25.08.2011
Finanzgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 20.04.2011 – 3 K 631/10
1. Der Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen unter Angabe der Steuernummer steht ein öffentlich-rechtlicher Anspruch des Unternehmers auf Erteilung einer Steuernummer gegenüber.
2. Der Anspruch ergibt sich mittelbar aus § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG und richtet sich an alle Unternehmer i. S. von § 2 UStG, d.h. auch an Unternehmer mit Sitz im Gemeinschafts- oder Drittlandsgebiet wie im Streitfall eine in der Ukraine ansässige Gesellschaft mit beschränkter Haftung ukrainischen Rechts mit einer inländischen Zweigniederlassung.
3. Voraussetzung des öffentlich-rechtlichen Anspruchs auf Erteilung einer Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke ist die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht, eine unternehmerische Tätigkeit im Inland auszuüben. Als Anhaltspunkte kommen u.a. in Betracht der Abschluss eines Mietvertrags über Geschäftsräumlichkeiten, eine Gewerbeanmeldung bei der IHK, die beantragte und erfolgte Erteilung einer Zollnummer, die Anbahnung von Geschäftsbeziehungen mit anderen Unternehmen oder die Abgabe des Fragebogens zur steuerlichen Erfassung.
4. Die Vergabe der Steuernummer ist nur zu versagen, wenn sie ausschließlich missbräuchlich verwandt werden soll. Sofern die Steuernummer auch für nicht missbräuchliche Zwecke verwandt werden soll, ist sie zu erteilen.
5. Dem Anspruch eines ausländischen Unternehmers auf Erteilung einer Steuernummer zu umsatzsteuerlichen Zwecken steht das Vorsteuer-Vergütungsverfahren nicht entgegen.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt – 3. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 20. April 2011 durch den Richter am Finanzgericht Kerber als Vorsitzenden, den Richter am Finanzgericht Just, den Richter Pröve, die ehrenamtliche Richterin … und den ehrenamtlichen Richter …
für Recht erkannt:
Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 02. November 2009 sowie der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 2010 wird der Beklagte verpflichtet, der Klägerin eine Steuernummer zu umsatzsteuerlichen Zwecken zu erteilen.
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten sich darüber, ob die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach ukrainischem Recht mit einer Zweigniederlassung in B., gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke hat.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach dem Recht der Republik Ukraine mit Sitz in …/Ukraine mit einem Stammkapital von 707.000 EUR. Die Satzung datiert auf den 25. Januar 2008. Im Handelsregister B des Amtsgerichts C. wurde am 21. April 2009 eine Zweigniederlassung der Klägerin in B., eingetragen (HRB …). Der Unternehmensgegenstand der Zweigniederlassung ist ausweislich der Eintragung im Handelsregister der Vertrieb von Fertighäusern aus Holz und Stein, Bauvermittlungen, der Handel mit Waren aller Art- insbesondere Lebensmitteln, alkoholhaltigen und alkoholfreien Getränke sowie Tabakwaren, Wirtschafts- und Unternehmensberatung, Abschluss von Treuhandverträgen, die Beteiligung an anderen Gesellschaften auch außerhalb der Ukraine, Groß- und Einzelhandel mit Fahrzeugen, Ersatzteilen und Betriebsstoffen. Geschäftsführerin der Klägerin ist R., die unter der Adresse … 25 in B. mit Hauptwohnsitz gemeldet ist. G., zugleich der Vermieter der Geschäftsräumlichkeiten der Klägerin in B., wurde nach Angaben der Klägerin mit Wirkung zum 01. Januar 2011 zum Prokuristen bestellt, wobei die Prokura noch nicht im Handelsregister eingetragen wurde.
Der Fragebogen zur steuerlichen Erfassung ging beim Finanzamt für Körperschaften IV B. am 29. April 2009 und nachfolgend beim Beklagten am 14. Mai 2009 ein. Hierin gab die Klägerin neben dem Beginn ihrer unternehmerischen Tätigkeit zum 25. Januar 2008, die in dem Vertrieb aus Fertighäusern aus Holz und Stein bestehen sollte, u.a. für ihre Zweigniederlassung in B. als Ort der Geschäftsleitung und Sitz der Gesellschaft B. an. Die Berechnung der Umsatzsteuer sollte nach vereinbarten Entgelten erfolgen. Sie gab an, ebenso eine USt-ID Nr. zu benötigen wie eine Freistellungsbescheinigung nach § 48 b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Beklagte beauftragte daraufhin das Finanzamt B. C. mit der Durchführung einer Umsatzsteuernachschau. Die Nachschau führte das Finanzamt Z. am 14. Juli 2009 durch eine Inaugenscheinnahme an der Zweigniederlassung der Klägerin durch (Bericht vom 15. Juli 2009), wobei die Klägerin die tatsächliche Durchführung der Nachschau bestreitet. Hierbei stellte das beauftragte Finanzamt fest, dass es sich bei der Geschäftsanschrift der Klägerin um ein abgeschlossenes Reihenhausobjekt in einem reinen Wohngebiet handele. Ein Firmenschild der Klägerin sei nicht erkennbar. Zudem sei der angegebene Geschäftszweck nur teilweise von der angegebenen Anschrift ausführbar, da für den Zweck „Groß- und Einzelhandel” der Platz fehle. Lagermöglichkeiten in der Nähe seien nicht gegeben.
