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  • 06.09.2012

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 01.12.2009 – 13 K 820/05

    - Die Vorschrift des §§ 48 Abs. 1 Nr. 1 StBerG wonach die Wiederbestellung als Steuerberater nicht vor Ablauf von acht Jahren erfolgen kann, wenn auf die Bestellung nach Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens (§ 114 StBerG), verzichtet wurde, ist verfassungsgemäß.


    - Der Umstand, dass für Fragen der Bestellung bzw. Wiederbestellung als Steuerberater nach § 48,40 StBerG die Steuerberaterkammer zuständig ist, stellt keinen Verstoß gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG dar.


    - Bei der Entscheidung über das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes im Sinne des § 48 Abs. 1 StBerG handelt es sich um eine Ermessensentscheidung der Steuerberaterkammer, die vom Gericht gem. § 102 FGO nur im Hinblick auf das Vorliegen eines Ermessensfehlers hin überprüft werden kann.


    - Maßgeblicher Zeitpunkt zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung ist die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung.


    Tatbestand

    Der Kläger wurde im Jahr 197x als Steuerbevollmächtigter und im Jahr 197x als Steuerberater zugelassen. Im Jahr 198x wurde er als vereidigter Buchprüfer und anschließend als Wirtschaftsprüfer zugelassen. Eine Zulassung als Rechtsanwalt erfolgte im Jahre 200x.

    Mit Anschuldigungsschriften der Staatsanwaltschaft am Oberlandesgericht A. vom 19.06.199x und 17.03.199x wurden berufsrechtliche Anschuldigungen gegen ihn erhoben. Nach Eröffnung des Hauptverfahrens beim zuständigen Landgericht A am 11.08.200x verzichtete der Kläger am 14.08.200x auf seine Berufszulassung als Steuerberater. Mit Urteil vom 15.08.200x stellte das Landgericht daraufhin das Verfahren nach § 125 Abs. 3 Nr. 1 Steuerberatungsgesetz (StBerG) ein.

    In den Gründen des Urteils heißt es:

    „1. Gegen den (früheren) Steuerberater hat die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht A unter dem Datum vom 19.06.199x sowie vom 17.03.199x Anschuldigungen erhoben und dem (früheren) Steuerberater eine Vielzahl von berufsrechtlichen Verfehlungen vorgeworfen. Die Kammer hat die Anschuldigungen durch Beschluss vom 22.12.199x zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden sowie durch diesen Beschluss (Anschuldigung vom 17.03.199x) und durch den Beschluss vom 11.08.200x (Anschuldigung vom 19.06.199x) zur Hauptverhandlung zugelassen und jeweils das Hauptverfahren eröffnet.

    Dem (früheren) Steuerberater wird im wesentlichen zur Last gelegt, gegen seine Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung verstoßen zu haben, indem er Auftraggeber nicht pflichtgemäß informiert, mit ihnen bedeutsame Verfahrenshandlungen in Besteuerungs- und Rechtsbehelfsverfahren nicht abgestimmt sowie gegen deren erklärten Willen solche Verfahrenshandlungen vorgenommen hat.

    2. In dem Fall des (früheren) Steuerberaters kam die Ausschließung aus dem Beruf in Betracht.

    a) Die ihm gemachten Vorwürfe sind schwerwiegend und zahlreich.

    Er hat danach u. a. durch das Unterlassen rechtzeitiger Information seine Auftraggeber unvorhergesehenen Zahlungsverlangen von Vollziehungsbeamten in Vollstreckungsverfahren wegen Gerichtskosten in empfindlicher Höhe ausgesetzt.

    Des Weiteren hat er danach ohne Abstimmung mit Auftraggebern im Hinblick auf das bestehende Kostenrisiko Einsprüche eingelegt, Klagen vor dem Hessischen Finanzgericht erhoben und weitere Rechtsbehelfe beim Finanzgericht und Bundesfinanzhof anhängig gemacht – zum Teil ohne vorher Rechtschutzzusagen eingeholt zu haben, obwohl ihm das Bestehen von Rechtsschutzversicherungen seiner Auftraggeber bekannt war, und zum Teil mit zu Lasten seiner Auftraggeber immer wieder geltend gemachten Rechtsschutzgesuchen, die die Finanzgerichte und Bundesfinanzhof bereits wiederholt als rechtsmissbräuchlich beurteilt hatten.

