02.08.2013
Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 04.12.2012 – 2 K 1568/10
Getrocknete Schweineohren stellen genießbare Schlachtnebenerzeugnisse
dar, wenn sie für den menschlichen Verzehr geeignet sind.
In einem Futtermittelbetrieb getrocknete Schweineohren unterliegen
aber nicht dem ermäßigten Umsatzsteuersatz, da
die Trocknung in diesem Fall nicht unter den für Lebensmittel
erforderlichen hygienischen Bedingungen vorgenommen wird, so dass
die Schweineohren nicht zum menschlichen Verzehr geeignet sind.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Lieferung getrockneter Schweineohren ab
01.11.2006 gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG dem ermäßigten
Steuersatz unterliegt.
Die Klägerin betreibt einen Lebensmittelhandel in A-Stadt
mit weiteren Filialen. Für die Streitjahre reichte sie
Umsatzsteuererklärungen ein, die als Umsatzsteuerfestsetzungen
unter dem Vorbehalt der Nachprüfung wirkten (§§ 168,
164 Abgabenordnung – AO –).
Im Rahmen einer
am 17.03.2009 durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung
für November 2006 bis Januar 2009, die nur die Überprüfung
des ermäßigten Steuersatzes bei Verkauf von getrockneten,
als Tierfutter angebotenen Schweineohren ohne Zusatz betraf, vertrat
die Prüferin die Auffassung, dass die Lieferungen getrockneter
Schweineohren ab 01.11.2006 dem Regelsteuersatz nach § 12 Abs.
1 UStG zu unterwerfen seien (vgl. Bericht über die Umsatzsteuer–Sonderprüfung
vom 03.04.2009).
Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung, erhöhte
die Umsatzsteuer für 2006 um 12.077,82 € und die
Umsatzsteuer für 2007 um 89.340,72 € und
setzte mit Bescheiden vom 23.04.2009 die Umsatzsteuer für
2006 auf xxx € und die Umsatzsteuer für
2007 auf xxx € fest.
Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, der sich
ausschließlich gegen die Besteuerung der Lieferung von
getrockneten Schweineohren nach dem Regelsteuersatz in Höhe
von 16 % (2006) bzw. 19 % (2007) richtete. Sie
beantragte, die streitigen Umsätze ermäßigt
mit 7 % zu besteuern und verwies zur Begründung
auf die Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – vom
03.02.2004 VII
R 33/03, BFH/NV 2004, 849 und vom
10.02.2009 VII
R 16/08, BFH/NV 2009, 979. Am 16.06.2009 erließ das
Finanzamt einen aus anderen Gründen geänderten
Umsatzsteuerbescheid für 2006, der Gegenstand des Verfahrens
wurde.
Das Finanzamt wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung
vom 10.09.2010 als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat Klage erhoben und beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid für 2006 vom 23.04.2009 in
Gestalt des Änderungsbescheides vom 16.06.2009 sowie den
Umsatzsteuerbescheid für 2007 vom 23.04.2009, jeweils in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.09.2010, dahingehend zu ändern,
dass die Entgelte aus der Lieferung von getrockneten Schweineohren ab dem 01.11.2006
dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs.
2 Nr. 1 UStG unterliegen.
Zur Begründung trägt sie Folgendes vor:
Getrocknete Schweineohren seien gem. § 12 Abs. 2 Nr.
1 UStG i.V.m. Nr. 2 der Anlage 2 unter „Fleisch und genießbare
Schlachtnebenerzeugnisse” oder unter Nr. 37 der Anlage
2 „Rückstände und Abfälle der
Lebensmittelindustrie; zubereitetes Futter” einzuordnen.
In beiden Fällen sei der ermäßigte Steuersatz anzuwenden.
Nach der Verordnung Nr. 1125/2006 der Europäischen
Kommission zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte
Nomenklatur (Einreihungsverordnung) vom 21.07.2006 seien genießbare
getrocknete Schweineohren (Schlachtnebenerzeugnis), auch wenn als
Tierfutter verwendet, in Kapitel 2, mit der Folge der Anwendung
des begünstigten Steuersatzes, einzuordnen. Die Kommission
unterscheide zwischen genießbaren getrockneten Schweineohren und
getrockneten Schweineohren, die – aus anderen Gründen
als dem Trocknen – nicht für den menschlichen
Verzehr geeignet seien. Mit den bereits im Einspruchsverfahren vorgelegten
amtstierärztlichen Bescheinigungen der Stadt
3
und
des Kreises
4
sei ihren Vorlieferanten im Jahre 2007
bestätigt worden, dass die frischen Schweineohren zum menschlichen
Verzehr geeignet gewesen seien. Die genießbaren Schweineohren
seien sodann in einem weiteren Verarbeitungsvorgang getrocknet worden.
