08.01.2013
Finanzgericht Thüringen: Gerichtsbescheid vom 13.07.2012 – 3 K 1158/10
1. Wird der bei einem deutschen Arbeitgeber tätige, sozialversicherungspflichtig vollzeitbeschäftigte und Einkommensteuer entrichtende Arbeitnehmer im Rahmen von Montagearbeiten ununterbrochen europaweit eingesetzt, besteht kein Anspruch auf Kindergeld für das in Polen lebende Kind, wenn er über keinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland verfügt.
2. Ein Einkommensteuerbescheid ist hinsichtlich der Einordnung des gewöhnlichen Aufenthaltes für die Kindergeldfestsetzung nicht bindend, da es sich bei der Einkommensteuerfestsetzung und der Kindergeldfestsetzung um unterschiedliche Verfahren handelt (vgl. FG Rheinland-Pfalz v. 27.10.2010 2 K 1271/07, Revision-Az. des BFH: XI R 37/11).
Im Namen des Volkes
Gerichtsbescheid
In dem Rechtsstreit
hat der III. Senat des Thüringer Finanzgerichts … am 13. Juli 2012 für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Kindergeld wegen eines behaupteten Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes im Inla nd.
Der Kläger ist der leibliche Vater seiner am 18.04.2006 geborenen Tochter, welche in Polen le bt und für die er zunächst Kindergeld in Deutschland bezog. Er ist seit März 2006 bei der X-Firma in A-Stadt beschäftigt und insoweit in Deutschland, nicht dagegen in Polen sozial-versicherungspflichtig. Die in Polen lebende Ehefrau des Klägers hat aufgrund der Höhe der Einkünfte des Klägers nachweislich keinen Anspruch auf Kindergeld in Polen. Er wurde vom Finanzamt B-Stadt mit Einkommensteuerbescheid 2009 vom 08.07.2010 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig veranlagt.
Die Wohnung unter der zunächst im Kindergeldantrag vom Dezember 2007 angegebenen Adresse in C-Stadt hatte sein Cousin angemietet. Ausweislich des Schreibens des Klägers vom 06.02.2008 (vgl. Bl. 21 der Kindergeldakte) war die Anmeldung des Klägers in der Wohnung mit Einverständnis seines Cousins erfolgt und diente Korrespondenzzwecken mit der Bank, seinem Arbeitgeber usw., da er im Rahmen von Montagearbeiten ununterbrochen europaweit für die X-Firma unterwegs sei. An den jeweiligen ausländischen Einsatzstellen wo hnt der Kläger regelmäßig in Hotels, wobei die Unterkunftskosten im jeweiligen Einsatzort vom Arbeitgeber übernommen werden.
Im Juni 2009 zog der Kläger nach B-Stadt um, wo er sich wiederum für postalische Zwecke bei einer Cousine einwohnermelderechtlich angemeldet hatte.
Mit Verfügung vom 08.10.2009 hob die Familienkasse B-Stadt die Festsetzung des Kindergeldes ab Juli 2009 auf. Gegen diese legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein. Mit Schreiben vom 20.08.2010 teilte die Familienkasse B-Stadt dem Kläger mit, da er keinen Wohnsitz in Deutschland habe, sei zu klären, ob und wo er sich gewöhnlich in Deutschland aufhalte bzw. ob er ggf. ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt der Steuerpflicht in Deutschland unterliege. Die Beklagte forderte den Kläger auf Nachweise über seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland (z.B. Bescheinigungen des Arbeitgebers, Hotelquittungen etc.) ab Juli 2009 fortlaufend vorzulegen bzw. eine Bescheinigung des zuständigen Finanzamts nach § 1 Abs. 3 EStG vorzulegen.
Mit Schreiben vom 01.09.2010 (vgl. Bl. 101 der Kindergeldakte) trug der Kläger vor, dass er deutschlandweit auf verschiedenen Baustellen beschäftigt gewesen sei und sich daher an verschiedenen Orten in Deutschland befunden habe.
Nachdem der Kläger keine entsprechenden Unterlagen eingereicht hatte, wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe nach § 62 Abs. 1 EStG keinen Anspruch auf Kindergeld, weil er weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland habe. Er sei nur mit Postanschrift bei Familienangehörigen in Deutschland gemeldet. Er habe auch keinen Nachweis des zuständigen Finanzamts über das Vorliegen einer unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 EStG oder § 1 Abs. 3 EStG eingereicht.
