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  • 25.08.2011

    Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 28.10.2010 – 1 K 1327/07

    1. Ein flüssiges Nahrungsergänzungsmittel zur Stärkung der Vitalfunktionen, welches in einer 30 ml oder 100 ml Braunglasflasche mit Tropfendosierer zur direkten Aufnahme über die Mundschleimhaut angeboten wird, mit 12 Tropfen pro Tag eingenommen werden soll und dessen Alkoholgehalt 12,5 % beträgt, ist in die Unterposition 2208 9069 KN „Andere alkoholhaltige Getränke”) einzureihen. Dem steht weder die – die Trinkbarkeit nicht beschränkende – Verzehrempfehlung entgegen, noch, dass es sich um eine Dispersion von festen Partikeln (Wirkstoff) in einer flüssigen Trägersubstanz handelt.

    2. Ob eine Ware ein Getränk ist, ist nach objektiven und nachprüfbaren Kriterien zu bestimmen und darf nicht von rein subjektiven und veränderlichen Faktoren abhängen. So kommt es nicht auf die Art und Weise der Einnahme, die eingenommene Menge oder die besonderen Zwecke, denen die verschiedenen Arten genießbarer Flüssigkeiten dienen können, an.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 1. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 28. Oktober 2010 durch die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht …, die Richterin am Finanzgericht …, den Richter am Finanzgericht … die ehrenamtlichen Richter …

    für Recht erkannt:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

    Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

    Tatbestand:

    Die Beteiligten streiten um die zolltarifliche Einreihung eines flüssigen Nahrungsergänzungsmittels.

    Die Klägerin beantragte bei der Oberfinanzdirektion 1 – Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt A – eine verbindliche Zolltarifauskunft für das Nahrungsergänzungsmittel zur Stärkung der Vitalfunktionen mit der Bezeichnung X. Die Ware sollte in die Code-Nr. 2106 9092 600 der Kombinierten Nomenklatur – KN – eingereiht werden. Der Antrag wurde zuständigkeitshalber an die Oberfinanzdirektion 2 – Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt B – übersandt, die mit verbindlicher Zolltarifauskunft vom 18.07.2007 die Ware als „anderes alkoholisches Getränk” in die Code-Nr. 2208 9069 000 KN einreihte. In der Tarifauskunft wurde die Ware wie folgt beschreiben:

    „X Tropfen.

    Antragsangaben: Nahrungsergänzungsmittel zur Stärkung der Vitalfunktionen zur direkten Aufnahme über die Mundschleimhaut. 12 Tropfen entsprechen einem Volumen von 0,6 ml.

    Beschaffenheit der vorgelegten Warenprobe: gelb-orangefarbene, trübe, opaleszierende, unmittelbar trinkbare Flüssigkeit, leicht fettig riechend und schwach bitter und alkoholisch schmeckend in einer 30 ml oder 100 ml Braunglasflasche mit Tropfendosierer, verpackt in einer bedruckten Faltschachtel. Aufdruck (auszugsweise): X Nahrungsergänzungsmittel zur Erhaltung der Vitalität. Zutaten: Wasser, Alkohol, …. Verzehrempfehlung 12 Tropfen über den Tag verteilt auf der Zunge zergehen lassen. Maximale Tagesverzehrmenge: 30 mg (12 Tropfen).

    Alkohol: 12,5% vol.

    Die Beschränkung auf eine Einnahmemenge von 12 Tropfen pro Tag schließt eine Einreihung der Ware in die Position 2208 der KN nicht aus.

    Anderes alkoholisches Getränk, in Behältnissen mit einem Inhalt von 2 l oder weniger.”

    Dagegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein, den sie damit begründete, dass der in X enthaltene Alkohol nicht für die Einordnung in den Zolltarif ausschlaggebend sei. Der Alkohol habe nur die Funktion eines Hilfsstoffs, eines Konservierungsmittels und eines Trägers des Wirkstoffs. Weiterhin fehle X die Getränkeeigenschaft. Die Beschreibung als unmittelbar trinkbare Flüssigkeit sei unzutreffend. Infolge der bestimmungsgemäß geringen Menge an einzunehmendem X könne nicht von einer Eignung zum Trinken gesprochen werden. Nach Einnahme in den Mund könne die geringe Menge einer Einzeldosis von vier Tropfen nicht geschluckt und damit getrunken werden. Bestimmungsgemäß verbleibe die Flüssigkeit im Mund der jeweiligen Person. Damit liege keine Einnahme für den menschlichen Genuss vor, sondern nach objektiven Kriterien eine bloße Zuführung des Stoffes über die Mundschleimhaut in den Körper. Die Einnahme sei einem Auftragen auf die Mundschleimhaut und nicht einem Trinken vergleichbar. Trinken bedeute, eine Flüssigkeit zu schlucken, also eine Beförderung der Flüssigkeit in den Magen. Darüber hinaus habe der EuGH bezüglich eines Produktes, das ebenfalls die Gesundheit und die Vitalität fördere, eine Einstufung in die Zolltarif-Nummer 2106 9092 vorgenommen (Urteil vom 06.11.1997, C-201/96, HFR 1998, 137). Nach den Erläuterungen zum Harmonisierten System – HS – zur Unterposition 2106 90 würden auch andere alkoholhaltige Flüssigkeiten zu den Lebensmittelzubereitungen gehören.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 29.10.2007 wies die Oberfinanzdirektion 2 den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die KN keine gesonderte Position für die Gruppe der Nahrungsergänzungsmittel vorsehe. Daher sei für derartige Waren eine Position zu bestimmen, durch deren Wortlaut die objektiven Beschaffenheitsmerkmale des jeweils zu beurteilenden Nahrungsergänzungsmittels beschrieben würden. Für die Einreihung von Nahrungsergänzungsmitteln kämen verschiedene Positionen der KN in Betracht. Eine Einreihung in die begehrte Position 2106 komme aufgrund des Wortlauts „Lebensmittelzubereitungen, anderweit weder genannt noch inbegriffen”, dieser Position nur dann in Betracht, wenn eine Einreihung in andere Positionen der KN ausgeschlossen werden könne. Die hier einschlägige Position 2208 erfasse andere alkoholhaltige Getränke. Da die KN keine Definition des Begriffs Getränk enthalte, seien zur Auslegung des Begriffs die entsprechende Rechtsprechung des EuGH sowie der in den Erläuterungen enthaltene Hinweis zur Einreihung von Tonika (ErlKN Kap. 22 Rz 02.1) heranzuziehen. Nach dem Urteil des EuGH vom 26.03.1981 (C-114/80, HFR 1981, 344) sei der zolltarifliche Getränkebegriff ein Gattungsbegriff, mit dem alle zum menschlichen Genuss bestimmten und geeigneten Flüssigkeiten gemeint seien, sofern sie nicht von einer anderen Position erfasst würden. Ob eine Ware ein Getränk sei, sei nach objektiven und nachprüfbaren Kriterien zu bestimmen und dürfe nicht von rein subjektiven und veränderlichen Faktoren abhängen, wie z.B. von der Art und Weise, in der ein Erzeugnis eingenommen werde, oder vom Zweck seiner Einnahme (den Durst zu löschen oder die Gesundheit zu fördern). Das Produkt X sei eine zum menschlichen Genuss bestimmte und geeignete Flüssigkeit im Sinne des vom EuGH festgelegten zollrechtlichen Getränkebegriffs. Die geringe Einnahmemenge von 12 Tropfen über den Tag verteilt schließe die Einreihung von X als Getränk nicht aus. Dies ergebe sich auch aus der ErlKN Kap. 22 Rz 02.1, wonach zum Kapitel 22 auch Anregungsmittel (Tonika) gehörten, die nur in kleinen Mengen, z.B. löffelweise, eingenommen würden, die jedoch unmittelbar trinkbar seien. Eine Mindesteinnahmemenge könne daraus nicht hergeleitet werden. Im Übrigen würden nach der Resorption des Wirkstoffs die weiteren Bestandteile von X aus physiologischen Gründen nicht im Mund verbleiben, sondern mit dem Speichel geschluckt werden. Das Erzeugnis wäre nur dann nicht trinkbar, wenn es jedem Durchschnittsverbraucher aus gesundheitlichen oder geschmacklichen Gründen unmöglich wäre, das Erzeugnis unmittelbar, ohne Verdünnung oder sonstige Beigabe zu trinken. Andere Positionen, insbesondere für pharmazeutische Erzeugnisse, kämen für eine Einreihung von X nicht in Betracht. Für die Einreihung eines alkoholhaltigen Getränkes sei einzig und allein ausschlaggebend, dass Alkohol im Getränk enthalten sei. Der Zweck, den der Alkohol in der Flüssigkeit erfülle, sei nicht maßgebend. Auch auf die Verkehrsauffassung komme es für die Einreihung in die KN nicht an, da sich dies auch nicht mittelbar aus den Zolltarifvorschriften ergebe.