Das Trocknen der Schweineohren ändere nicht die wesentlichen
Merkmale des Ausgangsstoffes und beeinträchtige nicht deren
Eignung für den menschlichen Verzehr. Die Annahme des Finanzamts, dass
die Eigenschaft „genießbar” verloren
gehe, wenn der fleischhygienerechtlich zugelassene Bereich zur weiteren
Behandlung verlassen werde, widerspreche der in der Einreihungsverordnung
geäußerten Auffassung der Kommission. Ob die Trocknung
im (hygienischen) Schlachtbetrieb oder in einem weiterverarbeitenden
Futtermittelbetrieb vorgenommen werde, sei für die Tarifierung nicht
entscheidend.
In seinem Urteil vom 03.02.2004 (VII R 33/03) betreffend die Streitjahre
1998 und 1999 habe der Bundesfinanzhof als Tierfutter angebotene
getrocknete Schweineohren als zubereitetes Futter in die Position
2309 KN eingereiht und dem ermäßigen Steuersatz
unterworfen. Hierbei sei er allerdings von der Annahme ausgegangen,
dass die Schweineohren durch das Trocknen ihre Eigenschaft zum menschlichen
Verzehr verloren hätten. Mit Urteil vom 10.02.2009 betreffend
das Streitjahr 2003 (VII
R 16/08) habe der Bundesfinanzhof diese Auffassung
erneut bestätigt. Er habe ausgeführt, dass auch
bei Zugrundelegung der für den entschiedenen Streitfall
nicht anwendbaren Einreihungsverordnung Nr. 1125/2006 vom
21.07.2006 der ermäßigte Steuersatz anzuwenden
gewesen wäre, weil die Schweineohren auch nach der Trocknung
genießbare Schlachtnebenerzeugnisse blieben. Auch das Finanzgericht
Köln habe betreffend das Streitjahr 2005 (1 K 4127/07) über
den anzuwendenden Steuersatz bei Lieferung getrockneter Schweineohren
entschieden und sei insoweit dem BFH gefolgt.
Die Zollbehörde, das Bildungs- und Wissenschaftszentrum
der Bundesfinanzverwaltung mit Sitz in
1
, habe auf
Anfrage des Finanzamts A-Stadt in einer unverbindlichen Zolltarifauskunft
vom 13.02.2009 zwar die getrockneten Schweineohren in die Zollnomenklatur
0511 9985 00 0 eingestuft, so dass der Regelsteuersatz zur Anwendung
käme. Die Behörde sei aber fälschlich
und ohne tatsächliche Anhaltspunkte davon ausgegangen,
dass es sich bei den getrockneten Schweineohren nach der veterinärrechtlichen
Beurteilung um für die menschliche Ernährung ungeeignete
Erzeugnisse gehandelt habe. Dem Lieferanten der Klägerin,
Z
GmbH,
habe das Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung
mit Dienstsitz in
2
am 21.12.2010 dagegen eine dahingehende
unverbindliche Zolltarifauskunft erteilt, dass die Lieferungen getrockneter
Schweineohren der Zollnomenklatur 2309 zuzuordnen seien und damit
der ermäßigte Steuersatz zur Anwendung käme.
Die Unsicherheit über den anzuwendenden Steuersatz verursache
erhebliche Wettbewerbsverzerrungen, weil die getrockneten Schweineohren
im Handel teils dem ermäßigten Steuersatz, teils
aber auch dem Regelsteuersatz unterworfen würden.
Da die getrockneten Schweineohren gem. Nr. 2 der Anlage 2 zu § 12
Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt zu besteuern seien,
käme eine Einreihung in die Position 0511 KN, wie vom Finanzamt
vorgenommen, nicht in Betracht, da die Waren anderweitig genannt
seien (BFH-Urteil vom 03.02.2004 VII R 33/03 a.a.O).
Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt es Folgendes vor:
Die von der Klägerin angeführten Urteile des
Bundesfinanzhofs (VII
R 33/03 und VII R 16/08) sowie des Finanzgerichts
Köln (1
K 4127/07) seien nicht geeignet, die Rechtsmeinung
der Klägerin zu bestätigen; denn diese Urteile
beträfen Besteuerungszeiträume vor Erlass der
Verordnung (EG) Nr. 1125/2006 vom 21.07.2006 zur Einreihung
von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur – VO
(EG) – und hätten daher eine im Streitfall nicht mehr
gültige Rechtslage zum Inhalt. Für die streitigen
Umsätze der Klägerin, die ab 01.11.2006 bis 31.12.2007
getätigt worden seien, gelte Folgendes:
Der im Streitfall anzuwendende Steuersatz sei abhängig
von der Einreihung der gelieferten Waren nach dem Zolltarif (ZT).
Auf Antrag des Finanzamts A-Stadt habe das Bildungs- und Wissenschaftszentrum
der Bundesfinanzverwaltung mit Dienstsitz
1
am 13.02.2009
eine unverbindliche Zolltarifauskunft erteilt und getrocknete Schweineohren
in die Zollnomenklatur 0511 9985 00 0 eingereiht. Nach der zugrunde
liegenden Warenbeschreibung handele es sich laut Antragsangaben
um „luftgetrocknete Schweineohren ohne weitere Zusätze.
Die getrockneten Schweineohren seien als Kauspielzeug oder als Futtermittel
für Hunde bestimmt. Die Einreihung setze voraus, dass es
sich bei den getrockneten Schweineohren - nicht den frischen Schweineohren
(Rohware) - nach der veterinärrechtlichen Beurteilung um
für die menschliche Ernährung ungeeignete Erzeugnisse
handele.”
Die Verordnung (EG) unterscheide zwischen genießbaren
(= für den menschlichen Verzehr geeigneten) Schweineohren
und solchen, die für den menschlichen Verzehr nicht geeignet
seien. Zwar hätten die von der Klägerin während der
Umsatzsteuer-Sonderprüfung vorgelegten Bescheinigungen
der Stadt
3
(für
Y
GmbH) und
des Kreises
4
(für
Z
GmbH) die
frischen Schweineohren als genießbar ausgewiesen. Ob ein
Produkt für den menschlichen Verzehr geeignet sei und bleibe,
sei jedoch auch davon abhängig, wo die weitere Verarbeitung stattfinde.
Da die Trocknung der Schweineohren im Streitfall nicht in einem fleischhygienerechtlich
zugelassenen Betrieb stattgefunden habe, seien die von der Klägerin
gelieferten getrockneten Schweineohren nicht mehr zum menschlichen
Verzehr geeignet, d.h. nicht genießbar i.S. des Zolltarifs.
Die getrockneten Schweineohren dürften nicht mehr als Lebensmittel
in den Verkehr gebracht werden.
Eine Einreihung der getrockneten Schweineohren in Kapitel 23
Position 2309 (Zubereitungen von der zur Fütterung verwendeten
Art) sei nach der oben genannten Verordnung (EG) nicht möglich,
denn es liege keine Zubereitung i.S. des Zolltarifs vor. Eine Änderung
der wesentlichen Merkmale des Ausgangsstoffes, wie sie sich bei
einer Vermischung mit anderen Stoffen ergeben würde, liege
nicht vor. Laut Verkaufsverpackungen seien den getrockneten Schweineohren
keine weiteren Bestandteile zugesetzt worden. Das Trocknen der Schweineohren
allein ändere nach der Definition der Kommission nicht
die wesentlichen Merkmale des Ausgangsstoffes und sei daher nicht
als Zubereitung im Sinne des Zolltarifs anzusehen.
Da sowohl Kapitel 2 als auch Kapitel 23 aus den vorgenannten
Gründen ausgeschlossen seien, bliebe nur noch die Einreihung
in Kapitel 5. Abgesehen von den in Kapitel 5 Position 0504 (Därme,
Blasen und Mägen von anderen Tieren usw. ...) und Position
0506 (Knochen und Stirnbeinzapfen usw. ...) einzureihenden Waren
seien aber keine der in Kapitel 5 genannten Waren in der Anlage
2 zum UStG enthalten. Da die getrockneten Schweineohren weder in
Kapitel 5 Position 0504 noch in Kapitel 5 Position 0506 einzureihen
seien, seien sie Kapitel 5 Position 0511 (Waren tierischen Ursprungs,
anderweitig weder genannt noch inbegriffen; ... ungenießbar)
zuzuordnen und damit dem Regelsteuersatz zu unterwerfen.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg. Das Finanzamt hat zutreffend die
Lieferungen getrockneter Schweineohren dem Regelsteuersatz unterworfen.
