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  • 01.09.2011

    Finanzgericht München: Urteil vom 07.07.2011 – 14 K 3565/08

    Kraftstoffbehälter, die nicht vom Hersteller selbst, sondern von einem Vertragshändler im Auftrag des Herstellers auf Wunsch des Käufers eingebaut worden sind, sind keine Hauptbehälter. Die Ausnahmevorschrift des § 15 Abs. 4 Nr. 1 EnergieStG ist dann nicht anwendbar.

    Als Steuerschuldner kommt neben dem Fahrer auch die Spedition in Betracht, bei der der Fahrer angestellt ist.

    Hat das Hauptzollamt nur den Fahrer als Steuerschuldner in Betracht gezogen, ist der Steuerbescheid wegen unterlassener Ermessensausübung aufzuheben.


    IM NAMEN DES VOLKES

    Urteil

    In der Streitsache

    hat der 14. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung … des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht …, des Richters am Finanzgericht … und der Richterin am Finanzgericht … sowie der ehrenamtlichen Richter … und … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 2011

    für Recht erkannt:

    1. Der Steuerbescheid vom 11. August 2008 und die Einspruchsentscheidung vom

    7. Oktober 2008 werden aufgehoben.

    2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

    3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    4. Die Revision wird zugelassen.

    Gründe

    I.

    Streitig ist, ob der Kläger Schuldner von Energiesteuer geworden ist.

    Der Kläger wurde am 11. August 2008 von der Mobilen Kontrollgruppe des Beklagten (das Hauptzollamt) auf einem Autohof bei P als Fahrer des auf die Fa. H zugelassenen Lkw der Marke Mercedes-Benz Actros (Fahrgestellnr. …846) kontrolliert. Dabei wurde festgestellt, dass hinter dem Fahrerhaus zwei Zusatzbehälter angebracht waren, von denen einer mit Hydrauliköl und der andere mit 250 l Dieselkraftstoff gefüllt war, der in Österreich und in den Niederlanden getankt worden war.

    Das Hauptzollamt setzte deshalb mit Steuerbescheid vom gleichen Tag gegenüber dem Kläger Energiesteuer in Höhe von 108,19 EUR für 230 l Dieselkraftstoff fest, weil die Steuerfreiheit für Kraftstoffe in Reservebehältern auf 20 l beschränkt sei.

    Im Einspruchsverfahren teilte die Fa. S mit, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Lkw um ein Fahrzeug ihres Tochterunternehmens H in Rumänien handle und sie in alle Lkw nachträglich Tanks mit einem Fassungsvermögen von bis zu 1.500 l einbauen lasse. Außerdem legte sie eine Bestätigung der Fa. G vor, dass diese den hinter dem Fahrerhaus angebrachten Kombitank für Diesel und Hydrauliköl eingebaut habe. Lt. Mitteilung der Fa. Daimler-Benz AG wurde das streitgegenständliche Fahrzeug serienmäßig mit einem 550-l-Tank ausgeliefert.

    Mit der gegen die Einspruchsentscheidung vom 7. Oktober 2008 erhobenen Klage bringt der Kläger im Wesentlichen Folgendes vor:

    Der streitgegenständliche Behälter sei zwar nicht durch die Herstellerfirma selbst, sondern durch die Fa. G montiert worden. Die Montage sei jedoch nicht in seinem Auftrag oder der Fa. H, sondern durch den Mercedes-Benz-Vertragshändler W erfolgt. Damit sei der Behälter gerade nicht von einem Dritten eingebaut, sondern im Auftrag der Herstellerfirma und ab Werk so ausgeliefert worden. Es könne keinen Unterschied machen, ob ein Hersteller direkt eine Spezialfirma für den Umbau des Lkw beauftragt habe oder ob dieser eine Spezialfirma durch den Vertragshändler beauftragen lasse. Da der Auftrag zum Umbau im Auftrag des Herstellers durch W erfolgt sei, seien Letzterem auch die Kosten für den Umbau durch die Fa. G berechnet worden. Die Fa. S habe den Lkw zwar ohne Zusatztank bestellt, habe diesen dann aber im Auftrag von W durch die Fa. G einbauen lassen.

