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  • 22.09.2011

    Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 21.06.2011 – 3 K 12/11

    1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Einspruchsfrist ist zu gewähren, wenn ein leicht als Rechtsbehelfsschreiben zu erkennendes Schriftstück bei einem unzuständigen Finanzamt eingeht, der Mitarbeiter des Finanzamts dieses Schreiben ohne weiteres als Irrläufer erkennen kann und es gleichwohl zu den Akten nimmt und auch sonst nichts weiter veranlasst, vorausgesetzt, dass die fristgerechte Weiterleitung an die zuständige Behörde im ordentlichen Geschäftsgang hätte erwartet werden können.

    2. Wählen die Parteien eines Grundstückskaufvertrages aufgrund einer entsprechenden Beratung durch den Notar bewusst und ausdrücklich den Weg der Aufhebung des bisherigen Kaufvertrages und den Abschluss eines neuen Vertrages mit einem anderen Vertragspartner, ist diese Vereinbarung regelmäßig nicht als Vertragsübernahme auszulegen.

    3. Ein mit einem Nichteigentümer geschlossener Grundstückskaufvertrag ist auch dann rückgängig gemacht i. S. des § 16 Abs. 1 GrEStG, wenn er später wieder aufgehoben wird und der Erwerber gleichzeitig, d.h. in aufeinanderfolgenden Urkunden, einen neuen Kaufvertrag mit dem Eigentümer abschließt.


    Tatbestand

    Die Klägerin schloss mit einer Nichteigentümerin einen Kaufvertrag über ein Grundstück, der später wieder aufgehoben wurde. Gleichzeitig mit dieser Aufhebung erwarb die Klägerin das Grundstück von der Eigentümerin. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte verpflichtet ist, den Grunderwerbsteuerbescheid für den ersten Kauf nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) aufzuheben. Mit ihren Hilfsanträgen ficht die Klägerin den Grunderwerbsteuerbescheid für den zweiten Kauf an und begehrt den Erlass der Grunderwerbsteuer für den ersten bzw. den zweiten Kauf aus Gründen der sachlichen Billigkeit.

    I.

    1. Die aus den Herren A und B bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im Folgenden: GbR) war Eigentümerin eines Grundstückes in C, X-Straße ... Das ca. ... qm große, zunächst ein einheitliches Flurstück bildende Grundstück war mit einem ca. im Jahr ... errichteten Mehrfamilienhaus bebaut.

    Die Klägerin und Herr D (im Folgenden: Herr D) wollten das Grundstück derart gemeinsam erwerben, dass die Klägerin den bebauten Grundstücksteil erhalten sollte und die von Herrn D noch zu gründende E Verwaltungsgesellschaft mbH (im Folgenden: E GmbH) den unbebauten. Die GbR war jedoch nur bereit, an einen Erwerber zu veräußern. Die Parteien kamen überein, dass Frau D, die Ehefrau des Herrn D (im Folgenden: Frau D), das Grundstück insgesamt erwerben und die nicht vermessenen Teilflächen anschließend an die Klägerin und die noch zu gründende E GmbH weiterveräußern solle. Den Gesamtpreis in Höhe von Euro ... sollte die Klägerin in Höhe von Euro ... tragen und die E GmbH in Höhe von Euro ....

    2. Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom ... 2008 (UR-Nr. ..., Anlage K 2, Finanzgerichtsakten -FGA- Anlagenband) erwarb Frau D das Grundstück von der GbR zum Preis von Euro ..., zahlbar binnen sechs Wochen nach Vertragsschluss auf ein Notaranderkonto (im Folgenden: Notaranderkonto des Ankaufs). Die Eintragung einer Auflassungsvormerkung wurde bewilligt und beantragt.

    3. Mit Vertrag vom selben Tag (UR-Nr. ..., Grunderwerbsteuerakten „D” -GrEStA A- Bl. 3 ff.) veräußerte Frau D eine noch nicht vermessene Teilfläche dieses Grundstücks von ca. ... qm, auf der sich das Gebäude befand, an die Klägerin zum Preis von Euro ... zuzüglich zu erstattender Grunderwerbsteuer aus dem Ankauf des Grundstücks in Höhe von Euro ... Die zugunsten der Verkäuferin Frau D aus dem vorangegangenen Vertrag noch einzutragende Auflassungsvormerkung wurde an die Klägerin abgetreten. Der Kaufpreis sollte sechs Wochen nach Beurkundung auf ein Notaranderkonto (im Folgenden: Notaranderkonto des Verkaufs) überwiesen und durch den Notar auf das Notaranderkonto des Ankaufs weitergeleitet werden, sobald die Eintragung der Abtretung der Auflassungsvormerkung und die Eigentumsumschreibung im Grundbuch gesichert wären.

    II.

    1. Die von Herrn D mittlerweile gegründete E GmbH zahlte den auf sie entfallenden Kaufpreisanteil von Euro ... für Frau D fristgemäß auf das vereinbarte Notaranderkonto des Ankaufs ein. Dagegen konnte die Klägerin die vereinbarte Summe erst am 12.09.2008 auf dem Notaranderkonto des Verkaufs hinterlegen. Da das Grundstück inzwischen in zwei neu eingetragene Flurstücke aufgeteilt worden war, war die GbR nunmehr bereit, die Flurstücke separat an zwei Parteien zu veräußern. Die GbR, die E GmbH, Frau D und die Klägerin kamen daher überein, die geschlossenen Kaufverträge aufzuheben und stattdessen neue Verträge unmittelbar zwischen der GbR und der Klägerin bzw. der E GmbH abzuschließen. Hierzu fand am ... 2008 ein gemeinsamer Notartermin statt, in dem folgende Verträge geschlossen wurden:

    2. Die GbR und Frau D schlossen einen Vertrag (UR-Nr. ...; FGA 3 K 24/10 Anlagenband), in dem die Aufhebung des ersten Kaufvertrages vom ... 2008 (UR-Nr. ...) vereinbart wurde. In der Vorbemerkung zu diesem Vertrag heißt es:

    „Wir nehmen Bezug auf den am ... 2008 UR. Nr. ... geschlossenen Kaufvertrag. Ein Teilbetrag von Euro ... ist am 19.06.2008 auf dem in dem Kaufvertrag genannten Anderkonto (...) hinterlegt worden. Die Restfinanzierung sollte durch den Weiterverkauf von der Käuferin an die Firma F GmbH (UR. Nr. ...) in Höhe von Euro ... finanziert werden. Dieser Kaufpreis ist am 12.09.2008 auf dem Notaranderkonto (...) hinterlegt worden.

    Auf Wunsch der Käuferin und Drittkäuferin (F) sind die Verkäufer damit einverstanden, dass der oben genannte Kaufvertrag mit Frau D aufgehoben und stattdessen von den Verkäufern die neugebildeten Flurstücke ... und ... direkt an die Firma E Verwaltungsgesellschaft mbH (anstelle von Frau D) und die Firma F GmbH verkauft werden.

    Voraussetzung und damit aufschiebende Bedingung für die Aufhebung des Kaufvertrages vom ... 2008 UR. Nr. ... mit Frau D ist, dass der auf den beiden Anderkonten hinterlegte Betrag in Höhe von Euro ... zuzügl. Anderkontozinsen bis spätestens 26.09.2008 an die Verkäufer ausgekehrt werden kann. Sollte diese Bedingung nicht eintreten, ist der nachstehende Aufhebungsvertrag gegenstandslos und der Kaufvertrag vom ... 2008 UR. Nr. ... durchzuführen.”

    Auf den weiteren Vertragsinhalt wird Bezug genommen.

    3. Im selben Notartermin (UR-Nr. ...) wurde der Kaufvertrag zwischen Frau D und der Klägerin ebenfalls aufgehoben (GrEStA A Bl. 39 ff.). Der Vertrag enthielt folgende Vorbemerkung:

    „Der nachstehende Aufhebungsvertrag steht unter der aufschiebenden Bedingung, dass der heute in Anwesenheit beider Parteien beurkundete Aufhebungsvertrag (UR. Nr. ...) des Ankaufsvertrages vom ... 2008 UR. Nr. ... durch Eintritt der aufschiebenden Bedingung wirksam wird.”

