01.06.2012
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 09.08.2011 – 3 K 2299/10
Ausländische Staatsangehörige, die nicht über einen Aufenthaltstitel verfügen, können einen Anspruch auf Kindergeld haben, wenn sie kraft gesetzlicher Regelung für ihren rechtmäßigen Aufenthalt vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit sind. Voraussetzung ist, dass sie voraussichtlich auf Dauer in der Bundesrepublik Deutschland einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen, in das Sozialversicherungssystem eingegliedert und einkommensteuerpflichtig sind.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Kindergeld.
Der Kläger ist ein am 5.3.1971 in Deutschland geborener amerikanischer Staatsangehöriger. Er lebt seit 1974 ununterbrochen in Deutschland. Seit der 6. Klasse besuchte er eine deutsche Schule, die er mit dem Realschulabschluss beendete. Anschließend absolvierte er eine Lehre als technischer Zeichner. Seit dem Jahr 1990 ist er bei der Firma D in W sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
Er ist im Besitz eines im Jahre 1990 ausgestellten amerikanischen Reisepasses. Dem Kläger wurden von der Ausländerbehörde jeweils befristete Aufenthaltserlaubnisse für die Bundesrepublik Deutschland erteilt. Die ihm zuletzt am 04.12.1997 bis zum 14.12.1999 erteilte Aufenthaltserlaubnis enthielt den Zusatz: ”... Arbeitserlaubnispflichtige Erwerbstätigkeit nur mit gültiger Arbeitserlaubnis gestattet”. Bereits zuvor, nämlich am 1.12.1995 hatte er eine unbefristete und unbeschränkte Arbeitserlaubnis erhalten. Am 13.12.1998 heiratete er eine amerikanische Staatsangehörige, die zum zivilen Gefolge der US-Streitkräfte gehört und seit 1997 bei einer amerikanischen Bank, der S in K beschäftigt ist. Seither ist der Kläger im Besitz eines „Status- of-forces-Agreement (SoFA)-Identification”. Die Aufenthaltserlaubnis vom 04.12.1997 wurde „ungültig” gestempelt.
Einen ersten Antrag des Klägers auf Gewährung von Kindergeld für seine am 26.11.2007 geborene Tochter L lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7.2.2008 mit der Begründung ab, der Kläger sei nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Am 4.2.2010 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Kindergeld. Er legte eine Meldebescheinigung der Verbandsgemeindeverwaltung E, eine Haushaltsbescheinigung, eine Bescheinigung seines Arbeitgebers, eine Ablichtung seines Reisepasses mit dem sogen. SoFA-Stempel sowie eine Bescheinigung des Finanzamts K über die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 3 EStG) vor.
Mit Bescheid vom 1.6.2010 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kindergeld ab. Sie führte hierzu aus, nach § 62 EStG stehe einem ausländischen Staatsangehörigen nur dann Kindergeld zu, wenn er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sei, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtige oder berechtigt habe. Der Kläger habe einen SoFA-Status, der nicht den genannten Anforderungen entspreche.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 9.7.2010 Einspruch ein und machte zur Begründung geltend: Gemäß Artikel III Abs. 1 Satz 2 des Nato-Truppenstatuts seien Mitglieder der Truppe eines zivilen Gefolges und deren Angehörige von den Bestimmungen des Aufnahmestaates zur Registrierung und Kontrolle von Ausländern befreit. Zwar werde aus dem Wortlaut und der Zielsetzung der überstaatlichen Vereinbarung deutlich, dass der SoFA-Status nur eine auf den militärischen Aufgabenkreis beschränkte Berechtigung zum Aufenthalt auf dem Hoheitsgebiet des Aufnahmestaates beinhalte. Diese Personen sollten nach dem Willen der Vertragsparteien grundsätzlich in sozialen Regeln des Entsendestaates unterliegen. Ausnahmsweise würden für diese Personen die Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge gelten. Ein solcher Ausnahmetatbestand werde nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts angenommen, wenn ein Angehöriger vollständig im Netz der Sozialversicherung des Aufnahmestaates eingebunden sei. Der Kläger sei seit 1990 bei einem deutschen Arbeitgeber beschäftigt. Für ihn würden Beiträge zur Sozialversicherung, wie Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Pflegeversicherung abgeführt. Auch sei er unbeschränkt steuerpflichtig.
