13.12.2012
Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 16.04.2012 – 7 K 2968/11
- Zur Berechnung der Höhe der bei der Einfuhr von einem Dritten gem. Art. 185 Abs. 1 ZK beantragten Vergünstigung bei den Zollabgaben, ist ein Autohersteller zumindest dann verpflichtet Unterlagen und Angaben zur Ermittlung der bei der Herstellung verwendeten Teile zur Verfügung zu stellen, wenn ihm bei der Aus- und Wiedereinfuhr ein teilebezogenes Abrechnungsverfahren bewilligt worden war.
- Selbst wenn der Hersteller keinen Bezug zum konkreten Einfuhrvorgang hat, ist er eine Person, die mittelbar an Vorgängen im Rahmen des Warenverkehrs beteiligt ist.
- Den Nachweis, dass es sich bei der vom Hersteller ausgeführten Ware um ein Veredelungserzeugnis handelt, hat der Anmelder der Rückware zu führen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin, die Automobile herstellt, verpflichtet ist, Unterlagen und Angaben zur Ermittlung etwaiger in die aktive Veredelung übergeführter, bei der Herstellung mehrerer Personenkraftwagen, die von einem Dritten unter Geltendmachung der Rückwareneigenschaft zum freien Verkehr angemeldet und die diesem nach Entrichtung der vollständig erhobenen Einfuhrabgaben überlassen wurden, verwendeter Einfuhrwaren zur Verfügung zu stellen.
In einem beim erkennenden Gericht anhängigen Rechtsstreit (7 K 337/08; nachfolgend: Ausgangsverfahren) geht es um sieben Pkw der Marke X, Typ , die die dortige Klägerin (nachfolgend: Anmelderin) im Juli 2007 einführen ließ und unter Beantragung der Begünstigung als Rückwaren bei dem zuständigen Zollamt (ZA) Stadt 1 zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr anmeldete. Die behauptete Rückwareneigenschaft begründete sie mit der Ausfuhr der Fahrzeuge durch den Hersteller, die X, im April 2007 nach Land A, wobei sie als Empfänger ihren Verkäufer, die Fa. Verkäufer I., angab. Nach Beschau der Fahrzeuge lehnte das ZA den Rückwarenantrag ab und erhob in vollem Umfang die Einfuhrabgaben, da die Anmelderin nicht die Ausführerin gewesen sei und nicht über die Ausfuhranmeldungen verfüge. Um jedoch zu klären, ob und ggf. in welchem Umfang die Fahrzeuge von der X unter Verwendung von Einfuhrwaren hergestellt worden waren, ließ es die Anmelderin den Vordruck des Informationsblatts INF 1 ausfüllen und sandte dieses an die für die X, Stadt 2, zuständige Überwachungszollstelle, das Hauptzollamt (HZA) Stadt 3. Dieses sah sich zur Ermittlung der ggf. bei der Herstellung der Fahrzeuge verwendeten Drittlandsteile indessen nicht in der Lage. Auch ein nochmaliger Versuch des Beklagten während des Einspruchsverfahrens, unter Angabe weiterer Daten bei dem HZA Stadt 3 etwaige Rückvergütungsbeträge oder ggf. seinerzeit auf etwa verwendeten Einfuhrwaren lastende Abgaben zu erfahren, schlug fehl. Es konnte schon nicht geklärt werden, ob bei der Herstellung der Fahrzeuge überhaupt in die aktive Veredelung in Gestalt entweder des Verfahrens der Zollrückvergütung oder des Nichterhebungsverfahrens – beide Verfahrensarten waren der X seinerzeit bewilligt – übergeführte Waren verwendet worden waren.