    Die Parteien bewilligten und beantragten die Löschung der eingetragenen Auflassungsvormerkung bzw. Abtretung der Ansprüche aus der eingetragenen Auflassungsvormerkung, verzichteten auf die Geltendmachung gegeneinander gerichteter Ansprüche und erteilten sich Generalquittung. Die Klägerin beantragte in dem Vertrag zudem die „Nichterhebung” der Grunderwerbsteuer gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.

    4. Im unmittelbaren Anschluss verkaufte die GbR den unbebauten Teil des Grundstücks X-Straße ..., das inzwischen vermessene, ... qm große, unbebaute Flurstück ..., zum Preis von Euro ... an die E GmbH (UR-Nr. ..., Anlage K 3, FGA 3 K 24/10 Anlagenband).

    5. Wiederum im unmittelbaren Anschluss - mit der dazwischen liegenden UR-Nr. ... wurde eine Grundschuldbestellung vereinbart, die denselben Komplex betraf - verkaufte die GbR das andere neu gebildete, ... qm große und mit dem Mehrfamilienhaus bebaute Flurstück ... zum Preis von Euro ... an die Klägerin (UR-NR. ..., GrEStA Klägerin -Kl- Bl. 3 ff.). Der Vertrag enthielt in Ziff. I folgende Bedingung:

    „Der nachstehende Kaufvertrag wird nur wirksam, wenn der am heutigen Tage in Anwesenheit beider Parteien beurkundete Aufhebungsvertrag (UR. Nr. ...) durch Eintritt der aufschiebenden Bedingung wirksam wird.”

    6. Die in den oben (unter 4. und 5.) genannten Verträgen vereinbarten Bedingungen für die Auszahlungsreife lagen jeweils vor dem 26.09.2008 vor, so dass der Notar die Kaufpreise an die GbR auszahlen konnte und somit die in den Aufhebungsverträgen (oben 2. und 3.) enthaltenen aufschiebenden Bedingungen eintraten.

    III.

    1. Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 13.06.2008 (GrEStA A Bl. 17 f.) für den ersten Grundstückserwerb durch die Klägerin (s. oben unter I.3.) unter Zugrundelegung einer Gegenleistung von Euro ... eine Grunderwerbsteuer von Euro ... fest.

    2. Für den zweiten Grundstückserwerb der Klägerin mit Vertrag vom ... 2008 (UR-Nr. ...; s. oben unter II.5.) setzte der Beklagte mit an den beurkundenden Notar gerichtetem Bescheid vom 09.10.2008 (GrEStA Kl Bl. 22 f.) Grunderwerbsteuer in Höhe von Euro ... fest.

    3. Mit Schreiben vom 23.09.2008 leitete der Notar G den zwischen Frau D und der Klägerin geschlossenen Aufhebungsvertrag (UR-Nr. ...) an den Beklagten weiter.

    Der Beklagte lehnte die Aufhebung des ersten Grunderwerbsteuerbescheides vom 13.06.2008 gegenüber der Klägerin durch Bescheid vom 16.10.2008 (GrEStA A Bl. 51 f.) ab. Der Vertrag sei lediglich der Form nach aufgehoben worden, ohne dass die Veräußerin ihre vollständige rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht wieder erhalten hätte. Vielmehr habe die Klägerin ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen weiter verwirklichen können. Der Bescheid war an den Notar adressiert. Der Notar leitete den Bescheid an die Klägerin weiter, bei der er am 18.10.2008 einging.

    IV.

    1. a. Die Klägerin wies mit einem an den Beklagten adressiertes, am 03.11.2008 aber an die Telefaxnummer der Steuerkasse C gesandtes Schreiben vom selben Tag (GrEStA A Bl. 72) auf die Vertragsaufhebung hin und lehnte die Zahlung der Grunderwerbsteuer ab. Sie bat darum, das Schreiben als Widerspruch gegen die Grunderwerbsteuerfestsetzung zu werten. In dem Schreiben war das Aktenzeichen der (ersten) Grunderwerbsteuerfestsetzung vom 13.06.2008 genannt. Die Steuerkasse leitete dieses Schreiben nicht an den Beklagten weiter.

    b. Am selben Tag sandte die Klägerin ein weiteres Telefax an die Steuerkasse. Bei diesem Telefax handelte es sich um ein Mahnschreiben der Steuerkasse bzgl. der mit Bescheid vom 13.06.2008 festgesetzten Grunderwerbsteuer, auf dem die Klägerin schriftlich angemerkt hatte, der Kaufvertrag sei am ... 2008 aufgehoben worden und die Zahlung der Grunderwerbsteuer komme daher nicht in Frage. Dieses Schreiben leitete die Steuerkasse am 04.11.2008 an den Beklagten weiter (GrEStA A Bl. 57).

    2. Die Klägerin reichte am 19.01.2009 ein auf den 18.01.2009 datiertes Schreiben beim Beklagten ein (GrEStA A Bl. 71), in dem sie sich gegen die doppelte Festsetzung von Grunderwerbsteuer wandte und darauf hinwies, dem beurkundenden Notar keine Empfangsvollmacht erteilt zu haben. Sie, die Klägerin, sei davon ausgegangen, dass der Steuerberater Herr H bzgl. der beiden Verträge Einspruch eingelegt habe; anderenfalls werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Sie selbst habe der Grunderwerbsteuerzahlung auch mehrfach widersprochen. Dem Schreiben waren diverse Anlagen beigefügt, u. a. die Schreiben vom 03.11.2008 (oben 1.).

    Der Beklagte legte das Schreiben vom 18.01.2009 als Einspruch gegen die Ablehnung des Antrages auf Aufhebung der Steuerfestsetzung und als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Dem letzteren Antrag gab er statt (Schreiben vom 04.02.2009, GrEStA A Bl. 86).

    3. Die Klägerin begründete den Einspruch nachfolgend damit, dass der zwischen ihr und Frau D geschlossene Kaufvertrag rechtlich und tatsächlich rückgängig gemacht worden sei, weil weder Frau D noch sie, die Klägerin, nachfolgend über irgendwelche Rechte an dem Grundstück verfügt hätten. Sie, die Klägerin, habe entgegen der einschlägigen BFH-Rechtsprechung keine Rechtsposition zurück behalten, die sie dann im eigenen wirtschaftlichen Interesse ausgeübt habe.

    4. Durch Einspruchsentscheidung vom 14.01.2010 (GrEStA A Bl. 132 ff.) wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Der Erwerbsvorgang sei in grunderwerbsteuerlicher Hinsicht nicht rückgängig gemacht worden. Schon vor der Vertragsaufhebung sei bestimmt worden, dass die Klägerin das Grundstück nunmehr von der GbR erwerben solle. Ferner sei der Kaufpreis nicht zurückerstattet worden. Schließlich seien Vertragsaufhebung und Neuerwerb zeitgleich vorgenommen worden, so dass sich eine isolierte Betrachtung verbiete.

    5. Für den von Frau D mit der GbR geschlossenen Kaufvertrag wurde ebenfalls Grunderwerbsteuer festgesetzt. Den Antrag von Frau D auf Aufhebung dieses Grunderwerbsteuerbescheides lehnte der Beklagte gleichfalls ab. Die nach erfolgloser Durchführung eines Einspruchsverfahrens hiergegen von Frau D eingereichte Klage wurde durch rechtskräftiges Urteil des Gerichts vom 18.05.2010 abgewiesen (Az. 3 K 24/10).

    V.

    1. Mit Schreiben vom 26.04.2010 (GrEStA A Bl. 170 ff.) beantragte die Klägerin den Erlass der mit dem ersten Bescheid vom 13.06.2008 (s. oben III.1.) festgesetzten Grunderwerbsteuer aus Billigkeitsgründen. Die Klägerin habe bei dem ersten Kauf durch Frau D bereits als Letzterwerberin festgestanden. Wegen des Scheiterns dieses Ersterwerbs habe die Klägerin keine andere Möglichkeit gehabt, als das Grundstück von der GbR direkt zu erwerben. Gegen Frau D hätte ihr, der Klägerin, ansonsten nur ein Schadensersatzanspruch zugestanden. Es sei unbillig, Grunderwerbsteuer für einen Übertragungsvorgang festzusetzen, der aus von der Klägerin nicht zu beeinflussenden Gründen fehlgeschlagen sei.

