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  • 15.06.2011

    Finanzgericht München: Urteil vom 21.07.2010 – 10 K 3005/07

    1. Eine im Kalenderjahr nach dem Jahr der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Einkommensteuerforderung des FA kann entweder als Masseverbindlichkeit zu qualifizieren sein, die nach § 53 InsO vorweg aus der Insolvenzmasse zu berichtigen und mittels Einkommensteuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen ist, oder sich gegen das insolvenzfreie Vermögen des Insolvenzschuldners richten; in diesem Fall ist sie gegenüber dem Insolvenzschuldner festzusetzen.

    2. Die durch eine nach der Insolvenzeröffnung fortgeführte selbstständige (gewerbliche) Tätigkeit des Insolvenzschuldners begründete Einkommensteuer ist als eine „in anderer Weise durch die Verwaltung der Insolvenzmasse” begründete Masseverbindlichkeit zu beurteilen, wenn der Insolvenzverwalter bezüglich der gewerblichen Einkünfte des Insolvenzschuldners von der Freigabemöglichkeit keinen Gebrauch gemacht, die Fortführung des Unternehmens des Schuldners zumindest geduldet und den pfändbaren Betrag in der Weise zur Insolvenzmasse gezogen hat, dass alle Einnahmen der gewerblichen Tätigkeit auf dem Anderkonto des Insolvenzverwalters eingegangen sind und der pfändungsfreie Anteil dieser Einnahmen anschließend entsprechend einem Beschluss des Insolvenzgerichts an den Insolvenzschuldner ausgekehrt worden ist.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In der Streitsache

    hat der 10. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Richters am Finanzgericht … als Vorsitzender, des Richters am Finanzgericht … und der Richterin am Finanzgericht … sowie der ehrenamtlichen Richter … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Juli 2010

    für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 92 v.H. und der Beklagte zu 8 v.H.

    3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    Gründe

    Es ist streitig, ob und, wenn ja, in welchem Umfang eine in dem Streitjahr 2004 – dem Jahr nach der Insolvenzeröffnung – begründete Einkommensteuerschuld als Masseverbindlichkeit zu beurteilen ist.

    I.

    Mit Beschluss vom … 2002 wurde der Kläger im Insolvenzantragsverfahren über das Vermögen des X zum vorläufigen – sog. schwachen – Insolvenzverwalter bestellt. Hierfür setzte das Insolvenzgericht mit Beschluss vom … 2003 eine Vergütung in Höhe von (i.H.v.) … EUR zugunsten des Klägers fest. Mit Beschluss vom … 2003 wurde über das Vermögen des X (nachfolgend Schuldner) das Insolvenzverfahren eröffnet; der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Schuldner war während des Insolvenzverfahrens weiterhin im Bereich der … gewerblich tätig. Die aus dieser gewerblichen Tätigkeit erzielten Einnahmen des Schuldners wurden auf einem vom Kläger für das Insolvenzverfahren geführten Anderkonto vereinnahmt; sie beliefen sich für das Jahr 2004 auf … EUR. Der Kläger kehrte von diesen im Jahr 2004 Beträge i.H.v. … EUR an den Schuldner aus, so dass der sich hieraus ergebende Differenzbetrag als Massezufluss verblieb. Mit Beschluss vom … 2008 hob das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren auf, ordnete aber die Nachtragsverteilung an, wenn zurückbehaltene Massebeträge für eine weitere Verteilung frei werden; wegen der streitigen Einkommensteuer 2004 wurden entsprechende Beträge zurückbehalten.