Nach erfolglosem Einspruch verfolgt der Kläger sein Begehren mit der Klage weiter und macht unter Verweis auf einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 geltend, der Kläger sei im Jahr 2009 in Deutschland einkommensteuerpflichtig beschäftigt gewesen. Mit der Ausübung einer einkommensteuerpflichtigen Vollzeitbeschäftigung erfülle der Kläger gleichzeitig das gesetzliche Erfordernis des gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland. Jedenfalls sei die Frage des gewöhnlichen Aufenthalts oberschlesischer Bürger in Deutschland im Zusammenhang mit der Gewährung von Kindergeld für oberschlesische Pendler höchstrichterlich noch nicht im Sinne der Beklagten entschieden. Die Bevollmächtigten des Klägers verträten vor dem Bundesfinanzhof das vergleichbare Revisionsverfahren eines oberschlesischen Pendlers, BFH, III R 89/08. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers sei dem dortigen oberschlesischen Revisionsführer im Wege der Bewilligung von Prozesskostenhilfe beigeordnet worden.
Die Anspruchsvoraussetzungen des § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG lägen beim Kläger vor. Er sei im Antragszeitraum unbeschränkt einkommensteuerpflichtig beschäftigt gewesen. Seine Heimat liege in der oberschlesischen Z-Stadt nahe der Grenze zu Tschechien. Der oberschlesische Heimatort des Klägers sei mindestens 500 km vom Beschäftigungsort in Deutschland entfernt, so dass nach dem Beweis des ersten Anscheines ein tägliches Pendeln vom Wohn- an den Arbeitsort nicht möglich sei, mit der Folge, dass der gewöhnliche Aufenthalt bei Vollzeitbeschäftigung in Deutschland liege. Beim Kindergeld handele es sich um eine Familienleistung im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwanderten (VO Nr. 1408/71). Die Regelung bezwecke, dass die Betroffenen grundsätzlich nur dem System der sozialen Sicherheit eines einzigen Mitgliedstaats unterliegen, um eine Kumulierung anwendbarer Rechtsvorschriften und der sich daraus möglicherweise ergebenden Schwierigkeiten zu vermeiden. Danach unterliege eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt sei, den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohne. Im Fall des BFH (Urteil v. 07.04.2011 – III R 89/08) habe das Finanzgericht Rheinland-Pfalz einem oberschlesischen Kläger mit Urteil vom 16. Januar 2008, Az. 1 K 1176/07, das Kindergeld versagt. Der BFH habe das Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen (neues Az. 3 K 1618/11), da nicht geprüft worden sei, ob der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) im Inland habe. Ein Anspruch auf Kindergeld setze nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG voraus, dass der Anspruchsberechtigte einen Wohnsitz (§ 8 der Abgabenordnung – AO –) oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) im Inland habe. Der dortige Kläger habe behauptet, seit Februar 2006 bis zum Jahresende und damit mehr als sechs Monate zeitlich zusammenhängend im Inland gearbeitet und seinen Inlandsaufenthalt jeweils nur kurzfristig für Heimfahrten nach Polen unterbrochen zu haben. Wenn dies zutrifft und er an seinen Arbeitstagen im Inland übernachtet hat, wären die Voraussetzungen eines gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland nach § 9 Satz 2 AO erfüllt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25. Mai 1988 I R 225/82, BFHE 154, 7, BStBl II 1988, 944; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 9 AO Rz 36; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 9 AO Rz 11). Insoweit komme es nicht darauf an, ob festgestellt werden könne, an welchen Orten sich der Kläger im Inland zu welchen Zeitpunkten aufgehalten habe, denn § 9 Satz 2 AO lasse – im Gegensatz zu § 9 Satz 1 AO – einen zeitlich zusammenhängenden Aufenthalt von mehr als sechs Monaten im Geltungsbereich der AO genügen. Wechselnde Unterkünfte in verschiedenen Wohnungen oder in Wohncontainern auf unterschiedlichen Baustellen würden auch dann ausreichen, wenn der Kläger dabei zwischen me hreren Bundesländern gewechselt haben sollte (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, – a.a.O., § 9 AO Rz 5; BFH, Urt. v. 7. April 2011 – IIIR 89/08).