    Außerdem wird dem (früheren) Steuerberater der Vorwurf gemacht, gegen den erklärten Willen von Auftraggebern nach Kündigung des Beratungsvertrags und Vollmachtentzugs gehandelt zu haben. Er hat danach trotz Auflösung des Beratungsverhältnisses, ohne Gegenansprüche zu haben, Handakten – auch nach zwischenzeitlich erfolgter Einschaltung von Rechtsanwälten und anderen Steuerberatern durch seine früheren Auftraggeber – nicht herausgegeben und vor allem weiter steuerberatende Tätigkeiten bis hin zur Einlegung von Revision beim Bundesfinanzhof entfaltet.

    b) Die Ausschließung aus dem Beruf kam im Hinblick auf Gewicht und Vielzahl der Vorwürfe sowie im Hinblick auf seine die beruflichen Fehlleistungen begleitende innere Einstellung in Betracht.

    Aufgrund der in der Hauptverhandlung verlesenen Schriftstücke steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der (frühere) Steuerberater sich in seinem Denken und Handeln vom Berufsbild des Steuerberaters entfernt hat und nicht mehr zu sachlich prüfender Distanz sich selbst gegenüber sowie zu dem angemessenen Maß an Rücksicht auf berechtigte Erwartungen seines beruflichen Umfelds im Hinblick auf Fairness und Respekt bereit ist.

    Er hat ohne Bedenken unwahre Erklärungen über die Länge seines Urlaubs und über eine bei Klägern angeblich vorhandene Einstellung gegenüber dem Finanzgericht abgegeben; die unwahre Erklärung zur Einstellung von Klägern geschah im Rahmen mindestens eines durch ihn selbst – und zwar ohne vorherigen Kontakt mit den Klägern – gestellten Ablehnungsgesuchs gegen Richter des Hessischen Finanzgerichts wegen Befangenheit.

    Im unangezweifelten Bewusstsein eines vermeintlichen Rechts zum Gegenschlag hat er den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht Z. – zusätzlich zu den Äußerungen, deretwegen er wegen Beleidigung rechtskräftig verurteilt ist – als Denunzianten und als im Verfolgungswahn tätigen Gottvater der Steuerberaterkammer Hessen bezeichnet.

    Er hat zudem, ohne sich zu Bemühungen um Aufklärung und Ausgleich im Rahmen der von seinen Auftraggebern eingeleiteten Beschwerdeverfahren veranlasst zu sehen, sämtliche Auskunftsverlangen der Steuerberaterkammer Hessen zu den später unter dem Datum vom 17.03.199x angeschuldigten 29 Vorwürfen ohne Reaktion gelassen. Er hat aber in mehrseitigen Schreiben an die Steuerberaterkammer ausgeführt, sie handele im Auftrag von Herrn Z. devot, ohne Gespür für Peinlichkeit und Unbeholfenheit sowie mit mangelnden Rechtskenntnissen.

    Schließlich hat er auch der Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen am Landgericht A schon vor Beginn der Hauptverhandlung das Bemühen um eine richtige und angemessene berufsrechtliche Einordnung der von ihm gesetzten Sachverhalte abgesprochen. In der Begründung seiner Verfassungsbeschwerde vom 26.05.200x (aus Anlass der Verurteilung wegen Beleidigung von Herrn Z. u. a. durch die Behauptung der Rechtsbeugung) hat er vortragen lassen, die Kammer würde tätig, um ihn „kaltzustellen”, und hat so erneut – unberührt von seiner vorangegangenen strafrechtlichen Verurteilung – die beleidigende Unterstellung der Rechtsbeugung, nunmehr in Form des Vorwurfs der Verfolgung Unschuldiger, Richtern gegenüber zum Ausdruck gebracht.