    Der Beklagte (Finanzamt – FA –) führte für den Besteuerungszeitraum 2004 eine Einkommensteuerveranlagung durch. In dem gegenüber dem Kläger gemäß § 162 Abgabenordnung (AO) ergangenen Schätzungsbescheid vom 25.10.2006 berücksichtigte das FA gewerbliche Einkünfte i.H.v. … EUR, abziehbare Sonderausgaben i.H.v. … EUR und setzte bei einem zu versteuernden Einkommen (zvE) von … EUR die Einkommensteuer (ESt) auf … EUR fest. Dabei ging das FA davon aus, dass die ESt in vollem Umfang eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) darstelle. Der hiergegen eingelegte Einspruch war teilweise erfolgreich. Das FA ging im Rahmen der Einspruchsentscheidung (EE) vom 18.07.2007 – neben unter dem Sparerfreibetrag liegenden Einkünften aus Kapitalvermögen – nur noch von gewerblichen Einkünften i.H.v. … EUR aus, berücksichtigte abziehbare Sonderausgaben i.H.v. … EUR und setzte bei einem zvE von … EUR die ESt auf … EUR herab; es beurteilte die ESt aber nach wie vor insgesamt als eine Masseverbindlichkeit.

    Die hiergegen erhobene Klage wird im Wesentlichen wie folgt begründet: Da sich das FA zwischenzeitlich bereit erklärt habe, von den gesamten Steuerberatungskosten (… EUR) weitere i.H.v. … EUR als Betriebsausgaben und weitere i.H.v. … EUR als Sonderausgaben zu berücksichtigen, sei im Rahmen der Ermittlung des zvE nur noch strittig, in welcher Höhe die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters als Betriebsausgabe abziehbar sei. Nach zutreffender Ansicht sei von dieser Vergütung i.H.v. … EUR ein Anteil von 90 % als Betriebsausgabe abziehbar. Grundlage für die Bemessung der Vergütung des vorläufigen Verwalters sei zwar der Wert der der vorläufigen Verwaltung unterliegenden Vermögensmasse. Für die Aufteilung der Vergütung könne aber nicht auf das Wertverhältnis von Privatvermögen zu Betriebsvermögen abgestellt werden. Maßgeblich sei vielmehr, in welchem Umfang der Verwalter unternehmensbezogene Verwaltungsleistungen erbracht habe. Im Streitfall habe die Tätigkeit des Verwalters hauptsächlich den unternehmerischen Bereich und nur zu einem geringen Teil den Privatbereich des Schuldners betroffen; der betriebliche Anteil werde auf 90 % der festgesetzten … EUR (= … EUR) geschätzt. Demnach sei der Einkommensteuerveranlagung nur ein zvE von … EUR zugrunde zulegen. Dies ergebe sich aus folgender Berechnung:

    Einkünfte aus Gewerbebetrieb:

    Betriebseinnahmen:

    Betriebsausgaben:

    ./. Materialkosten:

    ./. Telefonkosten:

    ./. Fahrtkosten:

    ./. Kosten der Buchhaltung:

    ./. anteilige Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters:

    ./. anteilige Steuerberatungskosten:

    ./. weitere anteilige Steuerberatungskosten

    Gewinn:

    ./. Sonderausgaben (Versicherungsbeiträge):

    ./. weitere Sonderausgaben:

    zvE:

    festzusetzende ESt:

    Weiter sei es unzutreffend, die ESt insgesamt als Masseverbindlichkeit zu beurteilen; sie müsse aufgeteilt werden. Maßgeblich hierfür sei das Verhältnis, in dem die steuerbegründenden Einkünfte einerseits der Masse und andererseits dem insolvenzfreien Vermögen des Schuldners zugeflossen seien. Da im Jahr 2004 im Ergebnis kein Massezufluss aus den steuerbegründenden Einkünften (der Insolvenzmasse zugeflossene Einnahmen: … EUR; unternehmensbezogene Ausgaben der Insolvenzverwaltung: … EUR) erfolgt sei, betrage der auf die Masse entfallende Anteil der ESt 0,00 EUR. Im Übrigen sei die ESt, soweit sie auf den pfändungsfreien Einkünften beruhe, keine Masseverbindlichkeit. Der unpfändbare Teil des Arbeitseinkommens des Insolvenzschuldners falle nicht in die Insolvenzmasse und sei der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Verwalters entzogen. Im Streitfall belaufe sich der unpfändbare Teil des Arbeitseinkommens auf … EUR. Dabei handelte es sich um den nach § 850c Zivilprozessordnung (ZPO) zu bestimmenden Pfändungsfreibetrag und weitere pfändungsfreie Ausgaben i.H.v. … EUR pro Monat (bestehend aus Materialkosten, Telefonkosten, Fahrtkosten und Krankenversicherungsbeitrag). Die hierauf entfallende ESt könne keine Masseverbindlichkeit sein. Abschließend sei darauf hinzuweisen, dass die Aufhebung des Insolvenzverfahrens keine Auswirkungen auf den vorliegenden Rechtsstreit habe.