Mit Schreiben vom 31. Juli 2009 teilte der Beklagte der Klägerin daraufhin an ihre Geschäftsadresse in der Ukraine mit, dass eine Steuernummer für die Umsatzsteuer nicht erteilt werden könne. Es sei ermittelt worden, dass die Gesellschaft bisher wirtschaftlich inaktiv sei. Der Nachweis der Unternehmereigenschaft sei nicht erbracht worden. Dieses Schreiben hat die Klägerin nach den übereinstimmenden Angaben beider Beteiligter nicht erhalten.
Mit Schreiben vom 01. September 2009 und nachfolgend nochmals mit Schreiben vom 05. September 2009 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten erneut die Erteilung einer Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke und überreichte eine Kopie eines Mietvertrages mit G. über Gewerberäume in der Pfarrlandstraße 25 in B.. Am 08. September 2009 ging bei dem Beklagten die Umsatzsteuerjahreserklärung der Klägerin für 2008 (ohne Steuernummer) ein, in welcher sie Umsätze von 0,00 EUR und Vorsteuerbeträge von 622,69 EUR erklärte. Am 21. September 2009 legte die Klägerin u.a. gegen die Nichterteilung der Steuernummer Einspruch ein und übersandte u.a. zugleich die Umsatzsteuervoranmeldungen für Juli und August 2009. Sie legte zudem eine Rechnung über den Ankauf einer Frankiermaschine vom 06. Juli 2009 der A77 Bauvermittlung B. Brandenburg AG (ebenfalls ansässig in der Pfarrlandstraße 21) sowie eine Rechnung vom 09. Juli 2009 über Auslagenersatz für den Transport von Teilen für die Errichtung einer Stahlkonstruktion einer Tribüne für ein Fußballstadion in der Ukraine von der ungarisch-ukrainischen Grenze Chop bis Lutzk über 64.500,00 EUR an die Concreta Handels-GmbH (Österreich) vor. Hierbei handelte es sich nach Angaben der Klägerin um verauslagte Gebühren für den beabsichtigten Transport einer Stahltribüne aus dem Fußballstadion in Innsbruck.
Der Beklagte veranlasste daraufhin beim Finanzamt B. Z. die Durchführung einer zweiten Umsatzsteuernachschau, die am 08. Oktober 2009 durchgeführt wurde (Bericht vom 09. Oktober 2009), wobei die Klägerin auch die Durchführung dieser Nachschau bestreitet. Es wurde zwar kein Vertreter der Klägerin angetroffen, das beauftrage Finanzamt stellte jedoch an der Haustür einen Zettel mit der Firma der Klägerin sowie weiteren 26 Gesellschaften fest. Ebenfalls festgestellt wurde der Briefkasten der Klägerin, der sich auf einem unbebauten Grundstück zwei Grundstücke von den Geschäftsräumlichkeiten der Klägerin entfernt befunden habe. Die Geschäftsräumlichkeiten selbst seien von außen, soweit einsehbar, nicht für eine unternehmerische Tätigkeit eingerichtet.
Mit Schreiben vom 02. November 2009, gerichtet an die Zweigniederlassung der Klägerin in B., lehnte der Beklagte die Erteilung einer Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke ab.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 11. November 2009, eingegangen beim Beklagten am 13. November 2009, Einspruch ein. Sie trägt zur Begründung vor, dass sie die Unternehmereigenschaft bereits mehrfach nachgewiesen habe und das Finanzamt bisher die vorgelegten Unterlagen ignoriert habe. Die Klägerin legte ferner eine Rechnung über den Verkauf einer Frankiermaschine vom 01. September 2009 über 750 EUR netto vor.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 2010 als unbegründet zurück. Die Klägerin sei kein Unternehmer. Jedenfalls sei die beabsichtigte unternehmerische Tätigkeit bislang nicht durch objektive Anhaltspunkte belegt.
