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  • 27.07.2011

    Finanzgericht München: Urteil vom 05.05.2011 – 7 K 601/09

    1. Die Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 55j S. 3 EStG in der aktuell gültigen Fassung ist so zu verstehen, dass sie Fälle, in denen aufgrund der Rechtsänderung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG durch das Jahressteuergesetz 2007 vom 13.12.2006 ein Wechsel von der Pflicht- zur Antragsveranlagung eintritt (Feststellung negativer Beteiligungseinkünfte) und dadurch ein weiteres eigenständiges Antragsrecht entsteht, nicht von der Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2008 vom 20.12.2007 ausschließt, sofern über dieses weitere Antragsrecht zum maßgeblichen Stichtag (28.12.2007) noch nicht bestandskräftig entschieden worden ist.

    2. Dies (LS 1) gilt selbst dann, wenn ein vorangegangener Antrag wegen Versäumens der zweijährigen Antragsfrist nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG a. F. bereits bestandskräftig abgelehnt worden ist.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In der Streitsache

    hat der 7. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung … sowie der ehrenamtlichen Richter … und … ohne mündliche Verhandlung am 5. Mai 2011

    für Recht erkannt:

    1. Das Finanzamt wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 12. Januar 2007 und der Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2009 verpflichtet, den Bescheid vom 12. August 2004 (Ablehnung einer Einkommensteuerveranlagung 2001) in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Oktober 2005 aufzuheben und den Kläger für das Jahr 2001 zur Einkommensteuer zu veranlagen.

    2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

    3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    4. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten darüber, ob für das Jahr 2001 eine Einkommensteuerveranlagung durchzuführen ist.

    Die Einkommensteuererklärung des Klägers für das Streitjahr 2001 ging am 3. März 2004 beim Beklagten (Finanzamt) ein, nachdem der Kläger zuvor unter Androhung eines Zwangsgeldes zur Abgabe aufgefordert worden war. Darin erklärte der Kläger neben positiven Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einen Verlust aus Gewerbebetrieb aus der Beteiligung an der T GmbH atypisch stillen Gesellschaft (T GmbH atypisch still) i.H.v. 62.927 DM. Mit Bescheid vom 27. Januar 2004 (negativer Feststellungsbescheid 2001) lehnte das Finanzamt die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die T GmbH atypisch still ab.

    Ferner lehnte das Finanzamt mit Bescheid vom 12. August 2004 die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung für 2001 ab, da die Voraussetzungen für die Durchführung einer Veranlagung von Amts wegen nicht gegeben seien und der Antrag auf Veranlagung nicht fristgerecht gestellt worden sei. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein und verwies auf das noch offene Verfahren hinsichtlich des negativen Feststellungsbescheids in Sachen T GmbH atypisch still. Mit Einspruchsentscheidung vom 20. Oktober 2005 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Eine Klage wurde hiergegen nicht eingelegt.

    Am 21. Dezember 2005 erging für die T GmbH atypisch still ein Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2001 (Feststellungsbescheid 2001) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, in dem ein laufender Verlust aus Gewerbebetrieb für den Kläger i.H.v. 47.327 DM festgestellt wurde. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass es sich bei der Gesellschaft um eine Gesellschaft i.S.d. § 2b Einkommensteuergesetz handle. Mit Änderungsbescheid vom 22. Mai 2006 (Feststellungsänderungsbescheid 2001) wurde der Vorbehalt der Nachprüfung des Feststellungsbescheids 2001 aufgehoben. Die Feststellung des Anteils des Klägers blieb unverändert. Die Gesellschaft wurde nun auch nicht mehr als Gesellschaft i.S.d. § 2b EStG behandelt.

    In der Folgezeit beantragte der Kläger wiederholt die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung für 2001 und die Berücksichtigung des gesondert festgestellten Verlustes aus Gewerbebetrieb. Dabei wurde lediglich der Antrag des Klägers vom 6. November 2006 förmlich mit Rechtsbehelfsbelehrung beschieden. Er wurde mit Schreiben vom 12. Januar 2007 abgelehnt. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2009 als unbegründet zurückgewiesen.

    Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage. Er macht u.a. geltend, dass im Zeitpunkt der ersten Einspruchsentscheidung im Oktober 2005 eine Klage aufgrund gefestigter Rechtsprechung nicht aussichtsreich gewesen sei. Er sei der Auffassung gewesen, dass erst mit einem geänderten Grundlagenbescheid eine Veranlagung hätte durchgeführt werden können. Der Feststellungsbescheid für 2001 vom 21. Dezember 2005 sei ein Grundlagenbescheid und habe damit Wirkung für die Einkommensteuerveranlagung 2001.

    Er verweist ferner auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach verfassungsrechtliche Zweifel an der zweijährigen Ausschlussfrist im Falle einer Antragsveranlagung bestünden.

    Der Kläger beantragt,

    das Finanzamt zu verpflichten, ihn unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 12. Januar 2007 und der Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2009 für das Jahr 2001 zur Einkommensteuer zu veranlagen.

    Das Finanzamt beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Das Finanzamt trägt vor, der Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer 2001 sei bestandskräftig mit Bescheid vom 12. August 2004 abgelehnt worden. Es liege ein Fall der Antragsveranlagung vor. Ferner gelte weiterhin die Zweijahresfrist. Auch könne ein wegen Versäumung der Antragsfrist nicht mehr durchsetzbarer Erstattungsanspruch nicht über § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) wieder aufleben.



    Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

    Entscheidungsgründe

    1. Unter Berücksichtigung des Verzichts der Beteiligten auf mündliche Verhandlung hält der Senat es für angebracht, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO).

    2. Die Klage ist begründet. Das Finanzamt hat es nach Erlass des Feststellungsänderungsbescheids 2001 für die T GmbH atypisch still vom 22. Mai 2006 zu Unrecht abgelehnt, den Kläger zur Einkommensteuer 2001 zu veranlagen.

    2.1. Gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 Einkommensteuergesetz in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2008 vom 20. Dezember 2007 (Bundesgesetzblatt – BGBl. – I 2007, 3150 – EStG 2007) ist eine Veranlagung durchzuführen, wenn die Veranlagung beantragt wird, insbesondere zur Anrechnung von Lohnsteuer auf die Einkommensteuer. Der Antrag ist durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu stellen (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG 2007). Die bis zur Änderung dieser Vorschrift durch das Jahressteuergesetz 2008 geltende zweijährige Antragsfrist gilt nicht mehr. Vielmehr richtet sich die Möglichkeit, bis zu welchem Zeitpunkt die Durchführung einer Antragsveranlagung beantragt werden kann, seitdem nach den allgemeinen Verjährungsfristen (vgl. Bundesfinanzhof – BFH – Urteile vom 15. Januar 2009 VI R 23/08, BFH/NV 2009, 755; vom 12. November 2009 VI R 1/09, BFHE 227, 97, BStBl II 2010, 406). Gemäß § 52 Abs. 55j Satz 3 EStG in der derzeit gültigen Fassung (EStG 2011) ist diese Regelung erstmals für den Veranlagungszeitraum 2005 anzuwenden und in Fällen, in denen am 28. Dezember 2007 über einen Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig entschieden ist.

    2.2. Vorliegend richtet sich die Frage, ob das Finanzamt auf den Antrag des Klägers vom 6. November 2006 hin eine Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 2001 durchzuführen hat, nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG 2007, da die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Fassung nach § 52 Abs. 55j Satz 3 EStG 2011 bei sinngemäßer Auslegung der Anwendungsvorschrift erfüllt sind. Die mit Bescheid vom 12. August 2004 erfolgte (formell) bestandskräftige Ablehnung der Einkommensteuerveranlagung 2001 steht dem nicht entgegen.

    Zwar bestimmt § 52 Abs. 55j Satz 3 EStG 2011, dass § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2008 vom 20. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3150 – EStG 2007) für Veranlagungszeiträume vor 2005 nur Anwendung findet, wenn am 28. Dezember 2007 über einen Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig entschieden ist. Diese Vorschrift ist jedoch nicht dahingehend auszulegen, dass eine Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG 2007 auf Veranlagungszeiträume vor 2005 zwangsläufig dann ausscheidet, wenn bereits „eine” (formell) bestandskräftige Ablehnung für einen Veranlagungszeitraum vorliegt. Vielmehr ist die Anwendungsvorschrift so zu verstehen, dass sie Fälle, in denen wie vorliegend aufgrund der Rechtsänderung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG durch das Jahressteuergesetzes 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl. I 2006, 2878) ein Wechsel der Veranlagungsart von Pflicht- in Antragsveranlagung eintritt und dadurch ein weiteres eigenständiges Antragsrechte entsteht, nicht von der Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG 2007 ausschließt, sofern über dieses weitere Antragsrecht zum maßgeblichen Stichtag (28. Dezember 2007) noch nicht bestandskräftig entschieden worden ist.

