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  • 23.08.2012

    Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 22.09.2011 – 9 K 9027/10

    1. In einer Abtretungsanzeige müssen die zum Abtretungsgrund gemachten Angaben den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Eine Abtretung in der trotz ganz konkret bestehendem Erfüllungsinteresse als Abtretungsgrund „Sicherungsabtretung” angegeben wird, genügt nicht den Formerfordernissen des § 46 Abs. 3 AO (hier: Abtretung zur Erfüllung und nicht zur Sicherung der Honorarforderungen eines Steuerberaters).

    2. Eine Abtretungsanzeige ist wegen Verstoßes gegen das Geschäftsmäßigkeitsverbot gem. § 46 Abs. 4 AO nichtig, wenn ein Steuerberater unter Einbeziehung einer Steuerberatungs-GmbH, deren Gesellschafter-Geschäftsführer er ist, die Sicherung risikobehafteter Honorarforderungen durch Abtretung von Steuererstattungsansprüchen zu einer feststehenden und nachhaltigen Einrichtung seiner beruflichen Tätigkeit macht. Das ist der Fall, wenn die Abtretung unter Loslösung vom Mandatsverhältnis dergestalt erfolgt, dass sich der Geschäftsführer mehrerer Gesellschaften zur Abtretung der eigenen Steuererstattungsansprüche und der Ansprüche einer seiner fünf Gesellschaften verpflichtet und die Abtretung an die Steuerberatungs-GmbH als Dritte verlangt wird.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 9. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 22. September 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … den Richter am Finanzgericht … die Richterin am Finanzgericht … sowie die ehrenamtlichen Richter …

    für Recht erkannt:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand:

    Streitig sind die Wirksamkeit einer Abtretungsanzeige und einer Aufrechungserklärung.

    Die Klägerin ist eine Steuerberatungs-GmbH. Ihr Gesellschafter-Geschäftsführer, Herr C war langjährig als Steuerberater von Herrn D, geborener E, verstorben am … 2006 in …, sowie verschiedener von Herrn D geführter Gesellschaften tätig.

    Am 25. November 2003 ging beim Beklagten eine Abtretungsanzeige auf amtlichem Vordruck ein, mit der Herr D – noch unter dem Namen E – und die Klägerin eine Abtretung zu der für Herrn D beim Beklagten geführten Einkommen-Steuernummer … anzeigten. Danach wurden an die Klägerin die Ansprüche „Einkommensteuer-Veranlagung für 2002, Umsatzsteuerfestsetzung für 2002” und „Einkommensteuer auf Grund Verlustrücktrag 2001” abgetreten. Unter „Grund der Abtretung” wurde das Feld „Sicherungsabtretung” angekreuzt. Weitere Angaben zum Grund wurden nicht gemacht. Für die Überweisung des abgetretenen Betrages wurde zum Bankkonto der Klägerin mit der Konto-Nr. …, BLZ … angegeben: „Treuhandkonto bei der F”.

    Der Abtretungsanzeige lag eine zwischen Herrn D und seinen Gesellschaften – der E Haus- und Grundbesitzmarketing GmbH, nachfolgend umfirmiert in E Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH, der G GmbH, der H, der I AG und der J AG – einerseits und Herrn B andererseits vom 16. August 2001 getroffenen Vereinbarung zugrunde. Hier wurde ausgeführt, dass in der Vergangenheit beim Steuerbüro B erhebliche Außenstände aufgelaufenen seien und weiter erklärt:

    „Zur Absicherung dieser Aussenstände treten die obengenannten Firmen gegenüber dem Finanzamt bestehende Forderungen absprachegemäß mittels einer jeweiligen Abtretungserklärung treuhänderisch zu Gunsten der Firma A ab.

    Diese darf den Betrag zum Ausgleich der vom Steuerbüro B bestehenden Honorarforderungen, sofern sie sich gegen eine der obengenannten Mandanten richten, verwenden. Dabei spielt keine Rolle, welche der obengenannten Firmen ihre bestehenden Steuerguthaben mittels Abtretungserklärung zur Verfügung gestellt hat. Die Verrechnungssituation innerhalb der Firmen wird separat von den jeweiligen Vertragspartnern vorgenommen.

    Die Vereinbarung gilt für derzeitig bestehende und künftige Honorarforderungen.”