Die hiergegen gerichtete Klage ging beim Finanzgericht B. am 22. Februar 2010 ein, welches den Rechtsstreit mit Beschluss vom 20. April 2010 an das hiesige Finanzgericht verwiesen hat. Die Klägerin trägt zur Begründung vor, dass der Beklagte keine Rechtsgrundlage habe, die Erteilung der Steuernummer zu verweigern. Der Anspruch der Klägerin ergebe sich mittelbar aus § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Der Beklagte habe mit Verweigerung der Erteilung der Steuernummer in die vom Grundgesetz geschützte Berufsfreiheit der Klägerin eingegriffen. Eine Umsatzsteuernachschau habe zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Das Büro sei täglich 8 Stunden besetzt. Zu den behaupteten Zeiten habe aber niemand geklingelt. Die Unternehmereigenschaft der Klägerin sei gegeben. Sie habe Geschäftsräumlichkeiten angemietet und bereits eine Betriebsnummer beim Arbeitsamt erhalten. Ferner habe sie an die K. GmbH eine Frankiermaschine verkauft, welches ein steuerbarer Umsatz sei. Die Vermittlung von Umsätzen im Zusammenhang mit der Lieferung der Tribünenkonstruktion sei hingegen im Drittlandsgebiet erfolgt und daher nach § 4 Nr. 5 Buchstabe c UStG steuerfrei. Der Klägerin sei weiter vom Zoll eine EORI-Nummer zugeteilt worden. Auch werde die Klägerin bei der IHK B. als beitragspflichtig geführt. Ein Betragsbescheid datiere auf den 25. Februar 2010. Die Klägerin habe sich ferner mit Vertrag vom 31. Dezember 2009 als stille Gesellschafterin an der J. Handels-GmbH sowie mit zusätzlichen Verträgen an weiteren vier Gesellschaften beteiligt. Bereits am 07. Juli 2009 habe die Klägerin mit der Stadt L. (Ukraine) einen Vertrag über die Lieferung einer Stahlkonstruktion der Tribüne des Fußballstadions in I. über 4,3 Mio. EUR geschlossen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 02. November 2009 sowie der hiezu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 2010 der Klägerin eine Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist zur Begründung zum einen auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Zudem sei die von der Klägerin beantragte Vergabe einer Steuernummer bereits deshalb zu versagen, da von der Klägerin kein objektiver Nachweis für die beabsichtigte unternehmerische Tätigkeit erbracht worden sei. Die Klägerin habe nicht ausreichend dargelegt, welche konkrete unternehmerische Tätigkeit von ihr in Zukunft ausgeübt werden solle. Letztlich sei nicht zuletzt wegen der unkonkreten Geschäftsbezeichnung im Handelsregistereintrag, der nahezu sämtliche denkbaren Geschäftsbereiche umfasse, völlig offen, in welcher Einzelbranche die Klägerin Umsätze mit welchen potentiellen Geschäftspartnern erzielen wolle. Die Klägerin habe bislang weder ein nachvollziehbares Geschäftskonzept oder eine plausible Rentabilitätsstudie vorgelegt noch Umstände vorgetragen, wie deren Verwirklichung realisiert werden soll bzw. kann. Da konkrete Art der Tätigkeit bislang nicht geklärt sei, sei auch offen, weshalb von der Klägerin überhaupt Büroräume benötigt werden. Es sei daher nicht auszuschließen, dass die angemieteten Räumlichkeiten gänzlich anderen Zwecken dienten. Auch sei die tatsächliche Durchführung der von der Klägerin in den vorgelegten Rechnungen ausgewiesen Leistungen zweifelhaft, jedenfalls nicht nachgewiesen. Es bestehe die Vermutung, dass die Klägerin zwar rechtlich existent aber wirtschaftlich inaktiv sei. Die Klägerin müsse nachweisen, dass sie nicht nur eine Briefkastenfirma sei. 24 der am Briefkasten vorgefundenen Firmen seien im Zusammenhang mit Herrn G. zu bringen. Herr G. solle, dies ergebe sich aus einer Einsichtnahme in die sog. Z.-Datenbank, im Jahr 2007 ein Firmennetz geschaffen haben und innerhalb dieses Netzwerkes Rechnungen gelegt haben, denen kein Leistungsaustausch zu Grunde gelegen habe. Für die Rechnungsempfänger werde dann Vorsteuer geltend gemacht, während die Rechnungsaussteller zeitnah liquidiert würden. Das bloße Halten von Beteiligungen aus dem Firmengeflecht von Herrn G. sei keine unternehmerische Tätigkeit. Soweit das Finanzamt für Körperschaften III in B. der Klägerin eine Steuernummer für ertragsteuerliche Zwecke erteilt habe, sei dieses für das Finanzamt M. und die Beurteilung der Unternehmereigenschaft nicht bindend, zumal die Richtigkeit der Entscheidung in B. zweifelhaft sei. Jedenfalls konnten geschäftliche Tätigkeiten und eine Einnahmenerzielungsabsicht der Klägerin bisher nicht festgestellt werden. Aus dem Jahresabschluss für 2008 ergebe sich zudem, dass im Jahr 2008 keine Umsätze ausgeführt wurden. Die für das Jahr 2009 vorgelegten zwei Rechnungen seien hinsichtlich der tatsächlichen Ausführung der Leistungen zweifelhaft.
Der Beklagte trägt weiter vor, dass die Vielzahl der dargelegten Zweifel und Indizien den Schluss zulassen, dass, wenn auch nicht bewiesen, so doch die starke Vermutung bestehe, dass die Steuernummer von der Klägerin missbräuchlich verwendet werden solle. In Fällen des offensichtlichen Missbrauches könne auch nach der BFH-Rechtsprechung die Erteilung einer Steuernummer abgelehnt werden. Dem Missbrauch und einem Umsatzsteuerbetrug könne auch nicht durch eine Sicherheitsleistung nach § 18 f des Umsatzsteuergesetzes (UStG) begegnet werden. Denn zum einen sei zu befürchten, dass nach Vergabe der Steuernummer Voranmeldungen nicht oder nicht regelmäßig eingereicht bzw. daraus resultierende Beträge nicht oder nicht vollständig entrichtet werden. Zum anderen sei zu berücksichtigen, dass die Vergabe der Steuernummer nicht nur steuerliche Folgen für die Klägerin habe. Diese sei mit der Steuernummer in der Lage, Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis an eine Vielzahl von Personen zu legen, die diese ihrerseits zum (nicht gerechtfertigten) Vorsteuerabzug verwenden könnten. Letztlich sei dieser Personenkreis weder abgrenzbar noch bekannt, solange die Klägerin ihre berechneten Umsätze nicht erklärt.
