15.11.2011
Finanzgericht München: Urteil vom 17.03.2011 – 10 K 2394/09
1. Nachträgliche Änderungen des Kaufpreises für eine wesentliche Beteiligung wirken auf den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung zurück. Dies gilt auch für eine nachträgliche Erhöhung des Kaufpreises dadurch, dass die in einem sog. Besserungsschein unter der aufschiebenden Bedingung des Erreichens einer bestimmten Gewinnentwicklung des Unternehmens in Aussicht gestellte zusätzliche Einmalzahlung nach Erreichen dieser Zielvereinbarung fällig wird.
2. Die Einmalzahlung ist für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns mit dem Nennwert zu bewerten und nicht abzuzinsen, da die Forderung keinen Zinsanteil enthält; denn anders als z. B. bei der Stundung von Kaufpreisforderungen von über einem Jahr, die gemäß § 12 Abs. 3 BewG abzuzinsen sind, ist die Forderung auf den in 2004 zusätzlich zu leistenden Einmalbetrag nicht in 2000 entstanden und hinsichtlich der Fälligkeit hinausgeschoben. Vielmehr ist sie erst bei Eintritt der aufschiebenden Bedingung in 2004 entstanden.
3. Es liegt keine verfassungsrechtlich problematische Ungleichbehandlung darin, dass die in 2004 unter Geltung des Halbeinkünfteverfahrens entstandene Forderung in 2000 – und damit vor Geltung des Halbeinkünfteverfahrens – der Besteuerung zu unterwerfen ist.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In der Streitsache
hat der 10. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Richters am Finanzgericht … als Vorsitzender, der Richterin am Finanzgericht … und der Richterin … am Finanzgericht … sowie der ehrenamtlichen Richter … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. März 2011
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Streitig ist, ob eine im Jahr 2004 erfolgte Zahlung für einen im Jahr 2000 veräußerten GmbHTeilanteil ein rückwirkendes Ereignis ist und damit im Jahr der Veräußerung zu versteuern ist.
Der Kläger ist Anteilseigner an der Firma A GmbH mit Sitz in B. Mit notariellem Vertrag vom 23. Februar 2000, auf den hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird, verkaufte der Kläger von seinem Geschäftsanteil am Stammkapital von 25.000 DM einen Teilgeschäftsanteil von 13.000 DM an die M GmbH. Der Kaufpreis betrug gemäß § 2 des Vertrages 1.950.000 DM. In § 3 des Vertrages (dort unter 3.2.) wurde eine Zielvereinbarung getroffen und vereinbart, dass die Verkäufer (der Kläger und ein weiterer Verkäufer) „im Wege eines Besserungsscheines einen zusätzlichen Einmalbetrag in Höhe von insgesamt DM 3.750.000” erhalten, „wenn die Zielvereinbarung gemäß dem 5-Jahres-Plan vollständig erfüllt wird”.
Mit Bescheid vom 30. April 2002 setzte das beklagte Finanzamt (FA) die Einkommensteuer 2000 auf 415.095,38 EUR fest. Dabei legte es der Besteuerung erklärungsgemäß einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 1.907.159 DM zu Grunde. Der Bescheid erging vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S.d. § 17 Einkommensteuergesetz (EStG), da die Höhe des tatsächlichen Veräußerungserlöses aufgrund der Vertragsvereinbarung noch nicht zu ermitteln sei.
Der dagegen – aus hier nicht entscheidungserheblichen Gründen – gerichtete Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 22. November 2002 als unbegründet zurückgewiesen; die Steuerfestsetzung blieb im vorgenannten Umfang vorläufig. Dagegen erhob der Kläger Klage. Mit Gerichtsbescheid vom 5. Juli 2004 wurde die Einkommensteuer 2000 auf 331.526,77 EUR herabgesetzt. Mit Abrechnungsbescheid vom 1. Oktober 2004 setzte das FA den Gerichtsbescheid um.
Mit Vereinbarung vom 15. bzw. 22. März 2004, auf die hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird, wurde § 3.2. des Kauf- und Übertragungsvertrages vom 23. Februar 2000 aufgehoben und neu gefasst. Danach sollten „die Verkäufer … im Wege eines Besserungsscheins von der Käuferin einen Einmalbetrag in Höhe von insgesamt 1.342.141,18 EUR [erhalten], wenn im Zeitraum von 2000 bis 2003 … mindestens 90 % des kumulierten Überschusses gesamt in Höhe von 1.463.317,36 EUR (nachfolgend Zielvereinbarung genannt) erreicht werden”. Die Parteien stellten daraufhin fest, dass der erforderliche Überschuss bereits überschritten sei und der Anspruch fällig sei. Der Anteil des Klägers betrug 671.070,59 EUR.