    3. Der Steuerberater hat mit Schreiben an das Hessische Ministerium der Finanzen vom 14.8. 0x auf seine Bestellung als Steuerberater mit der Folge des Erlöschens der Bestellung (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 StBerG) verzichtet.

    Die danach gebotene Verfahrenseinstellung folgt aus § 125 Abs. 3 Nr. 1 StBerG.

    4. Eine Anordnung zur Beweissicherung nach § 132 StBerG war nicht möglich. Die Beweise sind gesichert. Zum Nachweis der Berufspflichtverletzung liegt eine Vielzahl von Urkunden und Schriftstücken vor, die zusammengestellt zu Beweismittelordnern abgelegt sind.

    5. Die Kostenentscheidung ergibt sie aus § 148 Abs. 1 S. 2 StBerG”.

    Am 20.07.200x – am Ende seiner Referendardienstzeit – beantragte der Kläger bei der beklagten Steuerberaterkammer seine Wiederzulassung als Steuerberater.

    Mit Bescheid vom 18.02.200x lehnte diese den Antrag mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen für eine Wiederbestellung als Steuerberater nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 StBerG nicht gegeben seien. Nachdem auf die Bestellung als Steuerberater nach Einleitung des berufsgerichtlichen Verfahren verzichtet worden sei, könne gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 StBerG eine Wiederbestellung nicht vor Ablauf von acht Jahren erfolgen, es sei denn, dass eine Ausschließung aus dem Beruf nicht zu erwarten gewesen sei. Durch die Verwendung des Wortes „war” habe der Gesetzgeber klargestellt, dass es bei der Prognose darüber, ob eine Ausschließung aus dem Beruf möglich gewesen sei, auf den seinerzeitigen Stand des berufsgerichtlichen Verfahrens zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verzichtserklärung ankomme. Eine Ausschließung aus dem Beruf sei jedoch aufgrund der Ausführungen in dem rechtskräftigen Urteil des Landgericht A vom 15.08.200x ausdrücklich in Betracht gezogen worden. In dem Berufsgerichtsverfahren sei dem Kläger im wesentlichen zur Last gelegt worden, gegen die Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung verstoßen zu haben, indem er Auftraggeber nicht pflichtgemäß informiert und mit ihnen bedeutsame Verfahrenshandlungen in Besteuerungs- und Rechtsbehelfsverfahren nicht abgestimmt sowie gegen deren Willen solche Verfahrenshandlungen vorgenommen habe.

    Wegen Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 18.02.200x Bezug genommen.

    Hiergegen hat der Kläger Klage mit dem Ziel erhoben, die Beklagte zu verpflichten, ihn als Steuerberater wiederzubestellen.

    Der Kläger hält die Entscheidung der Beklagten für rechtsfehlerhaft. Auf seine Zulassung als Steuerberater am 14.08.200x habe er lediglich aus gesundheitlichen Gründen verzichtet. Am 09.05.200x habe er einen doppelten Beckenbruch erlitten, was zu einem zweiwöchigen Krankenhausaufenthalt geführt habe. Im Übrigen sei das schriftliche juristische Staatsexamen im August 200x zu absolvieren gewesen. Unter diesen Bedingungen habe er sich nicht in der Lage gesehen, ein weiteres Verfahren durchzuführen. Als Rechtsreferendar habe er ohnehin auf die Bestellung als Steuerberater verzichten müssen. Dies sei ab dem 18.05.200x der Fall gewesen. Als Wirtschaftsprüfer habe er die anfallenden Arbeiten auch ohne den Titel eines Steuerberaters erledigen können. Die Beklagte habe bei ihrer ablehnenden Entscheidung diese Umstände grundlegend verkannt. Diese Entscheidung sei ermessensfehlerhaft. Insbesondere sei die Bedeutung der Grundrechte der Artt. 12, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 103 Abs. 1 und 2 GG verkannt worden. Die Entscheidung sei willkürlich, da weite Teile seines Vorbringens ignoriert worden seien. Im Übrigen habe die Beklagte bei ihrer Entscheidung verkannt, dass sowohl das Landgericht als auch das Kammergericht B, die über die Bestellung als Wirtschaftsprüfer zu entscheiden gehabt hätten, keine berufsrechtlichen Verfehlungen festgestellt hätten. Insoweit sei auch bei seiner Bestellung als Steuerberater ein einheitlicher Maßstab anzuwenden. Die beklagte Steuerberaterkammer habe es insoweit an einer gründlichen Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit und Gesamtverhalten fehlen lassen. Berufspflichtverletzungen seien nämlich weder durch das Landgericht A. noch durch das Landgericht B festgestellt worden. Die Entscheidung der Beklagten sei somit ermessens- und somit rechtswidrig, so dass diese aufzuheben und er als Steuerberater zuzulassen sei. Insbesondere sei zudem ermessensfehlerhaft, dass die Steuerberaterkammer sich ohne weitere eigene Prüfung auf das Urteil des Landgerichts A. gestützt habe, da es sich bei diesem Urteil lediglich um ein nicht in Rechtskraft erwachsendes Prozessurteil handele. Der Kläger habe am 15.08.200x nicht mehr der berufsgerichtlichen Beurteilung durch das Landgericht A. unter Geltung der StBerG unterlegen. Im Übrigen seien die Urteilsgründe falsch.

