Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 28.10.2011

    Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 09.03.2011 – 4 K 2386/07

    1. Hat ein Kreditinstitut den Girokontovertrag mit dem Steuerpflichtigen gekündigt, das einen Sollstand ausweisende Konto aber intern noch nicht abgewickelt, sondern weitergeführt, und hat das FA eine Steuererstattung entgegen der Weisung des Steuerpflichtigen nicht auf dessen neue Bankverbindung, sondern auf das alte, seitens des Kreditinstituts bereits gekündigte Girokonto überwiesen, so hat das Kreditinstitut nicht lediglich als Zahlstelle fungiert und ist selbst als Leistungsempfängerin i. S. d. § 37 Abs. 2 AO zur Rückzahlung verpflichtet, wenn es die Zahlung des FA mit dem Sollstand des gekündigten Kontos und damit im eigenen Interesse mit ihren eigenen Forderungen gegen den Steuerpflichtigen verrechnet hat.

    2. Wegen der Wesensverschiedenheit von Ansprüchen nach § 812 BGB und § 37 Abs. 2 AO ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Kreditinstitut Leistungsempfänger i. S. d. § 37 Abs. 2 AO einer Fehlüberweisung sein kann. Das zur Bestimmung des Leistungsempfängers maßgebliche Kriterium ist der Umstand, ob die Bank zur Gutschrift der Überweisung verpflichtet oder hierzu lediglich berechtigt ist. Entscheidet sich das Kreditinstitut bei Eingang einer Überweisung nach Kündigung des Girovertrags für die Gutschrift auf dem früheren Konto und leitet es den gutgeschriebenen Betrag an den früheren Kontoinhaber weiter, handelt es auch in diesem Fall als eine Zahlstelle (Anschluss an FG Münster v. 4.4.2008, 11 K 801/07 AO).


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In dem Finanzrechtsstreit

    hat der 4. Senat Hornbach aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 9.3.2011 für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

    3. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Erstattungsbescheides, den der Beklagte damit begründet hat, dass er an die Klägerin einen Geldbetrag ohne rechtlichen Grund gezahlt habe.

    Die Klägerin, eine Bank, wendet sich gegen den Bescheid vom 5.2.2007 (Bl. 10 der Rechtsbehelfsakte) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8.11.2007 (Bl. 107 der Rechtsbehelfsakte).

    Mit Mitteilung vom 11.12.2003 (Bl. 16 der Umsatzsteuerakten 2001) stimmte der Beklagte gegenüber der Grundstücksgemeinschaft A. S. S. C. St. V. GbR, A. S. in St. – Steuerpflichtige – der Umsatzsteuererklärung vom 7.11.2003 zu. Die Umsatzsteuerfestsetzung führte zu einem Guthaben der Steuerpflichtigen i.H.v. 12.498,36 EUR. Der Beklagte kündigte im Bescheid an, er werde das Guthaben auf das Konto 395064207 bei der Klägerin erstatten.

    Mit Schreiben vom 15.4.2003 (Bl. 6 der Rechtsbehelfsakte) hatte die Klägerin gegenüber der Steuerpflichtigen die Geschäftsverbindung, darunter auch das Konto 395064207, das sich zu diesem Zeitpunkt mit einem Betrag von 220.162,81 EUR im Soll befand, mit sofortiger Wirkung gekündigt. Das Konto hat sie intern weiterhin unter der gleichen Bezeichnung für die Steuerpflichtige geführt.

    Die Steuerpflichtige war bereits im Jahr 2001 in eine OHG und im Jahr 2002 in eine GmbH umgewandelt worden. Mit Schreiben vom 24.9.2002 (Bl. 77 der Rechtsbehelfsakten) hatte die Steuerpflichtige dem Beklagten unter der Steuernummer der GmbH eine neue Bankverbindung mitgeteilt. Gleichwohl erfolgte am 11.12.2003 die Erstattung des Betrages an das bei der Klägerin geführte Konto. Die Klägerin hat den Betrag am 15.12.2003 mit dem bestehenden Sollsaldo verrechnet. Der dort vorhandene Saldo i.H.v. 561.928,27 EUR minderte sich damit auf 549.429,91 EUR.