Mit nach § 165 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung (AO) sowie nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändertem Bescheid vom 28. März 2006 setzte das FA die Einkommensteuer 2000 auf 675.380,78 EUR fest. Dabei erhöhte es u.a. den bisher erklärten Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG in Höhe von 1.907.159 DM um 1.312.500 DM (= 671.070,59 EUR), weil aufgrund des geänderten Kauf- und Übertragungsvertrages (dort § 3.2) der ursprüngliche Veräußerungspreis im Wege eines Besserungsscheines erhöht worden sei. Das FA ging weiter davon aus, dass insoweit ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung vorliege.
Mit Schriftsatz vom 10. April 2006 bat der Vertreter des Klägers das FA um Zustimmung zur Sprungklage, die das FA am 24. April 2006 in Aussicht stellte. Die Klage vom 28. April 2006 unter dem Az. 10 K 1863/06 wurde nach Hinweis des Gerichts vom 3. Juli 2009 als Einspruch behandelt, der mit Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 2009 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Zur Begründung der dagegen gerichteten Klage trägt der Kläger im Wesentlichen Folgendes vor: Das FA leite seine Rechtsauffassung insbesondere aus den Urteilen des FG München vom 9. Dezember 1993 und 5. Juni 1996 ab. Die Rechtsauffassung des FG München sei vom Bundesfinanzhof (BFH) – ohne darüber explizit entschieden zu haben – in der Urteilbegründung gebilligt worden. Dabei habe der BFH jedoch übersehen, dass die ursprünglichen Beschlüsse des Großen Senats (vom 19. Juli 1993) nur im Blickfeld gehabt hätten, dass rückwirkend solche Vorgänge zu berücksichtigen seien, die entweder eine Störung des ursprünglich vereinbarten Kaufpreises beinhalteten oder Kaufpreiserhöhungen beträfen, die im ursprünglichen Vertrag angelegt seien, aber sich noch nicht konkretisiert hätten. Nicht entschieden sei hingegen, wie Besserungsscheine zu behandeln seien.
Besserungsscheine seien eigenständige Vereinbarungen, die erst rechtswirksam würden, wenn bestimmte Voraussetzungen und Bedingungen erfüllt seien. Damit werde im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung nichts geschuldet. Das Rechtsgeschäft werde so in ein zweiteiliges Rechtsgeschäft gespalten, dessen erster Teil sofort wirksam, dessen zweiter Teil aber erst zu einem späteren Zeitpunkt verwirklicht werde. Im vorliegenden Fall sei die ursprüngliche Vereinbarung sogar im Jahr 2004 aufgehoben und eine inhaltlich andere Vereinbarung getroffen worden. Damit sei eine Rückwirkung in jedem Fall nicht möglich. Hinzu komme, dass die zu erfüllenden Bedingungen nicht den ursprünglichen Verkauf tangierten, sondern nur in der Zukunft erfüllt würden.
Die Bilanzierung von Besserungsscheinen sei unstreitig. So würden in Krisenzeiten Verbindlichkeiten ausgebucht und dann, wenn die Voraussetzungen des Besserungsscheines gegeben seien, wieder eingebucht. Was im Fall der Krise gelte, könne in Fällen, in denen aus anderen Gründen Besserungsscheine vereinbart würden, nicht anders beurteilt werden.
Der BFH habe in ständiger Rechtsprechung aufschiebend bedingte Zahlungsverpflichtungen stets so behandelt, dass sie erst bei Eintritt der Bedingung berücksichtigt würden. Diese Rechtsprechung sei auch nach den Beschlüssen des Großen Senats zur rückwirkenden Kaufpreisänderung fortgesetzt worden (BFH vom 22. August 2007, BStBl II 2008, 109). Wenn aber bereits Zahlungsverpflichtungen, die aufschiebend bedingt von künftigen Ereignissen abhängig seien, nicht passiviert werden dürften, könnten nach dem Imparitätsprinzip Ansprüche, die aus völlig ungewissen Ereignissen in der Zukunft resultierten, erst recht nicht zu Grunde gelegt werden.
Der Sachverhalt sei in den vom FA zitierten Entscheidungen des FG München anders gelagert. Damit handle es sich im Streitfall klassischerweise um nachträgliche Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit gemäß § 24 Ziff. 2 i.V.m. § 17 EStG.
