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  • 15.06.2011

    Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 09.06.2010 – 8 K 1573/09

    1. Eine Änderung in der Insolvenztabelle eingetragener Steuerforderungen erfordert nicht in jedem Fall die Voraussetzungen einer Restitutionsklage.

    2. Enthält die Tabelle Forderungen, die auf Umsatzsteuervoranmeldungen beruhen, so ergibt sich das Erfordernis einer Korrektur nach Zustimmung des FA zur Umsatzsteuerjahreserklärung aus dem Umstand, dass sich die Voranmeldungen durch die Jahreserklärung, der das FA zugestimmt hat, erledigt haben.

    3. Die Korrektur ist vom FA, wie sinngemäß aus § 251 Abs. 3 AO entnommen werden kann, in Form eines Feststellungsbescheids vorzunehmen.


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In dem Finanzrechtsstreit

    hat der 8. Senat unter Mitwirkung von Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter am Sozialgericht … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … ohne mündliche Verhandlung am 9.6.2010 für Recht erkannt:

    1. Der Beklagte wird verurteilt, unter Aufhebung des Bescheides v. 10.4.2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung v. 11.8.2009 einen Feststellungsbescheid zu erlassen, demzufolge eine Insolvenzforderung in Höhe von 27.263,45 Euro besteht.

    2. Dem Beklagten werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.

    3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    Tatbestand

    Streitig ist, ob der Beklagte verpflichtet ist, mit Rücksicht auf seine Zustimmung zur Umsatzsteuerjahreserklärung 2006 einen Änderungsbescheid zu erlassen, der vom Kläger festgestellte und in die Tabelle eingetragene Umsatzsteuerforderungen des Jahres 2006 mindert.

    Die H. H/T gab bis zum August 2006 Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Am 23.8.2006 wurde über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte machte beim Insolvenzverwalter mit Schreiben v. 30.10.2006 eine Insolvenzforderung in Höhe von 36.416,67 Euro geltend. Die Forderung enthielt die nach den Umsatzsteuervoranmeldungen Mai – August 2006 geschuldeten Umsatzsteuerbeträge. Sie wurde vom Insolvenzverwalter am 26.1.2007 „zur Tabelle anerkannt” und in die Tabelle als festgestellt eingetragen.

    Am 25.5.2007 ging beim Beklagten eine Umsatzsteuererklärung für den Zeitraum v. 1.1.-22.8.2006 ein, die einen Steuerbetrag von 43.576,54 Euro und damit einen geringeren Betrag als die Umsatzsteuervoranmeldungen des Jahres 2006 auswies. Der Beklagte erteilte am 19.7.2007 seine Zustimmung nach § 168 Satz 2 AO. Am 10.4.2008 lehnte der Beklagte eine Änderung des Tabelleneintrags im Sinne einer Verminderung der Steuerforderung nach Maßgabe der Umsatzsteuererklärung für den Zeitraum v. 1.1.-23.8.2006 mit der Begründung ab, der Tabelleneintrag wirke gemäß § 178 Abs. 3 InsO wie ein rechtskräftiges Urteil und sei nur unter den Voraussetzungen einer Restitutionsklage abzuändern. Der Einspruch des Klägers v. 7.5.2008 wurde mit Einspruchsentscheidung v. 11.8.2009 als unbegründet zurückgewiesen.

    Die Klage v. 9.9.2009 zielt auf eine Korrektur der Forderungsanmeldung. Die in die Tabelle eingetragene Forderung entspreche nicht der materiellen Rechtslage. Bei Änderungen der tatsächlichen Grundlagen müsse der Gläubiger seine angemeldeten Forderungen gegebenenfalls reduzieren. Es müsse verhindert werden, dass der Beklagte am Erlös des Insolvenzverfahrens in unberechtigter Weise partizipiere.