    Dagegen hat die Klägerin fristgerecht Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, dass es sich bei der streitigen Ware nicht um ein Getränk handele, da die wirksamen Bestandteile nicht geschluckt, sondern über die Mundschleimhaut resorbiert würden. Auch die Darreichungsform in Gestalt einer Tropfflasche spreche gegen das Vorliegen eines Getränks. Auch die bestimmungsgemäße Verwendung sowie die Art und Weise der Einnahme seien als objektive Kriterien laut Beipackzettel anzusehen, die gegen das Vorliegen eines Getränks sprechen würden. Der Wirkstoff sei der charakterbestimmende Bestandteil des Präparates und würde sich in festen Partikeln von 50 nm Größe in einer kolloidalen Dispersion befinden. Bei dem Alkohol handele es sich nur um einen Hilfsstoff, insbesondere handele es sich bei X nicht um eine Spirituose. Die Klägerin würde mit dem Präparat Y ein weiteres Produkt vertreiben, dessen maßgeblicher Inhaltsstoff ebenfalls der Wirkstoff sei. Diese Ware sei in die Position 2106 der KN eingereiht worden. Es sei unverständlich, dass zwei derart ähnliche Präparate verschieden eingereiht würden. X sei weder Arzneimittel noch Anregungsmittel, sondern unstreitig ein Nahrungsergänzungsmittel. Nahrungsergänzungsmittel seien nach dem Willen des Verordnungsgebers grundsätzlich in die Position 2106 der KN einzureihen. Soweit Nahrungsergänzungsmittel bislang in Gerichtsurteilen, Einreihungsverordnungen und Tarif-Avisen in andere Positionen eingereiht worden seien, handele es sich um unübliche bzw. nicht eindeutige Nahrungsergänzungsmittel. Es handele sich bei diesen Fällen um Ausnahmen, was dazu führe, dass derartige Abgrenzungen in enger Auslegung zu erfolgen hätten. Zu berücksichtigen sei ferner, dass Nahrungsergänzungsmittel erst seit Anfang der neunziger Jahre in relevanten Mengen auf den EU-Markt gelangt seien und die Richtlinie 2002/46/EG erstmals Regelungen für diese Präparate getroffen habe.

    Die Klägerin beantragt,

    unter Aufhebung der verbindlichen Zolltarifauskunft vom 18.07.2007 und der Einspruchsentscheidung vom 29.10.2007 den Beklagten zu verpflichten, eine verbindliche Zolltarifauskunft des Inhalts zu erteilen, dass das Produkt X in die Unterposition 2106 9092 der kombinierten Nomenklatur eingereiht wird,

    hilfsweise, die verbindliche Zolltarifauskunft vom 18.07.2007 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 29.10.2007 aufzuheben und den Beklagten zur Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten,

    weiter hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    Ist die Position 2208 9078 „andere alkoholhaltige Getränke” der KN so auszulegen, dass Nahrungsergänzungsmittel gemäß der Richtlinie 2002/46/EG, welche aus festen Kleinstpartikeln des Wirkstoffs bestehen, die in einer alkoholhaltigen kolloidalen Lösung schwimmen, in diese Position einzureihen sind?

    Wenn die erste Frage zu verneinen ist:

    Sind die oben genannten Erzeugnisse in die für Nahrungsergänzungsmittel übliche Position 2106 einzureihen, weil diese Position im Kontext genauer ist als die Position 2208 9078 ?

    Wenn auch die zweite Frage verneint wird:

    In welche Position der KN sind die oben näher beschriebenen Produkte dann einzureihen ?