    2. Einen entsprechenden Erlassantrag stellte die Klägerin mit Schreiben vom 26.05.2010 (GrEStA Kl Bl. 31 ff.) bzgl. der mit Bescheid vom 09.10.2008 festgesetzten Grunderwerbsteuer für den zweiten Kauf (s. oben III.2.). Bei Ablehnung der Anträge bzgl. des ersten Bescheides vom 13.06.2008 sei ein Erlass jedenfalls in Höhe von Euro ... (gemeint ist offenbar Euro ..., s. oben III.1.) aus rechtsstaatlichen Gründen geboten. Die Finanzverwaltung sei nicht befugt, einen Erwerbsvorgang zweimal zu besteuern. Dies ergebe sich aus dem Rechtsgedanken des § 1 Abs. 6 GrEStG. Danach sei bis zur Verwirklichung des Grunderwerbs eine Gesamtbetrachtung aller Erwerbsvorgänge vorzunehmen.

    3. Der Beklagte lehnte die Erlassanträge mit Bescheiden vom 17.08.2010 (GrEStA A Bl. 175 und GrEStA Kl Bl. 35 f.) ab. Die Grunderwerbsteuer knüpfe an bürgerlich-rechtliche Vorgänge an ohne Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte. Da der erste Kaufvertrag nicht vollständig rückgängig gemacht worden sei, könne die Wirkung des § 16 GrEStG auch nicht im Erlasswege herbeigeführt werden. Bzgl. des zweiten Kaufvertrages komme eine analoge Anwendung des § 1 Abs. 6 GrEStG mangels Regelungslücke nicht in Betracht.

    4. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 15.09.2010 (GrEStA A Bl. 177 ff. und GrEStA Kl Bl. 39 ff.) Einspruch ein. Gerade wegen der Nichtanwendbarkeit des § 1 Abs. 6 GrEStG finde § 227 Abgabenordnung (AO) uneingeschränkt Anwendung. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle letztlich die Erlangung der wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeit bzgl. des Grundstücks besteuert werden, auch wenn an das Verpflichtungsgeschäft angeknüpft werde. Die Klägerin sei aufgrund des ersten Vertrages nur Inhaberin einer Option geworden, die sie nicht habe ausüben können, und habe die wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit erst und nur durch den zweiten Vertrag erhalten, zu dessen Abschluss sie gezwungen gewesen sei.

    5. Durch Einspruchsentscheidung vom 15.12.2010 (GrEStA A Bl. 185 ff.) verband der Beklagte die Einsprüche zu gemeinsamer Entscheidung und wies sie als unbegründet zurück. Gründe für einen Erlass wegen Unbilligkeit aus persönlichen Gründen seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Billigkeitsmaßnahmen wegen sachlicher Unbilligkeit setzten einen Überhang des gesetzlichen Tatbestands über die Wertungen des Gesetzgebers voraus. Sie dürften nicht dazu führen, die generelle Geltungsanordnung des Steuergesetzes zu unterlaufen. Für die Grunderwerbsbesteuerung sei allein der bürgerlich-rechtlich definierte Rechtsvorgang maßgeblich ohne Berücksichtigung des wirtschaftlichen Hintergrundes. Durch den Abschluss der beiden Kaufverträge sei jeweils der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht worden. Der eigens zur Vermeidung unbilliger Härten geschaffene Tatbestand des § 16 GrEStG sei im Streitfall bzgl. des ersten von der Klägerin abgeschlossenen Kaufvertrages nicht erfüllt. Dann könne aber nicht mit denselben Gründen ein Erlass nach § 227 AO gerechtfertigt werden. Hinsichtlich des zweiten Kaufvertrages der Klägerin sei § 1 Abs. 6 GrEStG nicht anwendbar, da beide Verträge dem Abs. 1 Nr. 1 der Vorschrift unterfielen. Eine die analoge Anwendung der Vorschrift rechtfertigende planwidrige Regelungslücke liege in Anbetracht der eindeutigen Gesetzeslage nicht vor. Jeder Erwerbsvorgang bilde einen in sich abgeschlossenen Steuerfall, für den die steuerliche Behandlung eines u. U. vorausgegangenen Rechtsvorgangs grundsätzlich ohne Bedeutung sei.

    VI.

    Die Klägerin hat am 16.02.2010 Verpflichtungsklage auf Aufhebung des ersten gegen sie gerichteten Grunderwerbsteuerbescheides vom 13.06.2008 erhoben. Das Klageverfahren hat im Hinblick auf das Verwaltungsverfahren bzgl. der Erlassanträge (oben V.) geruht (Beschluss des Senats vom 08.04.2010, FGA Bl. 26).

    Mit Schriftsatz vom 17.01.2011 (FGA Bl. 36 ff.) hat die Klägerin die Klage um zwei Hilfsanträge, gerichtet auf den Erlass der Grunderwerbsteuerforderungen, erweitert und im Erörterungstermin vom 17.05.2011 um einen weiteren, im Wege der Sprungklage gestellten Hilfsantrag gerichtet auf die Anfechtung der (zweiten) Grunderwerbsteuerfestsetzung vom 09.10.2008. Der Beklagte hat der Erhebung der Sprungklage zugestimmt.

    Die Klägerin trägt vor, es sei von Anfang an geplant gewesen, dass sie, die Klägerin, den bebauten Teil des Grundstücks erhalten solle. Deshalb sei dieser Grundstücksteil von Frau D noch am selben Tag an sie weiterveräußert worden. Sie, die Klägerin, habe dann aber Finanzierungsprobleme gehabt. Bei dem im September 2008 zwischen allen Beteiligten geführten Gespräch habe sie zugesichert, den Kaufpreis und zusätzlich einen kleinen Aufschlag nunmehr zu bezahlen. Da die Flurstücke in der Zwischenzeit vermessen und eingetragen worden seien, sei die GbR bereit gewesen, nun doch an zwei Käufer zu veräußern. Der beurkundende Notar habe zu der gewählten vertraglichen Gestaltung geraten.

    Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 13.06.2008 sei nach § 16 GrEStG aufzuheben. Der ursprüngliche Kaufvertrag sei in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unstreitig rückabgewickelt worden. Sie, die Klägerin, habe keine Rechtsposition mehr innegehabt, die sie im eigenen wirtschaftlichen Interesse habe verwerten können. Zu einer Weiterveräußerung sei es nicht gekommen.

    Jedenfalls die Hilfsanträge auf Erlass der Grunderwerbsteuer seien begründet. § 227 AO sei, entgegen der Auffassung des Beklagten, ein Abwehranspruch des Steuerbürgers gerade für den Fall, dass die spezialgesetzlichen Korrekturvorschriften nicht eingriffen. Das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und das Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ließen die Doppelbesteuerung im Streitfall als unbillig erscheinen.

    Das versehentlich an die Steuerkasse versandte Schreiben vom 03.11.2008 sei als Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid und auch als Einspruch gegen den zweiten Grunderwerbsteuerbescheid vom 09.10.2008 auszulegen. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Einspruchsfrist sei zu Recht erfolgt.