    Der Kläger beantragt,

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Dies wird im Wesentlichen wie folgt begründet: Bei Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb könne die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters i.H.v. … EUR nur zur Hälfte berücksichtigt werden. Die Vergütung wäre ohne das vorhandene Privatvermögen deutlich niedriger ausgefallen. Es erscheine daher nicht sachgerecht, die Vergütung größtenteils dem betrieblichen Bereich zuzuordnen. Zusätzlich abziehbar seien aber von den gesamten Steuerberatungskosten (… EUR) weitere i.H.v. … EUR als Betriebsausgaben und weitere i.H.v. … EUR als Sonderausgaben. Danach ergebe sich folgende Berechnung:

    Betriebseinnahmen:

    Betriebsausgaben:

    ./. Materialkosten:

    ./. Telefonkosten:

    ./. Fahrtkosten:

    ./. Kosten der Buchhaltung:

    ./. anteilige Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters:

    ./. anteilige Steuerberatungskosten:

    ./. weitere anteilige Steuerberatungskosten

    Summe:

    ./. Sonderausgaben (Versicherungsbeiträge):

    ./. weitere Sonderausgaben:

    zvE:

    festzusetzende ESt:

    Die festzusetzende ESt i.H.v. … EUR sei nicht aufzuteilen. Vielmehr stelle sie insgesamt eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO dar, die gegenüber der Insolvenzmasse festzusetzen sei. Auf der Grundlage des BGH-Beschlusses vom 20.03.2003 IX ZB 388/02 (NJW 2003, 2167) würden die Einkünfte, die ein selbständig tätiger Schuldner nach der Insolvenzeröffnung erziele, insgesamt zur Masse gehören. Die Freigabe aus der Insolvenzmasse sei gemäß § 32 Abs. 3 InsO nur auf einzelne Gegenstände beschränkt. Ein gesamter Betrieb könne nicht freigegeben werden. Diese Möglichkeit sei erst durch die Einfügung des § 35 Abs. 2 InsO, der auf den Streitfall noch nicht anwendbar sei, geschaffen worden.

    Mit Einkommensteueränderungsbescheid für 2004 vom 19.07.2010 berücksichtigte das FA – wie angekündigt – von den Steuerberatungskosten weitere i.H.v. … EUR als Betriebsausgaben sowie weitere i.H.v. … EUR als Sonderausgaben und setzte die ESt auf … EUR fest…

    II.

    Die Klage hat keinen Erfolg.

    1. Die erhobene Anfechtungsklage ist (weiterhin) zulässig.

    Auch wenn das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom … 2008 aufgehoben wurde, ist der Kläger weiterhin nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 InsO verwaltungs- und verfügungsbefugt, weil in dem Aufhebungsbeschluss die Nachtragsverteilung für den Fall vorbehalten wurde, dass zurückbehaltene Massebeträge – wie die ESt 2004 – möglicherweise für eine weitere Verteilung frei werden (vgl. Gottwald/Klopp/Kluth, Insolvenzrechts-Handbuch, 3. Aufl., §.75 Rn. 11).