Zudem sei – bei einer Übertragung der Rechtsprechung des BFH in seinem Urteil vom 25. August 2009 (Az. IX R 41/08) auf den vorliegenden Fall – das Forderungsrecht aus dem Besserungsschein auf den Veräußerungsstichtag mit Null zu bewerten, weil die Zielvorgaben des Käufers so hoch gewesen seien, dass sie aus der Sicht des Jahres 2000 nicht zu erreichen gewesen seien. Dies ergebe ein Mehrjahresvergleich für die Jahre 1997 bis 2000. Selbst unter Zugrundelegung einer logisch objektivierten Betrachtungsweise könnte die Eintrittswahrscheinlichkeit maximal mit 50:50 angegeben werden, so dass das Recht im Zeitpunkt der Veräußerung lediglich 50 % des maximalen Werts haben könnte. Dieser Wert wäre zusätzlich vom frühest möglichen vertraglichen Realisierungszeitpunkt auf den Stichtag abzuzinsen.
Selbst wenn man unterstelle, dass der Wert des Rechts gesamt anzusetzen wäre, müsste im Übrigen abgezinst werden.
Des Weiteren sei die Erfassung des Veräußerungsgewinns im Jahre 2000 verfassungswidrig. Denn der Gewinn sei überwiegend in einer Zeit entstanden, zu der das Halbeinkünfteverfahren bereits gegolten habe. Diesen Gewinn nach dem Einkommensteuerrecht zu besteuern, das vor Geltung des Halbeinkünfteverfahrens gültig gewesen sei, verstoße gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Klägers wird auf die Schriftsätze vom 7. September 2009 und vom 17. März 2011 samt Anlagen verwiesen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 28. März 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 2009 dahingehend zu ändern, dass ein Veräußerungsgewinn gemäß § 17 EStG in Höhe von 1.907.159 DM der Besteuerung zu Grunde zu legen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen ist,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verweist zur Klageerwiderung im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung sowie die Stellungnahmen vom 10. August, 19. Oktober und 15. Dezember 2006 sowie vom 22. Januar und 21. März 2007 im Klageverfahren mit dem Az. 10 K 1863/06 und trägt ergänzend im Wesentlichen Folgendes vor: Im Streitfall komme es entscheidend darauf an, dass die Erhöhung des Entgelts für den Verkauf von Anteilen an der Firma A GmbH im Rahmen des § 17 EStG zu beurteilen sei. Diese Vorschrift gelte ausschließlich für bestimmte Vorgänge, die Anteile an einer Kapitalgesellschaft beträfen, die der Beteiligte im privaten Vermögen halte. Nachdem § 17 Abs. 2 EStG eine Gewinnermittlungsvorschrift eigener Art enthalte, sei das Stichtagsprinzip zu beachten. Dies gelte auch bei einem sog. Besserungsschein. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des FA wird auf den Schriftsatz vom 7. Oktober 2009 verwiesen.
Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird Bezug genommen.
II.
Die Klage ist unbegründet.
Das FA hat zu Recht die Einnahmen des Klägers aus Gewerbebetrieb aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft gemäß § 17 Abs. 1 EStG in Höhe von weiteren 1.312.500 DM bei der Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer für das Streitjahr 2000 erfasst.
1. Nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde die Festsetzung aufheben oder ändern, soweit sie eine Steuer – wie im Streitfall im Bescheid vom 30. April 2002 – vorläufig festgesetzt hat. Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis; vgl. zur Anwendbarkeit beider Korrekturvorschriften z.B. BFH-Beschluss vom 8. April 2008 IX B 134/07, BFH/NV 2008, 1297).
Ob ein (auch die Ungewissheit beseitigendes) Ereignis steuerrechtlich zurückwirkt, ist in erster Linie ein Problem des materiellen Rechts, hier also der Bestimmung des § 17 EStG (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 19. August 2003 VIII R 67/02, BFHE 203, 309, BStBl II 2004, 107, m.w.N.; Tipke/Kruse, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung, § 175 AO Tz. 22, m.w.N.).
Im Streitfall wirkt die in 2004 von M. an den Kläger geleistete Zahlung auf das Streitjahr zurück.
2. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 und 4 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer (wie im Streitfall) innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich, d.h. zu mindestens 10 vom Hundert unmittelbar oder mittelbar beteiligt war.
a) Der Gewinn entsteht grundsätzlich im Zeitpunkt der Veräußerung, mithin wenn das wirtschaftliche Eigentum an den veräußerten Anteilen auf den Erwerber übergeht (Weber-Grellet in Schmidt Einkommensteuergesetz Kommentar § 17 Rz. 131 m.w.N.).
