11.04.2012
Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 16.08.2011 – 9 K 71/10
Durch die geplante Veräußerung eines bislang vermieteten Grundstücks veranlasste Aufwendungen sind auch bei Rückabwicklung des notariellen Kaufvertrages und Weitervermietung des Grundstücks nicht als Werbungskosten berücksichtigungsfähig.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Kosten aus dem fehlgeschlagenen Verkauf eines Vermietungsobjekts (innerhalb der Spekulationsfrist) als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.
Dem Rechtsstreit liegt im Einzelnen nachfolgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger erzielte im Streitjahr (2007) neben Einkünften aus nichtselbständiger und gewerblicher Tätigkeit u. a. auch solche aus der Vermietung aus Verpachtung mehrerer Objekte. In seiner beim Beklagten (das Finanzamt – FA –) am 23.Dezember 2007 eingereichten Einkommensteuererklärung 2007 machte er bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung seines Objekts H u. a. auch Aufwendungen in Höhe von … EUR (Bewirtungskosten in Höhe von … EUR sowie Notar- und Gerichtskosten in Höhe von … EUR) aus der fehlgeschlagenen Veräußerung dieses Objekts als Werbungskosten geltend.
Im Einkommensteuerbescheid 2007 vom 30.04.2007 versagte das FA den Werbungskostenabzug in Höhe von … EUR.
Mit dem hiergegen rechtzeitig eingelegten Einspruch begehrte der Kläger neben (weiteren)Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit die steuermindernde Berücksichtigung der Aufwendungen in Höhe von … EUR. Zur Begründung trug er im Wesentlichen Folgendes vor:
Die Bewirtungskosten in Höhe von … EUR sowie die Notar- und Gerichtskosten in Höhe von … EUR aus der fehlgeschlagenen Veräußerung (der Erwerber habe die Finanzierung nicht bewerkstelligen können) seien als Werbungskosten des vermieteten Objekts anzuerkennen. Er habe das Objekt „weniger als 10 Jahre im Bestand”, so dass der Gewinn aus dem Verkauf steuerpflichtig sei und somit ” auch die Ausgaben steuermindernd anzuerkennen” seien.
Am 10. August 2009 erließ das FA einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2007, der zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens wurde.
Durch Einspruchsentscheidung vom 24. November/11. Dezember 2009 wurde der angegriffene Steuerbescheid hinsichtlich der Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit geändert und der Einspruch im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung sowie auf den in diesem Zusammenhang geänderten Einkommensteuerbescheid 1999 vom 20. Oktober 2009 (Bl. 90-99 der Einkommensteuerakte) Bezug genommen.
Mit der rechtzeitig erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Nach seiner Auffassung seien die Bewirtungskosten in Höhe von … EUR sowie die Notar- und Gerichtskosten in Höhe von … EUR aus der fehlgeschlagenen Veräußerung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anzuerkennen, weil er das Objekt „zurückgeholt” habe.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 20. Oktober 2009 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 24. November/11. Dezember 2009 dahingehend zu ändern, dass die Bewirtungskosten in Höhe von … EUR sowie die Notar- und Gerichtskosten in Höhe von … EUR aus der fehlgeschlagenen Veräußerung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird;
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA hält an seiner in der Einspruchsentscheidung dargelegten Auffassung fest.
Mit Beschluss vom 28. Juni 2011 hat der Senat den Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen. Dem Gericht lag die Einkommensteuerakte 2007 zur Entscheidungsfindung vor.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Die vom Kläger geltend gemachten Bewirtungskosten in Höhe von … EUR sowie Notar- und Gerichtskosten in Höhe von … EUR aus der fehlgeschlagenen Veräußerung sind nicht als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) berücksichtigungsfähig.