Den Einspruch der Anmelderin wies der Beklagte daraufhin mit der Begründung zurück, es sei weder ein Exemplar der Ausfuhranmeldung noch ein Auskunftsblatt INF 3 vorgelegt worden. Die beigebrachten Beweisunterlagen (Handelsrechungen, Bills of Lading, diverse Schreiben der Fa. Verkäufer I.), so heißt es in den Gründen der Entscheidung, belegten zwar, dass die Fahrzeuge in Deutschland hergestellt, von dort nach Land A ausgeführt und – ohne dort einer Behandlung unterzogen worden zu sein – wieder nach Deutschland eingeführt worden seien. Sie belegten indessen nicht, dass es sich bei der seinerzeitigen Ausfuhr aus Deutschland um Gemeinschaftswaren gehandelt hätte. Bekanntermaßen stelle die deutsche Automobilindustrie die für den Export bestimmten Fahrzeuge unter Verwendung von Drittlandsware her. Dieser Drittlandsanteil müsse im Falle des Reimports bei der Einfuhrabfertigung verzollt werden. Den Nachweis habe der Wiedereinführer zu führen. Zwar könne der Zollbehörde zugemutet werden, im Rahmen der Amtsermittlungspflicht ihren Beitrag zur Beweisführung zu leisten. Dabei müssten jedoch die Grundsätze des Datenschutzes gewahrt bleiben, was bei einer Personenverschiedenheit von Ausführer und Wiedereinführer eine besondere Rolle spiele. Ohne ausdrückliche Erlaubnis des Ausführers dürften die für die Rückwarenabfertigung erforderlichen Daten betriebsinterner Herstellungsvorgänge nicht zugunsten des Wiedereinführers verwendet werden. Da hier die zollseitigen Ermittlungen nicht zum Ziel geführt hätten, sei der Nachweis des Gemeinschaftscharakters der Pkw nicht erbracht worden.
Nachdem die Anmelderin unter Berufung auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 22.05.2003 Rs. C-56/02 (IHW Rebmann, Slg. 2003, I-5499, ZfZ 2003, 267) Klage erhoben und vorgetragen hatte, dass nach Auskunft von „X Land A” in den Fahrzeugen auch Drittlandsware, „allerdings in ganz geringem Umfang”, enthalten sei, bemühte sich der Berichterstatter zunächst ebenfalls bei dem HZA Stadt 3 und danach direkt bei der X ohne Erfolg um Ermittlung der zur Abgabenberechnung benötigten Daten. Die (zur Erteilung des INF 1 erforderlichen) Angaben, so das HZA Stadt 3, stünden ihm nicht zur Verfügung, und der Bewilligungsinhaber sei nach keiner Norm verpflichtet, die Angaben „von sich aus zu machen.” Die X behauptete zwar – anders als das HZA Stadt 3 – nicht, die Daten nicht ermitteln und dem Gericht mitteilen zu können. Sie war jedoch der Meinung, dazu nicht verpflichtet zu sein, und war zur (freiwilligen) Mitwirkung nicht bereit. Der Senat vernahm sodann in dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 03.05.2011 die für die Abrechnungen der Veredelungsverkehre der X bei dem HZA Stadt 3 zuständige Sachbearbeiterin als Zeugin. Diese erläuterte die Einzelheiten der Abrechnung der Veredelungsverfahren und die Gründe, warum sie die erbetenen Feststellungen nicht treffen und die etwaigen Abgabenbeträge nicht berechnen könne.
Der Senat vertagte daraufhin die Sache und gab dem Beklagten mit Beschluss vom 06.06.2011 auf, bei der X die Ausfuhr- oder Wiederausfuhranmeldungen anzufordern und ggf. – falls bei der Herstellung der Pkw in der aktiven Veredelung befindliche Nichtgemeinschaftswaren oder in das Zollrückvergütungsverfahren übergeführte Teile verwendet wurden – die X aufzufordern, Art und Menge der Einfuhrwaren mitzuteilen. Die entsprechende Bitte des Beklagten – Schreiben vom 10.08.2011 – lehnte die X (nachfolgend: Klägerin) ab. Der Beklagte forderte daraufhin die Klägerin mit Bescheid vom 22.09.2011 unter Fristsetzung und Androhung eines Zwangsgelds nochmals auf, die erbetenen Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen. Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 10.11.2011).