    Unter den 1. März 2003 hatten die Beteiligten zudem einen Nachtrag vereinbart. Hierin wurde ausgeführt, mit der Abtretungsvereinbarung vom 16.08.2001 seien die gegen das Finanzamt bestehenden Forderungen durch Herrn E und die genannten Gesellschaften an das Steuerbüro B treuhänderisch abgetreten worden. Weiter wurde erklärt:

    „Diese Vereinbarung wird dahingehend ergänzt, daß sie auch alle zukünftigen Forderungen gegen das Finanzamt umfassen soll.

    Darüber hinaus werden auch bestehende und zukünftige Forderungen einbezogen, die eine der Parteien 1-6 gegenüber der K GmbH & Co KG … hat.”

    Aufgrund der berichtigten Einkommensteuerfestsetzung für 2001, die durch Bescheid vom 19. September 2005; die den Verlustrücktrag aus 2002 berücksichtigte, ergab sich zugunsten von Herrn D ein Erstattungsbetrag von 97.713,81 EUR (einschließlich Zinsen von 7.285 EUR). Aus der berichtigten Einkommensteuerfestsetzung für 2002 vom 6. September 2005 war nach Verrechnung eines Betrages 3.331,97 EUR ein Erstattungsbetrag von 20.407,46 EUR (einschließlich Zinsen von 1.768 EUR) verblieben. Das Steuerguthaben aus beiden Festsetzungen betrug danach insgesamt 118.121,27 EUR (hierin enthalten Zinsen in Höhe von 9.053 EUR).

    Das Finanzamt – FA – hatte im Zeitraum August bis November 2004 gegen Herrn D mehrere Haftungsbescheide erlassen, mit denen er als gesetzlicher Vertreter der von ihm geführten Gesellschaften für die Verletzung steuerlicher Pflichten in Anspruch genommen wurde. Sie ergingen nach Aktenlagen am 18. August 2004 über 1.346,68 EUR, am 9. September 2004 über 43.200,15 EUR, am 28. Oktober 2004 über 1.993,86 EUR und am 17. November 2004 über einen Betrag von 138.702,99 EUR. Nach dem Inhalt des Bescheides vom 17. November 2004, der für Steuerschulden der G GmbH für Umsatzsteuerrückstände aus 2002 und 2003 ergangen ist, war diese Gesellschaft nach den Feststellungen in einem Insolvenzgutachten bereits am 3. Dezember 2003 zahlungsunfähig. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Haftungsbescheides wird auf Blatt der Hinweisakte verwiesen.

    Die Haftungsbescheide wurden jeweils unter der früheren Wohnanschrift von Herrn D in L mit Postzustellungsurkunde zugestellt (Bl. Hinweisakte). Herr D war seit Ende August 2004 unter dieser Wohnanschrift selbst nicht mehr polizeilich gemeldet. Die Anschrift wurde von seiner Ehefrau fortgeführt. Unter der Anschrift waren auch verschiedene Firmen von Herrn D betrieben worden. Nach dem Inhalt eines Aktenvermerks des Beklagten vom 30. November 2005 waren bei einer Durchsuchung der Vollstreckungsstelle des FA am 25. Januar 2005 dort noch drei Büroangestellte anwesend (Bl. der Hinweisakte).

    Unter dem 15. Dezember 2005 erklärte der Beklagte gegenüber der „M GbR” – geschäftsansässig unter der gleichen Anschrift wie die Klägerin – in Höhe der aus den Einkommensteuerveranlagungen von Herrn D aus 2001 und 2002 bestehenden Erstattungsforderungen die Aufrechnung mit der dem Land aus dem Haftungsbescheid des Finanzamts vom 17. November 2004 zustehenden Haftungsforderung.

    Aufgrund der Hinweise auf die Erforderlichkeit eines Abrechungsbescheides in einem vorausgegangenen Streitverfahren hatte die M GbR als Bevollmächtigte der Klägerin am 29. August 2008 den Erlass eines Abrechnungsbescheides zu der Aufrechnung vom 15. Dezember 2005 beantragt.

    Mit dem an die M GbR adressierten Abrechnungsbescheid vom 5. September 2008 stellte der Beklagte fest, dass dem Mandanten D keine Ansprüche mehr aus den Einkommensteuerfestsetzungen 2001 und 2002 zustünden. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Aufrechnung mit den Steuerrückständen beim FA (St.Nr.) gehe der vom Steuerbüro eingereichten Abtretungsanzeige vom 25. November 2003 vor, da die Umsatzsteuerrückstände im FA bereits vor der Erstattungsforderung und vor Eingang der Abtretungsanzeige fällig gewesen seien. Zu dem hiergegen am 5. September 2008 von den Bevollmächtigten erhobenen „Widerspruch” erklärte der Beklagte mit Schreiben vom 18. August 2009, der Abrechnungsbescheid richte sich an eine verstorbene Person und sei damit unwirksam (Bl. der Hinweisakte).