a) Nach § 9 Abs. 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Dazu rechnen alle Aufwendungen, die durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind (vgl. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 28. November 1977 GrS 2-3/77, BStBl. II 1978, 105). Sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart abzuziehen, wenn sie bei ihr erwachsen; d. h., durch sie veranlasst sind (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung; vgl. z. B. BFH-Urteil vom 15. Januar 2008 IX R 45/07, BStBl II 2008, 572). Zu den gemäß § 9 Abs.1 Satz 1 EStG bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbaren Werbungskosten zählen demnach nicht solche Aufwendungen, die anlässlich der Veräußerung eines Grundstücks entstehen, das einem Steuerpflichtigen bisher zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gedient hatte. Diese Aufwendungen stehen nicht – wie erforderlich-- in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Nutzung, sondern mit der – grundsätzlich steuerlich unbeachtlichen – Veräußerung eines Wirtschaftsguts des Privatvermögens (BFH-Urteile vom 23. Januar 1990 IX R 8/85, BStBl II 1990, 464; vom 20. Februar 1990 IX R 13/87, BStBl II 1990, 775). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn Aufwendungen durch eine geplante Veräußerung veranlasst sind, die Veräußerung aber nicht durchgeführt, sondern die Vermietung fortgesetzt wird. Auch dann sind die Aufwendungen objektiv und subjektiv durch die geplante Veräußerung veranlasst (BFH-Urteil vom 19. Dezember 1995 IX R 48/92, BStBl II 1996, 198). Dieser Veranlassungszusammenhang wird nicht aufgehoben, wenn die Veräußerung später tatsächlich nicht durchgeführt wird. Ebenso wie es dem Abzug von Aufwendungen als Werbungskosten nicht entgegensteht, dass es letztlich zum Zufluss von Einnahmen nicht gekommen ist (sog. vergebliche Werbungskosten; vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BStBl II 1990, 830 unter C.III.2.a), sind die Kosten für eine ursprünglich geplante Veräußerung nicht deshalb abziehbar, weil das Grundstück tatsächlich nicht veräußert, sondern weiter vermietet wird. In beiden Fallgestaltungen entscheidet die ursprüngliche Zweckbestimmung der Aufwendungen über den maßgeblichen Veranlassungszusammenhang.
b) Gemessen an diesen vom BFH aufgestellten Grundsätzen, denen sich das erkennende Gericht anschließt, sind die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des Klägers bildete nämlich die geplante Veräußerung die Veranlassung für das Entstehen dieser Aufwendungen. Das „Rückholen” des Grundstücks kann demnach entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht wie eine (neue) Anschaffung des Grundstücks beurteilt werden.
2. Die vom Kläger geltend gemachten Bewirtungskosten in Höhe von … EUR sowie Notar- und Gerichtskosten in Höhe von … EUR aus der fehlgeschlagenen Veräußerung sind aber auch nicht als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG im Rahmen der sonstigen Einkünfte im Sinne des § 22 EStG berücksichtigungsfähig, da die Rückabwicklung des Grundstückkaufvertrages kein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft ist.
a) Private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung von Grundstücken oder ihnen gleichgestellten Rechten nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Es handelt sich hierbei um einen sog. gestreckten Steuertatbestand, dessen Verwirklichung mit der Anschaffung des Wirtschaftsguts beginnt und mit dessen Veräußerung endet (BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BStBl II 2004, 284).
Als Anschaffung und Veräußerung werden im Regelfall der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsgutes auf eine andere Person aufgefasst (vgl. BFH-Urteile vom 10. September 2003 XI R 26/02, BStBl II 2004, 218; vom 8. April 2003 IX R 1/01, BFH/NV 2003, 1171, und vom 2. Mai 2000 IX R 73/98, BStBl II 2000, 614).
Eine Veräußerung i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG liegt jedoch nicht vor, wenn sich das ursprüngliche Anschaffungsgeschäft lediglich in ein Abwicklungsverhältnis verwandelt (BFH-Urteile vom 15. Dezember 1993 X R 49/91, BStBl II 1994, 687, unter 3. b; vom 27. Juni 2006 IX R 47/04, BStBl II 2007, 162; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 30. Aufl. 2011, § 23 Rz. 49 m. w. N.). Denn die Herausgabe des zuvor angeschafften Wirtschaftsgutes stellt hierbei keinen gesonderten marktoffenbaren Vorgang, sondern nur einen notwendigen Teilakt im Rahmen der Rückabwicklung dar (Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 17. November 2005 III ZR 350/04, NJW 2006, 499, BFH/NV 2006, Beilage 2, 187).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen beinhaltet die Rückabwicklung des Grundstückkaufvertrages kein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft, mithin fehlt es an einem Besteuerungstatbestand.
3. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.