Am 09.12.2011 erhob die Klägerin Klage. Sie hält an ihrer Auffassung fest, nicht zur Mitwirkung im Besteuerungsverfahren der Anmelderin verpflichtet zu sein. Ihre Mitwirkung sei nicht erforderlich, um die zollrechtlich erheblichen Tatsachen und die Höhe der von der Anmelderin gesetzlich geschuldeten Abgaben festzustellen. Die Anmelderin hätte nämlich nicht die Abfertigung der Fahrzeuge als Rückwaren zu beantragen brauchen. Da sie dies aber getan habe, wäre sie verpflichtet gewesen, das Vorliegen der Voraussetzungen einer Abfertigung als Rückware nachzuweisen, und zwar bereits im Zeitpunkt der Zollanmeldung. Diesen Nachweis habe sie nicht geführt. Da für sie die Alternative bestanden habe, die Fahrzeuge unter Entrichtung der Einfuhrabgaben abfertigen zu lassen, bestehe kein Erfordernis einer Mitwirkung Dritter.
Auch die Klägerin beruft sich auf das o.g. EuGH-Urteil. Der EuGH habe klargestellt, dass der Anmelder mindestens nachweisen müsse, dass es sich bei den eingeführten Waren tatsächlich um die nämlichen Veredelungserzeugnisse handelt. Bereits diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt. Zum einen habe die Anmelderin nicht nachgewiesen, dass die von ihr angemeldeten Fahrzeuge unter Verwendung von Einfuhrwaren hergestellt wurden, und zum anderen sei ungewiss, ob nicht im Drittland Veränderungen an den von der Klägerin ausgeführten Fahrzeugen vorgenommen wurden und es sich demnach überhaupt noch um die nämlichen, von ihr ausgeführten Fahrzeuge handelte. Außerdem seien in einer Situation wie hier nur die Behörden verpflichtet, alle ihnen zur Verfügung stehenden Unterlagen und Angaben zu liefern, um eine Person, die eine Entscheidung beantragt habe, aber nicht alle erforderlichen Unterlagen vorlegen könne, zu unterstützen. Mit der Aufforderung zur Mitwirkung, um die ihm selbst nicht zur Verfügung stehenden Unterlagen zu erlangen, gehe der Beklagte unverhältnismäßig weit über die vom EuGH konkretisierten Mitwirkungspflichten hinaus. An der Wiedereinfuhr von Fahrzeugen, die sie exportiert habe, sei sie zudem auch nicht mittelbar im Sinne des Art. 14 des Zollkodex (ZK) beteiligt.
Ferner macht die Klägerin geltend, dass sie sich durch eine Weitergabe der Informationen und die daraus resultierende Anerkennung der Rückwareneigenschaft der Fahrzeuge wirtschaftlich selbst nachhaltig schädigen würde. Die Anmelderin könne bei einer zollfreien Einfuhr der zu einem sehr niedrigen Preis erworbenen Fahrzeuge die Absatzmöglichkeiten der Klägerin erheblich verringern, da sie die Fahrzeuge in direkter Konkurrenz zur Klägerin auf dem gemeinsamen Markt anbieten könne. Ggf. wäre mit tausendfachen Nachahmungsfällen zu rechnen. Eine Vielzahl von Graumarkthändlern würde Neufahrzeuge mit Unterstützung der Klägerin zollfrei reimportieren. Außerdem handele es sich um betriebsinterne Informationen, die für andere Automobilhersteller von Interesse seien. Allein aus der Höhe des Zollminderungsbetrags könne auf den Anteil der ggf. bei der Herstellung der Fahrzeuge verbauten Drittlandsteile geschlossen werden.