    Der Kläger beantragt,

    unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 10.04.2008 in Fassung der Einspruchsentscheidung vom 11.08.2009 werden im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn E. H., Aktenzeichen A) des Amtsgerichts K., Steuerforderungen in Höhe von 27.263,45 Euro, bestehend aus

    LSt-SZ 06/2006 in Höhe von83,00 Euro,
    LSt-SZ 07/2006 in Höhe von42,00 Euro,
    USt 2006 (01.01.2006 bis 22.08.2006) in Höhe von26.275,06 Euro,
    USt-SZ 05/2006 in Höhe von78,00 Euro,
    USt-SZ 06/2006 in Höhe von127,00 Euro,
    USt-SZ 05/2006 in Höhe von251,00 Euro,
    USt-SZ 07/2006 in Höhe von145,50 Euro,
    Sol.LSt-SZ 06/2006 in Höhe von3,00 Euro,
    Sol.LSt-SZ 07/2006 in Höhe von1,50 Euro,
    Investitionszulage 2001 in Höhe von200,94 Euro und
    Solizuschlag LSt 05/2006 in Höhe von56,54 Euro
    zur Insolvenztabelle festgestellt.

    Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte meint, die in der Tabelle festgestellte Insolvenzforderung sei im Streitfall unabänderlich. Eine Korrektur komme nur unter den Voraussetzungen einer Restitutionsklage in Betracht, die nicht vorlägen. Zudem sei auch nicht ersichtlich, dass die Änderungsvorschriften für Steuerbescheide nach §§ 172 AO zugunsten des Klägers angewendet werden könnten.

    Auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Akten des Beklagten wird verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist begründet.

    Die Beteiligten sind darüber einig, dass dem Beklagten materiell eine Insolvenzforderung nicht in der festgestellten Höhe von 36.416,67 Euro, sondern, wenn man die nachträgliche Anmeldung des Beklagten v. 21.12.2006 außer Betracht lässt, lediglich in Höhe von 27.263,45 Euro zusteht. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist im Streitfall eine Korrektur des Tabelleneintrags auf die richtige Höhe möglich. Die Eintragung des Betrages von 36.416,67 Euro in die Insolvenztabelle steht nicht entgegen.

    § 178 Abs. 3 InsO bestimmt zwar, dass die Eintragung einer Forderung in die Insolvenztabelle gegenüber dem Insolvenzverwalter wie ein rechtskräftiges Urteil wirkt. Dementsprechend könnte der Insolvenzverwalter die Änderung eines Tabelleneintrages nur unter den Voraussetzungen einer Restitutionsklage erreichen. Werden allerdings Steuerforderungen in die Insolvenztabelle eingetragen, steht § 178 Abs. 3 InsO nach der überwiegenden Meinung zur Disposition (den Meinungsstand zusammenfassend Schumacher in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2008, § 178 Rnr. 88). Die Abänderbarkeit des Tabelleneintrags wird unter Bezugnahme auf §§ 130, 131 AO oder auf §§ 172 ff. AO weitaus günstiger beurteilt (Schumacher a.a.O.). Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass eine Änderung in der Insolvenztabelle eingetragener Steuerforderungen nicht in jedem Fall die Voraussetzungen einer Restitutionsklage erfordert.

    Im Streitfall folgt dies schon daraus, dass der in der Tabelle festgestellte Betrag in seinem umstrittenen Teil aus Umsatzsteuervoranmeldungen resultiert. Sofern er zur Tabelle anzumeldende Insolvenzforderungen und nicht etwa Masseverbindlichkeiten des Klägers enthält (siehe BFH v. 29.1.2009, V R 64/07, BStBl 2009, 682), ergibt sich das Erfordernis einer Korrektur aus dem Umstand, dass sich die zugrundeliegenden Umsatzsteuervoranmeldungen durch die Umsatzsteuerjahreserklärung, der das Finanzamt zugestimmt hat, erledigt haben (Stadie in Rau/Dürrwächter, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 18 Anm. 175 (Juli 2009) m.w.N.). Die Korrektur ist vom Beklagten, wie sinngemäß aus § 251 Abs. 3 AO entnommen werden kann, in Form eines Feststellungsbescheides vorzunehmen. Die einschlägige Korrekturvorschrift kann dann entweder in § 130 Abs. 1 AO (Neumann in Beermann/Gosch, Abgabenordnung, § 251 Rnr. 226 (November 2007)) oder in §§ 172 ff. AO (Schumacher in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, a.a.O.) gesehen werden. Nach beiden Bestimmungen ist der Beklagte nach Ansicht des Senats ohne Ermessensspielraum gehalten, einen der zutreffenden Umsatzsteuerforderung entsprechenden Feststellungsbescheid zu erlassen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    VorschriftenInsO § 178 Abs. 3, AO § 251 Abs. 3