    Der Kläger beantragt, den Steuerbescheid vom 11. August 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 7. Oktober 2008 aufzuheben.

    Das Hauptzollamt beantragt, die Klage abzuweisen.

    Es bringt im Wesentlichen vor, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Kraftstoffbehälter nicht um einen Hauptbehälter im Sinne des Energiesteuergesetzes handle, weil dieser nicht vom Hersteller, sondern von der Fa. G eingebaut worden sei. Der Auftrag zum Einbau des Zusatztanks sei nicht durch den Hersteller des Lkw (Mercedes-Benz), sondern durch die Fa. S erfolgt. Diese habe die Sattelzugmaschine beim Hersteller mit einem 550-l-Tank bestellt und der Fa. G den Auftrag zum nachträglichen Einbau des streitgegenständlichen Behälters erteilt. Die vom Kläger vorgelegte Rechnung der Fa. G mit der Nr. RK 2018403 betreffe nicht das streitgegenständliche Fahrzeug.

    Der Kläger sei als Verwender des im Zusatzbehälter befindlichen Kraftstoffs in Anspruch genommen worden. Da er insoweit der Steuerhinterziehung verdächtigt werde, sei das Auswahlermessen bei der Inanspruchnahme des Klägers nicht näher zu begründen gewesen.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Hauptzollamts, die im Verfahren eingereichten Schriftsätze und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

    II.

    Die Klage ist begründet.

    Für die streitgegenständlichen 230 l Dieselkraftstoff ist zwar eine Energiesteuer in Höhe von 108,19 EUR entstanden. Die Inanspruchnahme des Klägers durch Steuerbescheid vom 11. August 2008 ist jedoch rechtswidrig und verletzt ihn in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO).

    1. Die 230 l Dieselkraftstoff sind aus dem freien Verkehr Österreichs und der Niederlande nach Deutschland verbracht und hier zu gewerblichen Zwecken verwendet worden.

    a) Gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 des Energiesteuergesetzes in der hier maßgeblichen Fassung (EnergieStG) entsteht die Steuer für Energieerzeugnisse nach § 4 EnergieStG aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaates, die in anderen als den in Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Fällen in das Steuergebiet verbracht werden, dadurch, dass sie erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken im Besitz gehalten oder verwendet werden.

    Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil es sich bei dem im Zusatztank vorgefundenen Dieselkraftstoff um Gasöl der Unterposition 2710 1931 der Kombinierten Nomenklatur und damit um ein Energieerzeugnis gem. § 4 Nr. 3 EnergieStG gehandelt hat, das in Österreich und den Niederlanden getankt worden ist und damit aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaats stammte. Der Dieselkraftstoff ist auch zu gewerblichen Zwecken in der Bundesrepublik Deutschland und damit im Steuergebiet (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG) verwendet worden, weil er eingesetzt worden ist, um ein Nutzfahrzeug zu betreiben.

    b) Eine Ausnahme von der Steuerentstehung gem. § 15 Abs. 4 Nr. 1 EnergieStG liegt nicht vor. Danach entsteht keine Steuer für Kraftstoffe in Hauptbehältern von Fahrzeugen. Bei Hauptbehältern handelt es sich gem. § 41 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des Energiesteuergesetzes um die vom Hersteller für alle Fahrzeuge desselben Typs fest eingebauten Behälter, die die unmittelbare Verwendung des Kraftstoffs für den Antrieb der Fahrzeuge und gegebenenfalls für den Betrieb der Kühlanlage oder sonstigen Anlagen während der Beförderung ermöglichen (vgl. auch Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie (EG) 2003/96 – EnergieStRL – des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischen Strom, ABl Nr. L 283/51).