    Die Beklagte verkenne zudem, dass das Oberlandesgericht A. auf seine Beschwerde gegen das Urteil des Landgerichts A. vom 15.08.200x festgestellt habe, dass er durch das Urteil nicht beschwert sei. Mangels Beschwer dürfe die Steuerberaterkammer dem Kläger auch nicht die – für ihn negativen – Urteilsgründe entgegenhalten.

    Angesichts der Tatsache, dass wegen der Unbestimmtheit der Fassung des § 48 Abs. 1 S. 1 StBerG beliebige, unbegründete und objektiv willkürliche Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 GG ermöglicht würden, sei die Verfassungsmäßigkeit dieser Norm zweifelhaft, so dass insoweit eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht geboten sei. Selbst wenn man jedoch davon ausgehen wollte, dass § 48 Abs. 1 S. 1 StBerG verfassungskonform ausgelegt werden könne, habe dies die Beklagte nicht getan. Nur wenn eine Gesamtwürdigung nach dem Erkenntnisstand des Tatrichters zu der Prognose führe, dass der Betroffene weiterhin als Rechtsanwalt untragbar sei, weil von ihm noch eine Gefährdung der Rechtspflege ausgehe, dürfe auf die Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft erkannt werden. Diese zum Berufsrecht der Rechtsanwälte ergangenen Entscheidungen des BVerfG und des Bundesgerichtshofes seien entsprechend auch für Steuerberater anzuwenden. An einer solchen Feststellung von beruflichen Verletzungen fehle es jedoch vorliegend. Weiterhin habe die Beklagte nicht gewürdigt, dass das Verfahren hinsichtlich seiner Zulassung als Wirtschaftsprüfer im Ergebnis für ihn positiv ausgegangen sei.

    Wegen Einzelheiten dieses Vorbringens wird auf die klägerischen Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 01.12.2009 Bezug genommen.

    Der Kläger beantragt,

    unter Aufhebung des Bescheids vom 18.02.200x ist der Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Steuerberater wieder zu bestellen,

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die beklagte Steuerberaterkammer hält auch im gerichtlichen Verfahren an ihrer außergerichtlichen Rechtsansicht fest.

    Dem Senat haben die Verwaltungsakten der beklagten Steuerberaterkammer vorgelegen.

    Gründe

    Die Klage ist nicht begründet.

    Die beklagte Steuerberaterkammer hat zu Recht mit Bescheid vom 18.02.200x die Wiederbestellung des Klägers als Steuerberater abgelehnt, da die Voraussetzungen einer Wiederbestellung nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 StBerG nicht vorlagen. Nach dieser Vorschrift können ehemaliger Steuerberater wiederbestellt werden, wenn die Bestellung nach § 45 Abs. 1 Nr.2 erloschen ist; wurde auf die Bestellung nach Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens (§ 114 StBerG) verzichtet, kann die Wiederbestellung nicht vor Ablauf von acht Jahren erfolgen, es sei denn, dass eine Ausschließung aus dem Beruf nicht zu erwarten war.

