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  • 15.06.2011

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 31.08.2010 – 7 K 3725/06

    - Der Insolvenzverwalter hat gegenüber dem Finanzamt keinen Anspruch auf Erteilung eines Kontoauszugs für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens um die ordnungsgemäße Bearbeitung des Insolvenzverfahrens sicherzustellen.


    - Der Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters gegenüber dem Finanzamt beschränkt sich auf die Informationen, die dem Steuerschuldner selbst noch nicht bekannt gegeben worden sind und auf deren Mitteilung er ohne Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Rechtsanspruch gehabt hätte.


    Tatbestand

    Im Mai 2005 beantragte das beklagte Finanzamt beim Amtsgericht … wegen Abgabenrückständen des Herrn H in Höhe von …, EUR die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen. Herr H war von 200… bis … im Dezember 2005 als selbständiger … in … tätig. Mit Beschluss des Amtsgerichts … vom ...01.2006 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn H eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestimmt. Im April 2006 meldete das Finanzamt Forderungen gegen Herrn H in Höhe von …, EUR unter Beifügung einer Aufstellung aller offenen Steuerverbindlichkeiten und steuerlichen Nebenleistungen zur Insolvenztabelle an. Nach dieser Anmeldung beantragte der Kläger beim Finanzamt die Erteilung eines Kontoauszuges, um die ordnungsgemäße Bearbeitung des Insolvenzverfahrens sicher zu stellen. Diesen Antrag lehnte das Finanzamt unter Hinweis darauf, dass sich der Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters auf Informationen beschränke, die dem Schuldner selbst noch nicht bekannt gegeben worden seien und auf deren Mitteilung er ohne Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Rechtsanspruch gehabt hätte, ab. Hiergegen erhob der Kläger die vorliegende Sprungklage, der das Finanzamt zugestimmt hat. Zur Begründung trägt der Kläger vor, die Buchhaltung des Schuldners habe sich in einem desolaten Zustand befunden. Ihm – dem Kläger – habe zu den steuerlichen Angelegenheiten des Schuldners lediglich ein einziger Ordner mit vorwiegend Korrespondenz mit dessen ehemaligem Steuerberater vorgelegen. Er – der Kläger – habe als Insolvenzverwalter für den Insolvenzschuldner Steuererklärungen u.a. abzugeben und eventuell fehlerhafte Erklärungen zu berichtigen. Außerdem habe er Bücher zu führen und Bilanzen zu erstellen. Die Überlassung der Kontoauszüge dienten ihm folglich zur Erfüllung seiner Amtspflichten. Ihm lägen weder Steuererklärungen des Schuldners noch Steuerbescheide des Finanzamtes vor. Ihm sei auch nicht bekannt, ob und wenn ja, in welcher Höhe der Schuldner oder Dritte Zahlungen an das beklagte Finanzamt geleistet hätten. Es sei nicht hinzunehmen, dass das Finanzamt zum einen Forderungen zur Insolvenztabelle anmelde, dem Kläger zum anderen aber die Vorlage derjenigen Unterlagen verweigere, die er zur Prüfung der Forderungen zwingend benötige. Das Finanzamt könne die Erteilung des Kontoauszuges auch nicht mit der Begründung ablehnen, dass sich der Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters auf Informationen beschränke, die dem Schuldner selbst noch nicht bekannt gegeben worden seien. Er – der Kläger – benötige den Kontoauszug zur Erfüllung seiner insolvenz- und steuerrechtlichen Pflichten und vor allem zur Prüfung der vom Finanzamt im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn H zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen. Zu seinen Pflichten gehöre auch im Interesse der Gläubigergleichbehandlung die Prüfung von Insolvenzanfechtungen.

    Der Kläger beantragt,

    unter Aufhebung der ablehnenden Verfügung des Finanzamtes vom ...05.2006 das Finanzamt zu verpflichten, einen Kontoauszug bezüglich des Steuerpflichtigen H (zum ...04.2006) zu erteilen.

    Das Finanzamt beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die vom Kläger zur Begründung seines Anspruchs vorgebrachten Argumente und Einwendungen beträfen durchweg das Insolvenzverfahren gegen Herrn H selbst und seien somit im finanzgerichtlichen Verfahren nicht verfolgbar. Einwendungen des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts … über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens seien ausschließlich mit der sofortigen Beschwerde im Zivilrechtsweg vorzubringen.