    Mit einem weiteren mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreiben vom 11. November 2009 erklärte der Beklagte gegenüber der Klägerin, dass zu ihr kein Steuerschuldverhältnis bestehe und sie über kein Guthaben beim Beklagten verfüge. Ein Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheides für den Steuerpflichtigen D könne nur durch die Erben von Herrn D gestellt werden. Die vorgelegte Abtretungsanzeige sei im Übrigen unwirksam, da es sich um eine Sicherungsabtretung handele, die nur von einer Bank erworben werden könne.

    Den hiergegen erhobenen Einspruch der Klägerin vom 23. November 2009, mit dem sie u. a. geltend machte, dass sie und nicht Herr B persönlich Abtretungsempfängerin sei, weil Herr B ihr gegenüber den Abtretungsbetrag deutlich übersteigende Darlehensverbindlichkeiten habe, wies der Beklagte mit der Einspruchsentscheidung vom 19. Januar 2010 zurück. Hier führt der Beklagte aus, die Entscheidung vom 11. November 2009 sei auch ohne entsprechende Bezeichnung als ein Abrechnungsbescheid anzusehen, der ausweise, dass der Klägerin ein Betrag von 0,00 EUR zustehe. Die am 25. November 2003 angezeigte Abtretung sei unwirksam, da diese dem Verbot des § 46 Abs. 4 Abgabenordnung – AO – zuwider geschäftsmäßig erfolgt sei. Die Abtretung sei eigentlich zur Sicherung von Honoraransprüchen des Steuerberater B erklärt worden, die dieser wiederum an die Klägerin abgetreten habe. Wegen der zwei Abtretungen – zum einen die Abtretung der Forderungen des Herrn D an den Steuerberater B und zum anderen die Abtretung des Anspruchs des Steuerberater B an die A GmbH – sei eine Kettenabtretung gegeben, die im Ergebnis dazu führe, dass für das Finanzamt nicht offensichtlich werde, an wen die Forderung des Herrn D eigentlich abgetreten sei. Der Steuerberater B wäre als eigentlicher, erster Abtretungsempfänger zu benennen gewesen, da nur er Ansprüche gegen den Abtretenden hatte. Auch habe sich der Steuerberater B mehrere Erstattungsansprüche seines Mandanten D abtreten lassen. Diese Abtretungen zeigten, dass er die Sicherung risikobehafteter Honorarforderungen durch Abtretung von Steuererstattungsansprüchen zu einer feststehenden und nachhaltigen Einrichtung seiner beruflichen Tätigkeit gemacht habe. Es handle sich nicht mehr um gelegentliche, im Rahmen der Steuerberatungspraxis vereinzelt vorgenommene Abtretungen, vielmehr habe der Steuerberater B bei dem Erwerb der ihm sicherungshalber abgetretenen Erstattungs- und Vergütungsansprüche mit Wiederholungsabsicht und damit geschäftsmäßig i.S. des § 46 Abs.4 AO gehandelt. Weiter sei zu bezweifeln, dass es sich um eine Sicherungsabtretung und nicht um eine erfüllungshalber vorgenommene Abtretung gehandelt habe, für deren Wirksamkeit der Abtretungsgrund hätte benannt sein müssen. Da zum einen weder der tatsächliche Abtretungsgrund (Kettenabtretung) konkret benannt und andererseits kein anderer Abtretungsgrund angegeben worden sei, sei die Abtretungsanzeige unvollständig. Als neue Abtretungsgründe können auch nicht die Honorarforderungen angenommen werden, denn die in § 46 Abs. 3 AO geforderten Angaben könnten nicht nachgeholt werden. Unabhängig von der Frage der Wirksamkeit der Abtretungsanzeige habe das Finanzamt auch aufrechnen können, da die Aufrechnungslage gegeben gewesen sei.

    Die Klägerin hat am 12. Februar 2010 Klage erhoben.