    ferner, die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zuerklären.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er tritt dem klägerischen Vorbringen entgegen und führt aus, dass der Begriff Nahrungsergänzungsmittel im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen der KN nicht erscheine. Lediglich in den Erläuterungen werde der Begriff gelegentlich verwendet. Es könne keine Rede davon sein, dass der Verordnungsgeber die Nahrungsergänzungsmittel grundsätzlich in die Position 2106 einreihen wolle. Bislang würden die Nahrungsergänzungsmittel keine eigene zolltarifliche Kategorie darstellen. Was die geringe Einnahmemenge des streitigen Präparats betreffe, sei darauf hinzuweisen, dass die Begrenzung auf eine Tagesdosis von 12 Tropfen allein aus Gründen der Arzneimittelgesetzgebung erfolgt sei. Bei einer höheren Dosierung sei eine Zulassung als Arzneimittel erforderlich. Überdies würden im Internet unterschiedliche, zum Teil auch wesentlich höhere Dosierungsempfehlungen kursieren. Bei der Ware handele es sich um eine Flüssigkeit, auch wenn der Wirkstoff sich in festen Partikeln in einer Dispersion befinde. Dass etliche Nahrungsergänzungsmittel in die Position 2106 eingereiht würden, erkläre sich daraus, dass derartige Waren häufig in Tabletten- oder Kapselform angeboten würden, was zu einer Einreihung in die Position 2106 führe. Bezüglich der Einreihung von Y sei zu erläutern, dass diese Ware aufgrund ihrer abweichenden Zusammensetzung der Trägerstoffe eine deutlich unterschiedliche Konsistenz aufweisen würde. Y sei aufgrund der sehr zähen, sirupösen Konsistenz nicht als Getränk anzusehen und müsse damit aus der Position 2202 ausgeschlossen werden.

    Im Laufe des Verfahrens ist die behördliche Zuständigkeit auf den nunmehrigen Beklagten übergegangen.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe:

    Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Beklagte ist nicht zu verpflichten, die verbindliche Zolltarifauskunft mit dem begehrten Inhalt zu erteilen, dann die Klägerin hat darauf keinen Anspruch (§ 101 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –. Die angefochtene Zolltarifauskunft vom 18.07.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

    Das Produkt X ist zu Recht in die Unterposition 2208 9069 KN eingereiht worden.

    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften – EuGH – wie auch des Bundesfinanzhofs – BFH – ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind (BFH-Beschluss vom 24.10.2002 VII B 17/02, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen – BFH/NV – 2003, 216, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BFH und des EuGH). Dazu gibt es nach dem Übereinkommen zum HS Erläuterungen und Einreihungsavise (Tarifavise), die ebenso wie die Erläuterungen zur KN ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (BFH-Beschluss vom 24.10.2002, a.a.O.), um eine einheitliche Anwendung des Zolltarifs zu gewährleisten.

    Weiterhin ist auf den Verwendungszweck einer Ware, welche sich aus deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften ergibt, dann abzustellen, wenn im Wortlaut der genannten Bestimmungen oder in den Erläuterungen ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird.

    X erfüllt die Voraussetzungen für eine Einreihung in die Unterposition 2208 9069. Die Beschreibung der in diese Tariflinie einzureihenden Waren lautet in der KN:

    „Andere alkoholhaltige Getränke”.

    Das einzureihende Produkt stellt ein alkoholhaltiges Getränk der Position 2208 dar.

    Da die KN keine Definition des Begriffs „Getränk” enthält, ist die zu diesem Begriff ergangene Rechtsprechung des EuGH, der sich der BFH angeschlossen hat, maßgebend. Nach dem Urteil vom 26.03.1981 (C-114/80, HFR 1981, 344) ist der zolltarifliche Getränkebegriff ein Gattungsbegriff, mit dem alle zum menschlichen Genuss bestimmten und geeigneten Flüssigkeiten gemeint sind, sofern sie nicht von einer anderen spezifischen Einteilung erfasst werden. Ob eine Ware ein Getränk ist, ist nach objektiven und nachprüfbaren Kriterien zu bestimmen und darf nicht von rein subjektiven und veränderlichen Faktoren abhängen. So kommt es nicht auf die Art und Weise der Einnahme, die eingenommene Menge oder die besonderen Zwecke, denen die verschiedenen Arten genießbarer Flüssigkeiten dienen können, an. Der Begriff „Genuss” bzw. „genießbar” ist im Zusammenhang mit zolltariflichen Vorschriften nicht im Sinne einer positiven sensorischen Empfindung, sondern im technologischen Sinne zu verstehen, wonach eine bestimmte Substanz dem Körper zugeführt wird. Dies ist vorliegend gegeben.

    Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass es sich bei dem fraglichen Präparat um eine kolloidale Dispersion von festen Partikeln (Wirkstoff) in einer flüssigen Trägersubstanz handele, ändert dies nichts an der Einreihung der Ware als Getränk. Denn bei vielen Getränken handelt es sich physikalisch um Dispersionen. So enthalten zum Beispiel auch Fruchtsaftgetränke mit Fruchtfleisch oder die meisten Getränke mit Pflanzenextrakten ungelöste feste Bestandteile. Ungelöste Bestandteile können in handelsüblichen Getränken so fein verteilt sein, dass sie als kolloidale Dispersion vorliegen (zum Beispiel Milch oder milchhaltige Getränke).

    Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin lässt sich auf die Kennzeichnung der Flüssigkeiten als Nahrungsergänzungsmittel und den damit belegten Ausschluss eines Arzneimittels eine Einreihung in die Position 2106 KN nicht stützen. In seinem Urteil vom 26.03.1981 C-114/80, a.a.O., hat der EuGH bei der Einreihung eines Erzeugnisses, das aus Wasser, Bierhefe und 3,9 % natürlichem Zitronensaft bestand, und das nach der Herstellerempfehlung dreimal täglich in einer Menge von ein bis zwei Esslöffeln eingenommen werden sollte, in die Tarifnr. 22.02 GZT dem Umstand keine Bedeutung beigemessen, dass das Erzeugnis nach der Packungsaufschrift der Nahrungsergänzung diene. Sofern es sich um eine trink- und genießbare Flüssigkeit handelt, ist es für die zollrechtliche Tarifierung unbeachtlich, ob die Einnahme dieser Flüssigkeit einer ausgewogenen Ernährung und damit der Erhaltung und Förderung der Gesundheit dienen soll.

    Soweit der EuGH in seiner Entscheidung vom 17.12.2009 C-410/08 (HFR 2010, 312 Rz. 37) zur Einreihung ölhaltiger Gelatinekapseln auf die AV 3a zurückgegriffen und ausgeführt hat, dass die Position 2106 KN genauer als die Position 1515 und 1517 KN sei, lässt sich diese Entscheidung nicht auf Lebensmittelzubereitungen übertragen, die trinkbar und zum unmittelbaren menschlichen Genuss bestimmt sind, denn für solche Lebensmittelzubereitungen ist die Position 2208 KN genauer als die Position 2106 KN, weil sie nur eine bestimmte Art dieser Erzeugnisse, nämlich trinkbare, erfasst. Im Übrigen müsste, selbst wenn eine Einreihung der streitgegenständlichen Erzeugnisse nach der AV 3a) nicht möglich wäre, auf die AV 3c) zurückgegriffen werden. Danach wären die Erzeugnisse der in der KN zuletzt genannten Position und damit ebenfalls der Position 2208 KN zuzuweisen.

    Nach Maßgabe dieser Grundsätze handelt es sich bei der einzureihenden Zubereitung um eine zum menschlichen Genuss bestimmte und geeignete Flüssigkeit im Sinne des vom EuGH festgelegten zolltariflichen Getränkebegriffs. Die Zubereitung beinhaltet eine Zusammenstellung verschiedener Nährstoffe zur Optimierung der menschlichen Ernährung und ist zum menschlichen Genuss bestimmt. Sie wird auch von keiner anderen spezifischen Einteilung der KN erfasst. Aufgrund ihrer objektiven Eigenschaften und Beschaffenheitsmerkmale ist X entgegen der Auffassung der Klägerin auch unmittelbar trinkbar. Dieses Ergebnis folgt zunächst aus der durchgeführten sensorischen Prüfung bei der Oberfinanzdirektion 2 – Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt B –. Dabei wurde festgestellt, dass es sich um eine unmittelbar trinkbare Flüssigkeit mit schwach alkoholischem und schwach bitterem Geschmack handelte. Dieses Ergebnis wurde durch eine Verkostung der Ware durch die Berichterstatterin bestätigt, wobei festgestellt werden musste, dass der Geschmack der streitigen Ware als äußerst unangenehm zu bezeichnen ist. Auch die niedrige Einzeldosis von vier Tropfen X je Einnahme führt nicht dazu, dass die Ware nicht mehr als Getränk anzusprechen wäre. Zwar wird die entscheidende Substanz, der Wirkstoff, durch die Mundschleimhaut aufgenommen, aber die Trägersubstanz sowie etwaige Hilfsstoffe bleiben zunächst in der Mundhöhle, bis sie gemeinsam mit angesammeltem Speichel heruntergeschluckt werden und so in den Magen-Darm-Bereich gelangen.