Die Vergabe der Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke sei auch bereits deshalb abzulehnen, da anderenfalls durch die bloße Anmeldung einer im Inland ansässigen unselbständigen Zweigniederlassung das Vorsteuer-Vergütungsverfahren und die Regelung des § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG, d.h. das Erfordernis der Gegenseitigkeit bei im Drittland ansässigen Unternehmen als Voraussetzung für das Vorsteuer-Vergütungsverfahren umgangen werden könnte. Die Klägerin als ukrainische Gesellschaft könnte mangels Gegenseitigkeit mit der Ukraine im Vorsteuer-Vergütungsverfahren keine im Inland entstandene und ihr in Rechnung gestellt Umsatzsteuer erstattet bekommen. Diese Regelung würde aber umgangen werden, wenn die Klägerin auf Grund der Vergabe einer Steuernummer am allgemeinen Besteuerungsverfahren teilnehmen könnte. Es käme mithin darauf an, ob die Klägerin tatsächlich im Inland über eine feste Niederlassung verfüge, von wo aus Dienstleistungen erbracht oder Umsätze bewirkt werden. Dieses sei aber zweifelhaft, da die Klägerin zwar im Erörterungstermin vorgetragen hat, dass die wesentlichen Entscheidungen der Geschäftsführung in der Hauptniederlassung in der Ukraine getroffen werden, letztlich aber offen geblieben sei, ob in dem in der …straße in B. angemieteten Büro überhaupt und falls ja welche konkreten geschäftlichen Tätigkeiten ausgeübt werden. Dieser Eindruck werde dadurch bestätigt, dass die Alleingesellschafterin die deutsche Sprache erst in den vergangenen Monaten erlernt habe und auch aktuellen Darstellungen rechtlicher und wirtschaftlicher Art sprachlich nur bedingt folgen könne. Fiktive Ansiedlungen wie „Briefkastenfirmen” oder „Strohfirmen” würden jedoch keinen Sitz einer wirtschaftlichen Tätigkeit begründen.
Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die zulässige Klage ist begründet.
Die Weigerung des Beklagten, der Klägerin auf ihren Antrag eine Steuernummer zu umsatzsteuerlichen Zwecken zu erteilen, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer zu umsatzsteuerlichen Zwecken.
a) Die Klage ist zulässig.
Die einmonatige Klagefrist gem. § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO ist trotz der zunächst beim Finanzgericht B. fristgerecht erhobenen und erst nach Ablauf der Klagefrist hier eingegangenen Klage gewahrt, da nach der Verweisung gem. § 17 b Abs. 2 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) die Wirkungen der Rechtshängigkeit bestehen bleiben.
Unabhängig von der örtlichen Zuständigkeit des Beklagten für die Erteilung der von der Klägerin begehrten Steuernummer zu umsatzsteuerlichen Zwecken ist jedenfalls die (passive) Prozessführungsbefugnis des § 63 Abs. 1 FGO gegeben. Nach § 63 Abs. 1 FGO ist die Klage gegen die Behörde zu richten, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen oder die den beantragten Verwaltungsakt oder die andere Leistung unterlassen oder abgelehnt hat. Dieses ist vorliegend das Finanzamt M. § 63 Abs. 1 FGO bestimmt ohne Ansehen des rechtlichen Inhalts des streitigen Rechtsverhältnisses, wer zu verklagen ist, d.h. die Prozessführungsbefugnis. Davon zu unterscheiden ist die Sach- oder Passivlegitimation, die die Frage beantwortet, ob der Beklagte nach dem materiellen Recht auch der Anspruchsverpflichtete ist (BFH-Urteil vom 21. Juli 2009 VII R 52/08, BFH/NV 2009, 1906).
b) Die Klage ist auch begründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer zu umsatzsteuerlichen Zwecken.
Ein öffentlich-rechtlicher Anspruch von Unternehmern i.S. des § 2 UStG auf Erteilung einer Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke ist zwar weder im Gemeinschaftsrecht noch im inländischen Recht ausdrücklich vorgesehen; ein solcher Anspruch ergibt sich aber mittelbar aus § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG (BFH-Urteil vom 23. September 2009 II R 66/07, BFH/NV 2010, 365, BFH-Beschluss vom 26. Februar 2008 II B 6/08, BFH/NV 2008, 1004). Nach dieser Vorschrift muss eine Rechnung u.a. die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer enthalten. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG ist der Unternehmer, der eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausführt, verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen, wenn er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person ausführt (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG) oder wenn er eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1 UStG) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück ausführt (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG). Der Leistungsempfänger seinerseits kann das Recht auf Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG nur ausüben, wenn er eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Enthält die Rechnung weder eine dem leistenden Unternehmer erteilte Steuernummer noch dessen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, kann der Vorsteuerabzug nicht ausgeübt werden (Wagner in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 15 Rz 359 bis 361; Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange, § 15 UStG Rz 95; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 15 Rz 301 f.; Heidner in Bunjes/Geist, UStG, 9. Aufl., § 15 Rz 137a). Vielmehr kann und muss der leistende Unternehmer seinen gesetzlichen Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer gegenüber dem FA ggf. gerichtlich durchsetzen (BFH-Urteil vom 02. September 2010 V R 55/09, BStBl II 2011, 235,BFHE 231, 332). Die Steuernummer dient danach nicht nur der verwaltungstechnischen Erfassung von Steuerpflichtigen und der Durchführung des Besteuerungsverfahrens. Sie ist vielmehr regelmäßig Voraussetzung für ein selbständiges gewerbliches oder berufliches Tätigwerden, soweit nicht ausnahmsweise ausschließlich Umsätze ausgeführt werden sollen, für die die Ausstellung einer Rechnung mit Angabe der Steuernummer oder der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nicht vorgeschrieben ist. Der Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen unter Angabe der Steuernummer steht demgemäß ein öffentlich-rechtlicher Anspruch des Unternehmers auf Erteilung einer Steuernummer gegenüber (BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 1004). Die Steuernummer ist zudem auch Voraussetzung für die Erteilung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nach § 27a UStG. In dem Antrag auf Erteilung einer solchen Nummer ist nämlich die Steuernummer anzugeben, unter der die Klägerin umsatzsteuerlich geführt wird (§ 27a Abs. 1 Satz 6 UStG).