Die Klägerin beantragt,
die Aufforderung zur Mitwirkung vom 10.08. und 22.09.2011 sowie die Einspruchsentscheidung vom 10.11.2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Gründe der Einspruchsentscheidung, wo darauf hingewiesen wurde, dass eine verlässliche Feststellung der zollrechtlich relevanten Tatsachen im Einzelfall aufgrund dessen, dass die Abrechnungen der Veredelungsverkehre der Klägerin ausschließlich nach X-Teilenummern erfolge, nicht möglich sei. Die Abgabenberechnung für die in einem bestimmten Pkw verbauten Teile könne daher zwar von der Überwachungszollstelle nicht vorgenommen, sie könne jedoch im Einzelfall von dem Bewilligungsinhaber angefordert werden. Denn bei der aktiven Veredelung gehöre zu den Bewilligungsvoraussetzungen, dass der Beteiligte die erforderliche Gewähr für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens bietet. Der Bewilligungsinhaber habe alle Unterlagen bereitzuhalten, die erforderlich sein könnten, um den Verbleib der Einfuhrwaren nachverfolgen und nachweisen zu können. Um die gesetzlich geschuldeten Einfuhrabgaben im vorliegenden Fall zu berechnen, bedürfe es daher der Mitwirkung der Klägerin.
Das Mitwirkungsverlangen sei auch verhältnismäßig und ermessengerecht. Die verlangten Auskünfte unterlägen weder einem Vertraulichkeitsgrundsatz noch einem Berufsgeheimnis. Es würden auch keine firmeninternen Daten an Dritte weitergegeben. Mögliche wirtschaftliche Vorteile des Wiedereinführers aus der Abfertigung als Rückware rechtfertigten keine Auskunftsverweigerung.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte einschließlich des Protokolls über die mündliche Verhandlung am 16.04.2012 verwiesen. Dem Senat lagen die Rechtsbehelfsakte des Beklagten sowie die Akten (Gerichtsakte, Steuerakte und Rechtsbehelfsakte des Beklagten) zu dem inzwischen ausgesetzten Ausgangsverfahren 7 K 337/08 vor.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hebt das Gericht den angefochtenen Verwaltungsakt und die etwaige Einspruchsentscheidung auf, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Die Aufforderung zur Mitwirkung in den Schreiben des Beklagten vom 10.08. und 22.09.2011 ist indessen rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn die Klägerin ist gemäß Art. 14 ZK verpflichtet, die verlangten Unterlagen zur Verfügung zu stellen und die erbetenen Angaben zu machen.
Art. 14 ZK sieht vor, dass alle Personen, die unmittelbar oder mittelbar an Vorgängen im Rahmen des Warenverkehrs beteiligt sind, zur Anwendung des Zollrechts den Zollbehörden auf Verlangen alle Unterlagen und Angaben zur Verfügung zu stellen und jede erforderliche Unterstützung zu gewähren haben.
1. Die genannten Voraussetzungen der Pflicht, Unterlagen und Angaben zur Verfügung zu stellen, sind im vorliegenden Fall erfüllt.
a) Entgegen ihrer Auffassung war die Klägerin mittelbar an dem Verfahren zur Überführung der Fahrzeuge in den freien Verkehr nach deren Wiedereinfuhr beteiligt, weil die Fahrzeuge zuvor von der Klägerin ausgeführt oder wiederausgeführt worden waren und die Anmelderin die Abfertigung der Fahrzeuge unter Anerkennung von deren Rückwareneigenschaft und damit abgabenfrei beantragte. Die von der Zollstelle zu treffende Entscheidung hing daher davon ab, ob und ggf. in welchem Umfang die Herstellung der Fahrzeuge unter Einbau von Teilen erfolgte, die die Klägerin zuvor in die aktive Veredelung übergeführt hatte (vgl. Art. 187 UA 2 ZK).
aa) Aufgrund der Erkenntnisse im Ausgangsverfahren steht zunächst zur Überzeugung des Senats fest, dass die aus Land A eingeführten und zum freien Verkehr angemeldeten sieben Fahrzeuge von der Klägerin im April 2007 dorthin ausgeführt oder – im Fall einer Herstellung unter Verwendung von Nichtgemeinschaftswaren – wiederausgeführt worden waren, nachdem die Klägerin sie an die Fa. Verkäufer I. verkauft hatte (Rechnungen der Klägerin vom 30.03., 12. und 16.04.2007).