    Liegt aufgrund der objektiven Beschaffenheit der Ware ein Getränk vor, verbleibt die Ware zolltariflich somit jedenfalls in Position 2208 KN, selbst wenn man eine Konkurrenzlage zu Position 2106 KN grundsätzlich für möglich hielte. Im Streitfall handelt es sich um Getränke. Den Beschreibungen der Klägerin ist auch nicht zu entnehmen, dass trotz der Verwendungshinweise (Tagesverzehrmenge 12 Tropfen) ein unmittelbarer Verzehr ausgeschlossen ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin wird die objektive Beschaffenheit – insbesondere die unmittelbare Trinkbarkeit – nicht durch die Verzehrempfehlungen aufgehoben. Die Eigenschaft als Getränk bleibt auch bei der empfohlenen Aufnahme einer geringen Menge unberührt (BFH-Urteil vom 30.03.2010 VII R 35/09, BFHE 229, 399). So wurde mit der VO (EG) Nr. 1114/2006 eine alkoholhaltige Ware, deren Einzeldosis 25 Tropfen betrug, der Position 2208 zugewiesen.

    Zu Unrecht beruft sich die Klägerin auf die Bestimmung des von ihr hergestellten Produkts als Nahrungsergänzungsmittel im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel – NemV –. Denn die in einer nationalen Verordnung festgelegten Begriffsbestimmungen und Verkehrsbeschränkungen des Lebensmittelrechts können zur Auslegung der Positionen 2208 und 2106 KN nicht herangezogen werden (BFH-Urteil vom 30.03.2010 VII R 35/09, BFHE 229, 399). Dies gilt auch für die Richtlinie 2002/46/EG, die keine unmittelbaren tariflichen Auswirkungen nach zieht, sondern im Wesentlichen die Abgrenzung zwischen anderen Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln, sowie die im Hinblick auf den Verbraucherschutz erforderlichen Regelungen, unter denen Nahrungsergänzungsmittel im Gemeinschaftsgebiet in Verkehr gebracht werden dürfen, beinhaltet. Insbesondere wurde durch die Richtlinie 2002/46/EG keine eigene zolltarifliche Kategorie für Nahrungsergänzungsmittel geschaffen. Insoweit bleibt auch die von der Klägerin ins Feld geführte Unterscheidung zwischen „üblichen” und „unüblichen” oder „zweifelhaften” Nahrungsergänzungsmitteln für die Einreihungsfrage unergiebig.

    Schließlich lässt sich der VO (EG) Nr. 1777/2001 nichts für die Einreihung der streitgegenständlichen Produkte in Kapitel 21 oder 22 KN entnehmen. Die mit diesem Rechtsakt eingefügte Zusätzliche Anmerkung 1 zu Kapitel 30 KN dient der Abgrenzung von Arzneimitteln von Zubereitungen für besondere diätetische Zwecke, einschließlich Zubereitungen für besondere Ernährungszwecke und Nahrungsergänzungsmittel. Den Erwägungsgründen lässt sich entnehmen, dass Anlass für das Tätigwerden des Verordnungsgebers Schwierigkeiten bei der tariflichen Einreihung bestimmter Arten von Lebensmitteln und Arzneizubereitungen waren. Durch die Erstellung einer Liste verbindlicher Kriterien, bei deren Erfüllung ein Erzeugnis als Arzneimittel in die Position 3004 KN einzureihen ist, sollten die in der Abfertigungspraxis aufgetretenen Probleme einer abschließenden Lösung zugeführt werden. Über die Einreihung eines Nahrungsergänzungsmittels in die Position 2106 oder 2208 KN trifft die Zusätzliche Anmerkung 1 zu Kapitel 30 KN indes keine Aussagen, weshalb ihr im Streitfall keine Bedeutung zukommen kann (BFH-Urteil vom 30.03.2010 VII R 35/09, a.a.O.).

    Der Senat hält die von ihm vorgenommene Auslegung des einschlägigen Gemeinschaftsrechts aufgrund der Rechtsprechung des EuGH und des BFH für eindeutig. Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH besteht demnach nicht.

    Die Revision wurde zugelassen, da nach Ansicht des Senats die Frage, ob beim Verzehr einer Einzeldosis von vier Tropfen, deren Wirkstoff nicht über den eigentlichen Gastrointestinaltrakt, sondern im Wege der Resorption durch die Mundschleimhaut aufgenommen wird, noch von „Trinken” im Sinne des zollrechtlichen Getränkebegriffs gesprochen werden kann, grundsätzliche Bedeutung hat.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenKN Unterpos. 2208 9069 000, KN Unterpos. 2106 9092 600, EGV 1777/2001, Richtlinie 2002/46/EG