aa) Der Beklagte ist für die Erteilung der Steuernummer örtlich zuständig, d.h. der Anspruch richtete sich gegen ihn. Gem. § 21 der Abgabenordnung (AO) ist für die Umsatzsteuer mit Ausnahme der Einfuhrumsatzsteuer das Finanzamt zuständig, von dessen Bezirk aus der Unternehmer sein Unternehmen im Geltungsbereich des Gesetzes ganz oder vorwiegend betreibt. Für Unternehmer, die Wohnsitz, Sitz oder Geschäftsleitung außerhalb Deutschlands haben, hat das BMF mit der Umsatzsteuerzuständigkeitsverordnung (UStZustV) vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3794) auf Grund von § 21 Abs. 1 Satz 2 AO die örtliche Zuständigkeit bestimmten Finanzämtern übertragen. Danach ist gem. § 1 Abs. 1 Nr. 31 UStZustV das Finanzamt M. für in der Ukraine ansässige Unternehmer zuständig. Die Klägerin hat weder ihren Sitz (§ 11 AO) noch ihre Geschäftsleitung (§ 10 AO) in Deutschland. Geschäftsleitung ist nach der Legaldefinition des § 10 AO der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Diese befindet sich dort, wo der für die Geschäftsführung maßgebliche Wille gebildet wird, wobei die tatsächlichen Gegebenheiten maßgeblich sind (Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 10 AO Rz. 1). Ausweislich des Handelsregistereintrages sowie der Bekundungen der Klägerin betreibt diese in B. lediglich eine unselbständige Zweigniederlassung, wobei die zentralen Unternehmensentscheidungen am Sitz der Gesellschaft in der Ukraine getroffen werden. Eine Zweigniederlassung stellt noch keine geschäftliche Oberleitung, sondern allenfalls eine örtlich begrenzte Geschäftsleitung dar (BFH-Urteil vom 08. April 1976 III R 55/76, BStBl II 1976, 708, Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 10 AO Rz. 2, Gersch in Klein AO, 9. Aufl., § 10 Rz. 3). Soweit der Beklagte behauptet, die Klägerin betreibe in B. lediglich eine „Briefkastenfirma”, wäre auch hiernach eine Zuständigkeit des Beklagten gegeben, da zwischen den Beteiligten unstreitig ist, dass die Klägerin jedenfalls in der Ukraine eine Niederlassung betreibt. Anhaltspunkte dafür, dass dieses nicht der Fall sein sollte, bestehen nicht.
bb) Dem Anspruch steht nicht schon entgegen, dass die Klägerin eine im Drittlandsgebiet ansässige ausländische juristische Person ist und als solche gem. Art. 19 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) nicht in den Schutzbereich der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG fällt. Dieses Grundrecht steht nicht nur „allen Deutschen” als natürlichen Personen zu, sondern es ist nach Art. 19 Abs. 3 GG auch auf inländische juristische Personen des Privatrechts anwendbar, soweit sie eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offen steht (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG– vom 26. Juni 2002 1 BvR 558, 1428/91, BVerfGE 105, 252, 265). Eine solche ist die Klägerin nicht. Die Klägerin ist auch nicht eine juristische Person aus einem Mitgliedsstaat der EU, so dass sie ebenfalls nicht über die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit inländischen juristischen Personen gleichgestellt ist. Zwar hat der BFH den Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer zu umsatzsteuerlichen Zwecken auch damit begründet, dass die Ablehnung der Vergabe einer derartigen Steuernummer durch das Finanzamt an eine GmbH, die zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtende Umsätze ausführen will, die Wirkung eines Tätigkeitsverbotes hat und einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG darstellen würde (BFH-Beschluss vom 26. Februar 2008 II B 6/08, BFH/NV 2008, 1004). Nach Auffassung des Senats ist dieses jedoch nur ein weiterer Argumentationsstrang, um einen Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer zu begründen. Ist eine nicht gesetzlich normierte Anspruchsgrundlage aber gegeben, richtet sich die Frage, wer Anspruchsinhaber ist nach einfachgesetzlichen Vorschriften, d.h. nach den Vorschriften des UStG, welches sich an Unternehmer i.S.v. § 2 UStG richtet (vgl. auch BVerwG-Urteil vom 04. Oktober 1994 1 C 13/93, BVerwGE 97, 12) Der Anspruch ergibt sich aber bereits, wie oben dargestellt, mittelbar aus § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG und richtet sich an alle Unternehmer i.S. v. § 2 UStG, d.h. auch an Unternehmer mit Sitz im Gemeinschafts- oder Drittlandsgebiet, d.h. auch an ausländische juristische Personen, sofern sie Unternehmer sind. Unternehmer im Sinne des UStG kann aber selbst eine nach ausländischem Recht errichtete und im Ausland ansässige Gesellschaft sein, und zwar unabhängig davon, ob sie nach deutschem Recht rechtsfähig ist (BFH-Urteil vom 21. April 1994 V R 105/91, BFHE 174, 469, BStBl II 1994, 671).
cc) Die Klägerin hat einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke, da sie die notwendige, durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht, eine unternehmerische Tätigkeit im Inland auszuüben nach Überzeugung des Senats ausreichend dargelegt hat. Es kommt nicht darauf an, ob und in welchem Umfang die Klägerin tatsächlich als Unternehmerin am Markt tätig geworden ist (BFH Beschluss vom 26. Februar 2008 II B 6/08, BFH/NV 2008, 1004, BFH Urteil vom 23. September 2009 II R 66/07, BFH/NV 2010, 365).
Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt (§ 2 Abs. 1 Sätze 1 und 3 UStG). Zur Begründung der Unternehmereigenschaft ist die Aufnahme der tatsächlichen Umsatztätigkeit nicht erforderlich. Die Unternehmereigenschaft beginnt vielmehr bereits mit den ersten auf die Ausführung entgeltlicher Leistungen gerichteten, nach außen ersichtlichen Handlungen; dazu gehören auch Vorbereitungshandlungen wie etwa Investitionen in Räume oder Werbemaßnahmen. Entscheidend ist dabei die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht, eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben (BFH-Urteile vom 22. Februar 2001 V R 77/96, BFHE 194, 498, BStBl II 2003, 426, und vom 17. Mai 2001 V R 38/00, BFHE 195, 437, BStBl II 2003, 434; BFH-Beschlüsse vom 23. Mai 2002 V B 104/01, BFH/NV 2002, 1351, und vom 20. Dezember 2007 IX B 194/07). Erfüllt eine in das Handelsregister eingetragene GmbH diese Anforderungen an die Unternehmereigenschaft, ist sie auch dann als Unternehmerin i.S. des § 2 UStG zu beurteilen, wenn ihr alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer seinen Wohnsitz im Ausland hat. Auch Ausländer, die im Inland keinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt haben, können nach § 6 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) zu Geschäftsführern bestellt werden, jedenfalls wenn sie jederzeit in das Inland einreisen können, wie dies insbesondere innerhalb der EU der Fall ist (Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 2. Mai 2007 9 W 26/07, OLGR Celle 2007, 445; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 6 Rz 9, je m.w.N.). Unternehmer im Sinne des UStG kann zudem selbst eine nach ausländischem Recht errichtete und im Ausland ansässige Gesellschaft sein, und zwar unabhängig davon, ob sie nach deutschem Recht rechtsfähig ist (BFH-Urteil vom 21. April 1994 V R 105/91, BFHE 174, 469, BStBl II 1994, 671). Mögliche Schwierigkeiten bei der Vollstreckung von Steuerforderungen spielen dabei keine Rolle. Die GmbH braucht nicht über Geschäftsräume zu verfügen, die gewisse Mindestanforderungen erfüllen, um Unternehmerin i.S. des § 2 UStG sein zu können. Als Unternehmer im Sinne dieser Vorschrift kommen auch Domizilgesellschaften und „Strohmänner” in Betracht (BFH-Beschlüsse von 9. Juli 1998 V B 143/97, BFH/NV 1999, 221, und vom 18. Juli 2001 V B 198/00, BFH/NV 2002, 78).
Die Klägerin ist als juristische Person, die nicht Organgesellschaft ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG), selbständig tätig und hat jedenfalls ihre Absicht, im Inland eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben, durch objektive Anhaltspunkte belegt, und zwar u.a. durch den Abschluss des Mietvertrages über ihre Geschäftsräumlichkeiten, die Gewerbeanmeldung bei der IHK, die beantragte und erfolgte Erteilung der Zollnummer und die Anbahnung von Geschäftsbeziehungen mit anderen Unternehmen, wie etwa den Erwerb und die Lieferung einer Frankiermaschine. Auch die Abgabe des Fragebogens zur steuerlichen Erfassung ist für sich genommen schon ein Indiz für die Absicht, unternehmerisch tätig zu werden. Allerdings kann allein die Beteiligung an weiteren Unternehmen, etwa als stiller Gesellschafter nicht zur Begründung der eigenen unternehmerischen Tätigkeit dienen. Entgegen der Auffassung des Beklagten muss sich die Klägerin jedenfalls für Zwecke der Erteilung der Steuernummer auch noch nicht entscheiden, in welcher Branche sie konkret tätig werden möchte oder gar ein Geschäftskonzept oder eine plausible Rentabilitätsstudie vorlegen. Dieses würde die Anforderungen zur Erteilung einer Steuernummer, die ja den Beginn der tatsächlichen konkreten unternehmerische Tätigkeit erst ermöglichen soll, überspannen. Es kommt lediglich darauf an, ob Anhaltspunkte dafür bestehen und dargelegt sind, dass die Klägerin die Absicht hat, unternehmerisch tätig zu werden. Erst recht muss die Klägerin noch keine konkreten Tätigkeiten ausgeführt haben, weshalb es auch nicht darauf ankommt, welche konkreten Leistungen die Klägerin tatsächlich bisher ausgeführt hat. Jedenfalls die Absicht, unternehmerisch tätig zu werden, auf die es allein ankommt, ist an Hand der vorgelegten Unterlagen dargelegt. Dafür, dass sämtliche Tätigkeiten und Aktivitäten von der Klägerin nur zum Schein ausgeführt wurden, um eine Steuernummer zu erhalten, bestehen keine Anhaltspunkte.