    Entgegen der klägerischen Rechtsauffassung hält der Senat diese Bestimmung nicht für verfassungswidrig. Soweit der Kläger meint, die Norm sei deshalb verfassungsrechtlich bedenklich, weil nicht ein Gericht, sondern ein „nichtjuristisches Laiengremium” über eine Wiederbestellung zum durch Art. 12 GG geschützten Beruf entscheide, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Steuerberaterkammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 73 Abs. 2 S. 2 StBerG). Die Steuerberaterkammer hat die Aufgabe, die berufliche Selbstverwaltung der in der Kammer erfassten Berufsangehörigen wahrzunehmen (Kuhls u. a. Steuerberatungsgesetz, 2.Aufl. § 73 Tz.1). Die Freiheit der Berufsausübung und deren Unabhängigkeit wird durch Einrichtung einer Steuerberaterkammer gewährleistet (Kuhls a. a. O. Tz.2). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – nehmen die Steuerberaterkammern legitime öffentliche Aufgaben wahr, so dass auch eine Pflichtmitgliedschaft notwendig und nicht verfassungswidrig ist (vgl. BVerfG-Beschluss vom 18.12.1974 1 BvR 430/65, 1 BvR 259/66, BVerfGE 38, 281). Für Fragen der Bestellung bzw. Wiederbestellung ist daher nach §§ 48, 40 StBerG die Steuerberaterkammer zuständig. Dass im Rahmen der beruflichen Selbstverwaltung der Schutzbereich des Grundrechts der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG berührt ist, ergibt sich zwangsläufig aus den Aufgaben der Kammer. Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Kammer ist nach Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet und gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 3 Finanzgerichtsordnung – FGO – (soweit die vorliegende Problematik betroffen ist) den Finanzgerichten übertragen. Nach der dargestellten Rechtsprechung des BVerfG ist diese Verfahrensweise verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

    Der Bescheid vom 18.02.200x ist rechtmäßig.

    Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakten wurde dem Kläger in verfahrensrechtlicher Hinsicht zunächst in ausreichendem Umfang rechtliches Gehör vor Erlass des Bescheides gewährt.

    Auch materiellrechtlich ist der Bescheid nicht zu beanstanden. Unstreitig war die Bestellung des Klägers als Steuerberater durch seinen Verzicht am 14.08.200x gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 45 Abs. 1 Nr. 2 StBerG erloschen. Dieser Verzicht erfolgte auch nach Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens, so dass grundsätzlich eine Wiederbestellung nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG nicht vor Ablauf von acht Jahren erfolgen kann. Diese Frist ist nicht einzuhalten und somit eine Wiederbestellung jederzeit möglich, wenn eine Ausschließung aus dem Beruf nicht zu erwarten war (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz a. E. StBerG). Bei einem Verzicht auf die Bestellung als Steuerberater im Zusammenhang mit einem berufsgerichtlichen Verfahren sieht der Gesetzgeber besonderen Anlass zu prüfen, ob die Wiederbestellung eines solchen Bewerbers zu versagen ist, weil die Besorgnis begründet ist, er werde den Berufspflichten als Steuerberater gemäß § 40 Abs. 2 bis 4 StBerG nicht genügen (Kuhls a. a. O.§ 48 Tz. 6).

    Vorliegend ist die Beklagte in ermessensrechtlich nicht zu beanstandender Weise vom Vorliegen einer achtjährigen Sperrfrist ausgegangen und hat daher zutreffend das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes („Ausschluss aus dem Beruf war nicht zu erwarten”) abgelehnt.