    2.2.1. Das Finanzamt hatte vorliegend zunächst den mit der Abgabe der Steuererklärung gestellten Antrag auf Veranlagung vom 3. März 2004 zu Recht mit Bescheid vom 12. August 2004 abgelehnt, da zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 in der zu diesem Zeitpunkt für das Streitjahr anwendbaren Fassung des EStG (EStG 2001) nicht erfüllt waren. So betrug weder die positive noch – aufgrund des negativen Feststellungsbescheids für die T GmbH atypisch still vom 27. Januar 2004 – die negative Summe der maßgeblichen einkommensteuerpflichtigen Einkünfte mehr als 800 DM (§ 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG 2001; vgl. BFH-Urteile vom 21. September 2006 VI R 52/04, BFHE 215, 144, BStBl II 2007, 45, und VI R 47/05, BFHE 215, 149, BStBl II 2007, 47). Ferner war die Zwei-Jahresfrist gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG 2001 zur Durchführung einer Antragsveranlagung bereits abgelaufen. Auch der Einspruch des Klägers gegen den Ablehnungsbescheid vom 12. August 2004 wurde zu Recht mit Einspruchsentscheidung vom 20. Oktober 2005 als unbegründet zurückgewiesen, da sich im Zeitpunkt der Entscheidung an der Sach- und Rechtslage nichts geändert hatte.

    2.2.2. Die Verfahrenssituation änderte sich jedoch mit der gesonderten Feststellung eines Verlustes des Klägers aus seiner Beteiligung an der T GmbH atypisch still für 2001.

    Gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG 2001 in der bis zur Änderung durch das Jahressteuergesetzes 2007 vom 13. Dezember 2006 (BStBl. I 2006, 2878) geltenden Fassung war eine Veranlagung in Fällen, in denen das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit besteht, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, durchzuführen, wenn die Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, vermindert um die darauf entfallenden Beträge nach § 13 Abs. 3 und § 24a, oder die Summe der Einkünfte und Leistungen, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, jeweils mehr als 800 DM (410 EUR) betrug. Nach der zu dieser Rechtslage ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) war eine Veranlagung von Amts wegen nicht nur dann durchzuführen, wenn die positive Summe der maßgeblichen Einkünfte, sondern – wie vorliegend – auch dann, wenn die negative Summe dieser Einkünfte den Betrag von 800 DM (410 EUR) überstieg (vgl. BFH-Urteile vom 21. September 2006 VI R 52/04, BFHE 215, 144, BStBl II 2007, 45, und VI R 47/05, BFHE 215, 149, BStBl II 2007, 47).

    Mit Erlass des einen ausgleichsfähigen Verlust feststellenden Feststellungsbescheids für 2001 vom 22. Mai 2006 änderte sich somit die rechtliche Grundlage für eine Veranlagung des Klägers für das Streitjahr 2001 nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage von einer Antrags- in eine Pflichtveranlagung. Der Durchführung einer Veranlagung stand auch keine Verlustausgleichsbeschränkung nach § 2b EStG mehr entgegen, da diese Feststellung im Bescheid vom 22. Mai 2006 nicht mehr enthalten war. Der Bescheid über die Ablehnung einer Einkommensteuerveranlagung 2001 vom 12. August 2004 wäre nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO aufzuheben gewesen und es hätte – unabhängig von einer (formell) bestandskräftigen Ablehnung der Einkommensteuerveranlagung – von Amts wegen eine Veranlagung durchgeführt werden müssen.

    Einer Einkommensteuerveranlagung stand zu diesem Zeitpunkt nicht entgegen, dass bereits ein Antrag auf Einkommensteuerveranlagung bestandskräftig abgelehnt worden war. Gemäß § 155 Abs. 1 Satz 3 AO erfolgt auch die Ablehnung eines Antrags auf Steuerfestsetzung mittels Steuerbescheid. Folglich sind auch die Änderungsvorschriften nach den §§ 172 ff. AO auf einen Bescheid über die Ablehnung einer Einkommensteuerveranlagung anwendbar. Der Feststellungsänderungsbescheid für die T GmbH atypisch still vom 22. Mai 2006 stellte einen Grundlagenbescheid für den die Einkommensteuer ablehnenden Bescheid vom 12. August 2004 dar, da er für die Einkommensteuerveranlagung des Klägers bindend die Höhe seiner Einkünfte aus dieser Einkunftsquelle feststellte (§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO). Der vorliegende Sachverhalt ist nach der alten Rechtslage nicht anders zu beurteilen als der Fall, in dem erstmals durch Feststellungsbescheid positive Einkünfte über 800 DM (410 EUR) festgestellt werden.

    Dem steht auch nicht die Entscheidung des BFH vom 14. März 1989 (I R 77/85, BFH/NV 1991, 311) entgegen, wonach ein wegen Versäumung der Antragsfrist des § 46 Abs. 2 EStG (außer bei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) nicht mehr durchsetzbarer Erstattungsanspruch durch § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht wieder aufleben kann. Der Entscheidung lag offensichtlich eine andere Rechtsauffassung zugrunde. Der BFH ging damals – soweit ersichtlich – noch davon aus, dass negative Einkünfte keine Pflichtveranlagung auslösen können. Vorliegend war aber nach der im Zeitpunkt des Erlasses des Feststellungsänderungsbescheids 2001 vom 22. Mai 2006 geltenden Rechtsprechung des BFH zu § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG 2001 von Amts wegen eine Veranlagung (Pflichtveranlagung) durchzuführen, so dass es auf ein Versäumen der Antragsfrist nicht ankommen konnte.

    2.2.3. Mit der Änderung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG 2001 durch das Jahressteuergesetzes 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl. I 2006, 2878) und der gleichzeitigen Anordnung der Rückwirkung dieser Neuregelung auch auf Veranlagungszeiträume vor 2006 (vgl. § 52 Abs. 55j Satz 1 EStG) war eine Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr wiederum lediglich auf Antrag durchzuführen, da die Voraussetzungen einer Pflichtveranlagung nach der Änderung der Vorschrift nicht mehr vorlagen. Denn gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2007 (EStG 2006), war eine Pflichtveranlagung nur noch durchzuführen, wenn die positive Summe der maßgeblichen Einkünfte den Betrag von 410 EUR überschritt (zu den verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Rückwirkung der Regelung auf Veranlagungszeiträume vor 2006: Vorlagebeschluss des Finanzgericht Köln vom 28. November 2007, 10 K 6227/04, EFG 2008, 860). Sofern wie vorliegenden die Summe der maßgeblichen Einkünfte negativ ist, löst dies nun keine Pflichtveranlagung mehr aus.

    Aufgrund der Rechtsänderung durch das Jahressteuergesetz 2007 trat kraft Gesetz für den Streitfall ein erneuter Wechsel der Veranlagungsart nun von Pflicht- in Antragsveranlagung ein. Es entstand ein weiteres eigenständiges Antragsrecht für das Streitjahr 2001, das Gegenstand dieses Verfahrens ist. Über dieses Antragsrecht ist noch nicht bestandskräftig entschieden worden. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 52 Abs. 55j Satz 3 EStG 2011 führt dies dazu, dass vorliegend § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetz 2008 vom 20. Dezember 2007 (BStBl. I 2007, 3150 – EStG 2007) zur Anwendung kommt und dem klägerischen Begehren auf Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung für 2001 stattzugeben ist.

    2.2.3.1. Bei der Auslegung der Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 55j Satz 3 EStG 2011 ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Streichung der zweijährigen Antragsfrist in § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG 2001 durch das Jahressteuergesetz 2008 sowie die Anwendungsregelung des § 52 Abs. 55j Satz 3 EStG 2011 vor dem Hintergrund verfassungsrechtlicher Bedenken hinsichtlich der alten Rechtslage erfolgte. So sah der BFH in der Zwei-Jahres-Frist eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu Steuerpflichtigen, die von Amts wegen zu veranlagen sind und legte die Frage dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Entscheidung vor (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. Mai 2006, VI R 49/04, BStBl II 2006, 808; VI R 46/05BStBl II 2006, 820). Noch vor der Entscheidung des BVerfG wurde durch das Jahressteuergesetz 2008 die frühere Zwei-Jahres-Frist gestrichen. Dabei wurde die Anwendbarkeit der Neuregelung unter bestimmten Voraussetzungen auch auf Veranlagungsjahre erstreckt, für die die Zweijahresfrist im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift schon abgelaufen war (§ 52 Abs. 55j Satz 3 EStG 2011). Der Gesetzgeber wollte damit offensichtlich verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der alten Rechtslage möglichst umfassend Rechnung tragen und noch offene Streitfälle einer im Interesse des Steuerpflichtigen günstigen Lösung zuführen.

    Ferner bestanden damals auch verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber der Neuregelung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG durch das Jahressteuergesetz 2007 (BGBl. I 2006, 2878; vgl. Tillmann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG-Kommentar, § 46 EStG Anm. 28; Tormöhlen in Korn/Carlé/Stahl/Strahl, EStG-Kommentar, § 46 Rn. 12.2; Kolusa in Schmidt, EStG-Kommentar, § 46 Rz. 12), da aufgrund des Abstellens auf die positive Summe auch für Veranlagungszeiträume vor 2006 streitig war, ob dadurch im Wege einer verfassungsrechtlich unzulässigen echten Rückwirkung in schutzwürdige Positionen eingegriffen wurde (vgl. hierzu auch Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Köln vom 28. November 2007, 10 K 6227/04, EFG 2008, 860).

    Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit der Änderung des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG 2001 durch das Jahressteuergesetz 2008 und der hierzu erlassenen Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 55j Satz 3 EStG 2011 möglichst umfassend und zugunsten der Steuerpflichtigen Streitfälle, in denen verfassungsrechtliche Bedenken an der zweijährige Antragsfrist sowie an der Änderung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG 2001 durch das Jahressteuergesetz 2007 bestehen, einer sachgerechten Lösung zuführen wollte. Zu diesen Fällen zählt auch der vorliegende Sachverhalt, da dem Kläger durch die Änderung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG durch das Jahressteuergesetz 2007 ein Anspruch auf Veranlagung entzogen wurde und ihm nach der im Zeitpunkt dieser Gesetzesänderung geltenden Rechtslage lediglich ein auf zwei Jahre befristetes Antragsrecht nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG 2001 verblieb, dessen Frist für das Streitjahr 2001 im Jahr 2006 bereits abgelaufen war und damit leer lief. Aufgrund der sich hieraus ergebenden verfassungsrechtlichen Bedenken, die auf dem Entzug einer möglicherweise verfassungsrechtlich geschützten Vermögensposition (Durchführung einer Veranlagung mit Erstattung überzahlter Lohnsteuer) fußen, ist die Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 55j Satz 3 EStG 2011 nach Auffassung des Senats dahingehend auszulegen, dass sie derartige Konstellationen von einer Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG 2007 im Streitfall nicht ausschließen will.

    2.2.3.2. Die Entstehungsgeschichte des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG 2007 sowie der Anwendungsregelung des § 52 Abs. 55j Satz 3 EStG 2011 stehen einer solchen Auslegung nicht entgegen. Gemäß dem Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags u.a. zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2008 (Drucksache 16/7036) vom 8. November 2007 (zu Nummer 37, zu Buchstabe m1) sollte für Veranlagungszeiträume vor 2005 ein Antrag auf Veranlagung bei bestandskräftiger Ablehnung der Veranlagung nicht mehr ermöglicht werden, weil dies nicht der Zielsetzung „Bürokratieabbau” dienen würde. Ein nennenswerter bürokratischer Aufwand ist durch die Einbeziehung der vorliegenden, aufgrund der besonderen Verfahrenssituation nur vereinzelt auftretenden Fallkonstellation in den Anwendungsbereich des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG 2007 nicht zu befürchten. Vielmehr werden Fälle wie der vorliegende, bei denen die Versagung einer Einkommensteuerveranlagung zu verfassungsrechtlichen Bedenken führen, einer sinnvollen und sachgerechten Lösung zugeführt.

    2.2.3.3. Die Auslegung des § 52 Abs. 55j Satz 3 EStG 2011 durch den Senat entspricht auch der Auffassung des BFH zum zeitlichen Anwendungsumfang des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG 2007. Der BFH legt diese Vorschrift weit aus, um den Anwendungsbereich der für die Steuerpflichtigen günstigeren Regelung des § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 EStG 2007, die keine Antragsfrist mehr vorsieht, zu eröffnen. So ging der BFH in seiner Entscheidung vom 15. Januar 2009 (VI R 23/08, BFH/NV 2009, 755) davon aus, dass der Gesetzgeber mit der genannten Überleitungsvorschrift alle noch offenen – zahlenmäßig offenbar nur wenige – Fälle ohne zusätzliche Prüfung weiterer Fragen einer umfassenden Erledigung zuführen wollte. Der BFH berücksichtigt ferner, dass aufgrund der seit 2005 geänderten Rechtsprechung des Senats zu der Vorschrift des § 46 Abs. 2 (Nr. 1 und Nr. 8) EStG und der darauf folgenden Reaktionen des Gesetzgebers vielfach zeitliche Zufälligkeiten darüber mitentscheidend waren, ob Anträge bzw. Klagen auf Durchführung von Einkommensteuer-Veranlagungen erfolgreich sein konnten. Dabei war für den BFH auch maßgeblich, dass sich die durch seine Auslegung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG in der Fassung vor dem Jahressteuergesetz 2007 günstige Rechtsposition der Steuerpflichtigen (Maßgeblichkeit auch der negativen Summe) durch die Änderung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG durch das JStG 2007 verschlechtert hatte.

    Ferner kommen nach der Entscheidung des BFH vom 12. November 2009 (VI R 1/09, BFHE 227, 97, BStBl II 2010, 406) nach der Regelung des § 52 Abs. 55j Satz 3 EStG 2011 nicht nur diejenigen Steuerpflichtigen in den Genuss der rückwirkenden Gesetzesänderung, die am Stichtag 28. Dezember 2007 ein offenes Einspruchs- oder Klageverfahren wegen Versäumung der früheren Frist geführt hatten. Die Regelung begünstigt nach Auffassung des BFH vielmehr auch die, die einen Antrag auf Veranlagung bis 2004 erst nach dem 28. Dezember 2007 gestellt haben. Der BFH berücksichtigt dabei wiederum, dass aufgrund der seit 2005 geänderten Rechtsprechung des VI. Senats des BFH zu der Vorschrift des § 46 Abs. 2 (Nr. 1 und Nr. 8) EStG und der darauf folgenden Reaktionen des Gesetzgebers vielfach zeitliche Zufälligkeiten darüber mitentscheidend waren, ob Anträge bzw. Klagen auf Durchführung von Einkommensteuer-Veranlagungen erfolgreich sein konnten.

    Auch im Streitfall würde bei einem anderen Verständnis des § 52 Abs. 55j Satz 3 EStG 2011 der Erfolg des klägerischen Begehrens von Zufälligkeiten abhängen. Denn dem klägerischen Begehren hätte zumindest im Zeitraum zwischen Erlass des Feststellungsbescheids vom 22. Mai 2006 und dem Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2007 am 19. Dezember 2006 stattgegeben werden müssen (vgl. unter 2.2.2.).

    2.3. Vorliegend steht einer Antragsveranlagung für 2001 – unabhängig davon, ob die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO greift – auch die Festsetzungsverjährung nicht entgegen. Denn im Zeitpunkt des Erlasses des Feststellungsänderungsbescheids für 2001 vom 22. Mai 2006 trat aufgrund der damaligen Rechtslage eine Ablaufhemmung für die Einkommensteuerfestsetzung 2001 gemäß § 171 Abs. 10 Satz 1 AO ein. Der Feststellungsbescheid war aufgrund der Rechtsprechung zu § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG 2001, wonach auch eine negative Summe der maßgeblichen Einkünfte von mehr als 410 EUR (800 DM) eine Pflichtveranlagung auslöst, Grundlagenbescheid für die Einkommensteuerfestsetzung 2001. Die Festsetzungsfrist war auch nicht im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13. Dezember 2006 und dem Wechsel der Veranlagungsart von einer Pflicht- in eine Antragsveranlagung abgelaufen. Da der Antrag auf Veranlagung am 6. November 2006 gestellt wurde, setzte sich die Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 3 AO fort. Diese ist noch nicht beendet, da über diesen Antrag noch nicht unanfechtbar entschieden wurde.

    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und dem Vollstreckungsschutz folgt aus §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.

    4. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

    VorschriftenEStG § 46 Abs. 2 Nr. 1, EStG § 46 Abs. 2 Nr. 8, AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1