    Der Beklagte gab bei der Zahlung folgenden Verwendungszweck an:

    A. S. S. C. FK St.

    Steuererstattung 224/202/01536

    Umsatzsteuer 200111.969,36 EUR
    Zinsen529,00 EUR
    Mit Schreiben vom 18.12.2003 an die Klägerin (Bl. 53 der Umsatzsteuerakten) hat die Steuerpflichtige der Klägerin mitgeteilt, dass der erhaltene Betrag auf einer fehlerhaften Umsatzsteuerveranlagung beruhe und an den Beklagten zu überweisen sei. Eine entsprechende Rücküberweisung führte die Klägerin nicht durch.

    Die Klägerin trägt vor, es sei unter keinen Umständen ein Erstattungsanspruch gegenüber ihr denkbar. Sie habe lediglich als Zahlstelle fungiert. Ein Zufluss einer Zahlung sei bei ihr zu keinem Zeitpunkt eingetreten. Sie verweist auf die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 15.11.2005 XI ZR 265/04 und vom 5.12.2006 XI ZR 21/06. Sie habe ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Steuerschuldnerin erfüllt. Wenn und soweit zwischen dem Beklagten und der Steuerschuldnerin Differenzen aufgrund der fehlerhaften Kontoverbindung aufgetreten seien, könne dies nicht auf dem Rücken der Zahlstelle ausgetragen werden.

    Die Zahlung sei auf einem Konto der im Verwendungszweck benannten Gesellschaft verbucht worden. Entsprechend den bankrechtlichen Bestimmungen habe sie eine entsprechende Gutschrift auf diesem Konto veranlasst. Der genannten Vermögensgesellschaft sei dieses Geld zugeflossen, da sich der Saldo und damit die Verbindlichkeiten gegenüber ihr entsprechend verringert hätten. Vor diesem Hintergrund sei sie lediglich als Botin und Zahlstelle aufgetreten. Eine weitergehende Stellung im Rahmen des Steuerschuldverhältnisses sei nicht zu erkennen. Insbesondere sei seitens des Finanzamtes nicht an sie geleistet worden.

    Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 10.12.2007, 6.2.2008, 1.2.2010 und 30.3.2010 verwiesen.

    Die Klägerin beantragt, den Rückforderungsbescheid vom 5.2.2007 in Gestalt der … Einspruchsentscheidung vom 8.11.2007 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

    Er verweist auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, die Klägerin sei als tatsächliche Leistungsempfängerin anzusehen, da die Konto- und Geschäftsbeziehungen zwischen der Klägerin und der erstattungsberechtigten Steuerschuldnerin mit Kündigung der Klägerin mit sofortiger Wirkung gelöst worden seien. Die Klägerin habe entgegen dem Schreiben der Steuerpflichtigen vom 18.12.2003 den Betrag mit eigenen Forderungen gegenüber der Steuerpflichtigen verrechnet. Sie habe damit nicht im Interesse des früheren Kunden gehandelt und sei somit nicht als bloße Zahlstelle aufgetreten. Sie habe im eigenen Interesse gehandelt und sei als Leistungsempfängerin gemäß § 37 Abs. 2 AO zutreffend zur Rückzahlung in Anspruch genommen worden. Es liege eine Zahlung ohne rechtlichen Grund vor, da ein kausales Rechtsverhältnis, namentlich ein materiell-rechtlicher Anspruch auf die Erstattung, zwischen dem leistenden Finanzamt und dem Leistungsempfänger nicht bestanden habe.

    Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 14.1.2008 und vom 18.3.2010 verwiesen.

    Der Senat hat am 6.1.2011 einen Gerichtsbescheid erlassen, gegen den die Klägerin fristgerecht Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Steuerakten verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist unbegründet. Der Rückforderungsbescheid vom 5.2.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8.11.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 FGO.

    Der Beklagte hat einen Anspruch gegen die Klägerin auf Rückzahlung der Umsatzsteuererstattung i.H.v. 12.498,36 EUR, die der Beklagte fehlerhaft auf das früher von der Steuerpflichtigen bei der Klägerin geführte und von dieser gekündigte Konto überwiesen hat. Leistungsempfängerin des Erstattungsbetrages war die Klägerin, die nach § 37 Abs. 2 AO zur Rückzahlung verpflichtet ist.