dd) Es ist auch nicht offensichtlich, dass die Klägerin die Steuernummer ausschließlich zu Zwecken des Missbrauches verwenden will. Hierfür bestehen keine Anhaltspunkte. Jedenfalls ist ein Missbrauch nicht offensichtlich. Zudem wäre die Vergabe der Steuernummer auch nur in dem Fall zu versagen, wenn sie ausschließlich missbräuchlich verwandt werden soll. Sofern die Steuernummer auch für nicht missbräuchliche Zwecke verwandt werden soll, ist sie zu erteilen. Dass die Klägerin aber ausschließlich Missbrauch betreiben will, behauptet der Beklagte nicht, er trägt lediglich zur Gefahr eines Missbrauches vor. Der Gefahr eines Missbrauches kann und muss das Finanzamt im Rahmen der Veranlagung begegnen. Es ist Aufgabe des für die Besteuerung zuständigen Finanzamts, die Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuererklärungen (§ 18 Abs. 1 und 3 UStG) auf mögliche Steuerverkürzungen zu überprüfen. Das Finanzamt kann zudem von den Möglichkeiten Gebrauch machen, die § 18f UStG hinsichtlich einer Sicherheitsleistung vorsieht. Der Unternehmer trägt dabei nach den maßgebenden Beweisregeln die Feststellungslast (objektive Beweislast) für die Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Vorsteuerabzug und die Unternehmereigenschaft. Insbesondere entfaltet die Erteilung der Steuernummer keine Bindungswirkung für die spätere Festsetzung von Umsatzsteuer oder Umsatzsteuer-Vorauszahlungen. Eine gesetzliche Grundlage für eine solche Bindungswirkung gibt es nicht. Beim Erlass von Umsatzsteuerbescheiden ist vielmehr die Unternehmereigenschaft eigenständig zu prüfen, ohne dass es auf die Erteilung einer Steuernummer ankommt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 29. Juni 2000 V R 28/99, BFHE 191, 468, BStBl II 2000, 597; vom 10. März 2005 V R 29/03, BFHE 209, 162, BStBl II 2005, 730, und vom 11. Oktober 2007 V R 77/05, BFHE 219, 277, BStBl II 2008, 443). Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug in Fällen, in denen es aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht zur Ausführung steuerpflichtiger, zum Vorsteuerabzug berechtigender Umsätze kommt, wird ebenfalls nicht aus der Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke abgeleitet. Entscheidend sind vielmehr die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht, i.S. von § 2 UStG eine Umsatztätigkeit gegen Entgelt selbständig auszuüben, sowie die Tätigung erster Investitionsausgaben für diesen Zweck (BFH-Urteile vom 22. Februar 2001 V R 77/96, BFHE 194, 498, BStBl II 2003, 426; vom 8. März 2001 V R 24/98, BFHE 194, 522, BStBl II 2003, 430, und vom 17. Mai 2001 V R 38/00, BFHE 195, 437, BStBl II 2003, 434; BFH-Beschluss vom 23. Mai 2002 V B 104/01, BFH/NV 2002, 1351). Die Unternehmereigenschaft des Leistenden ist bei der Steuerfestsetzung gegen den Leistungsempfänger, der den Vorsteuerabzug begehrt, und in einem etwaigen Rechtsstreit ebenfalls eigenständig zu prüfen (BFH-Beschluss vom 19. Februar 2008 XI B 205/07, BFH/NV 2008, 1210). Der Vortrag des Beklagten, dass die abstrakte Gefahr der Ausstellung von Scheinrechnungen bestehe, die anderen Unternehmen den missbräuchlichen Vorsteuerabzug ermöglichen, besteht bei jedem Unternehmen und muss als systemimmanent hingenommen werden. Die Gefahr eines derartigen Missbrauches, an dem letztlich zwei Unternehmen beteiligt sind, kann letztlich nur durch permanente und kurzfristige Kontrollen eingedämmt werden, jedoch nicht schon bei der Vergabe der Steuernummer, sofern, wie oben dargestellt, nicht ausschließlich und offensichtlich Missbrauch betrieben werden soll, wobei eine derartige Offensichtlichkeit und Ausschließlichkeit vorliegend nicht ersichtlich ist. Darüber hinaus ließe sich ein derartiger vom Finanzamt befürchteter Umsatzsteuerbetrug auch durch die Ablehnung der Vergabe der Steuernummer nicht verhindern, da es auch möglich ist, etwa mit einer „abgeschriebenen” oder fiktiven Steuernummer Rechnungen auszustellen und hiermit Vorsteuern anzumelden. Diese Gefahr ließe sich nur dadurch vermeiden, wenn das Finanzamt sich bei jeder Voranmeldung jede Rechnung vorlegen lässt und die tatsächlichen Leistungsbeziehungen überprüft. Dieses ist hingegen in der Praxis nur schwer, wenn nicht gar nicht, umzusetzen.
