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  • 15.12.2011

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 19.01.2010 – 1 K 4306/07 E

    Pendelt ein Arbeitnehmer zwischen einer an die Wohnung angrenzenden Betriebsräumlichkeit in einem Anbau, die er als Betriebsstätte des Arbeitgebers bewerten möchte, und der Arbeitsstätte mit einem Dienstwagen, so werden die Fahrten deshalb noch nicht zu „Dienstfahrten”. Vielmehr ist ein geldwerter Vorteil für die Überlassung des Dienstwagens für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anzusetzen.


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat der 1. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 19.01.2010 für Recht erkannt:

    Tatbestand

    Streitig ist die Besteuerung eines geldwerten Vorteils für die Nutzung eines Firmenfahrzeugs in den Streitjahren 2002 und 2003.

    Der Kläger war in den Streitjahren Geschäftsführer der A-Technik GmbH (im Weiteren: GmbH) und durfte einen Firmen-Pkw auch privat nutzen.

    Im Rahmen der im Jahr 2005 bei der GmbH stattgefundenen Lohnsteueraußenprüfung wurde festgestellt, dass von dieser die täglichen Fahrten zwischen dem Wohnort des Klägers in H und der Betriebsstätte in D als Dienstfahrten angesehen worden waren. Ein geldwerter Vorteil war deshalb nicht versteuert worden.

    Der Kläger hatte in H an seinem Wohnort eine Wohnung in der E-str. 30 von seiner Lebensgefährtin angemietet. Im Keller dieses Wohnhauses nutzte er einen Raum für berufliche Zwecke. Der Kellerraum hatte einen separaten Zugang und befand sich in einem Anbau. Er war von der Ölhydraulik Z an die GmbH verpachtet worden. Die Ölhydraulik Z hat diesen Raum wiederum von der Lebensgefährtin des Klägers gepachtet. Der Raum diente ausschließlich der Unterbringung einer EDV-Anlage der GmbH. Der Kläger führte in diesem Raum Wartungs- und Optimierungsarbeiten durch.

    Der Lohnsteueraußenprüfer bewertete die Fahrten von H zur Produktionsstätte in D als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Aufgrund der vorgelegten Fahrtenbücher wurde vom Beklagten der Arbeitslohn für 2002 um 3.110,40 Euro und für 2003 um 3.452,16 Euro erhöht. Eine Berücksichtigung der Entfernungspauschale neben dem Arbeitnehmer-Pauschbetrag konnte aufgrund der Entfernung von 8 km nicht erfolgen. Der Beklagte änderte die Einkommensteuerfestsetzungen der Streitjahre durch Bescheide vom 16.1.2006. Am 2.2.2006 legte der Kläger Einspruch ein. Diese wurden durch Einspruchsentscheidung vom 12.9.2007 als unbegründet zurückgewiesen.

    Der Kläger hat am 13.10.2007 Klage eingelegt.

    Der Kläger behauptet, dass er am Morgen jeden Tages vor Fahrtantritt die Betriebsstätte im Keller aufsuchte, um eine Datensicherung vorzunehmen. Dies geschehe in der Weise, dass er den Datenträger aus der Dockingstation, den er dort am Abend eingebaut habe, wieder zur Betriebsstätte nach D mitnehme.

    Er ist der Ansicht, dass der Kellerraum eine eigenständige Betriebsstätte sei. Dies ergäbe sich schon aus dem separaten Zugang und dem nachträglich erfolgten Anbau. Auch werde dieser Raum allein für die EDV-Anlage genutzt. Der Raum sei deshalb nicht wie ein Arbeitszimmer in die privaten Räumlichkeiten des Klägers eingegliedert. Folglich seien für die Fahrten die Dienstreisegrundsätze anzuwenden. Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte lägen nicht vor. Eine entsprechende Erhöhung des Arbeitslohns sei deshalb nicht vorzunehmen.