Mit Einspruchsentscheidung vom 31.8.2010 wies die Beklagte den Einspruch mit der Begründung des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück.
Zur Begründung seiner Klage macht der Kläger geltend: Zwar begründeten nicht deutsche Mitglieder der Truppen oder des zivilen Gefolges in der Zeit, in der sie sich in dieser Eigenschaft im Inland aufhielten, keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nach Artikel 10 Abs. 1 und 4 des Nato-Truppenstatuts (NTS). Entsprechendes gelte gemäß Artikel 68 Abs. 4 des Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut für deren nichtdeutsche Ehegatten. Soweit dieser Personenkreis durch eine Bescheinigung des Finanzamts nachweise, gem. § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu sein oder gem. § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt zu werden, werde die Wohnsitzfiktion des Nato-Truppenstatuts durchbrochen. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt. Daraus ergebe sich, dass er einen Anspruch auf das steuerliche Kindergeld habe. § 62 Abs. 2 EStG sei nicht einschlägig. Er sei zum Aufenthalt in Deutschland berechtigt, ohne dem Ausländergesetz zu unterliegen. Gemäß Artikel III des Nato-Truppenstatuts seien ausländische Truppenmitglieder vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit. Das gelte auch für deren Familienangehörige. Er sei daher nach § 62 Abs. 1 EStG anspruchsberechtigt.
Im Übrigen bestünden gegen die Vorschrift des § 62 Abs. 2 EStG verfassungsrechtliche Bedenken. Es seien die Grundrechte aus Artikel 3 Abs. 1, Artikel 6 Abs. 1, Artikel 1 Abs. 1 und Artikel 20 Abs. 1 GG verletzt. Der Gesetzgeber dürfe Ausländer, die sich mit ihren Kindern ungeachtet ihres Aufenthaltstitels im Bundesgebiet gewöhnlich aufhielten, nicht vom Bezug von Kindergeld ausschließen, sofern sie hier erlaubt erwerbstätig seien. Artikel 3 Abs. 1 GG sei verletzt, da der Staat eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandele, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede solcher Art und solchen Gewichts bestünden, dass die Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden könnte. Die Ungleichbehandlung ergebe sich aus Folgendem: Er - der Kläger - halte sich seit Jahrzehnten berechtigt in Deutschland auf. Er werde durch § 62 Abs. 2 EStG schlechter gestellt als Deutsche und Ausländer mit einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis. Diese Ungleichbehandlung sei auch unter Berücksichtigung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers sachlich nicht gerechtfertigt. Insofern werde auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6.7.2004 (1 BvL 4/97) Bezug genommen. In dieser Entscheidung habe das Bundesverfassungsgericht und der Gesetzgeber durch seine nachfolgenden Gesetzeskorrekturen zum Ausdruck gebracht, dass diejenigen Ausländer Kindergeld erhalten sollten, die eine (unbefristete) Niederlassungserlaubnis oder eine bestimmte (befristete) Aufenthaltserlaubnis besäßen, die einen dauerhaften Aufenthalt indizierten. Der Kläger erfülle sämtliche Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld. Er unterliege allen fünf Zweigen der Sozialversicherung und lebe bereits seit Jahrzehnten in Deutschland, so dass bei ihm eine positive Prognose über die Dauer des Aufenthalts anzustellen sei. Dass er im Vergleich zu anderen Ausländern, die im Besitz eines dauerhaften Aufenthaltstitels seien, im Hinblick auf den Bezug von Kindergeld schlechter gestellt werde, sei vom Gesetzgeber so nicht gewollt. Insofern liege eine Gesetzeslücke vor.