    Die Klägerin macht geltend – im Wesentlichen ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren wiederholend –, dass ihr ein Anspruch auf Erlass eines Abrechnungsbescheides zustehe, mit dem die an sie abgetretenen Einkommensteuererstattungsansprüche für 2001 und 2002 in einer Gesamtsumme von 121.453,24 EUR bestätigt würden. Die Wirksamkeit der erfolgten Abtretung der Erstattungsansprüche habe der Beklagte bereits in dem vorausgegangenen Verfahren vor dem Landgericht N inzidenter anerkannt, da er hier den Einwand der Aufrechnung geltend gemacht habe. Bei der Abtretung handele sich um eine einmalige echte Sicherungsabtretung, die nicht „geschäftsmäßig” erfolgt sei. Die Firmen von Herrn D seien „weitgehend zahlungsunfähig und latent insolvent”, deshalb die erheblichen Honorarforderungen von Herrn B über etwa 300.000 EUR gefährdet gewesen. Herr D habe auch in der Vergangenheit für „persönliche” Verbindlichkeiten seiner Unternehmensgruppe gegenüber dem Steuerbüro B bzw. der von ihm involvierten Steuerberatungsgesellschaft gehaftet. Die Abtretung der Erstattungsansprüche sei absprachegemäß unmittelbar an die Klägerin erfolgt, weil Herr B gegenüber der Klägerin erhebliche Darlehensverbindlichkeiten gehabt habe. Das Treuhandkonto bei der F habe die Klägerin zu Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Zusammenhang mit der Treuhandstellung bei verschiedenen Kommanditgesellschaften und vornehmlich auch nur hierfür exklusiv verwendet. Im Zeitraum 1. Januar 2003 bis zur Löschung des Kontos am 15. April 2009 sei lediglich am 11. April 2003 ein Zahlungseingang eines Finanzamts verbucht worden, nämlich über 56.965,09 EUR vom FA N für die K GmbH & Co. KG. Die Abtretung an die Klägerin sei zur treuhänderischen Verteilung an die G GmbH und die J AG erfolgt und absprachegemäß an Herrn B wegen dessen Ansprüche gegen die GmbH und die AG ausgekehrt worden.

    Soweit das Abrechnungsbegehren der Klägerin zunächst auch den Betrag der Erstattungszinsen in Höhe von 9.053 EUR umfasste, hat die Klägerin im Termin der mündlichen Verhandlung ihre Forderung gemindert und beantragt nunmehr,

    den Beklagten unter Aufhebung des Abrechnungsbescheides vom 11. November 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Januar 2010 zu verpflichten, einen Abrechnungsbescheid zugunsten der Klägerin zu erlassen, mit dem ausgewiesen wird, dass ihr ein Zahlungsanspruch aus den abgetretenen Einkommensteuererstattungsansprüchen des Herrn D für 2001 und 2002 in Höhe von 112.400,24 EUR gegen den Beklagten zusteht.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er hält an den Gründen der angefochtenen Bescheide fest.

    Aus der vom Beklagten vorgelegten Verfahrensakte erschließt sich, dass weitere Abtretungsanzeigen von Herrn D zugunsten von Herrn B abgegeben worden waren, nämlich am 25. Januar 2000 über eine Teilabtretung in Höhe von 50.000 DM eines Guthabens aus den Umsatzsteuervoranmeldungen 1-9/1999, am 10. Dezember 2002 über eine als Sicherungsabtretung bezeichnete Vollabtretung in Höhe von 25.008,68 EUR für Guthaben aus Umsatzsteuervoranmeldung 11/02 sowie – ohne Datum eingegangen beim Beklagten am 24. Februar 2003 – und als Sicherungsabtretung bezeichnet über 9.638,93 EUR für Guthaben aus den Umsatzsteuervoranmeldungen 10-12/02.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die vom Beklagten vorgelegten Akten (zwei Bände Hinweisakten) Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist unbegründet.

    Die von der Klägerin begehrte Verpflichtung des Beklagten war nicht auszusprechen (§ 101 Finanzgerichtsordnung – FGO). Denn die Klägerin kann den Erlass des begehrten Abrechnungsbescheides nicht beanspruchen, da die zugunsten von Herrn D festgestellten Einkommensteuererstattungsansprüche für 2001 und 2002 nicht aufgrund einer wirksamen Abtretung auf sie übergegangen sind. Die auf amtlichen Vordruck am 25. November 2003 abgegebene und von Herrn D sowie von Herrn B als gesetzlichen Vertreter unterschriebene Anzeige ist nicht anzuerkennen, da sie nicht den Anforderungen von § 46 Abs. 3 AO genügt (1.) und wegen eines Verstoßes gegen das gesetzlich Verbot des § 46 Abs. 4 AO darüber hinaus sogar nichtig ist (2). Es kann deshalb dahinstehen, ob der Beklagte wirksam die Aufrechnung mit den Forderungen des Finanzamtes für Körperschaften erklärt hat.