    Ist eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach § 37 Abs. 2 AO gegen den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Schuldner eines abgabenrechtlichen Rückforderungsanspruchs ist derjenige, zu dessen Gunsten erkennbar die Zahlung geleistet wurde, die zurückverlangt wird. Dies ist in der Regel derjenige, demgegenüber die Finanzbehörde ihre – vermeintliche oder tatsächlich bestehende – abgabenrechtliche Verpflichtung erfüllen will. Ein Dritter ist folglich, obgleich tatsächlicher Empfänger einer Zahlung, dann nicht Leistungsempfänger i.S.d. § 37 Abs. 2 AO, wenn er lediglich als Zahlstelle, unmittelbarer Vertreter oder Bote für den Erstattungsberechtigten aufgetreten bzw. von diesem benannt worden ist oder das Finanzamt aufgrund einer Zahlungsanweisung des Erstattungsberechtigten an ihn eine Steuererstattung ausgezahlt hat. Denn in einem solchen Fall will das Finanzamt erkennbar nicht mit befreiender Wirkung zu dessen Gunsten leisten, sondern es erbringt seine Leistung mit dem Willen, eine Forderung gegenüber dem steuerlichen Rechtsinhaber zu erfüllen (BFH-Urteil vom 30. August 2005 VII R 64/04 VII R 64/04, BStBl II 2006, 353 m.w.N.). Ein Dritter ist jedoch dann Zahlungsempfänger, wenn das Finanzamt an ihn eine Zahlung in der irrigen Annahme vorgenommen hat, er sei von dem Erstattungsberechtigten ermächtigt, für diesen Zahlungen entgegenzunehmen, in Wahrheit jedoch eine diesbezügliche Rechtsbeziehung zwischen dem Zahlungsempfänger und dem Erstattungsberechtigten nicht besteht (BFH-Urteil vom 30. August 2005 VII R 64/04 VII R 64/04, BStBl II 2006, 353 m.w.N.).

    Dass die Klägerin Leistungsempfängerin i.S.d. § 37 Abs. 2 AO war, ergibt sich aus der von der Klägerin vorgenommenen Kündigung der Geschäftsverbindung und damit auch des Kontos Nr. 395064207 am 15.4.2003, mit der das „Gesamtkreditengagement und damit die Verträge, die diesem zugrunde liegen” mit sofortiger Wirkung gekündigt wurden: Ob bei Überweisungen die die Überweisung empfangende Bank oder Sparkasse Leistungsempfängerin ist, hängt davon ab, ob diese annehmen kann, sie werde von dem Finanzamt lediglich als Zahlstelle eines Steuerpflichtigen in Anspruch genommen. Bestand für das Konto, auf das die Überweisung erfolgt ist, bei Zahlungseingang ein wirksamer Girovertrag, hat das Kreditinstitut den Überweisungsbetrag lediglich als Vertreter des Kontoinhabers entgegen genommen und ist selbst nicht Leistungsempfänger. Hat der bei einer Überweisung als Zahlungsempfänger benannte Steuerpflichtige dagegen bei dem Kreditinstitut niemals ein Konto unterhalten, ist eindeutig die Bank selbst Leistungsempfängerin (vgl. FG Münster-Urteil vom 4. April 2008 11 K 801/07 AO, EFG 2008, 1428).

    Vorliegend hatte die Steuerpflichtige mit der Klägerin einen Kontovertrag abgeschlossen gehabt. Die Klägerin hatte die Kontoverbindung jedoch vor der den Streitfall betreffenden Zahlung gekündigt; sie hatte das Konto aber noch nicht endgültig abgewickelt. Zu unterscheiden ist zwar zwischen der Kündigung des Kontos und dessen tatsächlicher Auflösung. Infolge der Kündigung ist die Bank bei dem vorliegend bestehenden Sollsaldo jedoch mangels bestehenden Girovertrags nicht mehr verpflichtet, Überweisungen für den Kontoinhaber entgegenzunehmen (dazu FG Münster a.a.O.). Die Klägerin konnte somit ab diesem Zeitpunkt – da sie den Betrag nicht weitergeleitet hat und die Weisung der Steuerpflichtigen vom 18.12.2007 nicht ausgeführt hat – auch aus ihrer Sicht nicht mehr als Vertreterin oder „Zahlstelle” der Steuerschuldnerin handeln; dass sie das Konto intern weitergeführt hat, kann die Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht hindern. Mit ihrer Kündigung hat sie gerade nach außen zu erkennen gegeben, den Zahlungsverkehr nicht mehr für die Steuerpflichtige abwickeln zu wollen. Die Folge ist, dass die Klägerin die Überweisung nach Beendigung des Vertragsverhältnisses selbst in Empfang genommen hat. Da für die Zahlung an die Klägerin auch kein rechtlicher Grund gegeben war, waren die Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 AO erfüllt und ein Erstattungsbescheid an die Klägerin als Leistungsempfängerin zu richten (so die bisherige ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Beschluss vom 6. Juni 2003 VII B 262/02, BFH/NV 2003, 1532 und vom 28. Januar 2004 VII B 139/03, BFH/NV 2004, 762; FG Münster-Urteil vom 4. April 2008 11 K 801/01 AO, EFG 2008, 1428; Sächsisches Finanzgericht-Urteil vom 29. Juli 2002 4 K 392/00; FG Düsseldorf-Urteil vom 27. März 1998,EFG 1998, 974; FG Hamburg-Urteil vom 11. Februar 1999,EFG 99, 520; a.A. Cranshaw in jurisPR-InsR 8/2010 Anm.5 zu BFH-Urteil vom 10. November 2009 VII R 6/09, BStBl II 2010, 255).