Eine Steuerermäßigung kommt weder gem. Nr. 2 noch
Nr. 37 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Betracht.
1. Gem. § 1 Abs. 1 Nr.
1 Satz 1 UStG unterliegen die Lieferungen und sonstigen Leistungen,
die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens
ausführt, der Umsatzsteuer. Der Regelsteuersatz beträgt
gem. § 12 Abs. 1 UStG für Umsätze
bis 31.12.2006 16 % und ab 01.01.2007 19 % der
Bemessungsgrundlage. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt
sich die Steuer auf 7 % für die Lieferung der
in der Anlage 2 zu § 12 UStG bezeichneten Gegenstände.
In dieser Anlage verweist der Gesetzgeber auf den Zolltarif (Kapitel,
Position oder Unterposition) entsprechend Art. 98 Abs. 3 MwStSystRL,
wonach die Mitgliedstaaten zur Anwendung des ermäßigten
Steuersatzes auf Kategorien von Gegenständen die betreffenden
Kategorien anhand der Kombinierten Nomenklatur (KN) genau abgrenzen
können. Diese entspricht dem Harmonisierten System (HS)
zur Bezeichnung und Codierung der Waren (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb,
USt-Kommentar, § 12 Rz. 27).
Ermäßigt besteuert werden gem. § 12
Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 2 der Anlage 2 unter anderem „Fleisch
und genießbare Schlachtnebenerzeugnisse” und gem.
Nr. 37 der Anlage 2 „Rückstände und Abfälle
der Lebensmittelindustrie; zubereitetes Futter”. Während
Nr. 2 aus sozialpolitischen Gründen Lebensmittel begünstigt,
sieht Nr. 37 eine Begünstigung von tierischem Futter aus
Gründen der Wettbewerbsneutralität vor (vgl. Klenk
in Sölch/Ringleb, USt-Kommentar, § 12
Rz. 53).
Gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 2658/87
des Rates
vom 23.07.1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur
sowie den Gemeinsamen Zolltarif, die in ihrem Anhang 1 die Kombinierte
Nomenklatur (das Warenverzeichnis) und den Zolltarif enthält, ist
die folgende Verordnung (EG) Nr. 1125/2006 der Kommission
vom 21.07.2006 zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur – VO
(EG) - (vgl. Europäisches Amtsblatt L 200 vom 22.07.2006
S. 3 - 4) ergangen:
Warenbezeichnung | Einreihung (KN-Code) | Begründung 1 |
1. Genießbare getrocknete Schweineohren (Schlachtnebenerzeugnis), auch wenn als Tierfutter verwendet. | 02109949 | Einreihung gemäß den Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der KN, der Anmerkung 1 a zu Kapitel 5 der Kombinierten Nomenklatur sowie dem Wortlaut der KN-Positionen 0210, 021099 und 02109949. |
Da die Schweineohren genießbar sind, sind sie in das Kapitel 2 einzureihen und nicht in das Kapitel 5, aus dem genießbare Waren ausgeschlossen werden (Anmerkung 1 a zu Kapitel 5 des HS). Das Trocknen der Schweineohren ändert nicht die wesentlichen Merkmale des Ausgangsstoffes, wie in Anmerkung 1 zu Kapitel 23 der KN beschrieben. Das Trocknen von Schweineohren beeinträchtigt nicht deren Eignung für den menschlichen Verzehr (HS-Erläuterung zu Kapitel 2, Allgemeines, dritter Absatz, Punkt 1 und vierter Absatz). | ||
2. Getrocknete Schweineohren (Schlachtnebenerzeugnis), nicht für den menschlichen Verzehr geeignet. | 05119990 | Einreihung gemäß den Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der KN, der Anmerkung 1 a zu Kapitel 2 der Kombinierten Nomenklatur sowie dem Wortlaut der KN-Positionen 0511, 051199 und 05119990. Da die Schweineohren nicht genießbar sind, sind sie in das Kapitel 5 einzureihen und nicht in das Kapitel 2, aus dem nicht genießbare Waren ausgeschlossen werden (Anmerkung 1 a zu Kapitel 2 der KN). Das Trocknen der Schweineohren ändert nicht die wesentlichen Merkmale des Ausgangsstoffes, wie in Anmerkung 1 zu Kapitel 23 der KN beschrieben. |
allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat
(Art. 3). Gem. BMF-Schreiben vom 16.10.2006 IV A 5-S 7221-1/06 (BStBl I 2006,
620) wurde die Anwendung des ermäßigten
Steuersatzes in Deutschland bis 31.10.2006 nicht beanstandet.