Auf Frage des Gerichts teilte der Kläger ergänzend mit, seit dem 01.02.1995 sei er im Besitz einer unbefristeten Arbeitserlaubnis. Auf Grund des SoFA-Status seines Vaters habe er zunächst ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gehabt und habe keiner Arbeitserlaubnis bedurft. Danach habe er eine Aufenthaltserlaubnis beantragen müssen, die er auch erhalten habe und die jeweils verlängert worden sei. Ausweislich einer Auskunft der zuständigen Ausländerbehörde bei der Kreisverwaltung K vom 08.08.2011 wäre ihm im Dezember 1999 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt worden, hätte er nicht zuvor eine amerikanische Staatsangehörige geheiratet und nicht wieder dem NTS unterlegen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1.6.2010 sowie der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 31.8.2010 zu verpflichten, Kindergeld für das Kind L ab 1.03.2008 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer Rechtsauffassung fest.
In der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger auf Frage des Gerichts, die Tätigkeit seiner Ehefrau bei der amerikanischen Bank (S) sei nicht befristet. Er und seine Familie hätten auch nicht die Absicht, nach Amerika zurückzukehren.
Gründe
Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid 1.6.2010 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 31.8.2010 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.
1. Der Kläger ist Anspruchsberechtigter im Sinne von § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Nach dieser Vorschrift hat Anspruch auf Kindergeld für Kinder im Sinne des § 63 EStG derjenige, der im Inland einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Seinen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (§ 8 AO). Nach dem unstreitigen Sachverhalt ergeben sich keine Zweifel daran, dass der Kläger mit seiner Familie in dem hier in Rede stehenden Zeitraum seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hat und deshalb auch der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG unterliegt. Im Übrigen hat der Kläger eine Bescheinigung des Finanzamts K vom 31.01.2008 vorgelegt, ausweislich derer er unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist.
2. Steuerbefreiungen liegen weder nach internationalem noch nach innerstaatlichem Recht vor. Zwar sind nach Art. X Abs. 1 Satz 2 des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATO-Truppenstatut – NTS -) vom 19.06.1951 die Mitglieder einer Truppe oder des zivilen Gefolges in dem Aufnahmestaat u.a. von jeder Steuer auf Bezüge und Einkünfte befreit, die ihnen in ihrer Eigenschaft als derartige Mitglieder von dem Entsendestaat gezahlt werden. Nach Abs. 2 derselben Bestimmung ist allerdings die Besteuerung von Mitgliedern einer Truppe oder des zivilen Gefolges hinsichtlich gewinnbringender Tätigkeiten, die sie etwa in dem Aufnahmestaat ausüben mit Ausnahme der Tätigkeit in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Truppe oder des zivilen Gefolges, nicht ausgeschlossen.
Die von dem Kläger bei der Firma D erzielten Einkünfte unterfallen dem Ausschluss von der Besteuerung nicht, da sie der Kläger im Rahmen einer gewinnbringenden Tätigkeit und nicht in seiner Eigenschaft als Mitglied der Truppe oder des zivilen Gefolges erwirtschaftet.
3. a) Während der Anspruchsberechtigte nach § 62 Abs. 1 EStG für deutsche Staatsangehörige lediglich an die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht im Sinne der §§ 1 Abs. 1 bis 3 EStG anknüpft, steht die Anspruchsberechtigung von Ausländern unter der zusätzlichen Voraussetzung nach § 62 Abs. 2 EStG. Diese Bestimmung verlangt für den Bezug von Kindergeld eine Niederlassungserlaubnis (§ 62 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Eine Aufenthaltserlaubnis, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat - mit Ausnahme der in § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a bis c EStG aufgezählten Aufenthaltserlaubnisse -, begründet ebenfalls einen Anspruch auf Kindergeld. Unter den weiteren Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG können auch die in § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG aufgeführten, aus humanitären Gründen erteilten Aufenthaltserlaubnisse einen Anspruch auf Kindergeld ergeben.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Ausländer möglicherweise einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat. Im Kindergeldverfahren ist vielmehr allein entscheidend, ob der Ausländer tatsächlich einen der genannten Aufenthaltstitel in Händen hat, ihm also das entsprechende Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland durch einen Verwaltungsakt mit Wirkung für die Bezugszeit zugebilligt worden ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 01.12.1997 VI B 147/97, BFH/NV 1998, 696 und vom 31.07.2009 III B 152/08, BFH/NV 2009, 1811). Auch hält das erkennende Gericht die Anknüpfung des Kindergeldanspruchs von Ausländern an den Besitz eines Aufenthaltstitels grundsätzlich für verfassungsgemäß (vgl. BFH-Urteil vom 15.03.2007 - III R 93/03 -, BFH/NV 2007, 1234).