Zum einen stimmen die detaillierten Angaben zu den Fahrzeugen einschließlich der Fahrgestell- und Motornummern in den Rechnungen der Klägerin und den Frachtunterlagen über die Beförderung von Stadt 4 nach Stadt 5 mit den Angaben in der Rechnung der Fa. Verkäufer I. an die Anmelderin vom 06.07.2007 und den Frachtunterlagen über die Beförderung von Stadt 5 nach Stadt 6 (Frachtrechnung) bzw. Stadt 7 (Bill of Lading) und von dort weiter zum Sitz der Anmelderin (CMR-Frachtbrief) überein. Zum anderen bestätigte die Fa. Verkäufer I. mit Schreiben vom 09.07.2007 unter Angabe der Fahrgestellnummern, dass „die o.g. in Stadt 2 produzierten Neufahrzeuge erst am 24.04.2007 (Grande Africa) bzw. 08.04.2007 (Grande America) von Stadt 4 nach Land A verschifft wurden, um jetzt wieder von Stadt 5 über Stadt 6 nach Deutschland zurückgeliefert zu werden”. Auch wurde auf der Rechnung der Fa. Verkäufer I. vom 06.07.2007 vermerkt, dass die Fahrzeuge zur Wiederausfuhr bestimmt seien („Vehicles are for re-export”). Ferner wurde der Anmelderin jeweils eine Ablichtung der am 17.04. 2007 in Stadt 2 für Zwecke der Einfuhrabfertigung in Land A ausgestellten Wert- und Rechnungsbescheinigung überlassen, so dass sie diese bei der Abfertigung vorlegen konnte.
bb) Der Senat hat auch keine Zweifel daran, dass an den Fahrzeugen nach ihrer Ausfuhr oder Wiederausfuhr keine ihre Nämlichkeit in Frage stellende Be- oder Verarbeitung vorgenommen wurde (Hinweis auf Art. 186 Satz 1 ZK). Nicht nur bestehen für eine solche Behandlung keine Anhaltspunkte, sondern die Verkäufer I. bestätigte der Anmelderin in dem oben erwähnten Schreiben vom 06.09.2007 ausdrücklich, dass „bei der Produktion der o.g. Fahrgestellnummern keinerlei Bearbeitungen, Hinzufügungen oder sonstige Warenveredelungsprozesse außerhalb Deutschlands/Europas stattgefunden haben.”
b) Die Unterlagen und Angaben, die die Klägerin dem Beklagten zur Verfügung stellen soll, werden von ihr „zur Anwendung des Zollrechts”, nämlich zur Ermittlung etwaiger bei der Herstellung der Fahrzeuge verwendeter Einfuhrwaren und zur Berechnung der Höhe der von der Anmelderin gemäß Art. 185 Abs. 1 ZK beantragten Begünstigung, verlangt.
aa) Der Charakter einer Ware als Gemeinschaftsware vor deren Ausfuhr im Zusammenhang mit einer im Anschluss an die Wiedereinfuhr begehrten Abfertigung unter Befreiung von den Einfuhrangaben wegen der behaupteten Rückwareneigenschaft ist entgegen der Auffassung der Klägerin eine „zollrechtlich erhebliche Tatsache”. Zwar trifft es zu, dass die Anmelderin die Anerkennung der Fahrzeuge als Rückwaren nicht hätte beantragen müssen. Es besteht nicht etwa ein Antragszwang. Die Vorschriften über Rückwaren sind jedoch als Ausdruck des Wirtschaftszollgedankens seit jeher Bestandteil des Zollrechts und begründen bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Rechtsanspruch des Anmelders auf – ggf. teilweise – Befreiung von den Einfuhrabgaben. Im Falle einer Antragstellung ist die Zollbehörde deshalb verpflichtet, die Voraussetzungen zu prüfen und über den Antrag zu entscheiden. Die Klägerin weist zwar – sinngemäß – zu Recht darauf hin, dass der Antragsteller alle Angaben und Unterlagen liefern muss, die für die Entscheidung benötigt werden (Art. 6 Abs. 1 ZK). Ist er jedoch hierzu nicht in der Lage, wie das hier der Fall ist, so ist die Zollbehörde gemäß Art. 2 der Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZK-DVO) von Amts wegen verpflichtet, ihrerseits die ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen und Angaben zu liefern. Nach Auffassung des Senats umfasst diese Verpflichtung der Behörde nicht nur – wie das HZA Stadt3 zu meinen scheint – die Berücksichtigung und Auswertung der bei ihr bereits vorhandenen Unterlagen, sondern auch das Gebrauchmachen der ihr zur Verfügung stehenden Befugnisse zur Klärung des Sachverhalts. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 5 des EG-Vertrags bzw. Art. 10 EG (im Wesentlichen nunmehr Art. 4 Abs. 3 UA 2 EUV) sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Geltung und Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts (nunmehr: des Unionsrechts) zu gewährleisten (vgl. z.B. Urt. v. 26.10.1995 Rs. C-36/94 [Siesse], Slg. 1995, I-3573, ZfZ 1996, 44, Rdnr. 20 m.w.N.). Ggf. hat die Behörde daher benötigte Auskünfte nach Art. 14 ZK bei einem mittelbar Beteiligten einzuholen.