    An dieser Rechtsfolge ist auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs festzuhalten: Der Bundesfinanzhof hat in Abgrenzung zu den Beschlüssen vom 28. Januar 2004 VII B 139/03, BFH/NV 2004, 762, und vom 6. Juni 2003 VII B 262/02, BFH/NV 2003, 1532 entschieden, dass ein Kreditinstitut auch dann nur als Zahlstelle fungiert, wenn es den Betrag auf ein bereits gekündigtes, aber noch nicht abgerechnetes Girokonto verbucht und nach Rechnungsabschluss an den früheren Kontoinhaber bzw. dessen Insolvenzverwalter ausgezahlt hat. Wie die Fälle zu behandeln sind, in denen der eingehende Erstattungsbetrag mit eigenen Forderungen der Bank verrechnet wird, hat der Bundesfinanzhof offen gelassen (BFH-Urteil vom 10. November 2009 VII R 6/09, BStBl II 2010, 255; dazu Rüsken in BFH/PR 2010, 154 und Jäger in jurisPR-SteuerR 11/2010 Anm. 1).

    Die Besonderheit des vom Bundesfinanzhof entschiedenen Falles bestand darin, dass die Bank einen nach der fehlerhaften Überweisung bestehenden Habensaldo an den dortigen Insolvenzverwalter herausgegeben hatte. Die Bank hat deshalb infolge der Verbuchung auf dem Konto und der Herausgabe an den Insolvenzverwalter tatsächlich als Zahlstelle gehandelt (BFH-Urteil vom 10. November 2009 VII R 6/09, Rn 11). Mit der Verrechnung mit eigenen Forderungen hat die Klägerin indes eine eigene Zweckbestimmung der Leistung gegenüber der Steuerpflichtigen getroffen. Dadurch hat sie nicht lediglich als Zahlstelle fungiert und ist selbst Leistungsempfängerin geworden.

    Die Bank des Überweisungsempfängers handelt im mehrgliedrigen Überweisungsverkehr regelmäßig nur als Leistungsmittlerin, d.h. als Zahlstelle des Überweisungsempfängers und steht als solche in keinerlei Leistungsverhältnis zu dem Überweisenden. Etwaige bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche richten sich zivilrechtlich nach § 812 ff. BGB. Diese Vorschriften finden auf den öffentlich-rechtlichen Rückforderungsanspruch aus § 37 Abs. 2 AO keine unmittelbare Anwendung, da dieser Anspruch Ausdruck eines übergeordneten und allgemein herrschenden Prinzips ist, dass derjenige, der vom Staat auf Kosten der Allgemeinheit etwas erhalten hat, grundsätzlich verpflichtet ist, das Erhaltene zurückzuzahlen. Jedoch ist der Rechtsgedanke des § 812 Abs. 1 BGB auch im Rahmen des § 37 Abs. 2 AO zu beachten (BFH-Urteil vom 30. August 2005 VII R 64/04, BStBl II 2006, 353 m.w.N.).