    2. Die Anfechtungsklage ist aber unbegründet, weil das FA die ESt 2004 zu Recht in nicht zu beanstandender Höhe insgesamt als Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO gegenüber dem Kläger festgesetzt hat.

    a) Die ESt ist nach § 2 Abs. 7 Satz 1 EStG eine Jahressteuer. Die Grundlagen für die Festsetzung sind für das jeweilige Kalenderjahr zu ermitteln (§ 2 Abs. 7 Satz 2 EStG). Der Veranlagungszeitraum für die Festsetzung der ESt ist ebenfalls das Kalenderjahr (§ 25 Abs. 1 EStG). Auch in der Insolvenz ist für den jeweiligen Besteuerungszeitraum eine einheitliche Veranlagung durchzuführen, in die sämtliche Einkünfte einzubeziehen sind, die der Insolvenzschuldner in dem Veranlagungszeitraum bezogen hat. Die steuerlichen Rechtsfolgen der Tatbestandsverwirklichung, also der Grund und die Höhe des Einkommensteueranspruchs, richten sich allein nach dem Steuerrecht. Im Falle einer Insolvenz ist diese einheitlich ermittelte ESt aber den verschiedenen insolvenzrechtlichen Forderungskategorien nach insolvenzrechtlichen Maßgaben zuzuordnen (BFH-Urteil vom 25.07.1995 VIII R 61/94, BFH/NV 1996, 117). Dabei bestehen für eine Steuerforderung, die – wie im Streitfall – in dem Kalenderjahr nach dem Jahr der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurde, zwei Möglichkeiten (vgl. dazu auch Gottwald/-Frotscher, Insolvenzrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 121 Rn. 17): Sie kann als Masseverbindlichkeit zu qualifizieren sein, die nach § 53 InsO vorweg aus der Insolvenzmasse zu berichtigen und mittels Einkommensteuerbescheid gegenüber dem Verwalter geltend zu machen ist (BFH-Urteil vom 05.03.2008 X R 60/04, BFH/NV 2008, 1569). Sie kann sich aber auch gegen das insolvenzfreie Vermögen des Insolvenzschuldners richten; in diesem Fall ist sie gegenüber dem Insolvenzschuldner festzusetzen (Urteil des Niedersächsischen FG vom 28.10.2008, EFG 2009, 486; Urteil des Niedersächsischen FG vom 01.10.2009, EFG 2010, 332).

    Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind Masseverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Soweit ersichtlich ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen seit Geltung der InsO die durch eine nach Insolvenzeröffnung fortgeführte selbständige (gewerbliche) Tätigkeit des Insolvenzschuldners begründete ESt als eine „in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse” begründete Masseverbindlichkeit zu beurteilen ist, höchstrichterlich noch nicht geklärt. Die hierzu vorliegenden FG-Urteile betreffen andere Sachverhalte (Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 24.02.2010, ZlnsO 2010, 819, zu Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit, nicht rechtskräftig, Az. BFH: VI R 21/10; Urteil des Niedersächsischen FG vom 01.10.2009, EFG 2010, 332, zu Einkünften aus einer freigegebenen selbständigen Tätigkeit, nicht rechtskräftig, Az. BFH: VIII R 47/09; Urteil des FG Nürnberg vom 11.12.2008, EFG 2009, 867, zu Einkünften aus selbständiger Tätigkeit, die ohne Wissen und Billigung des Verwalters erzielt werden und tatsächlich nicht zur Masse gelangen, nicht rechtskräftig, Az. BFH: X R 11/09). Noch unter der Geltung der Konkursordnung (KO) hat der BFH entschieden, dass die ESt nur insoweit zu den vorab aus der Konkursmasse (§ 57 KO) zu befriedigenden Massekosten gemäß § 58 Nr. 2 KO gehört, als die Einkünfte des Steuerpflichtigen zur Konkursmasse gelangen (BFH-Urteil vom 29.03.1984 IV R 271/83, BStBl II 1984, 602). Zugleich ist der BFH in ständiger Rechtsprechung zu § 58 Nr. 2 KO davon ausgegangen, dass Massekosten für die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse nicht nur solche Ausgaben sind, die durch die Amtstätigkeit des Konkursverwalters ausgelöst werden (BFH-Urteil vom 16.08.2001 V R 59/99, BStBl II 2003, 208 m.w.N.). Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung des BFH die Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht dahingehend zu verstehen, dass die von dieser Vorschrift erfassten Verbindlichkeiten nur durch Handlungen des Verwalters begründet werden können; sie können vielmehr auch „in anderer Weise” begründet werden (BFH- Urteil vom 07.04.2005 V R 5/04, BStBl II 2005, 848).