2. Die Umsätze der Klägerin
mit getrockneten Schweineohren sind nicht ermäßigt
zu besteuern, weil die in Futtermittelbetrieben getrockneten Schweineohren
keine genießbaren Schlachtnebenerzeugnisse i.S. Nr. 2 der
Anlage 2 darstellen.
Die Verordnung (EG) vom 21.07.2006 unterscheidet zwischen genießbaren und
nicht genießbaren getrockneten Schweineohren. Während
sie genießbare getrocknete Schweineohren, auch wenn als
Tierfutter verwendet, in Kapitel 2 einordnet, weist sie die nicht
genießbaren Schweineohren dem Kapitel 5 zu. Getrocknete
Schweineohren stellen genießbare Schlachtnebenerzeugnisse
dar, wenn sie für den menschlichen Verzehr geeignet sind
(vgl. Erläuterungen HS, Allgemeines, Kapitel 2 „Schlachtnebenerzeugnisse, soweit
zur menschlichen Ernährung geeignet”).
Nicht im Streit steht, dass die frischen Schweineohren von als
tauglich beurteilten Schweinen stammen und damit genießbare
Schlachtnebenerzeugnisse i.S. des Kapitels 2 darstellten. Die Eignung
zum menschlichen Verzehr haben die getrockneten Schweineohren nicht
durch den Trocknungsvorgang an sich oder dadurch verloren, dass
die getrockneten Schweineohren als Tierfutter angeboten wurden.
Das Trocknen von Schweineohren beeinträchtigt grundsätzlich
nicht deren Eignung für den menschlichen Verzehr (vgl. Begründung
zur VO). Es ist ein anerkanntes Mittel zur Haltbarmachung von Fleisch;
fachgerecht getrocknetes Fleisch bleibt für den menschlichen
Verzehr geeignet. Auch die Verwendung der Ware als Tierfutter ist
unschädlich, denn ein für den menschlichen Verzehr
geeignetes Produkt verliert diese Eigenschaft nicht allein deswegen,
weil es an Tiere verfüttert wird.
Im Streitfall erachtet der Senat es aber für entscheidend,
dass der Trocknungsvorgang unbestritten in Futtermittelbetrieben
und damit nicht unter den für Lebensmittel erforderlichen
hygienischen Bedingungen vorgenommen worden ist (a.M. Schleswig-Holsteinisches
Finanzgericht, Urteil vom 28.03.2012 4 K 70/11, juris). Die von der
Klägerin in ihren Geschäften als Tierfutter angebotenen
getrockneten Schweineohren sind nicht mehr genießbar, denn
sie sind nicht mehr zum menschlichen Verzehr geeignet und zugelassen.
Der Verordnung (EG) kann nicht entnommen werden, dass getrocknete
Schweineohren grundsätzlich als genießbar gelten
sollen, unabhängig von den Umständen der weiteren
Behandlung der Ware. Vielmehr geht diese ausdrücklich davon
aus, dass getrocknete Schweineohren in bestimmten Fällen
nicht für den menschlichen Verzehr geeignet und daher in
das Kapitel 5 einzuordnen sind. Die Annahme, es würde sich
hier nur um nicht genießbare i.S. verdorbener Ware handeln überzeugt
nicht, weil allein für verdorbene Schweineohren wegen der
fehlenden Marktfähigkeit eine Regelung hinsichtlich des
anzuwendenden Steuersatzes wohl nicht erforderlich gewesen wäre.
Im Übrigen können den Lebensmittelvorschriften
nicht entsprechend behandelte Lebensmittel auch als „verdorben” angesehen
werden, weil sie für den menschlichen Verzehr nicht mehr
geeignet sind. Durch die Trocknung in einem Futtermittelbetrieb, gegebenenfalls
unter Zufügung von Raucharomen und Glukose, ist aus dem Lebensmittel „getrocknetes
Schweineohr” ein tierisches Futter geworden. Im Interesse
der Rechtssicherheit und einer geordneten Verwaltungstätigkeit werden
die Waren grundsätzlich nach objektiven Merkmalen in den
gemeinsamen Zolltarif eingeordnet (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18.12.2008 V R 55/06, BFH/NV
2009, 673). Die hier gegebene Zweckbestimmung als Futter
ist ein objektives Merkmal. Futtermittel sind nicht in Kapitel 2,
das Lebensmitteln vorbehalten ist, einzuordnen.