Der hiesige Kläger sei ebenfalls in Deutschland für ein deutsches Unternehmen tätig und habe daher einen Anspruch auf Kindergeld im Beschäftigungsland, wo er zu Recht den Antrag gestellt habe. Wer in Deutschland sozialversicherungspflichtig vollzeitbeschäftigt sei und Einkommensteuer entrichte, müsse bei der Familienkasse Kindergeld am Beschäftigungsort beantragen, auch we nn er in einem anderen EU-Land wohne. Nach der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71) sollten Betroffene grundsätzlich nur dem System der sozialen Sicherheit eines einzigen Mitgliedstaats unterliegen. Danach unterliege eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt sei, den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohne. Diesen Grundsätzen folgend habe das FG Münster mit Urteil vom 03.07.2009, 11 K 998/06 einer Klägerin mit Wohnsitz in Deutschland und Erwerbstätigkeit in den Niederlanden das Kindergeld zugesprochen, obwohl sie in Unkenntnis der Rechtslage in den Niederlanden einen Antrag auf Familienleistungen nicht gestellt hatte. Die hiergegen eingelegte Revision sei beim BFH zu Az. III R 51/09 anhängig.
Den Kindergeldanspruch bei Tätigkeit in mehreren EU-Mitgliedstaaten bejahe auch das FG Köln im Urteil vom 15.5.2008, 3 K 1428/05, gegen das Revision eingelegt worden sei, die beim BFH zu Az. III R 60/08 anhängig war. Der Kindergeldanspruch des Klägers entfalle auch nach Rückkehr in die oberschlesische Heimat nicht sofort, sondern bleibt für den Zeitraum des Bezuges von Lohnersatzleistungen erhalten. Insoweit verweise der Kläger auf das Urteil des FG Münster vom 27.08.2010, 4 K 2550/09 Kg.
Mit Telefonat vom 18.07.2011 wies der Berichterstatter den Vertreter des Klägers darauf hin, dass nach seiner Auffassung nähere Angaben dazu erforderlich seien, wo und wie lange der Kläger europaweit und damit auch in Deutschland auf Montagen im Einsatz war, um prüfen zu können, ob der Kläger im Streitzeitraum einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte.
Mit Schreiben vom 20.07.2011 teilte der Prozessbevollmächtigte mit, dass er sich zur Art und Dauer der Beschäftigung des Klägers selbst in Kürze me lde. Entsprechende Angaben oder Unterlagen liegen bisher jedoch nicht vor.
Der Kläger beantragt,
den Aufhebungsbescheid vom 08.10.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.11.2010 aufzuheben und die Beklagten zu verpflichten, ab Juli 2009 Kindergeld in gesetzlicher Höhe festzusetzen und zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgrönde
Die Klage ist unbegründet.
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Kindergeld zu, da er die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 EStG nicht nachgewiesen hat.
Der Kläger hat weder nach § 8 AO seinen Wohnsitz noch gemäß § 9 AO seinen gewöhnlichen Aufenthalt u.a. durch Nachweis einer dauerhaften und geplanten Beschäftigung im Inland nachgewiesen.
1. Aus der Verordnung VO (EWG) 1408/71 ergibt sich unmittelbar kein Kindergeldanspruch des Klägers. Artikel 13 der Verordnung regelt vielmehr, welches nationale Recht zur Anwendung kommt. Für das Bestehen eines Kindergeldanspruchs nach dem deutschen EStG müssen – zusätzlich zur Anwendbarkeit deutschen Rechts gemäß der VO (EWG) 1408/71 – die Voraussetzungen der §§ 62ff EStG erfüllt sein. Das Gericht folgt insoweit der Auffassung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 27.10.2010 2 K 1271/07, EFG 2011 (Revision anhängig, AZ. des BFH: XI R 37/11).
2. Die Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld nach den Regelungen des Einkomme nsteuergesetzes sind im Streitfall zumindest ab dem Juli 2009 nicht erfüllt.