    Da es sich vorliegend nach dem Wortlaut des § 48 Abs. 1 („können wiederbestellt werden”) um eine Ermessensentscheidung der Steuerberaterkammer handelt, kann das Gericht gemäß § 102 FGO – entgegen dem Wortlaut („prüft das Gericht a u c h”; vgl. von Groll in Gräber, FGO, 6.Aufl., § 102 Tz.2 m. w. N) n u r überprüfen, ob die Entscheidung ermessensfehlerhaft ist. Zwar besteht grundsätzlich ein Rechtsanspruch auf Wiederbestellung, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen (BFH-Urteil vom 25.2.1986 VII R 76/83, BFH/NV 1986, 497; Gehre/Koslowski, Steuerberatungsgesetz, 6.Aufl. § 48 Tz.3; Kuhls a. a. O. § 48 Tz. 4 jeweils m. w. N.). Aber auch bei einer so genannten Ermessensreduzierung auf Null bleibt die Entscheidung in ihrer Struktur gleichwohl eine Ermessensentscheidung.

    Die richtige Klageart gegen die Versagung einer Wiederbestellung ist die Verpflichtungsklage. Eine solche wurde auch vom Kläger zutreffend erhoben. Grundsätzlich kommt es bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an, wenn der Erlass eines gebundenen Verwaltungsaktes begehrt wird. Auf den Erlass der letzten Verwaltungsentscheidung kommt es dagegen an, wenn der Erlass einer Ermessensentscheidung erstrebt wird (von Groll, a. a. O. § 101 Tz.6; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler – HHSp – FGO § 101 Tz. 25 ff je m. w. N.).

    Da es sich – wie oben dargestellt – um eine Ermessensentscheidung handelt, ist grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (hier Erlass des Bescheids vom 18.02.200x) abzustellen.

    Der Senat hat erwogen, ob bei der vorliegende Konstellation von diesen rechtlichen Gegebenheiten abgewichen werden kann; denn im finanzgerichtlichen Verfahren über den Widerruf einer Zulassung als Steuerberater ist grundsätzlich eine im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat veränderte Sachlage zu berücksichtigen. Dies gilt zumindest dann, wenn im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine Rechtspflicht zur sofortigen Wiederbestellung besteht. Die Aufrechterhaltung einer Widerrufsverfügung durch die beklagte Behörde würde in diesem Fall gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn sie noch in einem Zeitpunkt verteidigt würde, in dem die Behörde einen Antrag auf Wiederbestellung stattgeben müsste (BFH-Urteil vom 22.08.1995 VII R 63/94, BStBl. II 1995, 909 m. w. N.).

    Vorliegend lagen beim Kläger zwar im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Voraussetzungen für eine Wiederbestellung vor, da die 8-Jahres-Frist des § 48 Abs. 1 Nr. 1 StBerG abgelaufen war. Der Kläger kann daher einen Antrag auf Wiederbestellung stellen. Hierbei handelt es sich aber um einen eigenständigen Antrag außerhalb dieses gerichtlichen Verfahrens, der auch an die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen des § 48 i. V. m. § 40 StBerG geknüpft ist. Angesichts der rechtsdogmatischen Unterschiede zwischen der gerichtlichen Überprüfung einer Ermessensentscheidung im Rahmen einer Verpflichtungsklage einerseits und Anfechtungsklage betreffend den Widerruf einer Bestellung als Steuerberater andererseits hält der Senat eine Übertragung der dargestellten Grundsätze der Entscheidung des BFH BStBl. II 1995, 909 betreffend eine Anfechtungsklage auf das vorliegende Verfahren für nicht möglich. Dies bedeutet, dass vorliegend auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung der Steuerberaterkammer vom 18.02.200x abzustellen ist.

    Dieser Bescheid ist frei von Ermessensfehlern.