    Gemäß § 46 Abs. 1 AO können Ansprüche auf Erstattung abgetreten werden. Nach § 46 Abs. 3 AO ist die Abtretung unter Angabe des Abtretenden, des Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehung des Anspruchs (§ 46 Abs. 2 AO) anzuzeigen. Der geschäftsmäßige Erwerb von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen zum Zwecke der Einziehung oder sonstigen Verwertung auf eigene Rechnung ist nur in dem von § 46 Abs. 4 AO bestimmten eingeschränkten Umfang zulässig.

    1.

    Die Abtretungsanzeige vom 25. November 2003 genügt nicht den Erfordernissen gemäß § 46 Abs. 3 Satz 1 AO, da der Abtretungsgrund mit der Angabe „Sicherungsabtretung” nicht zutreffend angegeben wurde.

    a)

    Die gemäß § 46 Abs. 2 und 3 AO vorgeschriebene Abtretungsanzeige ist materielle Wirksamkeitsvoraussetzung und Tatbestandsmerkmal der Abtretung (vgl. BFH, Urteil vom 6. Februar 1996 VII R 116/94, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE – 179, 547, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1996, 557). Als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen sind Abtretungsanzeigen, die nicht in allen Einzelheiten der amtlich vorgeschriebenen Form entsprechen oder bei denen der amtliche Vordruck unvollständig oder fehlerhaft ausgefüllt worden ist, allerdings nicht von vornherein unwirksam, da sie grundsätzlich der Auslegung unter Beachtung des Empfängerhorizonts (§ 133 BGB) zugänglich sind. Die Auslegung hat sich an den Schutz- und Bearbeitungszwecken der Anzeige auszurichten, deren Erfüllung auch die formelle Wirksamkeit der Abtretungsanzeige bestimmt (so BFH, Urteil vom 5. Oktober 2004 VII R 37/03, BFHE 208, 1 = BStBl II 2005, 238 mit weiteren Nachweisen). Die gesetzlich geforderte Bezeichnung des Abtretungsgrundes soll dem Finanzamt die Möglichkeit zur schnellen und einfachen Prüfung eröffnen, ob die Bedingungen des § 46 Abs. 4 AO beachtet worden sind (zur Prüfungsbefugnis im Hinblick auf § 46 Abs. 5 AO vgl. BFH, Urteil vom 8. Juni 2010 VII R 39/09, BFH/NV 2010, 1678 sowie BFH, Beschluss vom 24. April 2006 VII B 322/05, BFH/NV 2006, 1442). Konkret soll die Behörde prüfen können, ob eine nach § 46 Abs. 4 Satz 3 AO nur Bankunternehmen gestattet geschäftsmäßige Sicherungsabtretung vorliegt, bzw. die Angaben zum Abtretungsgrund in sonstiger Weise auf einen unzulässigen geschäftsmäßigen Erwerb von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen hinweisen. Da die Angaben zu dem Abtretungsgrund dem FA nur Anhaltspunkte geben können, die Rückschlüsse auf die Geschäftsmäßigkeit der Abtretung ermöglichen und für das FA unter Umständen Anlass zu weiteren Ermittlungen sind, genügt hierbei eine kurze stichwortartige Kennzeichnung des der Abtretung zugrunde liegenden schuldrechtlichen Lebenssachverhaltes (so BFH, Urteil vom 5. Oktober 2004 a.a.O.).

    Der damit verfolgte Prüfungszweck kann jedoch nur erreicht werden, wenn die zum Abtretungsgrund in der Anzeige gemachten Angaben den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen und nicht im Widerspruch hierzu trotz bereits ganz konkret bestehendem Erfüllungsinteresse als Abtretungsgrund „Sicherungsabtretung” angegeben wird. Nach den im laufenden Verfahren gewonnenen Erkenntnissen kann ausgeschlossen werden, dass die Herrn D persönlich zustehenden Steuererstattungsansprüche lediglich zur Sicherheit abgetreten wurden. Vielmehr spricht alles dafür, dass die Abtretung erfüllungshalber erfolgte und deshalb auch als solche hätte bezeichnet und dargestellt werden müssen.

    b)