Nachträgliche Änderungen des Kaufpreises für eine wesentliche Beteiligung wirken auf den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung zurück (BFH-Urteil vom 21. Dezember 1993 VIII R 69/88, BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648 und – zum Veräußerungsgewinn i.S. von § 16 EStG – BFH-Beschluss vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897). Das gilt für die nachträgliche Uneinbringlichkeit (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BStBl II 1993, 897) oder die nachträgliche Minderung eines Kaufpreises (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 23. Juni 1988 IV R 84/86, BFHE 154, 85, BStBl II 1989, 41) ebenso wie für die Stornierung des Kaufpreises nach Aufhebung des Kaufvertrags (BFH-Urteil vom 21. Dezember 1993 VIII R 69/88, BStBl II 1994, 648).
Die in diesen Entscheidungen für die Rückwirkung einer nachträglichen Herabsetzung des Kaufpreises angeführten Gründe sprechen auch für die Rückwirkung einer nachträglichen Erhöhung des Kaufpreises. Das ist für den Fall angenommen worden, dass die Vertragsparteien im Zeitpunkt der (Betriebs-)Übertragung noch keine abschließende Einigung über die Höhe des Kaufpreises erzielt haben (BFH-Urteile vom 26. Juli 1984 IV R 10/83, BFHE 141, 488, BStBl II 1984, 786, und vom 17. Januar 1989 VIII R 370/83, BFHE 156, 103, BStBl II 1989, 563 unter 3.c der Gründe m.w.N.). Dem ist der Fall gleichzustellen, dass die endgültige Höhe des Kaufpreises (teilweise) von der künftigen Gewinnentwicklung des Unternehmens abhängen soll (BFH-Beschluss vom 27. September 1994 VIII B 21/94, BFHE 175, 516, DB 1995, 79 m.w.N., BFH-Urteil vom 14. Juni 2005 VIII R 14/04, BStBl II 2006, 15).
b) Auch im Streitfall handelt es sich bei der streitigen Zahlung um eine von der künftigen Gewinnentwicklung abhängige zusätzliche Kaufpreiszahlung.
Diese war im Vertrag vom 23. Februar 2000 unter § 3.2 über den Kauf und die Übertragung von Teil-Geschäftsanteilen – in Gestalt einer aufschiebenden Bedingung – vereinbart worden und unter Änderung dieser Regelung mit Vertrag vom März 2004 im Wesentlichen – unter Vornahme eines Abschlags – zeitlich vorgezogen worden. Sie erfolgte als nachträgliche Gegenleistung für die Anteilsübertragung und sollte wirtschaftlich die im nach hinein erwiesene höhere Werthaltigkeit der Anteile abgelten (zu vergleichbaren Sachverhalten s. auch Urteil des FG München vom 5. Juni 1996 1 K 2516/95, EFG 1996, 906, insoweit bestätigt durch BFH-Urteil vom 27. Januar 1998 VIII R 47/96, BStBl II 1998, 498; und Beschluss des FG München vom 9. Dezember 1993 1 V 859/93, EFG 1994, 383, bestätigt durch BFH-Beschluss vom 27. September 1994 VIII B 21/94, DB 1995, 79).
Damit besteht auch ein erkennbarer sachlicher Zusammenhang zwischen der Übertragung der Anteile auf den Erwerber und den in 2004 geleisteten Zahlungen. Ein solcher Zusammenhang liegt bei einem abgeschlossenen Rechtsgeschäft vor, wenn der Rechtsgrund für die später geleisteten Zahlungen bereits in diesem Rechtsgeschäft – wie hier im Vertrag über die Teil-Anteilsübertragung – selbst angelegt ist (BFH-Urteil vom 14. Juni 2005 VIII R 14/04, BStBl II 2006, 15; zu dieser Abgrenzung zum „neuen Geschäft” BFH-Urteil vom 19. August 2003 VIII R 67/02, BStBl II 2004, 107, unter 3. der Gründe).
Nicht entscheidend ist, dass die Formulierung des Vertrags und der Vertragsänderung den Begriff „Besserungsschein” verwenden und hierzu noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung erging. Denn bei wirtschaftlicher Betrachtung liegt dennoch hinsichtlich der Zahlungen in 2004 eine nachträgliche Kaufpreiserhöhung vor, die sich auf den Veräußerungsgewinn 2000 auswirkt.
Auch Bilanzierungsgrundsätze – auch solche für Besserungsscheine (vgl. BMF-Schreiben vom 2. Dezember 2003, BStBl I 2003, 648) – können nicht zu einer abweichenden Würdigung führen. Denn § 17 Abs. 2 EStG stellt eine Gewinnermittlung eigener Art dar (ständige Rechtsprechung, zuletzt BFH-Beschluss vom 1. April 2008 IX B 257/07, BFH/NV 2008, 1331).