    Soweit der Kläger vorträgt, die vom Finanzamt angemeldeten Forderungen habe er mangels Vorhandenseins von Kopien der Steuerbescheide und Steueranmeldungen nicht feststellen können, beträfen diese Einwendungen ausschließlich das insolvenzrechtliche Verfahren zur Feststellung von Forderungen zur Insolvenztabelle, für die der Finanzrechtsweg ebenfalls nicht gegeben sei. Der eigentliche Grund, wofür der Kläger den verlangten Kontoauszug benötige, offenbare sich auf Seite … der Klageschrift. Die in diesem Kontoauszug enthaltenen Informationen benötige er, um evtl. bestehende insolvenzrechtliche Anfechtungsansprüche gegen das Finanzamt geltend zu machen.

    Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie den Sonderband bezüglich des Vorganges der Beantragung des entsprechenden Kontoauszuges verwiesen.

    Gründe

    Die Klage ist unbegründet.

    Das Gericht brauchte nicht zu entscheiden, ob vorliegend überhaupt der Finanzrechtsweg nach § 33 Abs. 1 FGO gegeben ist. Zweifel hieran ergeben sich aus den Ausführungen des Bundesfinanzhofes – BFH – in seinem Beschluss vom 26.04.2010 VII B 229/09, BFH/NV 2010, 1637, der dem Einzelrichter erst nach Verkündung des Urteils bekannt geworden ist. Nach diesem Beschluss handelt es sich bei einem vom Insolvenzverwalter geltend gemachten Auskunftsanspruch um einen zivilrechtlichen Anspruch, der sich aus einem durch Anfechtung nach der Insolvenzordnung (InsO) begründeten Rückgewährschuldverhältnis ergibt, für den der Rechtsweg zu den Finanzgerichten nicht eröffnet ist. Da auch der Anspruch auf Erteilung eines Kontoauszuges letztlich ein Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters ist, könnte dieser Beschluss auch auf Streitigkeiten der vorliegenden Art anwendbar sein. Dagegen spricht allerdings, dass der BFH in seinem Beschluss vom 15.10.2008 II B 91/08, ZInsO 2009, 47 sich ausführlich zu den Anforderungen einer Beschwerdebegründung äußert und möglicherweise in dieser Entscheidung den Rechtsweg zu den Finanzgerichten als gegeben ansieht, obwohl es in diesem Verfahren auch um die Erteilung eines Kontoauszuges des Insolvenzschuldners ging.

    Das Gericht kann bzw. muss wegen der bereits erfolgten Verkündung des Urteils die Frage des Finanzrechtsweges dahin stehen lassen.

    Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig (vgl. hierzu Urteil des Finanzgerichts Münster vom 17.09.2009 3 K 1514/08 AO, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2010, 68).

    Das Finanzamt hat den Antrag des Klägers auf Erteilung eines Kontoauszuges zu Recht abgelehnt, da der Kläger hierauf keinen Anspruch hat.

    Rechtsgrundlage für diesen Anspruch ist nicht die Abgabenordnung – AO –, die einen diesbezüglichen Anspruch nicht regelt, sondern das Rechtsstaatsprinzip und die aus Art. 19 Abs. 4 GG resultierenden Prozessgrundrechte. Der Kläger hat aber keinen Anspruch auf Erteilung des Kontoauszuges schlechthin, sondern – vergleichbar dem Fall der Akteneinsicht – nur auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über sein Auskunftsbegehren (vgl. Urteil des Finanzgerichts Münster vom 17.09.2009 a.a.O. sowie Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 14.05.2008 4 K 242/07 AO, EFG 2009, 638).

    Die gerichtliche Überprüfung einer Ermessensentscheidung ist dabei gemäß § 102 FGO darauf beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Nur wenn sich allein eine Entscheidung als ermessensgerecht darstellt, sog. Ermessensreduzierung auf Null, kann das Gericht selbst diese Entscheidung treffen.

    Im Streitfall hat das Finanzamt den Antrag des Klägers auf Übersendung des Kontoauszugs für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ermessensfehlerfrei abgelehnt. Dem Kläger können keine weitergehenden Rechte als den übrigen Gläubigern des Schuldners zustehen. Eine Auskunftsverpflichtung in Form der Übersendung des begehrten Kontoauszuges ist unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben erst anzunehmen, wenn der Anfechtungsgrund oder der sonst geltend gemachte Anspruch dem Grunde nach feststeht und es nur noch um die nähere Bestimmung von Art und Umfang des Anspruchs geht. Diese Pflicht besteht aber nicht schon dann, wenn lediglich ein begründeter Verdacht besteht, der Dritte habe vom Schuldner in anfechtbarer Weise etwas erhalten (vgl. Urteil des FG Düsseldorf vom 14.05.2008 a.a.O. mit weiteren Nachweisen sowie Anmerkungen von Dr. Matthias Loose).