    Eine Sicherungsabtretung wird dadurch gekennzeichnet, dass die im Außenverhältnis voll wirksame Abtretung einer Forderung in Innenverhältnis zwischen Zedent und Zessionar in der Weise eingeschränkt wird, dass die Bedingungen der Einziehung der Forderung durch den Zessionar durch eine Sicherungsabrede geregelt sind. Durch diese wird klargestellt, dass die Abtretung nur sicherungshalber erfolgt. Zwischen Zedent (Sicherungsgeber) und Zessionar (Sicherungsnehmer) wird ein Treuhandverhältnis begründet, da der Zessionar im Außenverhältnis mehr Rechtsmacht erlangt, als ihm im Innenverhältnis eingeräumt ist. Er ist verpflichtet, die Forderung an den Zedenten zurück zu übertragen, wenn die gesicherte Schuld beglichen wurde.

    c)

    Dass Herr D und die Klägerin entsprechende Regelungen getroffen hatten, ließ sich nicht feststellen.

    Der gerichtlichen Aufforderung, die der Abtretungsanzeige zugrundeliegende Abtretungserklärungen vorzulegen, konnte die Klägerin nur dahin gehend entsprechen, dass die Vereinbarungen vom 16. August 2001 und 1. März 2003 vorlegt wurden. Hiermit war Herr D persönlich sowie als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaften verpflichtet worden, die ihm oder seinen Unternehmen zustehenden Steuererstattungsansprüche „mittels einer jeweiligen Abtretungserklärung treuhänderisch” an die Klägerin abzutreten. Die Vereinbarungen beinhalten selbst keine Abtretungserklärungen und keine Regelungen, die als Sicherungsabrede im oben dargestellten Sinne angesehen werden könnten.

    Da weitere schriftliche Verfügungen nicht getroffen wurden, wurde die Abtretung der Einkommensteuererstattungsansprüche für 2001 und 2002 ersichtlich nur konkludent mittels der Abgabe der Abtretungsanzeige vom 25. November 2003 erklärt. Auch hierfür ist weder dargetan noch ersichtlich, dass und mit welchem Inhalt eine Sicherungsabrede zwischen der Klägerin und Herrn D zustande gekommen sein könnte.

    Gegen die Annahme, dass die Abtretung nur als Sicherungsabtretung gewollt war, spricht auch, dass sich die Klägerin gegenüber Herrn D auf kein Sicherungsinteresse berufen konnte, da ihr selbst keine Ansprüche gegen den Zedenten zustanden, für diesen folglich kein Anlass bestand, gegenüber der Klägerin Sicherheiten zu bieten. Ein womöglich Herrn B zustehendes Sicherungsinteresse kann die Klägerin nicht ohne weiteres für sich in Anspruch nehmen.

    Auch aus den weiteren Umständen wird ersichtlich, dass durch die Abtretung nicht ein laufendes Geschäft nur abgesichert werden sollte, sondern mittels der zu erwartenden Erstattungsansprüche die Honorarforderungen von Steuerberater B, die bereits in ganz erheblichem Umfang aufgelaufen waren, bedient werden sollten. Dies wird dadurch belegt, dass – wie von der Klägerin selbst eingeräumt – die Firmen von Herrn D schon „weitgehend zahlungsunfähig und latent insolvent” waren. Herrn B war als Steuerberater aller von Herrn D geführten Gesellschaften deren angespannte finanzielle Lage im November 2003 bekannt. Für die Herrn B mögliche Beurteilung der finanziellen Lage von Herrn D und seiner Gesellschaften ist weiter zu berücksichtigen, dass er aufgrund seiner umfassenden Kenntnis über die steuerlichen Verhältnisse der Unternehmen von Herrn D auch erkennen konnte, dass wegen der bereits aus 2002 bestehenden erheblichen Steuerrückstände das Risiko der persönlichen Inhaftungnahme durch die Finanzbehörden für seinen Mandanten zunehmend wahrscheinlich wurde. Nach allem lag auf der Hand, dass die aufgelaufenen hohen Honorarforderungen extrem ausfallgefährdet waren und deshalb ihre Begleichung mittels der zu dieser Zeit bereits hinreichend gewiss und alsbald fällig werdenden Erstattungsforderungen für 2001 und 2002 erfolgen sollte. Die Abtretung diente damit nicht lediglich der Sicherung der Honoraransprüche des Steuerberaters, sondern der Erfüllung seiner Ansprüche.