    Der Kläger beantragt,

    die Einkommensteuerfestsetzungen 2002 und 2003, jeweils in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.9.2007 dahingehend zu ändern, dass in 2002 die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um 3.110 Euro und in 2003 um 3.452 Euro reduziert werden.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er ist der Ansicht, dass der von der GmbH genutzte Kellerraum im Wohnhaus des Klägers nicht als Betriebsstätte, sondern als häusliches Arbeitszimmer anzusehen ist. Die Fahrten zwischen der Wohnung des Klägers und der Betriebsstätte in D seien deshalb zu Recht als solche zwischen Wohnort und Arbeitsstätte angesetzt worden.

    Der Berichterstatter hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 23.6.2008 erörtert. Zum Verfahren sind die Akten aus dem Umsatzsteuerverfahren 5 K 3605/08 U beigezogen worden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist unbegründet.

    Die Fahrten zwischen dem Wohnort Hamm und der Betriebsstätte in D sind Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG in der für die Streitjahre gültigen Fassung.

    Im vorliegenden Fall geht der Senat davon aus, dass die Fahrten des Klägers von der Wohnung aus erfolgten und auch dort am Abend endeten. Ein Nachweis, dass Anfang und Ziel stets und unmittelbar die betrieblich genutzten Räume in H waren, ist nicht erfolgt, was zu Lasten des Klägers zu werten ist.

    Aber selbst dann, wenn man im vorliegenden Fall davon ausginge, dass die betrieblich genutzten Räume in H als Betriebsstätte zu qualifizieren sind und die Fahrten stets von dort aus zur Betriebsstätte in D erfolgten bzw. dort auch endeten, kann dies aus Gründen der Gleichbehandlung nicht dazu führen, dass die Fahrten als Dienstfahrten qualifiziert werden. Vielmehr sind sie aus diesen Gründen stets als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG anzusehen. Dies entspricht auch der ständigen BFH-Rechtsprechung (vgl. zuletzt: BFH-Beschluss vom 28.6.2006 IV B 75/05, BFH/NV 2006, 2243 mwN.). Dieser Rechtsprechung hat sich die Finanzgerichtsrechtsprechung (vgl. nur Niedersächsisches FG, Urteil vom 24.10.2007, 12 K 611/04, EFG 2008, 1115) und auch der erkennende Senat angeschlossen. Die Rechtsprechung geht dabei davon aus, dass unabhängig davon, welcher Raum unmittelbarer Ausgangspunkt bzw. Endpunkt der Fahrt ist, die räumliche Nähe zur Wohnung des Steuerpflichtigen dazu führt, dass insoweit auf die Wohnung des Steuerpflichtigen abzustellen ist. Die Fahrten können deshalb nicht als „innerbetrieblich” angesehen werden, unabhängig davon, welchen steuerlichen Charakter die betrieblich genutzten Räume ansonsten haben.

    Etwas anderes gilt im vorliegenden Fall auch nicht dann, wenn man davon ausginge, dass die betrieblich genutzten Räume einen separaten Bereich darstellten. Dies führt hier nämlich nicht dazu, dass nach außen erkennbare Umstände die häusliche Privatsphäre zugunsten eines eindeutig betrieblichen Bereichs zurücktreten lassen. Grundsätzlich geht der BFH zwar in einem solchen Fall ausnahmsweise von innerbetrieblichen Fahrten aus (vgl. BFH-Urteil vom 16.2.1994 IX R 52/91, BStBl II 1994, 468). Allerdings reicht ein Anbau an ein Haus nicht aus, um eine solche Ausnahme zu rechtfertigen (so BFH-Urteil vom 19.8.1998 XI R 90/96, BFH/NV 1999, 41). Dieser Sicht schließt sich der erkennende Senat an. Der hier erfolgte Anbau rechtfertigt es nicht, von der ansonsten klaren und eindeutigen Rechtsprechung abzuweichen. Entscheidend bleibt die räumliche Nähe der betrieblich genutzten Räume zur Wohnung des Steuerpflichtigen.

    Fehler bei der Berechnung des Privatanteils sind nicht erkennbar.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    Gründe, die Revision zuzulassen, sind angesichts der eindeutigen BFH-Rechtsprechung nicht ersichtlich.

    VorschriftenEStG § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 4, EStG § 8 Abs 2 Satz 3, EStG § 4 Abs 5 Satz 1 Nr 6