B. Unfallkosten) vermieden werden (BTDrs. 14/4242, S. 6; BTDrs. 14/4435, S. 9). Dieser Zweck wird nur erreicht, wenn durch die Entfernungspauschale auch tatsächlich „sämtliche Aufwendungen“ abgegolten werden. Der Gesetzgeber war auch nicht verpflichtet, für den Fall außergewöhnlicher Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte eine Ausnahmeregelung zu treffen (vgl. hierzu ausführlich BFH Urteil vom 20. März 2014 VI R 29/13, BFHE 245, 196, BStBl II 2014, 849). Diese Abzugsbeschränkung ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH verfassungsgemäß (BFH Urteil vom 19. Mai 2015 VIII R 12/13, juris m.w.N.).

    Der erkennende Senat schließt sich hinsichtlich der steuerrechtlichen Beurteilung auf dem Arbeitsweg entstandener außergewöhnlicher Aufwendungen der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs an. Zu den durch die Entfernungspauschale abgegoltenen außergewöhnlichen Kosten wie Unfallkosten zählen nicht nur Reparaturaufwendungen eines PKW (vgl. hierzu Urteil des BFH vom 20. März 2014 VI R 29/13, a.a.O.), sondern auch Behandlungs- bzw. Krankheitskosten, die durch einen Unfall auf der Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (mit-)verursacht wurden. Die Regelung umfasst ohne Einschränkung alle Aufwendungen, unabhängig von ihrer Höhe. Entscheidend ist der Veranlassungszusammenhang, nämlich dass die Kosten „durch“ die Wege zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte veranlasst sind (vgl. Loschelder in Schmidt, EStG, 34. Aufl. 2015, § 9 Rz. 196).

    Es ist nicht auszuschließen, dass die anschließende Behandlung der Klägerin - selbst unter Berücksichtigung ihrer Krankengeschichte (vgl. ärztlicher Bericht des Chefarztes der Orthopädie Dr. P. vom 15. Oktober 2014, Bl. 85 f. der ESt-Akte Bd. II sowie Auszug aus den medizinischen Daten des Dr. med. S., Bl. 97f der ESt-Akte Bd. II) - erst aufgrund des Unfalls erforderlich wurde. Da der Unfall sich aber unstreitig auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ereignete - und damit ein Veranlassungszusammenhang gegeben ist -, können die (möglicherweise) unfallbedingten Behandlungskosten steuerrechtlich nicht losgelöst von der Entfernungspauschale gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG und deren Abgeltungswirkung (§ 9 Abs. 2 EStG) gewürdigt werden.

    Entgegen der Ansicht der Kläger wird hierdurch nicht der Unfall und dessen gesundheitlichen Folgen für die Klägerin an sich in Frage gestellt. Wie der Beklagte aber zutreffend ausführt, machen arbeits- oder sozialrechtliche Folgerungen eine steuerrechtliche Prüfung nicht obsolet. Daher ist unabhängig davon, ob es sich nach Beurteilung der Berufsgenossenschaft um einen Arbeitsunfall handelte, eine Abziehbarkeit als Werbungskosten allein anhand der steuerrechtlichen Vorschrift des § 9 Abs. 1 EStG und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu prüfen. Im Übrigen treffen entgegen der Auffassung der Kläger weder Art. 8 SGB VII noch die Berufskrankheiten-Verordnung eine Aussage zur steuerlichen Abzugsfähigkeit von Krankheits- bzw. Behandlungskosten als Werbungskosten. Diese Regelungen beschränken sich lediglich auf die Definition der Begriffe „Arbeitsunfall“ und „Berufskrankheit“. Es ist nicht auszuschließen, dass die Kläger durch fehlerhafte Informationsbroschüren oder Interneteinträge zu ihrer unrichtigen Schlussfolgerung gelangten. Für den erkennenden Senat sind aber für die Beurteilung, ob es sich um Werbungskosten handelt, ausschließlich die Normen des EStG bindend. Eine Ausnahme hinsichtlich der hier streitigen Behandlungskosten wäre vom Gesetz nicht gedeckt, sachlich nicht gerechtfertigt und würde zu einer gleichheitswidrigen Begünstigung führen (vgl. hierzu Anmerkung RiBFH Dr. Bergkemper zum Urteil vom 20. März 2014 VI R 29/13, jurisPR-SteuerR 33/2014 Anm. 2).

    Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass die Reparaturkosten für das Fahrzeug der Klägerin in Höhe von 279,10 EUR (6.915,60 EUR abzgl. erhaltener Schadenersatzleistungen in Höhe von 6.636,50 EUR) zu Unrecht vom Beklagten als Werbungskosten berücksichtigt wurden. Diese sind ebenfalls durch die Entfernungspauschale abgegolten (§ 9 Abs. 2 EStG). Da eine Verböserung im gerichtlichen Verfahren aber nicht in Betracht kommt, bleibt es bei dem Ansatz als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin.
    2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Rechtsmittelbelehrung
    Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde ange­foch­ten werden.
    Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung muss dargelegt werden, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder, dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder dass ein Verfahrensfehler vorliegt, auf dem das Urteil des Finanzgerichts beruhen kann.
    Für die Einlegung und Begründung der Beschwerde vor dem Bundesfinanzhof besteht Vertretungszwang. Zur Vertretung der Beteiligten vor dem Bundesfinanzhof berechtigt sind Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer; zur Vertretung berechtigt sind auch Gesellschaften im Sinne des § 3 Nr. 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch solche Personen handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
    Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/ 9231-201.
    Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des dritten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.
    Hinweis:
    Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite www.bundesfinanzhof.de lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S.3091) einzuhalten ist.



     

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