    Diese Annahme wird auch durch die „Zwischenschaltung” der Klägerin bestätigt. Hierzu führte die Klägerin aus, dass die Abtretung an sie erfolgt sei, weil Herr B seinerseits bei der Klägerin Darlehensverbindlichkeiten gehabt habe und die von der Klägerin vereinnahmten Beträge zu seinen Gunsten verrechnet werden sollten. Auch der demnach verfolgte Zweck der Abkürzung des Zahlungsweges zeigt, dass – wie nur bei einer Abtretung erfüllungshalber zu erwarten – hinreichend gewiss mit Zahlungseingängen gerechnet wurde, die für die beabsichtigte Verrechnung hätten dienen können.

    d)

    Ist nach allem davon auszugehen, dass mit der Angabe „Sicherungsabtretung” ein tatsächlich unzutreffender Abtretungsgrund vorgeschoben wurde, so genügt die Abtretungsanzeige vom 25. November 2003 nicht den Formerfordernissen gemäß § 46 Abs. 3 Satz 1 AO, weil keinerlei Angaben zum tatsächlichen Grund der Abtretung gemacht wurden.

    Dem kann die Klägerin auch nicht entgegenhalten, der Beklagte habe die Wirksamkeit der Abtretung bereits dadurch anerkannt, dass er sich in dem von der Klägerin vor dem Landgericht N erhobenen Klageverfahren nicht auf Wirksamkeitsmängel zur Abtretung berufen habe. Der vorliegend objektiv bestehende Mangel der Abtretungsanzeige wird durch die Argumentation der Behörde in dem vorausgegangenen Verfahren nicht beseitigt.

    2.

    Die angezeigte Abtretung ist wegen des Verstoßes gegen das aus § 46 Abs. 4 AO folgenden Geschäftsmäßigkeitsverbot des Weiteren auch nichtig. Nach § 46 Abs. 4 Satz 1 AO ist der geschäftsmäßige Erwerb von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen zum Zwecke der Einziehung oder sonstigen Verwertung auf eigene Rechnung nicht zulässig. Eine Ausnahme von dem generellen Verbot des Satzes 1 folgt aus den zusammen zu lesenden Sätzen 2 und 3 des § 46 Abs.4 AO lediglich für Sicherungsabtretungen, die gegenüber Unternehmen erklärt werden, denen das Betreiben von Bankgeschäften erlaubt ist (vgl. BFH Urteil vom 23. Oktober 1985, VII R 196/82, BFHE 144, 526 = BStBl. II 1986, 124). Soweit im Schrifttum gegen diese Gesetzesauslegung weiterhin Bedenken vorgebracht werden, bedarf dies im vorliegenden Fall keiner Vertiefung, da sich die Klägerin wie festgestellt nicht darauf berufen kann, dass eine Sicherungsabtretung vorgelegen hat.

    a)

    Geschäftsmäßig i.S. des § 46 Abs.4 AO handelt, wer die Tätigkeit (Erwerb) selbständig und mit der Absicht, sie zu wiederholen, ausübt. Für eine Wiederholungsabsicht im Sinne dieser Auslegung spricht, wenn für den Erwerb von Erstattungsansprüchen organisatorische Vorkehrungen getroffen werden, wie z.B. das Bereithalten vorformulierter Abtretungserklärungen. Diese sind allerdings keine notwendigen Voraussetzungen für die Geschäftsmäßigkeit. Vereinzelte im Rahmen eines Handelsgeschäfts oder an einen steuerlichen Berater vorgenommene Abtretungen reichen für die Annahme der Geschäftsmäßigkeit nicht aus. Folglich können grundsätzlich auch Steuerberater sich zur Sicherung ihrer Honorarforderungen Steuererstattungs- und Vergütungsansprüche ihrer Mandanten wirksam abtreten lassen, soweit sie in dieser Weise nur gelegentlich anlässlich besonders begründeter Einzelfälle tätig werden. Eine nicht unerhebliche Zahl von Abtretungen – insbesondere ein hierbei festzustellendes gleichförmiges Vorgehen – kann jedoch auch darauf schließen lassen, dass ein Steuerberater die Sicherung risikobehafteter Honorarforderungen durch Abtretung von Steuererstattungsansprüchen zu einer feststehenden und nachhaltigen Einrichtung seiner beruflichen Tätigkeit gemacht hat. Solche Abtretungen stellen sich nicht mehr als gelegentliche, im Rahmen einer Steuerberatungspraxis vereinzelt vorgenommene Abtretungen dar, lassen letztlich auf die Wiederholungsabsicht und damit eine Geschäftsmäßigkeit i.S. des § 46 Abs.4 AO schließen (so BFH a.a.O.).

    b)

    Der Abtretungsanzeige vom 25. November 2003 liegt eine geschäftsmäßige Abtretung im dargestellten Sinne zugrunde.