Der Kindergeldberechtigte muss gemäß § 62 Absatz 1 Nummer 1 EStG im Inland den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben (§§ 8, 9 AO) oder gemäß § 62 Absatz 1 Nummer 2 EStG nach § 1 Absatz 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sein beziehungsweise nach § 1 Absatz 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden. Die Staatsangehörigkeit ist kein Tatbestandsmerkmal dieser Vorschrift.
a. Im Streitfall hat der Kläger nicht nachgewiesen, dass er über einen inländischen Wohnsitz verfügt.
Nach § 8 AO hat jemand seinen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und nutzen wird. Eine Wohnung setzt dauerhaft zum Wohnen geeignete Räume voraus. Die betreffende Person muss diese Räume aber auch innehaben, also über sie verfügen können, und sie als Bleibe entweder ständig oder doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit nutzen. Einer nur vorübergehenden oder notdürftigen Unterbringung fehlt die Bestimmung zum dauerhaften Aufenthalt. Eine Schlafstelle in einem Bauwagen, den Geschäftsräumen des Arbeitgebers, bei Verwandten oder im gelegentlich genutzten Hotelzimmer ist deshalb keine Wohnung (vgl. BFH-Urteil vom 25. Januar 1989 I R 205/82, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1990, 687).
Eine derartige Wohnung oder andere Räumlichkeiten zum dauerhaften Wohnen hat der Kläger im Streitfall nicht vorgehalten. So hat er nicht nachgewiesen, dass er aus eigenem Recht eine Wohnung innegehabt hat. Im vorliegenden Fall hat der Kläger selbst ausweislich des Schreibens vom 06.02.2008 (Bl. 21 der KG-Akte) vorgetragen, dass er im Rahmen von Montagearbeiten ununterbrochen europaweit für die X-Firma unterwegs ist. Aufgrund dessen habe er sich lediglich zu Korrespondenzzwecken bei seinem Cousin bzw. ggf. anderen Familienangehörigen in deren Wohnungen angemeldet. An den entsprechenden Einsatzorten an den jeweiligen ausländischen Einsatzstellen wohnt der Kläger regelmäßig in Hotels z.B. in Rumänien, wo bei die Unterkunftskosten im jeweiligen Einsatzort vom Arbeitgeber übernommen werden.
Der Kläger selbst hat somit weder Miete gezahlt noch Nebenkosten geleistet. Die tatsächliche Nutzung von Räumlichkeiten als eigene Wohnung im Sinne der obigen Definition ist ebenso wenig nachgewiesen worden. Ebenso wenig hat er nachgewiesen, dass seiner Anmeldung bei seinem Cousin bzw. seiner Cousine eine Wohnsitznahme oder ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland zu Grunde lag.
b. Auch hat der Kläger nicht nachgewiesen, dass seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach § 9 AO (zumindest) im Streitzeitraum ab Juli 2009 im Inland hatte.
Nach § 9 Satz 1 AO hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Nach Satz 2 der Vorschrift ist ein von Beginn an zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer stets als gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzusehen; dabei bleiben kurzfristige Unterbrechungen unberücksichtigt. Diese Sechs-Monatsfrist enthält einen Anhaltspunkt dafür, welche Aufenthaltsdauer nicht mehr als nur vorübergehend anzusehen ist. Entscheidend ist, ob ursprünglich ein mehr als sechs Monate dauernder Aufenthalt im Inland geplant war (BFH Urteil vom 27. April 1995 III R 57/93, BFH/NV 1995, 968).
Ausgehend von diesen Grundsätzen geht der Senat nicht davon aus, dass der behauptete gewöhnliche Aufenthalt des Klägers im Inland gegeben gewesen ist. Im Streitfall hat der Kläger mit Schreiben vom 06.02.2008 selbst vorgetragen, dass er im Rahmen von Montagearbeiten ununterbrochen europaweit für die X-Firma unterwegs sei.