    So stützt sich die Steuerberaterkammer zunächst zu Recht auf das Urteil des Landgericht A vom 15.08.200x, das mit einem Rechtskraftvermerk versehen ist. Selbst wenn man der klägerischen Rechtsansicht folgen wollte, dass das aufgrund von § 125 Abs. 3 Nr. 1 StBerG ergangene Urteile als Prozessurteil der Rechtskraft nicht fähig sein sollte, war die Steuerberaterkammer nicht gehindert, auf die dort niedergelegten Erkenntnisse zurückzugreifen. Die mangelnde Rechtskraft eines Urteils führt nicht zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen (BFH-Beschluss vom 21.11.1989 VII B. 143/89, Juris). Der Senat hätte im Gegenteil Bedenken an einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung, wenn die Beklagte auf die gerichtlichen Erkenntnisse als Erkenntnisquelle nicht zurückgegriffen hätte. Aufgrund der in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht gewonnenen Erkenntnisse kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass angesichts des Gewichts und der Vielzahl der Vorwürfe eine Ausschließung aus dem Beruf in Betracht kam. Dies wurde in den Gründen des Urteils nicht nur ausdrücklich unter Darstellung der Verfehlungen festgestellt, sondern ergibt sich auch aus der auf § 148 Abs. 1 S. 2 StBerG gestützten Kostenentscheidung. Diese Kostenvorschrift kommt nämlich nur dann zur Anwendung, wenn nach Erlöschen der Bestellung das Verfahren eingestellt wird und nach dem Ergebnis des bisherigen Verfahrens die Verhängung einer berufsgerichtlichen Maßnahme gerechtfertigt gewesen wäre. Dass sich die Steuerberaterkammer mit diesem Urteil auseinandersetzt und die dortigen Feststellungen als zutreffend erachtet und als wesentlichen Gesichtspunkt ihrer eigenen Entscheidung zu Grunde legt, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

    Abgesehen hiervon hat die Beklagte ihre Entscheidung nicht ausschließlich und unbesehen auf das Urteil des Landgerichts A. gestützt, sondern sich auch mit den Argumenten des Klägers hinsichtlich seines – im Ergebnis für ihn erfolgreichen – Verfahrens hinsichtlich seiner Wirtschaftsprüfer-Bestellung auseinandergesetzt. Dass die Steuerberaterkammer bei der vorgenommenen Abwägung (Seiten 5, 6 des Bescheides) auf die Besonderheiten des Wirtschaftsprüfer Verfahrens hinweist und das Steuerberater-Verfahren insoweit stärker gewichtet, entspricht einer sachgerechten Abwägung und Entscheidung im Rahmen des auszuübenden Ermessens.

    Schließlich hat die Beklagte auch nicht die Bedeutung des Art. 12 GG im Spannungsfeld zu § 48 Abs. 1 Nr. 1 StBerG im Rahmen ihrer Entscheidung verkannt und ermessensgerecht in die Entscheidung einbezogen (Seite 6 des Bescheides). So wird dargestellt, dass hier zu berücksichtigen sei, dass die Wiederbestellung nach dem Ablauf einer achtjährigen Sperrfrist grundsätzlich möglich sei. Dass die Steuerberaterkammer hierin eine nicht unverhältnismäßige Regelung sieht, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

    Abgesehen von dem im Urteil des Landgerichts A. festgestellten Fehlverhalten stützt die Beklagte ihre Entscheidung auf weitere Ermessenserwägungen („der Kammervorstand ist außerdem der Auffassung…” Seite 6 ff des Bescheides), indem auf fortgesetzte Verunglimpfungen und Beleidigungen seitens des Klägers hingewiesen wird, die die Besorgnis begründen, dass der Kläger den Berufspflichten als Steuerberater nicht genügen werde. Belegt wird dies durch Heranziehung eines Schreibens, in dem Äußerungen zum Nachteil des Hauptgeschäftsführers der Steuerberaterkammer C gemacht werden. Dass die Kammer diese Äußerungen (Seite 7 des Bescheides) als überzogen und unsachlich bewertet und hierauf auf eine fehlende Besserung schloss, ist im Rahmen der Überprüfung des Ermessens rechtlich nicht zu beanstanden.

    Dass die Kammer – zusammenfassend – zum Zeitpunktung des Verzichts auf die Bestellung als Steuerberater davon ausging, dass zu diesem (rechtlich relevanten) Zeitpunkt eine Ausschließung aus dem Beruf zu erwarten war, entspricht somit einer ermessensfehlerfreien Entscheidung nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 StBerG.

    Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.

    VorschriftenStBerG § 48 Abs. 1 Nr. 1, StBerG § 45 Abs. 1 Nr. 2, GG Art. 12 Abs. 1