    Es sind vorliegend keinerlei anzuerkennende Gründe ersichtlich, die die Erteilung eines Kontoauszuges rechtfertigen könnten. Wenn der Kläger vorträgt, er habe für den Insolvenzschuldner Steuererklärungen u.a. abzugeben und evtl. fehlerhafte Erklärungen zu berichtigen sowie Bücher zu führen und Bilanzen zu erstellen, benötigt er hierzu keinen Kontoauszug, sondern die entsprechenden Grundaufzeichnungen, ggf. mit Kopien der Einkommensteuererklärungen und der Einkommensteuerbescheide.

    Die Rechtmäßigkeit der zur Insolvenztabelle angemeldeten Steuerforderungen wird in dem Anmeldeverfahren geprüft. Widerspricht – wie im Streitfall – der Insolvenzverwalter der angemeldeten Forderung, so kann der Insolvenzverwalter bereits durch Steuerbescheide festgesetzte Steueransprüche analog § 179 Abs. 2 InsO den Widerspruch im Rechtsbehelfverfahren gegen den Bescheid/die Bescheide selbst verfolgen, so lange diese noch anfechtbar sind. Sind die Ansprüche bereits bestandskräftig festgesetzt, kann die Finanzbehörde durch Feststellungsbescheid gegenüber dem widersprechenden Insolvenzverwalter nach § 251 Abs. 3 AO feststellen, dass die angemeldeten Forderungen bestandskräftig festgesetzt sind, wobei der BFH einen Bescheid nach § 251 Abs. 3 AO indes immer dann für erforderlich hält, wenn der Insolvenzverwalter – wie vorliegend – den angemeldeten Steuerforderungen widerspricht. Daraus folgt, dass die Höhe der vom Finanzamt zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen nach den Vorschriften der Insolvenzordnung geprüft wird, und zwar wird das Finanzamt bei Bestreiten der angemeldeten Forderungen bzw. im Erhebungsverfahren die Höhe seiner Forderungen dezidiert darlegen. Ein Kontoauszug hierfür ist jedenfalls nicht erforderlich.

    Den Kontoauszug braucht der Kläger auch nicht zur Erfüllung seiner Aufgaben und Pflichten als Insolvenzverwalter, abgesehen davon, ob evtl. Anfechtungsrechte des Insolvenzverwalters gegenüber dem Finanzamt bestehen. Im Streitfall bestand noch nicht einmal ein Verdacht, dass das Finanzamt anfechtbare Zahlungen erhalten haben könnte.

    Allein um Anfechtungsmöglichkeiten feststellen zu können, kann jedoch ein Kontoauszug – wie ausgeführt – nicht verlangt werden (vgl. Urteil des FG Düsseldorf vom 14.05.2008 a.a.O.). In dem dagegen gerichteten Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision hat der BFH in seinem Beschluss vom 15.10.2008 a.a.O. nochmals ausdrücklich auf die entsprechenden Vorschriften der Insolvenzordnung hingewiesen und – obwohl er die Beschwerde als unzulässig verworfen hat – letztlich die Rechtsauffassung des FG Düsseldorf bestätigt.

    Von einer weiteren Begründung wird im Übrigen entsprechend § 105 Abs. 5 FGO abgesehen, weil das Gericht der Begründung der ablehnenden Entscheidung des Finanzamtes in seinem Schriftsatz vom 15.01.2007 voll umfänglich folgt. Da vorliegend kein außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren stattgefunden hat, steht letztlich dieser Schriftsatz des Finanzamtes vom 15.01.2007 anstelle der ablehnenden Entscheidung bzw. Einspruchsentscheidung, sodass entsprechend § 105 Abs. 5 FGO hierauf zurückgegriffen werden kann.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    Anmerkung

    Freigabe: Mai 2011

    VorschriftenGG Art. 19 Abs. 4, InsO § 179 Abs. 2, AO § 251 Abs. 3, FGO § 102