    Mit dem Erlöschen des Girovertrags verliert nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das laufende Konto seine Eigenschaft als Zahlungsverkehrskonto. Die kontoführende Bank ist danach grundsätzlich nicht verpflichtet, nachträglich eingehende Beträge auf dem Konto zu verbuchen. Daraus folge jedoch nicht, dass die Bank des Begünstigten nach Erlöschen des Girovertrags nicht mehr als dessen Zahlstelle fungieren könne. Vielmehr sei sie auch bei einem erloschenen Girovertrag in dessen Nachwirkung noch befugt, im Interesse ihres früheren Kunden eingehende Zahlungen weiterhin für ihn entgegenzunehmen, müsse sie dann aber auf dem bisherigen Konto entsprechend § 676 f Satz 1 BGB verbuchen bzw. nach § 667 BGB herausgeben. Handele die Bank dementsprechend, so sei dieses Vorgehen als bloße Zahlstellentätigkeit zu werten: Es stehe außer Zweifel, dass sie bei der Entgegennahme des Überweisungsbetrags und dessen Verbuchung auf dem internen weitergeführten Konto für den früheren Kontoinhaber handele und die Überweisung nicht etwa als Zahlungen an sich ansehe (BFH-Urteil vom 10. November 2009 VII R 6/09, Rn 14 unter Verweis auf BGH-Urteil vom 5. Dezember 2006 XI ZR 21/06, NJW 2007, 914).

    Hier liegt der Fall indes anders, denn die Klägerin hat den Betrag nicht herausgegeben, sondern mit eigenen Forderungen aufgerechnet. Wegen der Wesensverschiedenheit von Ansprüchen nach § 812 BGB und § 37 Abs. 2 AO ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Kreditinstitut Leistungsempfänger i.S.d. § 37 Abs. 2 AO einer Fehlüberweisung sein kann (vgl. FG Münster-Urteil vom 4. April 2008 11 K 801/07 AO).

    Der Senat schließt sich der Auffassung des FG Münster an, dass das zur Bestimmung des Leistungsempfängers maßgebliche Kriterium der Umstand ist, ob die Bank zur Gutschrift der Überweisung verpflichtet oder hierzu lediglich berechtigt ist. Denn während ihr in ersterem Fall kein Spielraum verbleibt, ob sie den eingehenden Zahlbetrag dem Kontoinhaber zuordnen möchte, hat sie bei einem gekündigten Girovertrag die Wahl, ob sie den Überweisungsbetrag an den Überweisenden zurückgibt oder ihn auf dem früheren Konto gutschreibt bzw. an den früheren Kontoinhaber herausgibt. Entscheidet sich das Kreditinstitut für die Gutschrift auf dem früheren Konto und leitet den gutgeschriebenen Betrag – zumindest teilweise – weiter, handelt sie auch in diesem Fall als eine Zahlstelle.

    Anderenfalls wird ihre Entscheidung dann, wenn sich das Konto im Soll befindet, typischerweise davon beeinflusst sein, dass sie sich an der Gutschrift selbst befriedigen will, d.h. sie handelt primär nicht im Interesse des früheren Kontoinhabers, sondern im eigenen Interesse. Handelt das Kreditinstituts aufgrund eines eigenen Willensentschlusses im eigenen Interesse, dann ist es jedoch nicht mehr bloße Zahlstelle, sondern Leistungsempfänger (FG Münster-Urteil vom 4. April 2008 11 K 801/07 AO).

    Die Gegenargumente (dazu Cranshaw in jurisPR-InsR 8/2010 Anm.5 zu BFH-Urteil vom 10. November 2009 VII R 6/09, BStBl II 2010, 255) überzeugen nicht: Mit diesem Verständnis der Bank als Leistungsempfänger werden keine Bearbeitungsfehler der öffentlichen Hand auf einen Dritten abgewälzt. Vielmehr wird eine interessengerechte Risikoverteilung vorgenommen. Verhält sich die Bank als Zahlstelle, wird sie weiterhin als eine solche behandelt. Indem sie nach erfolgter Aufrechnung den Betrag der Fehlüberweisung zurückgewähren muss, wird lediglich der Rechtszustand wiederhergestellt, der vor dem Bearbeitungsfehler der öffentlichen Hand bestand. Insofern wird ihr keine bereits vorher bestehende Rechtsposition genommen, sondern lediglich ein zufällig entstandener Vorteil rückabgewickelt.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 FGO zugelassen.

    VorschriftenAO § 37 Abs. 2, BGB § 812