    Bei dem von der Fa. G eingebauten Kraftstoffbehälter handelt es sich jedoch um keinen Hauptbehälter in diesem Sinne, denn nach der gesetzlichen Definition des Begriffs „Hauptbehälter” werden hiervon nicht Treibstoffbehälter erfasst, die von einem Vertragshändler des Herstellers oder einem Karosseriebauer fest eingebaut worden sind, um bestimmte wirtschaftliche Ziele zu verfolgen (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union – EuGH – vom 3. Dezember 1998 Rs. C-247/97, Slg. 1998, I-8095). Dieses Urteil ist zwar zu Art. 112 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen vom 28. März 1983, ABl (EG) Nr. L 105/1 (ZollbefreiungsVO) ergangen. Diese Rechtsprechung kann jedoch, so der Bundesfinanzhof (BFH), ergänzend zur Auslegung des Begriffes des Hauptbehälters nach Art. 24 Abs. 2 der EnergieStRL herangezogen werden (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 15. Oktober 2008 VII B 21/08, BFH/NV 2009, 219 und vom 26. Juli 2010 VII B 276/09, BFH/NV 2010, 2074).

    Danach kann sich der Kläger nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 15 Abs. 4 Nr. 1 EnergieStG berufen, weil der streitgegenständliche Kraftstoffbehälter nicht vom Hersteller selbst, sondern von einem Dritten eingebaut worden ist.

    Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Zusatztank im Auftrag der Fa. Mercedes-Benz bzw. ihres Vertragshändlers W oder auf Wunsch der Fa. S erfolgt ist. Der Lkw mit der Fahrgestellnr. …846 ist jedenfalls ab Werk serienmäßig nur mit einem 550-l-Tank ausgestattet gewesen und der Zusatztank erst nachträglich eingebaut worden.

    Der EuGH hat die von der Klägerin insoweit geschilderte Problematik erkannt und entschieden, dass selbst für den Fall, dass eine Aufgabenverteilung vorgenommen werde, bei der der Karosseriebauer oder Vertragshändler – auch bei der Erstausstattung des Fahrzeugs mit einer Tankanlage – als Vertreter des Herstellers angesehen werden könnte, dies nicht dazu führe, dass dieser Tank als vom Hersteller eingebaut anzusehen ist, und es Sache des Gemeinschaftsgesetzgebers wäre, daraus die Konsequenzen zu ziehen. Dies ist aber nicht geschehen. Die bisher in Art. 112 Abs. 2 Buchst. c ZollbefreiungsVO a.F. und Art. 8a Abs. 2 erster Anstrich der Richtlinie 92/81/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle (ABl. Nr. 316/12) enthaltenen Definitionen des Begriffs „Hauptbehälter” sind vielmehr wortgleich in Art. 107 Abs. 2 Buchst. a ZollbefreiungsVO n.F. und Art. 24 Abs. 2 der EnergieStRL übernommen worden (vgl. Urteil des Finanzgerichts München vom 22. Juni 2010 – 14 K 754/07, ZfZ Beilage 2010, Nr. 4, 63).

    Da vorliegend der Hersteller den Lkw serienmäßig nur mit einem 550-l-Tank hergestellt hat, handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Kraftstoffbehälter um eine spezielle Anfertigung bzw. um einen Einbau im Einzelfall und somit um keinen vom Hersteller für alle Fahrzeuge desselben Typs fest eingebauten Behälter. Dass der Tank unter Beachtung von straßenverkehrszulassungsrechtlichen Vorschriften hergestellt und installiert wurde, ist dabei unbeachtlich.

    Die dem Steuerbescheid zugrunde liegenden 230 l Dieselkraftstoff haben sich demnach nicht in einem Hauptbehälter, sondern in einem Zusatztank des Lkw befunden.

    2. Die Inanspruchnahme des Klägers als Schuldner der entstandenen Energiesteuer ist jedoch rechtswidrig.

    a) Gemäß § 43 Abgabenordnung (AO) bestimmen die Steuergesetze, wer Steuerschuldner ist. Im Fall des Verbringens von Energieerzeugnissen aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines Mitgliedstaats zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet ist Steuerschuldner, wer die Energieerzeugnisse in Besitz hält oder verwendet (§ 15 Abs. 2 Satz 2 EnergieStG).