    Die Klägerin beantragt,

    1. den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 16.10.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.01.2010 zu verpflichten, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 13.06.2008 - betreffend den Erwerb des Grundstücks X-Straße ... in C durch Kaufvertrag vom ... 2008 - aufzuheben,

    hilfsweise,

    2. den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 17.08.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.12.2010 zu verpflichten, die mit Bescheid vom 09.10.2008 festgesetzte Grunderwerbsteuer - betreffend den Erwerb des Grundstücks X-Straße ... in C durch Kaufvertrag vom ... 2008 - in Höhe eines Teilbetrages von Euro ... zu erlassen,

    hilfsweise,

    3. den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 17.08.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.12.2010 zu verpflichten, die mit Bescheid vom 13.06.2008 festgesetzte Grunderwerbsteuer - betreffend den Erwerb des Grundstücks X-Straße ... in C durch Kaufvertrag vom ... 2008 - zu erlassen,

    hilfsweise,

    4. den Grunderwerbsteuerbescheid vom 09.10.2008 - betreffend den Erwerb des Grundstücks X-Straße in C durch Kaufvertrag vom ... 2008 - aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte trägt bzgl. des Hauptantrages vor, die Klage sei wegen Bestandskraft des angefochtenen Ablehnungsbescheides unbegründet. Er, der Beklagte, habe der Klägerin zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Einspruchsfrist gewährt. Dabei sei zu berücksichtigen, dass an die Geschäftsführung einer GmbH höhere Anforderungen zu stellen seien als an Privatpersonen. In der Sache sei die Klage ebenfalls unbegründet, denn bei hintereinander geschalteten Verträgen müsse der Tatbestand des § 16 GrEStG auf jeder Stufe erfüllt sein. Jedoch habe die GbR ihre ursprüngliche Stellung nicht wieder erlangt. Die Weiterveräußerung des Grundstücks sei vielmehr bereits vor der Vertragsaufhebung festgelegt gewesen. Ferner habe die Klägerin die Verfügungsmacht über das Grundstück behalten, da ebenfalls bereits vor der Aufhebung vereinbart worden sei, dass sie das Grundstück wieder erwerben solle.

    Zur Begründung des Abweisungsantrages bzgl. der Hilfsanträge zu 2. und 3. nimmt der Beklagte auf die Einspruchsentscheidung vom 15.12.2010 Bezug. Der Hilfsantrag zu 4. sei ebenfalls abzuweisen, weil der Grunderwerbsteuerbescheid vom 09.10.2008 bestandskräftig geworden sei. Ferner sei eine analoge Anwendung des § 1 Abs. 6 GrEStG nicht möglich.

    Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

    Das Gericht hat im Erörterungstermin am 17.05.2011 Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen I. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls (FGA Bl. 79 ff.) Bezug genommen. Ebenfalls Bezug genommen wird auf das Sitzungsprotokoll des Erörterungstermins vom 01.04.2010 (FGA Bl. 23 ff.).

    Das Gericht hat die Akten des Verfahrens 3 K 24/10 beigezogen. Ferner haben die Grunderwerbsteuerakten (St.-Nr. ... und ...) vorgelegen.

    Gründe

    Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

    Die Klage ist zulässig und begründet.

    Die Ablehnung der Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 13.06.2008 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 101 FGO).

    I.

    Die Klage ist nicht deshalb unbegründet, weil der Ablehnungsbescheid vom 16.10.2008 bestandskräftig geworden wäre. Auch wenn der Einspruch der Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid den Beklagten verspätet erreicht hat (1.-2.), hat der Beklagte ihr jedenfalls zu Recht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Einspruchsfrist gewährt (3.). Im Übrigen hat auch die Anmerkung der Klägerin auf dem Mahnschreiben den Eintritt der Bestandskraft verhindert (4.).

    1. Der Ablehnungsbescheid vom 16.10.2008 wurde der Klägerin wirksam am 19.11.2008 bekannt gegeben (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO). Dabei kann offen bleiben, ob der Notar, dem der Beklagte den Bescheid zusandte, durch die Klägerin zum Empfang bevollmächtigt worden war oder nicht. Denn ein etwaiger Bekanntgabemangel wäre geheilt worden.

    Nach § 8 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) gilt ein Dokument, das nicht oder in fehlerhafter Weise zugestellt wurde, als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Der dieser Vorschrift zugrunde liegende allgemeine Rechtsgedanke gilt auch für eine fehlerhafte Bekanntgabe mit einfacher Post (Senatsurteil vom 02.02.2010 3 K 225/09, EFG 2010, 927, m. w. N.).

    Der Notar leitete den Bescheid an die Klägerin weiter, die ihn, wie der Zeuge I in seiner Vernehmung bestätigt hat, am 18.10.2008 erhielt.

    2. Das an den Beklagten adressierte Schreiben der Klägerin vom 03.11.2008 (oben A. IV. 1. a.) ist als Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 16.10.2008 auszulegen.

    Außerprozessuale Verfahrenserklärungen sind entsprechend §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auszulegen. Entscheidend ist, wie das Finanzamt als Erklärungsempfänger den objektiven Erklärungswert des Schreibens verstehen musste. Dabei ist bei auslegungsfähigen Rechtsbehelfen grundsätzlich davon auszugehen, der Steuerpflichtige habe denjenigen Rechtsbehelf einlegen wollen, der seinem materiell-rechtlichen Begehren am ehesten zum Erfolg verhilft und damit seiner recht verstandenen Interessenlage entspricht (BFH-Urteile vom 24.06.2008 IX R 64/06, BFH/NV 2008, 1676, vom 31.10.2000 VIII R 47/98, BFH/NV 2001, 589). Die unrichtige Bezeichnung des Einspruchs allein schadet nach § 357 Abs. 1 Satz 4 AO nicht. Lässt deshalb die Äußerung eines Steuerpflichtigen ungewiss, ob er einen Rechtsbehelf einlegen will, so ist die Erklärung im Allgemeinen als Rechtsbehelf zu betrachten, um zugunsten des Steuerpflichtigen den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern (BFH-Beschluss vom 03.11.2010 II B 55/10, BFH/NV 2011, 295). Entsprechendes gilt für Erklärungen rechtskundiger Personen (BFH-Urteil vom 26.10.2004 IX R 23/04, BFH/NV 2005, 325).

    Die Klägerin hat sich in dem Schreiben vom 03.11.2008 zwar nicht ausdrücklich gegen den Ablehnungsbescheid vom 16.10.2008 gewandt. Aus dem Schreiben geht nicht einmal hervor, ob sie den Inhalt dieses Bescheides überhaupt zur Kenntnis genommen hat. Gegen letzteres spricht, dass der Zeuge I in seiner Vernehmung bekundet hat, er sei davon ausgegangen, der Beklagte habe den Aufhebungsvertrag nicht erhalten oder es handele sich um einen sonstigen Irrtum seitens des Beklagten.

    Doch unabhängig davon, ob die Klägerin den Ablehnungsbescheid überhaupt zur Kenntnis genommen und wie sie ihn ggf. verstanden hat, hat sie sich jedenfalls ausdrücklich gegen die Zahlungspflicht bzgl. der mit dem ersten Bescheid vom 13.06.2008 festgesetzten Grunderwerbsteuer gewandt, und zwar unter Hinweis auf die Vertragsaufhebung, und gebeten, das Schreiben als „Widerspruch gegen die o.g. Grunderwerbsteuer” zu werten und ihr die schriftliche Aufhebung der Grunderwerbsteuer zukommen zu lassen. Sie hat ihr Ziel, nämlich die Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung zu erreichen, damit hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Dieser Interessenlage der Klägerin entspricht es, das Schreiben als Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid zu verstehen und nicht, wie die seinerzeit noch nicht steuerlich vertretene Klägerin aufgrund eines verfahrensrechtlichen Irrtums meinte, als Einspruch gegen die Grunderwerbsteuerfestsetzung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass selbst Rechtskundigen häufig nicht geläufig ist, dass die Aufhebung einer Grunderwerbsteuerfestsetzung nach § 16 GrEStG ein eigenes Verwaltungsverfahren erfordert. Auch bei der Geschäftsführung einer GmbH können keine vertieften Kenntnisse des grunderwerbsteuerlichen Verfahrensrechts vorausgesetzt werden. Für die entsprechende Auslegung dieses Schreibens spricht schließlich auch, dass der Beklagte als Adressat der Erklärung das im Wesentlichen inhaltsgleiche Schreiben der Klägerin vom 18.01.2009 als Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid ausgelegt hat.

    Dieses Schreiben vom 03.11.2008 ging allerdings nicht innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist (§ 355 Abs. 1 Satz 1 AO) bei dem Beklagten ein, sondern erst am 19.01.2009, als der Zeuge I das Schreiben als Anlage zum Schreiben vom 18.01.2009 persönlich beim Beklagten abgab.