3. Das FA hat den im Streitjahr zusätzlich der Besteuerung zu Grunde zu legenden weiteren Veräußerungsgewinn zu Recht in Höhe von 1.312.500 DM (= 671.070,59 EUR) angesetzt.
a) Veräußerungsgewinn ist gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt.
Veräußerungspreis i.S. von § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG ist der Wert der Gegenleistung, die der Veräußerer durch Abschluss des dinglichen Veräußerungsgeschäfts erlangt. Dazu gehört alles, was der Veräußerer aus dem Veräußerungsgeschäft als Gegenleistung erhält. Der Veräußerungspreis ist grundsätzlich ohne Rücksicht darauf anzusetzen, ob die Veräußerung bedingt oder befristet ist oder ob der Kaufpreis gestundet ist (BFH-Urteil vom 2. April 2008 IX R 73/04, BFH/NV 2008, 1658, m.w.N.).
b) Im Streitfall war der Veräußerungspreis als bestimmbarer Betrag in Euro vereinbart, nämlich für den Kläger 671.070,59 EUR. Dieser ist anzusetzen.
aa) Eine Abzinsung ist hierbei nicht vorzunehmen. Denn Kapitalforderungen sind mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 Bewertungsgesetz – BewG –). Solche besonderen Umstände liegen im Streitfall nicht vor.
Insbesondere enthält die Forderung keinen Zinsanteil. Denn anders als z.B. bei der Stundung von Kaufpreisforderungen von über einem Jahr, die gemäß § 12 Abs. 3 BewG abzuzinsen sind, ist die Forderung auf den in 2004 zusätzlich zu leistenden Einmalbetrag nicht in 2000 entstanden und hinsichtlich der Fälligkeit hinausgeschoben. Vielmehr ist sie erst bei Eintritt der aufschiebenden Bedingung in 2004 entstanden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 21. Oktober 1980 VIII R 190/78, BStBl II 1981, 160, und vom 2. April 2008 IX R 73/04, BFH/NV 2008, 1658).
bb) Eine Bewertung nach Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten – in Gestalt eines zu schätzenden Abschlages vom Nennwert – hat ebenfalls nicht zu erfolgen. Denn es handelt sich im Streitfall nicht um eine in 2000 entstandene Forderung, deren Einbringlichkeit ungewiss ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 27. April 1993 VIII R 27/92, BStBl II 1994, 3 m.w.N.), sondern – wie dargestellt – um eine in 2004 entstandene Forderung, die bei Eintritt der Entstehensvoraussetzungen auf den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung zurückwirkt, bei Nichteintritt der Entstehensvoraussetzungen jedoch gar nicht anzusetzen ist.
4. Das Gericht teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers nicht.
a) Nach dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz – GG –) muss der Gesetzgeber wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich behandeln. Dies gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Für die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen kommt es wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird hier, insbesondere im Bereich des Einkommensteuerrechts, vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen angemessen sein muss. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. zum Vorstehenden die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG –, z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 6. Juli 2010 2 BvL 13/09, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2010, 1563, BFH/NV 2010, 1767, Rz 35 und 36, und vom 21. Juli 2010 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, DStR 2010, 1721, BFH/NV 2010, 1985, Rz 78 und 79, jeweils m.w.N.).
b) Nach diesen Maßstäben liegt keine verfassungsrechtlich problematische Ungleichbehandlung darin, dass die in 2004 unter Geltung des Halbeinkünfteverfahrens entstandene Forderung in 2000 – und damit vor Geltung des Halbeinkünfteverfahrens – der Besteuerung zu unterwerfen ist.
Die Besonderheiten der Gewinnermittlung gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG gegenüber anderen Gewinnermittlungsformen, insbesondere gegenüber § 11 EStG, sind durch die Eigenart des § 17 EStG sachlich gerechtfertigt und damit verfassungsgemäß (BVerfG 1 BvR 1337/84 vom 13. November 1984, Information StW 85, 215). Denn bei der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft handelt sich um einen Steuertatbestand, der an ein einmaliges, punktuelles Ereignis anknüpft, der mit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums auf den Erwerber verwirklicht ist, so dass in diesem Zeitpunkt der Veräußerungsgewinn entsteht, und zwar unabhängig davon, ob der vereinbarte Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann der Verkaufserlös dem Veräußerer tatsächlich zufließt (vgl. hierzu – bezogen auf § 16 EStG – auch BFH-Beschluss vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BStBl II 1993, 897).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.