    Im EnergieStG ist nicht näher geregelt, wer als „Besitzer oder Verwender” und damit als Steuerschuldner anzusehen ist. In Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 der bis 31. März 2010 geltenden Richtlinie Nr. 92/12 (EWG) des Rates über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (RL Nr. 92/12) wird in diesem Zusammenhang ebenfalls nur die Person, in deren Besitz sich die Waren befinden, als Steuerschuldner definiert. Ebenso wenig enthält Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der RL Nr. 92/12 vom 16. Dezember 2008 (ABl. EU Nr. L 9, 12), dessen Umsetzung das EnergieStG dient, eine entsprechende Definition. Diese Vorschrift enthält nur eine Definition des Merkmals „Besitz zu gewerblichen Zwecken”, die nur der Umschreibung des Merkmals „gewerblich” dient, so dass der Begriff „Besitz” auch gemeinschaftsrechtlich nicht definiert ist (vgl. Bongartz, Kommentar zum EnergieStG, Rz. 39 zu § 15). Mangels näherer Festlegung in den Steuergesetzen greift deshalb der allgemeine Grundsatz, dass Steuerschuldner derjenige bzw. dasjenige Steuerrechtssubjekt ist, dem die Verwirklichung der tatbestandlichen Voraussetzungen der für die Entstehung der Steuerschuld maßgebenden Norm zugerechnet werden muss (BFH-Urteil vom 18. Februar 1992 VII R 22/90, BFHE 167, 251).

    Dies ist vorliegend die Fa. H, weil der streitgegenständliche Dieselkraftstoff zum Betrieb des für diese Firma eingesetzten Lkw verwendet worden ist. Diese ist als wirtschaftlich Handelnder und somit als Verwender anzusehen (so im Ergebnis auch FG Hamburg im Urteil vom 17. Dezember 2010 – 4 K 145/10, juris).

    b) Es kommt deshalb nicht darauf an, ob auch der Kläger als Fahrer des Lkw Verwender und/oder Besitzer des im Tank befindlichen Treibstoffs oder lediglich Besitzdiener im Sinn von § 855 des Bürgerlichen Gesetzbuches gewesen ist, weil er die tatsächliche Gewalt über den Kraftstoff nur für seinen Arbeitgeber (H) ausgeübt hat (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 22. November 1993 VII R 32/93, BFHE 173, 274, HFR 1994, 340).

    Denn selbst wenn der Kläger neben der Fa. H ebenfalls Steuerschuldner geworden ist, dann hat insoweit ein Gesamtschuldverhältnis zwischen diesen beiden bestanden (§ 44 AO). Das Hauptzollamt hätte in diesem Fall nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden müssen, wer von den Schuldnern in Anspruch zu nehmen ist.

    Dies ist aber nicht geschehen. Das Hauptzollamt hat vielmehr erstmals im gerichtlichen Verfahren vorgebracht, dass es wegen der besonderen Sachnähe des Fahrers als unmittelbarer Besitzer und weil dieser eine Steuerstraftat begangen habe, keiner ausdrücklichen Begründung des Auswahlermessens bedurft habe. Außerdem hat das Hauptzollamt in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass bis zur Einspruchsentscheidung nur der Kläger als Steuerschuldner im Blickfeld der Verwaltung gestanden sei. Erst im Klageverfahren sei dem Amt aufgrund des Anschreibens durch das Gericht bewusst geworden, dass möglicherweise noch ein weiterer Steuerschuldner hätte berücksichtigt werden können.

    Das Hauptzollamt hat demnach bei der Inanspruchnahme des Klägers überhaupt keine Auswahlentscheidung getroffen, so dass der Steuerbescheid vom 11. August 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 7. Oktober 2008 schon deshalb rechtswidrig sind.