    Aus den zwischen Herrn D und Steuerberater B geschlossenen Vereinbarungen vom 16. August 2001 und 1. März 2003 erschließt sich, dass Herr B als Steuerberater unter Einbeziehung der Klägerin die Sicherung risikobehafteter Honorarforderungen durch Abtretung von Steuererstattungsansprüchen zu einer feststehenden und nachhaltigen Einrichtung seiner beruflichen Tätigkeit gemacht hatte:

    Denn der Einzelfall einer zulässigen Abtretung ist dadurch gekennzeichnet, dass sich ein Steuerberater zur Sicherung seiner Honorarforderungen gelegentlich anlässlich besonders begründeter Einzelfälle Steuererstattungs- und Vergütungsansprüche seines Mandanten abtreten lässt. Ein darüber unzulässig hinausgehendes geschäftsmäßiges Handeln ist nach Ansicht des Senats im vorliegenden Fall bereits deshalb gegeben, weil die mit den Abtretungsvereinbarungen in Bezug genommenen Abtretungen sich nicht auf die aus dem jeweiligen Mandatsverhältnis resultierende Schuldverhältnisse erstreckten und die Abtretung an die Klägerin als Dritte verlangt wurde.

    Mit den Vereinbarungen wurde Herr B im Voraus für seine eigenen Steuererstattungsansprüche und für die Ansprüche, die einer seiner fünf Gesellschaften zustehen würden, zur Abtretung an die Klägerin verpflichtet. Die Abtretungen hatten ungeachtet dessen zu erfolgen, ob und in welcher Höhe dem Steuerberater aus seiner Tätigkeit gegenüber der abtretungsverpflichteten Person eine aus dem Mandatsverhältnis folgende Forderung zustand. Denn Herr B und die Klägerin sollten berechtigt sein, unabhängig von der Person des Zedenten sämtliche durch die Abtretung und Einziehung der Steuererstattungsansprüche erlangten Beträge beliebig zum Ausgleich der dem Steuerberater B gegen eine der erfassten Personen zustehenden Forderungen zu verrechnen. Nach den getroffenen Regelungen sollte es ausdrücklich keine Rolle spielen, welche der genannten Firmen ihre bestehenden Steuerguthaben mittels Abtretungserklärung zur Verfügung gestellt hatte.

    Die Verrechnungssituation innerhalb der Firmen sollten diese separat und intern regeln. Diese Loslösung vom Mandatsverhältnis begründet nach Ansicht des Senats das geschäftsmäßige Handeln.

    Weiter folgt die Qualifizierung als geschäftsmäßig aus dem Umstand, dass die Klägerin als Zessionarin für eine Vielzahl von Abtretungen genutzt werden sollte, was sich zum einen aus der Anzahl der erfassten potentiellen Zedenten und aus der Erstreckung auf alle bestehenden und künftigen Honorarforderungen des Steuerberaters sowie auf sämtliche gegenwärtigen und zukünftig zu erwartenden Erstattungsansprüche erschließt. Dies bestätigt die Wiederholungsabsicht und damit eine Geschäftsmäßigkeit i.S. des § 46 Abs.4 AO.

    Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch viel dafür spricht, für die Prüfung der Geschäftsmäßigkeit wegen der gleichgerichteten wirtschaftlichen Interessenlage auch die aktenkundigen Abtretungsvorgänge einzubeziehen, bei denen Herr B selbst als Zessionar steuerlicher Erstattungsansprüche aufgetreten ist. Das Auftreten der Klägerin als weitere Zessionarin lag nach dem eigenen Klagevorbringen allein im Interesse von Herrn B, so dass eine solche Gesamtbetrachtung sachgerecht erscheint.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO sowie auf § 136 Abs. 2 FGO soweit die Klägerin im Termin der mündlichen Verhandlung den von ihr begehrten festzustellenden Abrechnungsbetrag um die Erstattungszinsen in Höhe von 9.053 EUR gemindert hat.

    Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

    VorschriftenAO § 46 Abs. 3, AO § 46 Abs. 4, AO § 46 Abs. 1, AO § 218 Abs. 2