ee) Dem Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer Steuernummer zu umsatzsteuerlichen Zwecken steht das Vorsteuer-Vergütungsverfahren nach § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59 ff UStDV nicht entgegen. Seit dem UStG 1980 hat jeder ausländische Unternehmer unter den Voraussetzungen des § 15 UStG Anspruch auf Entlastung von Vorsteuern, unabhängig davon, ob er im Inland auch Umsätze zu versteuern hat. Lediglich zur Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens für die ausländischen Unternehmer sowie zur Entlastung der Finanzämter, die ausländische Unternehmer sonst im allgemeinen Besteuerungsverfahren erfassen müssten, auch wenn es nur um den Vorsteuerabzug geht, erfolgt der Vorsteuerabzug auf der Grundlage von § 18 Abs. 9 UStG zwingend in bestimmten Fällen im besonderen Vergütungsverfahren zentral durch das Bundeszentralamt für Steuern (Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 18 Rz. 101). Zunächst sagt aber die Vergabe der Steuernummer noch nichts darüber aus, ob die Klägerin im jeweiligen Veranlagungszeitraum am allgemeinen Besteuerungsverfahren oder am Vorsteuervergütungsverfahren teilnehmen muss, wobei die Verfahren sich gegenseitig ausschließen (FG München Urteil vom 04. Februar 2010 14 K 2800/08, EFG 2010, 1267). Es ist vielmehr in jedem Anmeldungszeitraum unabhängig von der Steuernummer nach dem materiellen Recht, d.h. nach § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. § 59 ff UStDV zu prüfen, ob und wenn ja nach welchem Verfahren die Klägerin etwaige Vorsteuern erstattet bekommen kann. Der Unternehmer hat nach Ablauf eines Kalenderjahres kein Wahlrecht, ob er die Erstattung seiner Vorsteuerbeträge in dem einen oder dem anderen Verfahren verfolgt, wenn lediglich die Voraussetzungen des Vorsteuer-Vergütungsverfahrens im abgelaufenen Jahr vorgelegen haben, so dass er nicht bei der Versäumung der Antragsfrist des Vergütungsverfahrens (nach § 18 Abs. 9 Satz 2 Nr. 2 UStG i.V.m. § 61 a Abs. 2 UStDV binnen sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist), die Vorsteuerbeträge, die eigentlich dem Vergütungsverfahren unterlegen haben, stattdessen im Veranlagungsverfahren geltend machen kann (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 2003 V R 48/01, BFH/NV 2004, 301). Im Drittlandsgebiet ansässige Unternehmer, die dem Vorsteuer-Vergütungsverfahren unterfallen, werden zwar vom Umsatzsteuergesetz (etwa durch den Ausschluss des Vorsteuerabzuges bei fehlender Gegenseitigkeit i.S.v. § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG) anders behandelt als solche, die vom regulären Besteuerungsverfahren erfasst werden, Dieses ist aber deshalb gerechtfertigt, weil Unternehmer, die dem Vorsteuer-Vergütungsverfahren unterliegen, im Inland keine steuerpflichtigen Umsätze erzielen (BFH-Urteil vom 10. April 2003 V R 35/01, BStBl II 2003, 782,BFHE 111, 187). Weiterhin wäre das Vorsteuervergütungsverfahren auf die Klägerin gem. § 59 Satz 2 UStDV ohnehin nicht anzuwenden, da sie zwar ein im Ausland ansässiger Unternehmer ist, mit ihrer Zweigniederlassung in B. aber eine Betriebsstätte i.S.v. § 12 Satz 2 Nr. 2 AO im Inland hat. Selbst wenn eine derartige Zweigniederlassung nicht bestehen sollte, hätte, unabhängig von dem Vorliegen der von dem Beklagten problematisierten Frage der fehlenden Gegenseitigkeit zur Ukraine in § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG (bis 31. Dezember 2009: § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG) die Besteuerung nach dem allgemeinen Besteuerungsverfahren, d.h. nach § 16, § 18 Abs. 1 bis 4 UStG zu erfolgen, wenn die Klägerin als im Ausland ansässiger Unternehmer auch andere als die in § 59 Abs. 1 UStDV genannten Umsätze im Inland ausgeführt hat (Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 18 Rz. 127).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1, 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
4. Die Zulassung der Revision erfolgte im Hinblick auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache sowie zur Fortbildung des Rechts gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. Soweit ersichtlich, existiert noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, ob die Anspruchsvoraussetzungen zur Erteilung einer Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke für ausländische juristische Personen aus Drittländern anders oder abweichend zu beurteilen sind, als für inländische juristische Personen.