    Dabei ist unbeachtlich, ob für das Hauptzollamt bereits zum Zeitpunkt der Kontrolle des Klägers und des Erlasses des Steuerbescheids am 11. August 2008 erkennbar war, dass neben dem Kläger auch andere Personen für die entstandene Energiesteuer als Steuerschuldner heranzuziehen sind. Denn spätestens nachdem im Einspruchsverfahren bekannt geworden ist, dass der Kläger den streitgegenständlichen Dieselkraftstoff als angestellter Fahrer der Fa. H in das deutsche Steuergebiet verbracht hatte, war eine Auswahlentscheidung darüber zu treffen, wer als Abgabenschuldner in Anspruch zu nehmen ist, und die Ermessensentscheidung in der Einspruchsentscheidung zu begründen.

    Wegen der Befugnis und Verpflichtung des Gerichts zur Überprüfung behördlicher Ermessensentscheidungen nach § 102 Satz 1 FGO, die dem Gericht keinen Raum für eigene Ermessenserwägungen lassen, muss die Ermessensentscheidung spätestens in der Einspruchsentscheidung begründet werden (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juli 2004 VII R 20/02, ZfZ 2005, 86). § 102 Satz 2 FGO gestattet lediglich eine Ergänzung von Ermessenserwägungen bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens (vgl. BFH-Urteil vom 2. Dezember 2003 VII R 17/03, ZfZ 2004, 162, BFHE 204, 380).

    c) Das Hauptzollamt konnte auch nicht deshalb auf die Ausübung des Auswahlermessens verzichten, weil der Kläger eine vorsätzliche Steuerstraftat begangen hat. In diesem Fall wäre das Auswahlermessen des Hauptzollamts in der Weise vorgeprägt gewesen, dass die Abgaben gegen den Steuerstraftäter festzusetzen sind und dass es einer besonderen Begründung dieser Ermessensbetätigung nicht bedarf (vgl. BFH-Urteil vom 2. Dezember 2003 VII R 17/03, BFH/NV 2004, 597). Im Streitfall ist jedoch nicht festgestellt worden, dass der Kläger eine Steuerhinterziehung begangen hat. Die bloße Einleitung eines Strafverfahrens reicht hierfür nicht aus. Vorliegend ist zwar mit dem Verbringen des Dieselkraftstoffs in das deutsche Steuergebiet, ohne dies dem Hauptzollamt anzuzeigen bzw. eine Steueranmeldung hierfür abzugeben (vgl. § 15 Abs. 3, 5 EnergieStG), der objektive Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO erfüllt worden. Es liegen aber keine Feststellungen bzw. Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger insoweit auch den subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt hat.

    Insoweit ist zwar keine Verurteilung des Täters wegen Steuerhinterziehung erforderlich, da die Feststellung, ob eine strafbare Handlung vorliegt, allein dem Hauptzollamt obliegt (vgl. EuGH-Urteil vom 18. Dezember 2007 Rs. C-62/06, ZfZ 2008, 102). Das Hauptzollamt trägt danach aber die Feststellungslast für das Vorliegen der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale der Teilnahme an einer Steuerhinterziehung. Im Streitfall hat das Hauptzollamt dieser Feststellungslast hinsichtlich des Vorliegens des subjektiven Tatbestands der Steuerhinterziehung in der Person des Klägers aber nicht genügt.

    Im Übrigen hätte das Hauptzollamt zumindest mit einem Hinweis im Steuerbescheid oder in der Einspruchsentscheidung auf H als Gesamtschuldner deutlich machen müssen, dass es erkannt hat, dass ein Auswahlermessen auszuüben war (vgl. BFH-Urteil vom 2. Dezember 2003 VII R 17/03, ZfZ 2004, 162, BFHE 204, 380).

    Dies ist aber unterblieben, weil das Hauptzollamt nicht von einer Steuerschuldnerschaft von H ausgegangen ist.

    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

    5. Die Revision wird wegen der Frage der Steuerschuldnerschaft gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen.

    VorschriftenEnergieStG § 15 Abs. 2, EnergieStG § 15 Abs. 4, EnergieStV § 41 S. 1 Nr. 1, EG) Nr. 2003/96 Art. 24, EWGV 918//83 Art. 112 Abs. 2 Buchst. c, EG Art. 33 Abs. 1, AO § 43