    b) Nach Auffassung des erkennenden Senats beruhen im Streitfall die der Einkommensteuerfestsetzung für 2004 zugrundeliegenden gewerblichen Einkünfte auf Verwaltungsmaßnahmen des Klägers i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO.

    Die ESt ist keine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 InsO, weil sie nicht durch eine Handlung des Insolvenzverwalters, sondern – auch wenn der Insolvenzverwalter selbst den Betrieb fortführen würde – als Folge seiner Amtstätigkeit entsteht (Hefermehl in Münchener Kommentar zur InsO, § 55 Rn. 69; Smid, WM 2005, 625 [630]). Die ESt für 2004 ist aber als eine gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO in anderer Weise durch die Verwaltung der Insolvenzmasse begründete Masseverbindlichkeit zu werten.

    aa) Dabei setzt § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO voraus, dass die Verbindlichkeit auf eine – wie auch immer geartete – Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters in Bezug auf die Insolvenzmasse zurückzuführen ist (vgl. Braun/Bäuerle, Insolvenzordnung, 3. Aufl. 2007, § 55 Rn. 15). Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens steht nach § 80 Abs. 1 InsO nur noch dem Insolvenzverwalter das Recht zu, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen. Gemäß § 35 InsO erfasst das Insolvenzverfahren grundsätzlich das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). Damit gehören grundsätzlich auch Einkünfte, die nach Eröffnung des Verfahrens erzielt werden, zur Insolvenzmasse; nicht zur Insolvenzmasse gehören dagegen nach § 36 InsO unpfändbare und wirksam freigegebene Gegenstände (BGH-Beschluss vom 20.03.2003 IX ZB 388/02, DB 2003, 1507; BGH-Urteil vom 01.02.2007 IX ZR 178/05, DB 2007, 1189).

    bb) Im Streitfall ist die erforderliche massebezogene Verwaltungshandlung des Klägers bezüglich der gewerblichen Einkünfte darin zu sehen, dass er von der Freigabemöglichkeit keinen Gebrauch gemacht, die Fortführung des Unternehmens des Schuldners zumindest geduldet und den pfändbaren Betrag zur Insolvenzmasse gezogen hat. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

    aaa) Es ist weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich, dass der Insolvenzverwalter gegenüber dem Schuldner die Freigabe der aus der selbständigen Tätigkeit erworbenen Vermögensgegenstände erklärt hat.