bb) Zur „Anwendung des Zollrechts” verwendet werden Unterlagen und Angaben nicht nur bei ihrer Verwendung zur Ermittlung der Bemessungsgrundlagen und Berechnung der Höhe der nach der Ausfuhr von Veredelungserzeugnissen erstatteten oder bis zur Wiederausfuhr auf den Erzeugnissen lastenden Einfuhrabgaben, sondern auch bei ihrer Verwendung zur Klärung der Frage, ob es sich bei den zum freien Verkehr angemeldeten Waren überhaupt um zuvor unter Zollrückvergütung ausgeführte oder (ohne Abgabenerhebung) wiederausgeführte Veredelungserzeugnisse handelt. Denn ist dies nicht der Fall, ist die beantragte Begünstigung in vollem Umfang zu gewähren, da es sich dann um vollständige Rückwaren handelt. Aus diesem Grund ist das Urteil des EuGH vom 22.05.2003 Rs. C-56/02 entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht dahin zu interpretieren, dass das Auskunftsverfahren mittels des Informationsblatts INF 1 zur Anwendung von Art. 187 UA 2 ZK den Nachweis durch den Anmelder voraussetze, dass die Herstellung der Waren tatsächlich unter Verwendung von Einfuhrwaren erfolgte. Dieser Umstand wird sich der (sicheren) Kenntnis eines Anmelders, der nicht der Ausführer oder Wiederausführer ist, häufig ebenso entziehen wie der Umfang etwa verwendeter Einfuhrwaren. Der EuGH brauchte sich hierzu nicht zu äußern, weil in dem von ihm zu beurteilenden Fall von den Zollbehörden festgestellt worden war, dass sich die angemeldeten Waren zuvor in der aktiven Veredelung befunden hatten.
2. Der Mitwirkungspflicht der Klägerin steht nicht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entgegen.
Zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wonach die von einer Gemeinschaftsbestimmung eingesetzten Mittel zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet sein müssen und nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen dürfen (vgl. für den Bereich des Zollrechts z.B. EuGH, Urt. v. 03.04.2008 Rs. C-230/06 [Militzer & Münch], Slg. 2008, I-1895, ZfZ 2008, 136 [Rdnr. 47 m.w.N.]).
a) Unstreitig sind die von der Klägerin verlangten Unterlagen und Auskünfte geeignet, die Berechnung der ggf. rückvergüteten oder nicht erhobenen Zollbeträge zu ermöglichen. Sie sind dazu auch erforderlich. Denn zum einen konnte die Anmelderin selbst keine hinreichend genauen Angaben über die etwaige Verwendung von der Klägerin zur aktiven Veredelung überlassenen Einfuhrwaren bei der Herstellung der Fahrzeuge machen und zum anderen waren aufgrund der Besonderheiten des Abrechnungsverfahrens der Veredelungsverkehre der Klägerin sowohl das Auskunftsverfahren nach Art. 187 UA 2 ZK i.V.m. Art. 523 Buchst. b, 1. Anstrich ZK-DVO und Anhang 71 als auch die Bemühungen des Gerichts, von der Überwachungszollstelle, dem HZA Stadt 3, die benötigten Angaben zu erhalten, erfolglos. Die von dem Gericht zudem im Ausgangsverfahren von ihr erbetene Mitwirkung lehnte die Klägerin ab.