Trotz Aufforderung durch den Beklagten und das Gericht, Nachweise über seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland (z.B. Bescheinigungen des Arbeitgebers, Hotelquittungen etc) ab Juli 2009 fortlaufend vorzulegen und konkrete nachprüfbare Angaben dazu zu machen, wo und wie lange der Kläger europaweit und damit auch in Deutschland auf Montagen im Einsatz war, liegen bis heute keine entsprechenden Angaben bzw. Unterlagen vor. Soweit der Kläger mit Schreiben vom 1.09.2010 (vgl Bl. 101 der Kindergeldakte) vortrug, dass er deutschland weit auf verschiedenen Baustellen beschäftigt gewesen sei und sich daher an verschiedenen Orten in Deutschland befunden habe, erkennt der Senat allein durch diesen pauschalen durch keinerlei weitere Angaben und Unterlagen belegten Vortrag keine glaubhaften Nachweise dafür als erbracht an, dass die Arbeitseinsätze für die X-Firma in der Zeit vor bzw. zumindest ab September 2010 planmäßig und dauerhaft im Inland erfolgt sind.
c. Insoweit ist der vorliegende Streitfall auch mit dem Sachverhalt, der dem vom Kläger angegebenen BFH-Urteil vom 07.04.2011 III R 89/08, BFH/NV 2011, 1324 zugrunde liegt, nicht vergleichbar. Im angegebenen Revisionsverfahren ging es um die Klärung der Rechtsfrage, ob ausländische Bauarbeiter, die längere Zeit (im dortigen Streitfall fast ein Jahr) im Inland arbeiten, ohne dass sich eine dauerhafte Wohnung im Inland feststellen lässt, trotz Beibehaltung der Familienwohnung im Ausland ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben.
Der Kläger hat sich lediglich zu Korrespondenzzwecken bei seinem Cousin bzw. ggf. anderen Familienangehörigen angemeldet. Dass der Kläger somit eine längere Zeit im Inland gearbeitet hat, ist somit nicht durch entsprechende Beweisangebote untermauert. Soweit der Kläger mit Schreiben vom 1.09.2010 (vgl., Bl. 101 der Kindergeldakte) vortrug, dass er (nunmehr ?) deutschland weit auf verschiedenen Baustellen beschäftigt gewesen sei und sich daher an verschiedenen Orten in Deutschland befunden habe, erkennt der Senat allein durch diesen pauschalen durch keinerlei weitere Angaben und Unterlagen belegten Vortrag keine glaubhaften Nachweise für das Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthalts.
d. Auch ein Anspruch nach § 1 Absatz 3 EStG besteht nicht. Der Kläger hat nicht den Nachweis geführt, und hierfür spricht auch nicht der vorgelegte Einkommensteuerbescheid 2009, dass er auf Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wurde.
e. Insbesondere geht auch der Hinweis des Klägers fehl, dass mit einer einkommensteuerpflichtigen Vollzeitbeschäftigung, aufgrund derer ein Einkommensteuerbescheid für 2009 erstellt wurde, gleichzeitig das gesetzliche Erfordernis des gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland erfüllt wird. Es handelt sich bei der Einkommensteuerfestsetzung und der Kindergeldfestsetzung um unterschiedliche Verfahren, sodass der Einkommensteuerbescheid hinsichtlich der Einordnung des gewöhnlichen Aufenthaltes für die Kindergeldfestsetzung nicht bindend ist (vgl. auch Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 27.10.2010 2 K 1271/07, EFG 2011 – Revision anhängig, AZ. des BFH: XI R 37/11). So ergibt sich aus dem Umstand, dass für den Kläger mit Einkommensteuerbescheid 2009 eine Veranlagung durchgeführt wurde, nicht der Nachweis eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland.
3. Eine Verletzung des Klägers in seinen Grundrechten durch die Beschränkungen des § 62 Abs. 1 Nr. 2 EStG auf Personen, die als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden, ist nicht erkennbar. Die Beschränkung des Kindergeldanspruchs nach dem EStG auf den in § 62 Absatz 1 EStG aufgeführten Personenkreis ist als Ausfluss des Territorialitätsprinzips, das dem Steuerrecht zu Grunde liegt, sachlich gerechtfertigt (zum Ganzen Urteil des FG Nürnberg vom 6. November 2009 7 K 590/2008; Nichtzulassungsbeschwerde abgele hnt durch Beschluss des BFH vom 14. Oktober 2010 III B 197/09, nicht dokumentiert).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat hat durch Gerichtsbescheid entschieden. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassen, zumal unter dem AZ. XI R 37/11 bereits ein Revisionsverfahren zu einem vergleichbaren Fall beim Bundesfinanzhof anhängig ist.