b) Über einen der in § 62 Abs. 2 EStG genannten Aufenthaltstitel verfügt der Kläger in dem hier in Rede stehenden Zeitraum zwar unstreitig nicht. Der Kläger war vielmehr – seit seiner Heirat im Dezember 1998 – nach Art. III Abs. 1 NTS von dem Erfordernis einer Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland befreit, was nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers zum Entzug der ihm zuvor befristet erteilten Aufenthaltserlaubnis geführt hat. Seither ist er im Besitz eines „Status of forces Agreement (SoFA) Identification”, des sog. SoFA-Stempels, der ihn zur unbeschränkten Ein- und Ausreise in bzw. aus Deutschland berechtigt, aber nach Art. III Abs. 1 Satz 2 NTS keinerlei Recht auf ständigen Aufenthalt oder Wohnsitz in den Hoheitsgebieten des Aufnahmestaates vermittelt.
Andererseits steht im Streitfall zugleich fest, dass der Kläger zuvor, also in der Zeit bis 1998, den Status eines Ausländers mit einer zu einer Erwerbstätigkeit berechtigenden Aufenthaltserlaubnis innehatte und dass er seit 1990 zu Sozialabgaben herangezogen worden ist.
Nach Art 13 Abs. 1 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen - ZA-NTS – vom 3.08.1959 werden, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen ist, zwischenstaatliche Abkommen oder andere im Bundesgebiet geltende Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge auf Mitglieder einer Truppe, eines zivilen Gefolges und auf Angehörige nicht angewendet. Rechte und Pflichten, die diesen Personen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit während eines früheren Aufenthalts im Bundesgebiet erwachsen sind, bleiben jedoch nach Satz 2 dieser Bestimmung unberührt.
4. Bei wortgetreuer Auslegung der maßgebenden gesetzlichen Vorschriften steht dem Kläger kein Kindergeld zu, da er in dem maßgebenden Zeitraum keine von der Ausländerbehörde erteilte Aufenthaltsgenehmigung, sondern nur einen sog. SoFA-Stempel besaß. Dieser SoFA-Stempel ist aber im Wege der Analogie – jedenfalls im Streitfall - einer zur Erwerbstätigkeit berechtigenden Aufenthaltserlaubnis i.S. des § 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG gleichzustellen. Dem liegen folgende Erwägungen zu Grunde:
a) Eine Analogie setzt eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit voraus. Eine Gesetzeslücke liegt vor, wenn eine Regelung gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d.h. ergänzungsbedürftig ist und wenn ihre Ergänzung nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht (vgl. BFH-Urteil vom 26.01.2006 III R 51/05, BStBl II 2006, 515).
b) Soweit Inhaber eines SoFA-Stempels wegen der Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels beim Kindergeld nicht berücksichtigt werden, enthält § 62 EStG eine unbewusste planwidrige Gesetzeslücke.
§ 62 Abs. 2 EStG hat zum Ziel, Kindergeld nur solchen ausländischen Staatsangehörigen zukommen zu lassen, die sich rechtmäßig und voraussichtlich auf Dauer in der Bundesrepublik aufhalten.
Bei Personen, die nicht im Besitz einer (unbefristeten) Niederlassungserlaubnis, sondern nur einer Aufenthaltserlaubnis sind, muss nach Auffassung des Gesetzgebers ein weiteres Indiz hinzukommen, welches einen voraussichtlich dauerhaften Aufenthalt plausibel erscheinen lässt. Ein solches Indiz ist die Ausübung einer Erwerbstätigkeit bzw. die Erlaubnis zu einer Erwerbstätigkeit. Von einem nur vorübergehenden Aufenthalt ist bei ausländischen Staatsangehörigen auszugehen, deren Aufenthalt in der Bundesrepublik erkennbar begrenzt ist, wie z.B. bei denjenigen, die sich nur zu Ausbildungszwecken im Bundesgebiet aufhalten oder bei denen die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung nach Ablauf eines Höchstzeitraumes rechtlich ausgeschlossen ist (vgl. BFH-Urteil vom 25.07.2007 - III R 55/02 -, BStBl II 2008, 758 unter Hinweis auf BTDrucks 16/1368, 8).