    Nach dem ab 01.07.2007 geltenden § 35 Abs. 2 InsO (Art. 6 des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens, BGBl I 2007, 509) hat der Insolvenzverwalter, wenn der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit ausübt oder beabsichtigt, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, gegenüber dem Schuldner zu erklären, ob Vermögen aus dieser selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehören soll und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Gibt der Verwalter die Erklärung ab, dass Vermögen aus jener Tätigkeit des Schuldners zur Insolvenzmasse gehören soll, hat dies zur Folge, dass der nicht pfändungsgeschützte Neuerwerb (§ 35 Abs. 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 36 Abs. 1 InsO) in die Insolvenzmasse fällt (Schumacher/FK-InsO, 5. Aufl. 2009, § 35 Rn. 9, 9g). Gibt er hingegen die Erklärung ab, dass Vermögen aus jener Tätigkeit nicht in die Insolvenzmasse fallen soll (sog. Freigabe), werden die hieraus erzielten Einkünfte nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst (Schumacher/FK-lnsO, 5. Aufl. 2009, § 36 Rn. 21), so dass alle Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der freigegebnen selbständigen Tätigkeit nicht im Insolvenzverfahren zu verfolgen sind (Schumacher/FK-lnsO, 5. Aufl. 2009, § 35 Rn. 9h). Auch wenn der erst ab 01.07.2007 geltende § 35 Abs. 2 InsO im Streitfall noch nicht anwendbar ist, kannte bereits das bis dahin geltende Insolvenzrecht das (im Wesentlichen richterrechtlich entwickelte) Institut der Freigabe (BFH-Urteil vom 15.12.2009 VII R 18/09, BFH/NV 2010, 1044 unter Verweis auf BGH-Urteil vom 01.02.2007 IX ZR 178/05, DB 2007, 1189). Eine Freigabe eines zur Masse gehörenden bzw. künftig in diese fallenden Vermögensgegenstandes und dessen Überführung in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners setzt eine Willenserklärung des Insolvenzverwalters voraus, aus welcher sich unmissverständlich dessen Wille zu einem dauernden Verzicht auf die Massezugehörigkeit ergibt (vgl. BGH-Urteil vom 07.12.2006 IX ZR 161/04, NJW-RR Zivilrecht 2007, 845). Eine solche Freigabe ist jedoch im Streitfall weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich.

    bbb) Nach der Rechtsprechung des BFH erfüllt zwar – jedenfalls in der Zeit vor Normierung des § 35 Abs. 2 InsO – die bloße Duldung einer selbständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners durch den Verwalter nicht das Tatbestandsmerkmal des Verwaltens der Insolvenzmasse i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO. So könne vor Normierung der gesetzlichen Erklärungspflicht des Insolvenzverwalters in § 35 Abs. 2 InsO (vgl. dazu Schumacher/FK-lnsO, 5. Aufl. 2009, § 35 Rn. 9a ff.) die bloße Duldung einer selbständigen Tätigkeit des Schuldners nicht als Handlung des Verwalters beurteilt werden (BFH-Urteil vom 21.07.2009 VII R 50/08, BFH/NV 2010, 15; zustimmend Nacke, NWB 2010, 432 ff.).

    Im Streitfall liegt aber keine bloße Duldung der fortgeführten gewerblichen Tätigkeit vor. Mit der Einbeziehung dessen in die Insolvenzmasse, was der Insolvenzschuldner während des Verfahrens erlangt (§ 35 Abs. 1 Halbsatz 2 InsO), fällt der nicht pfändungsgeschützte Neuerwerb (§ 35 Abs. 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 36 Abs. 1 InsO) – wie bereits festgestellt – kraft Gesetzes in die Insolvenzmasse. Dabei gehören bei selbständiger Erwerbstätigkeit die Einnahmen in voller Höhe ohne Abzüge zur Insolvenzmasse (BGH-Beschluss vom 20.03.2003 IX ZB 388/02, DB 2003, 1507). Einen unpfändbaren Anteil in Höhe (notwendiger) beruflich bedingter Ausgaben gibt es bei solchen Einkünften nicht. Zur Bestreitung der Betriebsausgaben und des Lebensbedarfs kann der Schuldner Pfändungsschutzanträge nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. § 850a Ziff. 3, § 850i Zivilprozessordnung (ZPO) beim gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 InsO zuständigen Insolvenzgericht stellen (BGH-Beschluss vom 20.03.2003 IX ZB 388/02, DB 2003, 1507; Braun/-Bäuerle, Insolvenzordnung, 3. Aufl. 2007, § 35 Rn. 81). Nach unbestrittenem Klägervortrag ist im Streitfall entsprechend dieser Gesetzeslage verfahren worden. Der Kläger vereinnahmte die Entgelte aus der vom Schuldner fortgeführten Tätigkeit zunächst in voller Höhe (… EUR) auf seinem für das Insolvenzverfahren geführten Anderkonto. Anschließend bezahlte er gemäß dem Beschluss des Insolvenzgerichts den pfändungsfreien Anteil (… EUR) dieser Einkünfte an den Schuldner aus, so dass ein pfändbarer Massezufluss von rd. … EUR verblieb. In dieser Vorgehensweise ist nicht nur eine bloße Duldung der Tätigkeit des Schuldners, sondern eine eigenständige massebezogene Verwaltungsmaßnahme des Klägers zu sehen. Die Bereinigung der massezugehörigen Einkünfte um den pfändungsfreien Anteil stellt ein Verwalten der Insolvenzmasse dar.