    3. Doch hat der Beklagte der Klägerin zu Recht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Einspruchsfrist gewährt.

    War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 110 Abs. 1 Satz 1 AO). Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen und die versäumte Handlung binnen derselben Frist nachzuholen (§ 110 Abs. 2 Sätze 1 und 3 AO). Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 110 Abs. 2 Satz 2 AO). Liegen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung vor, so hat der Betroffene hierauf einen Anspruch. Die Entscheidung ist keine Ermessensentscheidung. Die Gerichte können die Entscheidung der Finanzbehörde ohne Einschränkung nachprüfen, die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung gegebenenfalls bejahen und in der Sache entscheiden (Tipke in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 110 Rz. 99 ff.).

    a. Die Klägerin hat die Einspruchsfrist ohne Verschulden versäumt. Sie hat das Schreiben vom 03.11.2008 zutreffenderweise an den Beklagten adressiert, aber an die Telefaxnummer der Steuerkasse gesandt.

    Grundsätzlich trägt zwar der Steuerpflichtige das Risiko einer Verspätung, wenn er den Rechtsbehelf bei einer unzuständigen Behörde anbringt und diese ihn nicht rechtzeitig an die zuständige Behörde weiterleitet. Hat aber die unzuständige Behörde die Weiterleistung schuldhaft verzögert oder überhaupt unterlassen und ist dadurch die Frist versäumt worden, kommt eine Wiedereinsetzung in Betracht (Tipke in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 110 AO Rz. 65). Sie ist zu gewähren, wenn ein leicht als Rechtsbehelfsschreiben zu erkennendes Schriftstück eingeht, der Mitarbeiter der empfangenden Behörde dieses Schreiben ohne weiteres als Irrläufer erkennen kann und es gleichwohl zu den Akten nimmt und auch sonst nichts weiter veranlasst (BVerfG-Beschluss vom 02.09.2002 1 BvR 476/01, BStBl II 2002, 835). Voraussetzung ist dabei, dass der Rechtsbehelf so rechtzeitig eingereicht worden ist, dass die fristgerechte Weiterleitung an die zuständige Behörde im ordentlichen Geschäftsgang erwartet werden kann (BFH-Beschluss vom 15.01.2009 XI B 99/08, BFH/NV 2009, 778).

    Der Zeuge I, der das Schreiben verfasst und abgesandt hat, hat bekundet, nicht gewusst zu haben, dass es sich bei der Steuerkasse, von der die Klägerin kurz zuvor eine Mahnung bzgl. der streitgegenständlichen Grunderwerbsteuer erhalten hatte, um ein eigenes Finanzamt handelt. Er hat das Schreiben vom 03.11.2008 richtigerweise an den Beklagten adressiert, aber die Telefaxnummer der Steuerkasse genannt und das Schreiben dorthin gesandt. Für den betreffenden Mitarbeiter der Steuerkasse war das Schreiben, das Rechtsausführungen zur Steuerfestsetzung bzw. deren Aufhebung und den Begriff „Widerspruch” enthält, ohne weiteres als Irrläufer zu erkennen. Da das Schreiben auf denselben Tag datiert ist, an dem es bei der Steuerkasse einging, konnte der betreffende Mitarbeiter nicht annehmen, es handele sich um die Übersendung der Kopie eines „alten”, dem Beklagten bereits bekannten Schreibens. Vor dem Hintergrund, dass die Rechtsbehelfsfrist erst am 19.11.2008 ablief, konnte die fristgerechte Weiterleitung an den Beklagten im ordentlichen Geschäftsgang erwartet werden. Im Übrigen hat die Steuerkasse die von der Klägerin am 03.11.2008 mit der Anmerkung zurückgesandte Mahnung vom 27.10.2008 auch tatsächlich und vor dem 19.11.2008 an den Beklagten weitergeleitet.

    b. Dass das Schreiben vom 03.11.2008 nicht beim Beklagten eingegangen ist, hat die Klägerin frühestens am 19.01.2009 bei dem Gespräch beim Beklagten erfahren, so dass der bei diesem Gespräch bzw. in dem im Gespräch überreichten Schreiben vom 18.01.2009 gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung fristgemäß war. Dass das Schreiben am 03.11.2008 an die Steuerkasse gefaxt wurde, hat die Klägerin am 19.01.2009 gegenüber dem Beklagten schlüssig vorgetragen und durch Vorlage des Schreibens und die Aussage des Zeugen I glaubhaft gemacht. Dies ist im Übrigen unstreitig.

    4. Aus den vorstehend (zu 2.) aufgeführten Gründen wäre aber auch die mit der Anmerkung der Klägerin versehene und von der Klägerin am 03.11.2008 an die Steuerkasse zurückgesandte Mahnung (oben A. IV. 1. b) bzgl. der mit Bescheid vom 13.06.2008 festgesetzten Grunderwerbsteuer als Einspruch gegen die Ablehnung der Aufhebung auszulegen. Dieses Schreiben ist zwar nicht als Rechtsbehelf gekennzeichnet, doch ist eine Erklärung, wie oben dargelegt, im Zweifel als Rechtsbehelf auszulegen, um zugunsten des Steuerpflichtigen den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern. Auch in dieser Erklärung gab die Klägerin ihren Willen zu erkennen, sich gegen die Zahlungspflicht bzgl. der mit Bescheid vom 13.06.2008 festgesetzten Grunderwerbsteuer wegen der Vertragsaufhebung zu wehren. Dieses Schreiben ging am 04.11.2008 und damit innerhalb der Einspruchsfrist beim Beklagten ein.

    II.

    Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 13.06.2008 ist nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aufzuheben.

    Nach dieser Vorschrift wird die Steuerfestsetzung auf Antrag aufgehoben, wenn der Erwerbsvorgang vor dem Übergang des Eigentums an dem Grundstück auf den Erwerber durch Vereinbarung der Vertragspartner oder durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts oder eines Wiederkaufsrechts innerhalb von zwei Jahren seit Entstehung der Steuer rückgängig gemacht wird. Die Steuertatbestände des § 1 GrEStG knüpfen an Rechtsvorgänge an, besteuert werden soll jedoch nur der wirtschaftliche Umsatz. Die Vorschrift des § 16 GrEStG beinhaltet eine an diesem Besteuerungszweck orientierte Korrektur zu § 1 GrEStG. Die durch Verwirklichung eines der Rechtsvorgänge des § 1 GrEStG entstandene Steuer entfällt nach § 16 GrEStG dann wieder, wenn es zu den durch diese Rechtsvorgänge intendierten Grundstücksumsätzen tatsächlich (wirtschaftlich) nicht kommt oder es nicht auf Dauer bei diesen verbleibt (BFH-Urteil vom 29.09.2005 II R 36/04, BFHE 210, 535, BStBl II 2006, 43).

    § 16 GrEStG setzt daher voraus, dass die Parteien vom Vollzug des unwirksamen Rechtsgeschäfts Abstand nehmen und sich gegenseitig die etwa ausgetauschten Leistungen zurückgewähren. Die Vertragsparteien müssen, um das wirtschaftliche Ergebnis des zivilrechtlich unwirksam gewordenen Verpflichtungsgeschäfts im vorbeschriebenen Sinne wieder zu beseitigen, sämtliche Wirkungen aus dem Erwerbsvorgang aufheben und sich so stellen, als wäre dieser nicht zustande gekommen (BFH-Urteile vom 30.01.2008 II R 48/06, BFH/NV 2008, 1524; vom 16.02.2005 II R 53/03, BFHE 209, 158, BStBl II 2005, 495). Über die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts hinaus, die von einer Vertragsübernahme abzugrenzen ist, müssen die Vertragspartner sich derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wieder erlangt (BFH-Urteil vom 21.02.2006 II R 60/04, BFH/NV 2006, 1700). Bindungen aus dem unwirksamen Verpflichtungsgeschäft bleiben insbesondere dann bestehen, wenn der Erwerber auch nach Aufhebung des ursprünglichen Grundstückskaufvertrages noch die rechtliche oder wirtschaftliche Möglichkeit der Verwertung des Grundstücks (§ 1 Abs. 2 GrEStG) behalten hat (BFH-Beschluss vom 17.02.1993 II B 142/92, BFH/NV 1994, 56; Sack in Boruttau, GrEStG, 16. Aufl., § 16 Rz. 61). Die Versagung des Anspruchs aus § 16 GrEStG wegen fehlender tatsächlicher Rückgängigmachung beruht auf einer entsprechenden Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Rückgängigmachung und erfordert keinen Rückgriff auf § 42 AO (Pahlke in Pahlke/Franz, GrEStG, 4. Aufl., § 16 Rz. 20 m. w. N. aus der Rechtsprechung).

    Der Wegfall der Verfügungsmöglichkeit des Erwerbers über das Grundstück einerseits und die Wiedererlangung der ursprünglichen Rechtsstellung des Veräußerers andererseits stehen - dem systematischen Verhältnis der Steuertatbestände des § 1 GrEStG zu der gegenläufigen Korrekturvorschrift des § 16 GrEStG entsprechend - in einem sachlichen Zusammenhang. Nur wenn der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung deshalb nicht wieder erlangt, weil trotz der wirksamen Aufhebung des Vertrags der Erwerber die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück behält, steht dies der Annahme einer tatsächlichen Rückgängigmachung des Vertrages entgegen (BFH-Urteile vom 19.03.2003 II R 12/01, BFHE 202, 383, BStBl II 2003, 770; vom 11.10.1995 II R 97/93, BFH/NV 1996, 260).

    Der Erwerber darf seine Position aus dem Kaufvertrag noch nicht verwertet haben bzw. nach der Rückgängigmachung nicht mehr zu einer Verwertung in der Lage sein (BFH-Urteil vom 11.10.1995 II R 97/93, BFH/NV 1996, 260). Erfolgt im Zusammenhang mit der „Rückgängigmachung” des Erwerbsvorgangs ein erneuter Verkauf des Grundstücks, ist für die Anwendung des § 16 Abs. 1 GrEStG entscheidend, ob für den früheren Erwerber trotz formaler Aufhebung des ursprünglichen tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäfts im Zusammenhang mit der Weiterveräußerung die Möglichkeit der Verwertung einer aus dem „rückgängig gemachten” Erwerbsvorgang herzuleitenden Rechtsposition verblieben und der Verkäufer demgemäß nicht aus seinen Bindungen entlassen war. War dem ursprünglichen Erwerber eine solche Rechtsposition verblieben und hat er diese im Zusammenhang mit der Weiterveräußerung auch tatsächlich im eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet, ist die Anwendung des § 16 Abs. 1 GrEStG ausgeschlossen (BFH-Urteil vom 19.03.2003 II R 12/01, BFHE 202, 383, BStBl II 2003, 770). Dem früheren Erwerber verbleibt die Möglichkeit der Verwertung einer aus dem „rückgängig gemachten” Erwerbsvorgang herzuleitenden Rechtsposition u. a. dann, wenn die Aufhebung des ursprünglichen tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäfts und das die Weiterveräußerung betreffende Rechtsgeschäft in einer einzigen Vertragsurkunde zusammengefasst sind oder in aufeinanderfolgenden Vertragsurkunden vereinbart werden (BFH-Urteil vom 14.11.2007 II R 1/06, BFH/NV 2008, 589).

    Im Streitfall wurde der Kaufvertrag zivilrechtlich aufgehoben (1.) und rückgängig gemacht im dargelegten Sinn (2.).

    1. Der zwischen Frau D und der Klägerin geschlossene Kaufvertrag wurde durch den Vertrag vom ... 2008 aufgehoben. Bei dieser Aufhebung und dem gleichzeitigen Abschluss des Kaufvertrages mit der GbR handelt es sich nicht um eine Vertragsübernahme.

    Unter einer Vertragsübernahme im zivilrechtlichen Sinne ist die Nachfolge in die gesamte Rechtsstellung einer Vertragspartei durch die Übertragung des ganzen Schuldverhältnisses zu verstehen. Es handelt sich um ein einheitliches dreiseitiges Rechtsgeschäft, das sich nicht in Forderungsabtretungen und Schuldübernahmen zergliedern lässt und auf das die §§ 398 ff., 414 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nur entsprechend anwendbar sind (BFH-Urteil vom 22.01.2003 II R 32/01, BFHE 201, 541, BStBl II 2003, 526, m. w. N.). Ob eine Vertragsübernahme vorliegt oder aber eine Aufhebung des ursprünglichen Erwerbsvorgangs verbunden mit einem Neuabschluss, ist im Einzelfall durch Vertragsauslegung zu ermitteln, die nicht notwendigerweise an den Wortlaut der Vereinbarung gebunden ist. Eine Vertragsübernahme liegt vor, wenn sich die Beteiligten im Wesentlichen auf einen Austausch der Käuferseite beschränken und die übrigen Vertragsbedingungen unverändert lassen (Sack in Boruttau, GrEStG, 16. Aufl., § 16 Rz. 34; ähnlich Beschluss des FG Hamburg vom 31.01.1996 II 4/95, EFG 1996, 389). Wird ein Kaufvertrag dagegen über diesen Austausch hinaus in weiteren Punkten - etwa bzgl. Kaufgegenstand oder Kaufpreis - geändert, kann dies dem Neuabschluss eines Grundstückskaufvertrages zwischen dem ursprünglichen Veräußerer und dem Dritten gleichkommen (BFH-Urteil vom 22.01.2003 II R 32/01, BFHE 201, 541, BStBl II 2003, 526). Diese Grundsätze wurden bislang nur auf Fälle angewandt, in denen die Erwerberseite ausgetauscht wurde, doch müssen sie ebenfalls gelten, wenn sich die Verkäuferseite ändert.

    Im Streitfall spricht für eine Aufhebung des ersten Vertrages und einen Neuabschluss zwischen der GbR und der Klägerin, dass Kaufgegenstand nunmehr das vermessene und eingetragene Grundstück war und nicht mehr eine noch nicht vermessene Teilfläche. Zudem wurde der Kaufpreis erhöht. Beides spricht allerdings nicht zwingend gegen eine Vertragsübernahme; denn dass sich der ursprüngliche Vertrag nach Vermessung und Eintragung des Grundstücks auf dieses bezieht, ergibt bereits eine Auslegung, und die Kaufpreiserhöhung war nur relativ gering. Auch wäre eine Vertragsübernahme dem Interesse aller Beteiligten gerecht geworden. Frau D wäre aus allen vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Klägerin entlassen worden. Das Interesse der Klägerin am Grundstückserwerb wäre gesichert gewesen, weil die Übereignungsverpflichtung unmittelbar auf die GbR übergegangen wäre; die Verknüpfung der Verträge über die aufschiebenden Bedingungen wäre nicht erforderlich gewesen. Jedoch wurde dieser Interessenlage durch die gewählte Gestaltung - den gleichzeitigen Abschluss der Verträge und die inhaltsgleichen aufschiebenden Bedingungen - ebenfalls Genüge getan. In Anbetracht der Änderungen von Kaufpreis und Kaufgegenstand und vor allem des Umstandes, dass die Beteiligten auf Empfehlung des Notars eine zivilrechtlich zulässige Gestaltung bewusst und ausdrücklich gewählt haben, ist daher von einer Vertragsaufhebung mit anschließendem Neuabschluss auszugehen (zum letzten Argument vgl. Heine, UVR 1998, 220).

    Diese Gründe sprechen auch dagegen, den Aufhebungsvertrag als Vertragsänderung oder -ergänzung in der Weise auszulegen, dass die Übereignungsverpflichtung von Frau D durch die Abtretung des ihr gegenüber der GbR zustehenden Übereignungsanspruchs erfüllt werden sollte. Der Übereignungsanspruch von Frau D wurde in dem zwischen ihr und der GbR geschlossenen Aufhebungsvertrag - aufschiebend bedingt - aufgehoben. Vor diesem Hintergrund wollten die Parteien einen neuen Übereignungsanspruch der Klägerin gegenüber der GbR begründen.

    Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass im Falle einer Vertragsübernahme zwar der Grunderwerbsteuerbescheid vom 13.06.2008 nicht aufzuheben, aber der Grunderwerbsteuerbescheid vom 09.10.2008 rechtswidrig wäre (Hilfsantrag zu 4.).

    2. Die Anwendung der oben dargelegten Grundsätze auf den Streitfall ergibt, dass der ursprüngliche Erwerbsvorgang i. S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG „rückgängig gemacht” wurde, weil alle grunderwerbsteuerlich relevanten Beziehungen rechtlicher oder tatsächlicher Art zwischen den Vertragsparteien beseitigt wurden. Die Klägerin behielt nach der Rückgängigmachung keine Rechtsposition aus dem Kaufvertrag mit Frau D (a.) und hatte das Grundstück vor dem endgültigen Rechtsverlust nicht verwertet (b).

    a. aa. Die zugunsten der Klägerin abgetretene Auflassungsvormerkung vermittelte der Klägerin keine grunderwerbsteuerlich relevante Rechtsposition. Die durch eine Auflassungsvormerkung bewirkte Beeinträchtigung der Verkehrsfähigkeit des Grundstücks entfällt bereits dann, wenn der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer eine Löschungsbewilligung in grundbuchrechtlich gebotener Form erteilt hat und der Veräußerer über sie frei und ohne Einflussnahme seitens des Erwerbers verfügen kann (BFH-Urteil vom 01.07.2008 II R 36/07, BFHE 220, 555, BStBl II 2008, 882). Frau D und die Klägerin bewilligten und beantragten die Löschung der eingetragenen Auflassungsvormerkung bzw. der Abtretung der Ansprüche hieraus (oben A. II. 3.).

    bb. Des Weiteren wird die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht durch den Umstand ausgeschlossen, dass Frau D der Klägerin den von ihr gezahlten Kaufpreis nicht zurückerstattete. Denn die Klägerin hatte den Kaufpreis nicht an Frau D gezahlt, sondern auf das Notaranderkonto überwiesen. Entsprechend der Vereinbarung in dem später mit der GbR geschlossenen Kaufvertrag wurde der Kaufpreis an die GbR ausgezahlt. Wegen der Aufhebung des Kaufvertrages mit Frau D hätte die Klägerin die Rückzahlung des Kaufpreises an sich verlangen können, hätte das Geld dann aber im unmittelbaren Anschluss an die GbR zahlen müssen. Die direkte Auszahlung an die GbR beruhte auf der Anweisung der Klägerin, die auf diese Weise über den ihr aufgrund der Vertragsaufhebung zustehenden Auszahlungsanspruch verfügte. Einer tatsächlichen Auskehrung des Geldbetrages an sie bedurfte es vor diesem Hintergrund nicht. Im wirtschaftlichen Ergebnis verblieb der Kaufpreis nicht bei Frau D, sondern die Klägerin hat hierüber verfügt.

    cc. Besitz, Nutzungen und Lasten des Grundstücks gingen nach §§ 5 und 6 des ersten Kaufvertrages mit Eingang des Kaufpreises auf dem Notaranderkonto am 12.09.2008 zwar auf die Klägerin über. Tatsächlich hat die Klägerin aber keine Nutzungen gezogen, die sie herauszugeben hätte. Durch den Aufhebungsvertrag vom ... 2008 wurde der rechtliche Übergang wieder rückgängig gemacht.

    dd. Dass der Aufhebungsvertrag aufschiebend bedingt geschlossen wurde, steht der Rückgängigmachung ebenso wenig entgegen. Ein schwebend unwirksamer Aufhebungsvertrag berührt die Rechtsstellung des Ersterwerbers aus dem ursprünglichen Kaufvertrag zwar zunächst nicht (BFH-Urteil vom 21.02.2006 II R 60/04, BFH/NV 2006, 1700). Im Streitfall trat die Bedingung aber nachfolgend ein.

    Im Zeitpunkt des Bedingungseintritts wurde Frau D aus ihrer Übereignungsverpflichtung gegenüber der Klägerin entlassen. Die Klägerin hatte in dem Kaufvertrag mit Frau D nur einen Übereignungsanspruch dieser gegenüber erworben. Frau D hatte den ihr gegenüber der GbR zustehenden Übereignungsanspruch nicht an die Klägerin abgetreten, so dass die Klägerin ihn für eine Rückgängigmachung des Vertrages nicht zurückabtreten musste. Dass Frau D ihre vorherige Rechtsposition, den Anspruch auf Übereignung gegenüber der GbR und die Auflassungsvormerkung zu ihren Gunsten, verlor und nicht wieder erlangte, hing folglich nicht mit der fehlenden Rückgängigmachung des Vertrages mit der Klägerin zusammen, sondern mit dem zwischen Frau D und der GbR geschlossenen Aufhebungsvertrag, der gleichzeitig wirksam wurde.

    b. Die Klägerin hatte das Grundstück nicht auf der Grundlage des ersten, sodann aufgehobenen Kaufvertrages verwertet. Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass die Klägerin gleichzeitig mit der Aufhebung des Übereignungsanspruchs gegenüber Frau D, d. h. in aufeinanderfolgenden Vertragsurkunden, und vor dem Bedingungseintritt einen neuen - ebenfalls bedingten - Übereignungsanspruch gegenüber der GbR erwarb, führt dies zu keiner anderen Beurteilung.

    aa. Der erkennende Senat hat bereits Zweifel, ob die Klägerin aufgrund des ersten Kaufvertrages bis zum Eintritt der aufschiebenden Bedingungen eine Rechtsposition behielt, die ihr die Verwertung des Grundstücks ermöglicht hätte. Die Klägerin hatte den ursprünglichen Kaufvertrag mit einer Nichteigentümerin geschlossen. Frau D stand ihrerseits ein schuldrechtlicher Übereignungsanspruch gegenüber der Eigentümerin zu. Durch den ursprünglichen Kaufvertrag wurde dieses Recht nicht auf die Klägerin übertragen, sondern die Klägerin erwarb lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen Frau D. Die Klägerin besaß somit nie ein unmittelbares Recht gegenüber der Eigentümerin zur Veräußerung oder sonstigen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks.

    bb. Selbst wenn man das Vorhandensein einer Verwertungsmöglichkeit oder sonstigen Rechtsposition annimmt, hat die Klägerin diese vor der Wirksamkeit der Aufhebung jedenfalls nicht tatsächlich im eigenen wirtschaftlichen Interesse für eine Verwertung des Grundstücks ausgenutzt.

    aaa. Die von der Rechtsprechung zu den Weiterveräußerungsfällen entwikkelten Grundsätze (oben B.II.) finden im Verhältnis zwischen Frau D und der Klägerin keine unmittelbare Anwendung. Die Klägerin ist die Zweiterwerberin und hat das Grundstück ihrerseits nicht weiterveräußert. Auch im Streitfall liegt zwar eine Weiterveräußerung vor, allerdings durch Frau D. Sie nutzte die ihr trotz Aufhebung des Kaufvertrages verbliebene Rechtsposition im eigenen wirtschaftlichen Interesse dazu, der Klägerin und der E GmbH das Eigentum an den Grundstücken zu verschaffen (vgl. Urteil im Verfahren 3 K 24/10 unter B.I.2.). Der Eigentumserwerb der Klägerin als der Zweit- und Letzterwerberin in der Veräußerungskette wurde ihr somit in Ausnutzung der Frau D verbliebenen Rechtsposition verschafft und nicht durch Ausnutzung einer eigenen Verwertungsmöglichkeit der Klägerin.

    bbb. Ob es außerhalb einer (Weiter-) Veräußerung andere Maßnahmen gibt, die in dieser Hinsicht gleich zu behandeln sind, wurde von der Rechtsprechung bislang nicht entschieden.

    Wie dargelegt, setzt die Rückgängigmachung i. S. des § 16 Abs. 1 GrEStG nach der zu den Weiterveräußerungen entwickelten ständigen Rechtsprechung voraus, dass der Veräußerer wieder uneingeschränkt über das Grundstück verfügen und es in seinem gesamten wirtschaftlichen Gehalt verwerten kann. Umgekehrt darf dem Erwerber keine tatsächliche oder rechtliche Möglichkeit verbleiben, bei der Weiterveräußerung des Grundstücks an einen Dritten seine wirtschaftlichen Interessen an dem Grundstück zu verwirklichen bzw. abzusichern (insbesondere i. S. des § 1 Abs. 2 GrEStG). Letzteres ist u.a. dann der Fall, wenn der ursprüngliche Erwerber auch nach (formeller) Beseitigung des Anspruchs auf Übereignung des Grundstücks das Recht und die Möglichkeit behält, bei der Weiterveräußerung des Grundstücks an einen Dritten eigene wirtschaftliche oder private Zwecke oder Ziele zu verfolgen, die er sonst nur als Eigentümer erreichen könnte (BFH-Beschluss vom 17.02.1993 II B 142/92, BFH/NV 1994, 56).

    Bei der Übertragung dieser Grundsätze auf Fälle außerhalb einer Weiterveräußerung ist demnach darauf abzustellen, ob der Erwerber den wirtschaftlichen Wert des Grundstücks in seiner Substanz auf eine Weise verwertet, d.h. sich zunutze machen kann und macht, die eigentlich dem Eigentümer vorbehalten ist (vgl. Pahlke in Pahlke/Franz, GrEStG, 4. Aufl., § 1 Rz. 242 zu § 1 Abs. 2 GrEStG). Als mögliche Verwertung der Substanz nach kommt neben der Veräußerung des Grundstücks auf eigene Rechnung etwa dessen Belastung zu eigenen wirtschaftlichen Zwecken in Betracht sowie die nicht rechtliche, sondern nur wirtschaftliche Einbringung in eine Personengesellschaft (Fischer in Boruttau, GrEStG, 16. Aufl., § 1 Rz. 741).

    (1) Die Klägerin hat das Grundstück vor Eintritt der aufschiebenden Bedingungen weder belastet noch wirtschaftlich übertragen.

    (2) Entgegen der Auffassung des Beklagten stellt der Umstand, dass Frau D nicht ersatzlos aus den vertraglichen Bindungen gegenüber der Klägerin entlassen wurde, sondern nur, weil die Klägerin gleichzeitig einen Übereignungsanspruch gegen die GbR erwarb, keine Ausnutzung einer verbliebenen Rechtsposition im Sinne der Verwertung des Grundstücks durch die Klägerin dar. Dass der Erwerber gleichzeitig mit dem Verlust des Übereignungsanspruchs eine andere Leistung des Veräußerers als Ersatz erhält, steht einer Rückgängigmachung i. S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht entgegen (BFH-Urteil vom 30.01.2008 II R 48/06, BFH/NV 2008, 1524, für die Abtretung eines Kaufpreisanspruchs an Erfüllungs statt; BFH-Urteil vom 11.10.1995 II R 97/93, BFH/NV 1996, 260, für die Übereignung eines anderen Grundstücks des Veräußerers).

    (3) Entsprechendes muss gelten, wenn der Erwerber einen Übereignungsanspruch bzgl. desselben Grundstücks erhält, aber gegen eine andere Person, nämlich nunmehr gegen den Berechtigten. Die Sicherstellung des eigenen Eigentumserwerbs ist keine wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks. Die hier erforderliche wirtschaftliche Verwertung setzt eine eigentümerähnliche Stellung voraus, während das Handeln der Klägerin darauf gerichtet war, sich die Eigentümerstellung erst zu verschaffen. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Klägerin eine Verwertungsmöglichkeit zugestanden hätte, hätte sie diese nur dazu genutzt, ihren eigenen Eigentumserwerb zu bewirken, sie hätte das Grundstück m. a. W. an sich selbst veräußert. Dies ist jedoch keine Verwertung der Grundstücksubstanz zu eigenen wirtschaftlichen Zwecken.

    (4) Dem steht die Entscheidung des BFH vom 17.10.1990 (II R 148/87, BFH/NV 1991, 413) nicht entgegen. Danach wird ein Grundstückskaufvertrag in der Regel nicht i. S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG „rückgängig gemacht”, wenn die Parteien ihn aufheben, jedoch dieselben Personen im unmittelbaren Anschluss an die Aufhebung einen neuen Vertrag über dasselbe Grundstück - wenn auch ggf. mit modifizierten Bedingungen - abschließen. Zumindest grunderwerbsteuerlich - u. U. auch zivilrechtlich - sei dies als Vertragsänderung zu beurteilen. Aus einem derartigen Geschehensablauf werde die Absicht der Beteiligten deutlich, sich nicht tatsächlich aus ihren bestehenden vertraglichen Bindungen zu entlassen, sondern diese nur modifizieren zu wollen.

    Diese Grundsätze lassen sich auf den Streitfall jedoch nicht übertragen, weil der neue Vertrag nicht zwischen denselben Beteiligten geschlossen wurde. Es wurde nicht ein bestehen gebliebener Übereignungsanspruch auf eine geänderte vertragliche Grundlage gestellt, sondern Frau D wurde endgültig aus ihren Verpflichtungen entlassen, während die Klägerin einen neuen und eigenständigen Übereignungsanspruch gegenüber einem Dritten erwarb (s. oben B.II.1.).

    (5) In den Weiterveräußerungsfällen wollen die Vertragsparteien erreichen, dass trotz zweier wirtschaftlicher Grundstücksumsätze nur einmal Grunderwerbsteuer anfällt. Der Unterschied zu diesen gewöhnlichen Weiterveräußerungsfällen besteht vorliegend darin, dass Frau D bereits vor Aufhebung ihres Vertrages mit der GbR einen Kaufvertrag mit der Klägerin geschlossen hatte, so dass schon vor der Aufhebung zwei grunderwerbsteuerpflichtige Vorgänge vorlagen. Der zweite grunderwerbsteuerliche Vorgang wurde im Ergebnis durch einen anderen grunderwerbsteuerlichen Vorgang ersetzt, wobei der wirtschaftliche Erfolg, der Eigentumserwerb an dem Grundstück durch die Klägerin, nur einmal eintrat. Sinn und Zweck des § 16 GrEStG, nämlich sicherzustellen, dass die Grunderwerbsteuer nur anfällt, wenn es bei dem wirtschaftlichen Ergebnis eines grunderwerbsteuerbaren Rechtsvorgangs bleibt, gebieten im Streitfall daher keinen Ausschluss der Anwendung dieser Vorschrift. Anderenfalls käme es zu einem dreimaligen Entstehen von Grunderwerbsteuer, obwohl das Grundstück auch nach dem ursprünglichen Plan der Beteiligten und ihren wirtschaftlichen Interessen nur zweimal übertragen werden sollte.

    (6) Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der Steuerpflichtige, um die Substanz des Grundstücks wirtschaftlich nutzen zu können, notwendigerweise als „Veräußerer” jedenfalls im wirtschaftlichen Sinne handeln muss. Ein Erwerber verschafft sich erst die Möglichkeit der Verwertung und nutzt sie nicht. Die den von der Rechtsprechung entschiedenen sog. Weiterveräußerungsfällen zugrunde liegende Konstellation eines Wechsels auf der Erwerberseite (und einer „Weiterveräußerung” durch den Ersterwerber) ist der vorliegende Fall eines Wechsels auf der Veräußererseite mit gleichbleibendem Erwerber folglich nicht gleichzustellen.

    III.

    Da die Klage im Hauptantrag Erfolg hat, ist über die Hilfsanträge nicht zu entscheiden.

    IV.

    1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

    3. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Sachverhaltskonstellationen, in denen ein Grundstück nach Aufhebung des ursprünglichen Grundstückskaufvertrages nicht an einen anderen Erwerber, sondern von einem anderen Veräußerer an den bisherigen Erwerber veräußert wird, wurden unter dem Gesichtspunkt des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG noch nicht höchstrichterlich beurteilt.

    VorschriftenGrEStG § 1 Abs. 2, GrEStG § 16 Abs. 1 Nr. 1, AO § 110 Abs. 1, AO § 110 Abs. 2, AO § 357 Abs. 1 Satz 4, VwZG § 8, BGB § 133, BGB § 157, BGB §§ 398 ff., BGB §§ 414 ff.