Die Einreise und der Aufenthalt nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer stehen grundsätzlich unter Erlaubnisvorbehalt. Daher ergibt sich in der Regel aus dem Aufenthaltstitel konstitutiv das Recht auf Einreise und Aufenthalt. Insofern ist die Anknüpfung des Kindergeldanspruchs an den Besitz eines Aufenthaltstitels jedenfalls in den Fällen sachgerecht, in denen für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet ein Aufenthaltstitel erforderlich ist.
Der gesetzlichen Regelung liegt offensichtlich die Vorstellung zugrunde, ein rechtmäßiger Daueraufenthalt erfordere stets einen von der Ausländerbehörde ausgestellten Aufenthaltstitel. Der Gesetzgeber ging anscheinend davon aus, dass die Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels nur solche Personen betrifft, die sich nur vorübergehend im Bundesgebiet aufhalten und nach Beendigung ihrer Tätigkeit das Bundesgebiet wieder verlassen.
Nicht bedacht wurde bei der gesetzlichen Regelung, dass unter anderem Mitglieder der Truppen oder des zivilen Gefolges bei der Ausübung bestimmter Tätigkeiten sozialversicherungs- und einkommensteuerpflichtig sind. Auch kann – wie der Streitfall zeigt – nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass diese Personen grundsätzlich die Absicht hätten, nach Beendigung ihrer Tätigkeit bzw. der Tätigkeit eines Angehörigen als Mitglied der Truppen oder des zivilen Gefolges die Bundesrepublik mit ihrer Familie wieder verlassen. Ihr Aufenthalt kann auch nicht als typischerweise von nur vorübergehender Natur angesehen werden. Die Tätigkeit als Mitglied der Truppen oder des zivilen Gefolges ist in der Regel – und so auch im Streitfall - nicht befristet, wann sie endet, ist ungewiss. Auch werden die SoFA-Stempel jeweils auf immerhin drei Jahre befristet und dann – wie der Streitfall belegt - ggf. verlängert. Es ist daher nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger und seine Familie auf absehbare Zeit die Bundesrepublik verlassen würden.
c) Wie der BFH in einem die Mitglieder des Verwaltungs- und technischen Personals oder des dienstlichen Hauspersonals einer Botschaft betreffenden Urteil vom 25.07.2007 – III R 55/02 – (BStBl II 2008, 758) ausgeführt hat, widerspräche es dem Zweck der Kindergeldregelung und wäre auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten bedenklich, wenn ausländische Staatsangehörige, die sich rechtmäßig in der Bundesrepublik aufhalten, voraussichtlich auf Dauer in der Bundesrepublik einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen, in das Sozialversicherungssystem eingegliedert und einkommensteuerpflichtig sind, vom Kindergeld ausgeschlossen würden, weil sie für ihren rechtmäßigen Aufenthalt kraft gesetzlicher Regelung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit sind und deshalb keinen Aufenthaltstitel erhalten.
Das erkennende Gericht schließt sich dieser Auffassung ausdrücklich an und hält die grundsätzlichen Ausführungen des BFH auch auf Mitglieder der Truppen oder des zivilen Gefolges, die den Vorschriften des NTS und des ZA-NTS unterfallen und im Besitz eines sog. SoFA-Stempels sind, für entsprechend anwendbar, sofern die betreffenden Personen einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen, in das Sozialversicherungssystem eingegliedert und einkommensteuerpflichtig sind.
d) Da der Kläger im maßgebenden Zeitraum unbeschränkt einkommensteuerpflichtig und im Besitz einer unbefristeten und unbeschränkten Arbeitserlaubnis ist, einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgeht und in allen Zweigen der Sozialversicherung abgabepflichtig und damit in das bundesdeutsche Sozialversicherungssystem eingegliedert ist und über einen sog. SoFA-Stempel verfügt, hat er grundsätzlich ab März 2008 einen Anspruch auf Kindergeld.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
6. er Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.