    c) Ebenso ist die Höhe des vom FA ermittelten zvE im Ergebnis nicht zu beanstanden. Dabei kann bezüglich der Gewinnermittlung für 2004 dahingestellt bleiben, ob der Gewinn aus Gewerbebetrieb nach § 5 i.V.m. § 4 Abs. 1 EStG oder nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln ist.

    aa) Die Betriebseinnahmen sind – egal, welche Gewinnermittlungsmethode anwendbar ist – mit dem Betrag i.H.v. … EUR anzusetzen; es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich Periodenverschiebungen in Abhängigkeit von der zugrunde zu legenden Gewinnermittlungsmethode ergeben könnten.

    bb) Zudem kann bezüglich der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters – selbst wenn man diese dem Grunde nach im Streitjahr berücksichtigen will – kein höherer Betrag als der vom FA i.H.v. 3.419,68 EUR angesetzte zum Abzug gebracht werden. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

    Nach der Rechtsprechung des BFH können gemischt betrieblich und privat veranlasste Aufwendungen grundsätzlich in abziehbare Betriebsausgaben und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung nach Maßgabe der verschiedenen Veranlassungsbeiträge aufgeteilt werden, wenn der betriebliche Veranlassungsbeitrag nicht von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 21.09.2009 GrS 1/06, BFH/NV 2010, 285). Im Streitfall ist das auslösende Moment für die Vergütung der Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters in § 11 der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung (InsW) vom 19.08.1998 (BGBl I 1998, 2205), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 21.12.2006 (BGBl. I 2006, 3389), zu sehen. Danach erhält der vorläufige Insolvenzverwalter gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 InsW in der Regel 25 v.H. der Vergütung nach § 2 Abs. 1 InsW bezogen auf das Vermögen, auf das sich seine Tätigkeit während des Eröffnungsverfahrens erstreckt. Demnach richtet sich die Höhe der Vergütung grundsätzlich nach dem Wert des vom Eröffnungsverfahren betroffenen Vermögens. Die Vergütung kann daher nur insoweit betrieblich veranlasst sein, als für ihre Entstehung der Höhe nach der Wert des Betriebsvermögens maßgeblich gewesen ist. Die Aufteilung einer einheitlichen Vergütung in abziehbare Betriebsausgaben und nicht abziehbare Privataufwendungen hat sich daher grundsätzlich an den Wertverhältnissen von Betriebs- zu Privatvermögen auszurichten. Etwas anderes kann dann gelten, wenn besondere Umstände vorliegen, welche die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters erleichtern oder erschweren (z.B. vorläufige Fortführung des insolventen Unternehmens). In diesem Fall ist bei der Festsetzung der Vergütung der für den vorläufigen Insolvenzverwalter maßgebliche Prozentsatz von 25 v.H. zu verringern oder zu erhöhen (BGH-Beschluss vom 18.12.2003 IX ZB 50/03, WM 2004, 585). Im Streitfall wurde aber – wie dem Beschluss des Insolvenzgerichts vom 13.11.2003 zu entnehmen ist – der Regelsatz von 25 % herangezogen. In einem derartigen Fall ist es nicht zu beanstanden, wenn die Aufteilung der Vergütung nach den Wertverhältnissen von Betriebs- zu Privatvermögen erfolgt. Der vorläufige Insolvenzverwalter erhält dann gerade keine nach seinem Arbeitsaufwand, sondern eine nach dem Vermögenswert zu bemessende Vergütung (vgl. auch BGH-Beschluss vom 01.03.2007 IX ZB 278/05, ZlnsO 2007, 370). Da im Streitfall unstreitig ein weitaus höherer Anteil als die Hälfte des vom Eröffnungsverfahren betroffenen Vermögens auf das Privatvermögen entfiel, ist es jedenfalls nicht zu beanstanden, dass das FA „nur” die Hälfte der Vergütung als Betriebsausgabe zum Abzug zugelassen hat.