Auch der BFH hat in seinen Urteilen vom 03.02.2004 VII R 33/03 und
vom 10.02.2009 VII
R 16/08, denen allerdings Sachverhalte zeitlich vor
Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1125/2006 vom 21.
Juli 2006 zugrunde lagen, getrocknete Schweineohren nicht als genießbare
Schlachtnebenerzeugnisse im Sinne Nr. 2 der Anlage 2 angesehen.
Der dort vertretenen Auffassung, dass die getrockneten Schweineohren
aber als zubereitetes Futter im Sinne Nr. 37 der Anlage 2
ermäßigt zu besteuern seien, kann unter Berücksichtigung
der Verordnung (EG) vom 21.07.2006 nicht gefolgt werden.
3. Die getrockneten Schweineohren sind nicht
gem. Nr. 37 der Anlage 2 als „Rückstände
und Abfälle der Lebensmittelindustrie; zubereitetes Futter” ermäßigt
zu besteuern. Begünstigt nach Nr. 37 sind alle Erzeugnisse
des Kapitels 23 des Zolltarifs. Hierzu gehören verschiedene
Rückstände und Abfälle, die bei der Verarbeitung
von pflanzlichen Stoffen durch die Lebensmittelindustrie anfallen,
sowie bestimmte Rückstände tierischen Ursprungs. Die
meisten dieser Erzeugnisse werden hauptsächlich, entweder
allein oder vermischt mit anderen Stoffen, als Futter verwendet
(vgl. Erläuterungen HS, Allgemeines, Kapitel 23). Getrocknete
Schweineohren stellen insbesondere kein „zubereitetes Futter” dar.
Zu der Position 2309 KN gehören Erzeugnisse der zur Fütterung
verwendeten Art, anderweitig weder genannt noch inbegriffen, die
aus der Verarbeitung von pflanzlichen und tierischen Stoffen stammen
und die durch die Verarbeitung die wesentlichen Merkmale der Ausgangsstoffe
verloren haben (vgl. Anm. zu 2309 KN). Es muss sich um eine Zubereitung
handeln, die zu Futterzwecken bestimmt ist. Unter „Zubereitung” ist
die Verarbeitung eines Erzeugnisses oder seine Vermischung mit anderen
Erzeugnissen zu verstehen. Die Zweckbestimmung als Futter ist objektiv
gegeben, wenn festgestellt werden kann, dass die Zubereitung ausschließlich
zur Verwendung als Futter geeignet ist (EuGH-Urteil vom 23.03.1972 C-36/71,
Henck, Slg. 1972, 187). Im Streitfall liegt keine Zubereitung vor.
Die Verordnung (EG) vom 21.07.2006 stellt in der Begründung
ausdrücklich fest, dass das Trocknen von Schweineohren
nicht die wesentlichen Merkmale des Ausgangsstoffes ändert.
Außer dem Trocknungsvorgang haben die hier zu beurteilenden
Schweineohren aber keine weitere Behandlung erfahren. Eine Zubereitung
kann auch nicht angenommen werden, soweit Raucharoma oder Glukose
beim Trocknungsvorgang zugeführt worden sein sollte. Denn
die nur in geringen Mengen zu verwendenden Zusätze führen
nicht dazu, dass die wesentlichen Merkmale des Ausgangsstoffes hinsichtlich
Aussehen oder Konsistenz verloren gehen. Zudem sind Zutaten, die
einer Zubereitung zum Würzen, Haltbarmachen oder zu anderen
Zwecken in geringer Menge zugesetzt werden, nicht zu berücksichtigen
(vgl. Anm. 1, Kapitel 16).
Danach verbleibt nur die Einreihung der getrockneten Schweineohren
in das Kapitel 5. In die Position 0511 KN sind Waren tierischen
Ursprungs einzureihen, die anderweitig weder genannt noch inbegriffen
sind. Dies trifft auf die hier zu beurteilenden getrockneten Schweineohren
zu, da sie weder in Kapitel 2 als Lebensmittel noch in Kapitel 23
als zubereitetes Futter einzureihen sind. Es verbleibt daher bei
der Anwendung des Regelsteuersatzes, eine Ermäßigung
kommt nicht in Betracht.
Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts und der Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, da widerstreitende
Urteile vorliegen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.