Ergänzend sei bemerkt, dass der gesetzlich geschuldete Einfuhrabgabenbetrag im Falle der Wiedereinfuhr von Veredelungserzeugnissen nicht, wie die Klägerin meint, der für die Waren als Ganzes vorgesehene Abgabenbetrag, sondern nur derjenige ist, der auf die bei der Veredelung verwendeten Einfuhrwaren entfällt. Im Übrigen, d.h. bezüglich des Rückwarenanteils an den Veredelungserzeugnissen, ist der Anmelder von den Abgaben befreit (vgl. Art. 187 ZK).
b) Das angefochtene Mitwirkungsverlangen ist nicht unangemessen.
aa) Zunächst ist festzuhalten, dass die Klägerin nicht zu befürchten braucht, die beklagte Behörde werde – möglicherweise unter Verletzung des Zollgeheimnisses (Art. 15 ZK) – die zur Verfügung gestellten Unterlagen und Angaben gegenüber der Anmelderin offenbaren. Entsprechend dem Feld 9 des Informationsblatts INF 1 wird dieser vielmehr ausschließlich – weitere Angaben, insbesondere die Bemessungsgrundlagen, sind nicht vorgesehen – das Ergebnis der Ermittlungen und Berechnungen, also der gesetzlich geschuldete Einfuhrabgabenbetrag, mitgeteilt (vgl. dazu Rdnr. 35 des EuGH-Urteils vom 22.05.2003; wegen der Frage der Überprüfbarkeit dazu kritisch Fuchs, Amtswegige Ermittlungspflicht und Geheimhaltungspflicht, ZfZ 2004, 178). Das wurde von der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung bestätigt.
Für die Anmelderin ist zwar daraus ersichtlich, dass und in welcher Gesamthöhe mit einem Zoll belegte Teile bei der Herstellung eines Fahrzeugs verwendet wurden. Ein Rückschluss auf Art und Umfang, Zollwert und Ursprung der in den Veredelungserzeugnissen enthaltenen Einfuhrwaren oder auf die Selbstkosten und Preiskalkulationen des Bewilligungsinhabers der aktiven Veredelung hingegen ist – auch wegen der für Pkw-Teile geltenden unterschiedlichen Zollsätze (Hinweis auf die Positionen 8706-8708 des Zolltarifs) – nicht möglich (vgl. Reimer, Nochmals: „Vorzugsbehandlung von Veredelungsrückwaren”, AW-Prax 2003, 350 [352]).
bb) Bei der Gewichtung des Wettbewerbsinteresses der Klägerin bezüglich des inländischen Marktes und bei der Einschätzung der Gefahr „tausendfacher Nachahmungsfälle” darf nach Auffassung des Senats die offenkundig gegebene Verbundenheit der Klägerin mit dem Käufer Land A bzw. Wiederverkäufer nicht unberücksichtigt bleiben. Die Fa. Verkäufer I., ist nach eigenen Angaben „offizieller Land A X Generalimporteur”, wofür auch das auf den Schreiben dieser Firma verwendete X-Symbol und die E-Mail-Adresse („info@X. ”) sprechen. Die Fa. Verkäufer I. bezeichnete die X in diesem Schreiben als „unsere Konzernmutter ”. Es ist nicht ohne weiteres verständlich, warum die Klägerin gegenüber ihren eigenen Generalimporteuren in Drittländern entweder allgemein konzernrechtlich oder aber im Einzelfall kaufrechtlich nicht in der Lage sein sollte, unerwünschte Rückverkäufe in die Union oder auch nur nach Deutschland zu unterbinden oder zu erschweren. Jedenfalls ist nicht dargetan, dass dem Wettbewerbsinteresse der Klägerin nicht auf andere Weise als der Erhebung des vollen Einfuhrabgabenbetrags bei dem Wiedereinführer Rechnung getragen werden könnte.
cc) Demgegenüber spricht der den Vorschriften über Rückwaren zugrunde liegende Gedanke des Wirtschaftszolls für die – ggf. nur teilweise – Befreiung von den Einfuhrabgaben (vgl. Bundesfinanzhof [BFH], Vorlagebeschluss vom 22.01.2002 VII R 23/01, ZfZ 2002, 202 [203]), weil die Nichtbefreiung bedeutet, dass für den in den Veredelungserzeugnissen enthaltenen Gemeinschaftswarenanteil Zoll erhoben wird. Sollte es sich nicht um Veredelungserzeugnisse handeln, würden gar wiedereingeführte Gemeinschaftswaren in vollem Umfang mit Zoll belegt werden. Wollte man bezüglich der Entscheidung über den Befreiungsantrag des Anmelders ohne Inanspruchnahme eines nur mittelbar Beteiligten nach Art. 14 ZK eine Beweislastentscheidung für zulässig halten, so gelangte man in einem Fall, in dem der Anmelder weder in der Lage ist nachzuweisen, dass bei der Herstellung der Erzeugnisse keine Einfuhrwaren verwendet wurden, noch dass dabei Einfuhrwaren verwendet wurden, oder in dem er zwar nachweisen kann, dass dabei Einfuhrwaren verwendet wurden, nicht jedoch in welchem Umfang, zu dem paradoxen Ergebnis, dass die Einfuhrabgaben selbst dann in voller Höhe zu erheben wären, wenn – wie hier – feststünde, dass es sich um Rückwaren handelt, und lediglich nicht sicher ist, ob und/oder in welchem Umfang in der Ware Drittlandsteile enthalten sind.
Im vorliegenden Fall widersprächen die vollen Abgaben eklatant dem Charakter eines Wirtschaftszolls, wenn es – wie von der Anmelderin unter Berufung auf den Verkäufer vorgetragen – zuträfe, dass in den Fahrzeugen nur in ganz geringem Umfang Drittlandsteile enthalten waren. Die Abgabenerhebung bei der Anmelderin enthielte ein Sanktionselement, und zwar ungerechtfertigterweise, weil die Anmelderin keinerlei Verschulden an ihrem Unvermögen trifft, die Verwendung von Einfuhrwaren bei der Herstellung der Fahrzeuge und deren Umfang nachzuweisen (vgl. die Ausführungen des Generalanwalts in den Schlussanträgen vom 13.02.2003, I-5501, Rdnrn. 50 ff.).
dd) In einem Fall wie hier kommt hinzu, dass die mittels des Informationsblatts INF 1 ersuchte Überwachungszollstelle nur deshalb nicht imstande war, die zur Berechnung der Abgaben erforderlichen Teile zu ermitteln, weil der Klägerin ein teilebezogenes Abrechnungsverfahren bewilligt war, das einen Rückschluss auf Art und Menge der in einem bestimmten Fahrzeug verbauten Teile nicht ermöglicht. Das Auskunftsverfahren nach Art. 187 UA 2 ZK i.V.m. Art. 523 Buchst. b, 1. Anstrich ZK-DVO geht in einem solchen Fall ins Leere. Dieses durch die Eigenart der bewilligten Abrechnung der Veredelungsverkehre verursachte Defizit wird kompensiert, wenn der Bewilligungsinhaber die benötigten Unterlagen und Angaben zur Verfügung stellt. Da die Überwachungszollstelle bei einer fahrzeugbezogenen Abrechnung nach dem EuGH-Urteil vom 22.05.2003 verpflichtet gewesen wäre, die Abgabenbeträge der Abfertigungszollstelle mitzuteilen, spricht dieser Gesichtspunkt dafür, sozusagen ersatzweise der Klägerin zuzumuten, die benötigten Unterlagen und Angaben zur Verfügung zu stellen.
Die Kosten des Verfahrens waren gemäß § 135 Abs. 1 FGO der Klägerin aufzuerlegen.
Die Revision war zuzulassen, weil der Frage von Umfang und Grenzen der Mitwirkungspflicht nach Art. 14 ZK grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).