    d) Entgegen der Auffassung des Klägers ist die festzusetzende ESt auch insgesamt als eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO zu qualifizieren.

    aa) Der Senat kann sich nicht der Argumentation des Klägers anschließen, dass im Ergebnis im Streitjahr kein Massezufluss erfolgt sei und deshalb der auf die Masse entfallende Anteil der ESt 0,00 EUR betrage. Vielmehr hat der Kläger selbst vorgetragen, dass die Erlöse des Schuldners zur Masse vereinnahmt und um die pfändungsfreien Einnahmen bereinigt wurden, so dass ein pfändbarer Massezufluss von rd. … EUR verblieb.

    bb) Eine Aufteilung der einheitlichen ESt-Schuld in eine gegenüber dem Insolvenzverwalter festzusetzenden Masseverbindlichkeit, soweit massezugehörige Einkünfte vorliegen, und in eine gegen das insolvenzfreie Vermögen des Insolvenzschuldners gerichtete Forderung, soweit pfändungsfreie Einnahmen vorliegen, scheidet ebenfalls aus.

    Es ist zwar zutreffend, dass der vom Insolvenzgericht festgesetzte pfändungsfreie Anteil der aus der selbständigen Tätigkeit erzielten Einkünfte nicht zur Insolvenzmasse gehört (§ 36 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. § 850i, § 850a Ziff. 3 ZPO). Gleichwohl liegt insgesamt eine Masseverbindlichkeit vor, wenn sich – wie im Streitfall – der Verwalter gegen eine Freigabe entscheidet und die pfändbaren Einkünfte zur Masse vereinnahmt. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Nach dem Leitbild des EStG soll das Existenzminimum ungeschmälert dem Steuerpflichtigen verbleiben; die Besteuerung soll erst jenseits des Existenzminimums einsetzen. Die Pfändungsschutzbestimmungen nach §§ 850 ff. ZPO haben eine ähnliche Zielrichtung. Sie sollen dem Schuldner die Existenzgrundlage aus einer Erwerbstätigkeit sichern (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl. 2009, § 850 Rn. 2). Es würde daher dem Leitbild der gesetzlichen Bestimmungen widersprechen, wenn der Insolvenzschuldner auf pfändungsfreie Einkünfte eine – wenn auch nur anteilige – ESt zu entrichten hätte. Im Übrigen bleibt zu beachten, dass bei Annahme einer Masseverbindlichkeit die Insolvenzmasse bei typisierender Betrachtung durch die pfändungsfreien Einkünfte überhaupt nicht mit ESt belastet wird. Die Veranlagung hat auch in diesem Fall nach den allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Regelungen zu erfolgen. Dies bedeutet, dass insbesondere der Grundfreibetrag und der Sonderausgabenabzug zur Anwendung kommen. Gerade durch diese Regelungen soll aber typisierend eine einkommensteuerrechtliche Freistellung des Existenzminimums erreicht werden.

    Bei typisierender Betrachtung entsteht daher von vornherein nur insoweit eine als Masseverbindlichkeit zu wertende ESt, als die gewerblichen Einkünfte den pfändungsfreien Betrag übersteigen; eine Aufteilung dieser ESt ist nicht erforderlich.

    VorschriftenInsO § 32 Abs. 3, InsO § 35 Abs. 1, InsO § 35 Abs. 2, InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbs.