03.05.2011
Finanzgericht München: Urteil vom 08.02.2011 – 13 K 2769/10
1. Bei der verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO handelt es sich somit um einen Verwaltungsakt mit allen Konsequenzen hinsichtlich der Form der Bekanntgabe, der Abänderbarkeit und der Einspruchs- und Klagemöglichkeit
2. Die Erteilung einer verbindlichen Auskunft liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde. Die Ermessensentscheidung des FA umfasst die Kompetenz, ob es eine verbindliche Auskunft erteilt (Entschließungsermessen „ob”) und welchen Inhalt das FA seiner verbindlichen Auskunft gibt (Auswahlermessen „wie”).
3. Gegen eine negative verbindliche Auskunft ist die Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) die zutreffende Klageart.
4. Die Ermessensentscheidung einer verbindlichen Auskunft ist nur i. R. d. Prüfungskompetenz gemäß § 102 FGO prüfbar.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In der Streitsache
hat der 13. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung […] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. Februar 2011
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
Streitig ist der Inhalt einer verbindlichen Auskunft.
I.
Der Kläger ist Landwirt. Im Wirtschaftsjahr 2006/2007 entnahm der Kläger aus seinem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen in das Privatvermögen die beiden Grundstücke Flur-Nummer (Fl-Nr.) [… 1 (Größe: 0,4000 ha)] und Fl-Nr. [… 2 (Größe: 0,7000 ha)].
Mit Schreiben vom 8. Juli 2009 beantragte der Kläger die Erteilung einer verbindlichen Auskunft. Die Rechtsfrage, über die er die verbindliche Auskunft begehrte, lautete:
Stellt die Bestellung des Erbbaurechts an den Grundstücken Fl-Nr. […] 1 und […] 2 der Gemarkung [… G-Dorf] eine Veräußerung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) dar, wobei das Kaufangebot vom Kläger erst nach Ablauf der Zehnjahresfrist angenommen wird?
Unterliegt der Veräußerungsgewinn nach Annahme des Kaufangebots nach Ablauf der Zehnjahresfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG beim Kläger als Veräußerer nicht der Einkommensteuer?
Der Kläger schilderte den folgenden geplanten Sachverhalt: Er beabsichtige, eine Teilfläche aus der Fl-Nr. […] 1 in der Größe von [… 50 qm] und eine Teilfläche aus der Fl-Nr. […] 2 in der Größe von [… 1.100 qm] zu Gunsten eines Dritten, einer gewerblichen Grundstücksentwicklungs GmbH, mit einem Erbbaurecht zu belasten. Der jährliche Erbbauzins solle 2,50 EUR/qm betragen. Der Erbbauberechtigte solle berechtigt sein, auf diesen Flächen einen Kreisverkehr zur Erschließung des geplanten Gewerbegebiets zu errichten. Das Erbbaurecht solle mit der Eintragung im Grundbuch beginnen und bis zum 31. Dezember 2017 befristet sein. Der Erbbaurechtsvertrag solle nicht sofort zu Stande kommen, sondern vorerst solle der Kläger dem Dritten gegenüber nur ein notariell beurkundetes Angebot auf Abschluss eines Erbbaurechtsvertrages abgeben. Voraussetzung für die Annahme des Angebotes solle es sein, dass der Kreisverkehrsplatz rechts- und bestandskräftig genehmigt worden sei. Gleichzeitig solle der Dritte ein notariell beurkundetes Kaufangebot gegenüber dem Kläger für die Grundstücke, für die das Erbbaurecht bestellt werde, abgeben. Außerdem solle sich das Kaufangebot auch auf die Restfläche des Grundstückes Fl-Nr. […] 1 erstrecken. Der Kläger solle das Kaufangebot nur annehmen können, wenn vorher der Erbbaurechtsvertrag mit dem Dritten zustande gekommen sei. Das Kaufangebot könne frühestens am 1. Juli 2017 und spätestens bis zum 31. Dezember 2017 angenommen werden. Würde das Kaufangebot nicht bis zum 31. Dezember 2017 angenommen, solle es erlöschen. Das Erbbaurecht würde sich aber um weitere 50 Jahre verlängern, wobei der Erbbauzins ab 1. Januar 2018 entsprechend den Veränderungen des Verbraucherindexes anzupassen sei. Als eigenen Rechtsstandpunkt stellte der Kläger dar, dass die Bestellung des Erbbaurechts noch keine Veräußerung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG sei. Denn das wirtschaftliche Eigentum an dem Grundstück ginge mit der Bestellung des Erbbaurechts noch nicht auf den Erbbauberechtigten über. Das Kaufangebot des Dritten werde von dem Kläger erst nach Ablauf der Zehnjahresfrist in § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG angenommen. Die Zehnjahresfrist beginne mit der Entnahme der Grundstücke aus dem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen, denn diese stelle eine Anschaffung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG dar.
Mit Bescheid vom 24. November 2009 teilte der Beklagte – das Finanzamt (FA) – dem Kläger mit, dass es der geschilderten Rechtsauffassung nicht zustimme. Grundsätzlich würde ein Erbbaurechtsvertrag in Verbindung mit einem befristeten verbindlichen Kaufangebot durch den Erbbauberechtigten noch keine Veräußerung des Grundstücks darstellen. Entscheidend für die Beurteilung, ob ein Spekulationsgeschäft vorliege, sei das Gesamtbild der Verhältnisse im konkreten Einzelfall. Nach dem geschilderten Sachverhalt würde der Tatbestand des Spekulationsgeschäftes i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erfüllt. Im vorgelegten Fall würde die Bestellung des Erbbaurechts im Hinblick auf die straßenbauliche Maßnahme erfolgen. Der Erbbauberechtigte könne auf den Grundstücken einen Kreisverkehr errichten, der der Erschließung eines geplanten Gewerbegebietes durch eine Bundesstraße dienen würde. Außerdem sei der Abschluss des Erbbaurechtsvertrages davon abhängig, dass die Bebauung der Teilflächen mit dem Kreisverkehr rechts- und bestandskräftig genehmigt werde. Dies führe dazu, dass der Kläger zwar zivilrechtlicher Eigentümer des belasteten Grundstücks bliebe, wirtschaftlich gesehen jedoch seine Herrschaftsgewalt durch die Bebauung in vollem Umfang endgültig verliere. Eine Rückübertragung dieser Herrschaftsgewalt sei aufgrund der Bebauung mit einem Kreisverkehr praktisch auf nicht absehbare Zeit ausgeschlossen. Seine Auffassung begründet das FA u.a. durch Hinweis auf das BFH-Urteil vom 18. August 1977 VIII R 7/74 (BFHE 123, 176, BStBl II 1977, 796). Der dagegen gerichtete Einspruch wurde vom FA mit Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2010 als unbegründet zurückgewiesen. Das FA war der Auffassung, dass seine ausführlich begründete Rechtsauffassung zutreffend sei. Da bereits die Bestellung des Erbbaurechts als eine Veräußerung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu beurteilen sei und damit schon die Rechtsfrage nach Buchstabe a) nicht im Sinne des Klägers zu beantworten sei, habe auch die Rechtsfrage nach Buchstabe b) nicht weiter erörtert werden müssen.
Dagegen richtet sich die Klage. Der Kläger begehrt eine positive Auskunft im Sinne seiner Rechtsauffassung, wie er sie in seinem Antrag vom 8. Juli 2009 auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft dargestellt habe. Der Kläger vertritt den Rechtsstandpunkt, dass seine Bestellung des Erbbaurechts zugunsten des Dritten bei gleichzeitiger Abgabe eines Kaufangebots durch den Dritten keine Veräußerung im Sinne des § 23 EStG sei. Denn das wirtschaftliche Eigentum an dem Grundstück gehe mit der Bestellung des Erbbaurechts noch nicht auf den Erbbauberechtigten über. Auch die Beurkundung des Kaufangebots des Erbbauberechtigten führe nicht zu einer Veräußerung. Durch das Kaufangebot sei der Kläger als Grundstückseigentümer in keiner Weise gebunden. Er sei in seiner Entscheidung, ob er das Angebot annehme oder nicht annehme, völlig frei. Bei der Annahme des Angebots käme der Kaufvertrag zu Stande und das Erbbaurecht erlösche, da sich Grundstückseigentum und Erbbaurecht in der Person des Dritten vereinigen würden. Wenn er nicht annehme, bleibe er Grundstückseigentümer und erhalte weiterhin den Erbbauzins. Der Kläger begründet seine Rechtsauffassung unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 26. August 2004 IV R 52/02 (BFH/NV 2005, 674), nach dem die Belastungen eines betrieblichen Grundstücks mit einem Erbbaurecht und die anschließende Bebauung durch den Erbbauberechtigten nicht als Entnahme anzusehen sei. Außerdem verweist der Kläger auf das Urteil des FG München vom 13. September 2006 10 K 2650/03 (EFG 2007, 181). Nach diesem Urteil gehe das wirtschaftliche Eigentum an einem Grundstück nicht über, wenn an einem Grundstück ein Erbbaurecht bestellt werde und der Erbbauberechtigte gleichzeitig ein verbindliches Kaufangebot abgebe. Das vom FA angeführte BFH-Urteil in BFHE 123, 176, BStBl II 1977, 796 könne auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden, denn in diesem Sachverhalt werde ein unwiderrufliches und immerwährendes Recht eingeräumt, ein Grundstück in einer bestimmten Weise zu nutzen und außerdem sei nur eine einmalige Entschädigung für die Grundstücksbenutzung bezahlt worden.
Der Kläger beantragt
unter Aufhebung der verbindlichen Auskunft vom 24. November 2009 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2010 das Finanzamt zu verpflichten, eine verbindliche Auskunft dahingehend zu erteilen, dass
die Bestellung des Erbbaurechts an den Grundstücken Fl-Nr. […] 1 und […] 2 der Gemarkung […] G-Dorf keine Veräußerung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG darstellt, wenn das Kaufangebot vom Kläger erst nach Ablauf der Zehnjahresfrist angenommen wird und
der Veräußerungsgewinn nach Annahme des Kaufangebots nach Ablauf der Zehnjahresfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG beim Kläger als Veräußerer nicht der Einkommensteuer unterliegt,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das Finanzamt beantragt
die Klageabweisung,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das FA verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend weist es darauf hin, dass es seine Rechtsauffassung neben dem BFH-Urteil in BFHE 123, 176, BStBl II 1977, 796 auf diverse andere in der Einspruchsentscheidung zitierte Urteile des BFH stütze.
Bereits mit Schreiben vom 10. März 2009 hatte der Kläger die Erteilung einer verbindlichen Auskunft beantragt und dabei nur insoweit einen anderen Sachverhalt geschildert, als das Erbbaurecht immerwährend bestellt werden solle. Mit Bescheid vom 23. April 2009 hatte das FA der vom Kläger bei diesem ersten Antrag vorgetragenen Rechtsansicht nicht zugestimmt. Den gegen diese Auskunft gerichteten Einspruch nahm der Kläger am 9. Juli 2009 zurück.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift verwiesen.
II.
Die Klage ist unbegründet.
1. Die vom Kläger erhobene Verpflichtungsklage gemäß § 40 Abs. 1, 2. Alt. Finanzgerichtsordnung (FGO) ist zulässig. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) (BFH-Urteile vom 30. April 2009 VI R 54/07, BFHE 225, 50, BFH/NV 2009, 1528; vom
2. September 2010 VI R 3/09, BFHE 230, 500, BFH/NV 2010, 2345; vom 2. September 2009 I R 20/09, BFH/NV 2010, 391) stellen sowohl die Anrufungsauskunft nach § 42e EStG als auch die verbindliche Auskunft gemäß § 89 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) Verwaltungsakte i.S. des § 118 Satz 1 AO (feststellende Verwaltungsakte) dar. Bei der verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO handelt es sich somit um einen Verwaltungsakt mit allen Konsequenzen hinsichtlich der Form der Bekanntgabe, der Abänderbarkeit und der Einspruchs- und Klagemöglichkeit (BFH-Urteil in BFHE 225, 50, BFH/NV 2009, 1528). Dies gilt unabhängig davon, ob die Auskunft der Rechtsauffassung des Antragstellers entspricht („positive Auskunft”) oder nicht („negative Auskunft”) (vgl. Anwendungserlass zur Abgabenordnung – AEAO – zu § 89 Nr. 3.5.5 und Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen – BMF – vom 11. Dezember 2007 IV A 4 – S 0062/07/0003, 2007/0535798, BStBl I 2007, 894). Mit dieser neuen BFH-Rechtsprechung ist die alte gegenteilige BFH-Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1989 X R 208/87, BFHE 159, 114, BStBl II 1990, 274) aufgegeben. Stellt die verbindliche Zusage einen Verwaltungsakt dar, ist auch die Verpflichtungsklage die zutreffende Klageart (ebenso für die Zusicherung: U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 38 Rz. 117; Henneke in Knack/Henneke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 38 Rz. 23; jeweils m.w.N.).
2. Bei der Anrufungsauskunft gemäß § 42e EStG hat der Steuerpflichtige einen Rechtsanspruch darauf, dass sie erteilt wird (Schmidt/Drenseck, EStG, 29. Auflage 2010, § 42e Rz. 5) und nach der BFH-Rechtsprechung auch weiter darauf, dass sie inhaltlich richtig ist (BFH-Urteil in BFHE 225, 50, BFH/NV 2009, 1528 unter II.2.b der Gründe). Dagegen liegt die Erteilung einer verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde. Dies hat der BFH in ständiger Rechtsprechung für die Erteilung verbindlicher Zusagen außerhalb der §§ 204 ff. AO ausgeführt (BFH-Urteil vom 22. Januar 1992 I R 20/91, BFH/NV 1992, 562; BFH-Beschluss vom 9. Januar 2004 VIII B 195/01, BFH/NV 2004, 758, jeweils m.w.N.; Klein/Brockmeyer, AO, 10. Aufl. 2010, § 89 Rz. 11); angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 89 Abs. 2 Satz 1 AO („können”) hat der erkennende Senat keine Zweifel daran, dass dieser Grundsatz auch weiterhin gilt (ebenso Steinhauff, Steuer-Auskunftsverordnung gemäß § 89 Abs. 2 AO, jurisPR-SteuerR 8/2008 Anm. 4 unter Tz. V.2. m.w.N. auf BFH-Urteil vom 5. Oktober 2006 VII R 24/03, BFHE 215, 32, BStBl II 2007, 243).
Das eingeräumte Ermessen der Finanzbehörde bei einer verbindlichen Auskunft ist einer gerichtlichen Überprüfung nach den allgemeinen Grundsätzen zugänglich (Roser in Beermann/Gosch, AO-/FGO-Kommentar, § 89 AO Rz. 75 [Sept. 2009]). D.h. die Ermessensentscheidungen des FA, ob es eine verbindliche Auskunft erteilt (Entschließungsermessen „ob”) und welchen Inhalt das FA seiner verbindlichen Auskunft gibt (Auswahlermessen „wie”), ist nur im Rahmen der Prüfungskompetenz des Finanzgerichts gemäß § 102 FGO prüfbar.
Im Streitfall hat das FA sein Entschließungsermessen („ob”) zutreffend dahingehend ausgeübt, dass es dem Kläger auf seinen Antrag eine verbindliche Auskunft erteilt hat. Die Klage hat im Streitfall deshalb keinen Erfolg, weil der Kläger keinen Rechtsanspruch auf Erteilung des spezifischen Inhalts der von ihm begehrten verbindlichen Auskunft hat. Denn das FA hat auch insoweit sein Ermessen (Auswahlermessen „wie”) zutreffend ausgeübt.
Der erkennende Senat ist nicht der Auffassung, dass eine erteilte verbindliche Auskunft der Finanzbehörde der vollen inhaltlichen Kontrolle auf deren Richtigkeit unterliegt. Diese Auffassung des erkennenden Senats widerspricht nicht den im BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 391 formulierten Rechtsgrundsätzen. Denn in diesem BFH-Urteil erfolgte eine umfassende Inhaltskontrolle der (aufgehobenen) verbindlichen Auskunft nur deshalb, weil nach dem Normprogramm der Korrekturvorschriften (§§ 130, 131, 207 AO) entscheidend war, ob die früher erteilte Auskunft rechtmäßig oder rechtswidrig war. Im Streitfall diktieren jedoch nicht die Änderungsvorschriften den Umfang der gerichtlichen Kontrolldichte. Der Maßstab der gerichtlichen Überprüfung der Auskunft ergibt sich im Streitfall aus der Vorschrift des § 89 Abs. 2 AO, die die Voraussetzungen regelt, nach denen eine verbindliche Auskunft erteilt werden kann. Der erkennende Senat ist weiter – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH (zu § 42e EStG: BFH-Urteil in BFHE 225, 50, BFH/NV 2009, 1528 unter II.2.b der Gründe) nicht der (teilweise in der Literatur vertretenen) Auffassung (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler – HHSp – AO-/FGO-Kommentar, § 89 AO Rz. 309 [Nov. 2008] m.w.N.; Leopold in Leopold/Madle/Rader, AO, § 89 Rz. 12 [Okt. 2009]), dass dem Kläger für seinen Rechtsbehelf keine Beschwer oder Klagebefugnis mehr zusteht, wenn die Finanzbehörde vom Rechtsstandpunkt des Klägers abweicht und ihm eine – negative – Auskunft erteilt. Die Auffassung, dass keine Inhaltskontrolle möglich sei (Schmitz in Schwarz, AO-Kommentar, § 89 Rz. 77 [Auf. 2010]), lehnt der erkennende Senat ebenso ab. Denn wenn die Finanzbehörde vom Steuerpflichtigen eine Gegenleistung (Gebühr; im Streitfall 556 EUR für die angefochtene Auskunft) für ihre Tätigkeit fordert, muss es ihm auch möglich sein, die Qualität der erhaltenen Auskunft überprüfen zu lassen (Seer in Tipke/Kruse, AO-/FGO-Kommentar, § 89 Rz. 59 [April 2008]).
Der erkennende Senat hält die Auffassung für zutreffend, dass der Rechtsschutz gegen verbindliche Auskünfte auch der Sicherung der materiellrechtlichen Richtigkeit der Auskunft dient (ebenso Roser in Beermann/Gosch, AO-/FGO-Kommentar, § 89 AO Rz. 75 [Sept. 2009]). Diese Rechtsauffassung wird auch bei den Zusicherungen im Allgemeinen Verwaltungsrecht vertreten (U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 38 Rz. 113 m.w.N.). Die Finanzbehörde ist nach Auffassung des Senats im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens (§ 5 AO) verpflichtet, eine sach- und fachgerechte Entscheidung zu treffen und dabei sorgfältig die Rechtsargumente abzuwägen. Ermessensfehlerhaft handelt die Finanzbehörde nur dann, wenn sie (1.) den vorgetragenen, künftigen Sachverhalt falsch interpretiert oder (2.) ohne Begründung oder mit erkennbaren Mängeln dem Rechtsstandpunkt des Klägers nicht folgt oder zu folgen bereit ist oder (3.) wenn sich die Finanzbehörde sehenden Auges gegen eine höchstrichterliche Rechtsprechung wendet. Die Eckpunkte für das Handeln im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens verpflichten eine Finanzbehörde nicht, in Zweifelsfragen für den Steuerpflichtigen zu entscheiden. Würde aber ohne ausreichende Begründung von einer herrschenden Auffassung oder der BFH-Rechtsprechung abgewichen, liegt nach Auffassung des erkennenden Senats ein Ermessensfehler vor (ebenso Roser in Beermann/Gosch, AO-/FGO-Kommentar, § 89 AO Rz. 76 [Sept. 2009]).
Ob ein Ermessensfehler bereits eine Verpflichtung der Finanzbehörde zur zutreffenden rechtlichen Beurteilung (§ 101 Satz 1 FGO) auslöst (so Roser in Beermann/Gosch, AO-/FGO-Kommentar, § 89 AO Rz. 76 [Sept. 2009]) oder nur eine Aufhebung der rechtswidrigen Auskunft mit einer Verpflichtung zur anschließenden Neuverbescheidung (§ 101 Satz 2 FGO) muss nach Auffassung des erkennenden Senats im Streitfall nicht entschieden werden.
Denn im Streitfall hat sich das FA in einer komplizierten, zwischen den Beteiligten strittigen Rechtsfrage – nach Auffassung des erkennenden Senats – in nicht zu beanstandender Weise (vertretbar) gegen den Rechtsstandpunkt des Klägers entschieden. Das FA hat den geschilderten Sachverhalt zutreffend interpretiert und für seinen Rechtsstandpunkt eine Entscheidung des BFH als Präjudiz genannt und diese Entscheidung in vertretbarer Weise auf den geschilderten Sachverhalt angewendet. Das FA hat in seiner verbindlichen Auskunft den Unterschied zwischen zivilrechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum i.S. des § 39 AO hervorgehoben und zutreffend darauf verwiesen, dass ein privates Veräußerungsgeschäft i.S. des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG bereits dann vorliegt, wenn das wirtschaftliche Eigentum auf den Erwerber übergeht und das zivilrechtliche Eigentum beim bisherigen Eigentümer verbleibt. Nach dem vom FA zitierten BFH-Urteil in BFHE 123, 176, BStBl II 1977, 796 ist die Frage, ob eine Zahlung nach der gewählten Vertragsform als Gegenleistung für eine Nutzungsüberlassung oder als Entschädigung für die endgültige Aufgabe eines Vermögenswertes in seiner Substanz geleistet wird, im Einzelfall nach dem wirtschaftlichen Gehalt der zu Grunde liegenden Vereinbarung zu beurteilen. In der verbindlichen Auskunft hat das FA auch die Umstände des Einzelfalles in seine Gesamtbetrachtung miteinbezogen. Das FA ist in seiner Betrachtung zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Erbbauberechtigten bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Erbbaurechtsvertrages eine gesicherte Rechtsposition zuteil werden soll, die der eines wirtschaftlichen Eigentümers entspricht und, dass der Kläger sein wirtschaftliches Eigentum an dem belasteten Grundstück verlieren wird. Das FA zieht diese Schlussfolgerung aus der Verknüpfung der geplanten Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der Grundstücksverwertungs GmbH als dem Erbbauberechtigten und der Bebauung der fraglichen Grundstücksflächen mit einem Kreisverkehr. Der erkennende Senat hält diese Beurteilung für vertretbar. Mit der Genehmigung der Straße und des Kreisverkehrs und der anschließenden Bebauung des Grundstücks wird nämlich das Grundstück derart verändert, dass dem Kläger keinerlei eigene – andere – Nutzungsmöglichkeit mehr verbleibt. Das Straßen- und Wegerecht unterscheidet nämlich zwischen dem Eigentum an der Straße und dem Eigentum an dem Grundstück (vgl. nur Art. 11 und 13 Bayerisches Straßen- und Wegegesetz – BayStrWG –). Sind der Eigentümer des Grundstücks und der Eigentümer der Straße wie bei dem im Streitfall vom Kläger geschilderten Sachverhalt verschiedene Personen, führt dies dazu, dass der Grundstückseigentümer dann u.a. den Gemeingebrauch der Straße, d.h. den Verkehr, zu dulden hat. Die Einschätzung des FA, dass die Rückübertragung der Herrschaftsgewalt hinsichtlich dieser beiden Grundstücke praktisch auf nicht absehbare Zeit als ausgeschlossen angesehen werden muss, erscheint dem erkennenden Senat deshalb akzeptabel.
Zwar trifft die Behauptung des Klägers zu, dass er in seiner Entscheidung keinen vertraglichen Bindungen ausgesetzt und insoweit frei ist, ob er das Kaufangebot des Erbbauberechtigten annehmen oder ablehnen will und dass er im Falle der Ablehnung die mit dem Erbbaurecht belasteten Teilflächen auch an einen anderen Dritten veräußern kann. Das FA hat in seiner verbindlichen Auskunft auch diesen Vortrag des Klägers geprüft und ist in seiner verbindlichen Auskunft nach wirtschaftlichen Überlegungen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger in seiner Entscheidung zwischen diesen Alternativen nicht völlig frei ist. Der Senat hält diese Auffassung des FA für vertretbar, denn jede Entscheidung des Klägers zwischen diesen Alternativen wird dadurch bestimmt, dass er das Grundstück nach der Bebauung mit dem Kreisverkehr nur unter der Prämisse weiter nutzen kann, dass er weiter den Gemeingebrauch der Straße duldet. Sofern er sich für eine Ablehnung des Kaufangebots des erbbauberechtigten Dritten, das eine Grundstücksfläche von [… 5.100 qm (4.000 + 1.100)] betrifft, entscheidet, bleibt dem Kläger zuerst nur die Verlängerung des Erbbaurechts auf weitere 50 Jahre für eine Teilfläche von [… 1.100 qm] und möglicherweise weitere Verlängerungen bis zur immerwährenden Dauer. Bei dem vom Kläger in seinem Antrag zur verbindlichen Auskunft mitgeteilten zu erwartenden Gewinn aus der Veräußerung der Grundstücksflächen von ca. 180.000 EUR ergibt sich eine jährliche Rendite von weniger als 1,5% aus dem Erbbaurechtsvertrag, wenn man den bis ins Jahr 2017 festgeschriebenen jährlichen Erbbauzins von 2,50 EUR/qm zugrunde legt [… (1.100 qm * 2,50 EUR/qm = 2.750,00 EUR)]. Der Senat meint, dass es bei dieser geringen Rendite für den Kläger sehr schwierig werden kann, einen fremden Dritten als Käufer für die Grundstücksflächen zu gewinnen. Deshalb erscheint dem Senat, die vom FA in der verbindlichen Auskunft geäußerte Auffassung, dass das Grundstück als Investition für fremde Dritte nicht interessant erscheint, vertretbar. Da das FA in seiner Einspruchsentscheidung auch ausgeführt hat, dass die Erbbauzinsen an den Kläger jährlich bezahlt werden und das mögliche Interesse von Investoren an den Grundstücksflächen des Klägers geprüft hat, ist der Senat der Auffassung, dass das FA auch insoweit den vom Kläger betonten Unterschied zum Sachverhalt in dem BFH-Urteil in BFHE 123, 176, BStBl II 1977, 796 beachtet hat, in dem eine Entschädigung nur einmalig bezahlt wurde.
Da der vom FA zu beurteilende Sachverhalt auch mit dem öffentlichen Sachenrecht zu beurteilen ist, erscheint dem erkennenden Senat die Begründung des FA für seine verbindliche Auskunft mit dem BFH-Urteil in BFHE 123, 176, BStBl II 1977, 796 ermessensgerecht, denn in dem vom FA zitierten Urteil werden auch die Fragen der Auswirkung des öffentlichen Sachenrechts auf das Eigentum am Grundstück behandelt. Diesem Zusammenhang hat der Kläger in seinem Antrag auf verbindliche Auskunft keine Bedeutung beigemessen. Das vom Kläger für seine Rechtsauffassung herangezogene Urteil des FG München in EFG 2007, 181 jedenfalls hatte die Besonderheiten des öffentlichen Sachenrechts nicht zu berücksichtigen. Das FA hat sich in seiner verbindlichen Auskunft auch mit diesem vom Kläger zur Begründung seiner Rechtsposition herangezogenen Urteil des FG München detailliert auseinander gesetzt. In dieser Auseinandersetzung wird nach Auffassung des Senats auch deutlich erkennbar, dass das FA beachtet hat, dass im geschilderten Sachverhalt das zeitlich bindende Kaufangebot vom Erbbauberechtigten und nicht vom Kläger als dem bisherigen Eigentümer abgegeben wird.
Erweist sich demgemäß der Inhalt der verbindlichen Auskunft mit der vom FA vertretenen Rechtsauffassung als ermessensgerecht, verbleibt dem Kläger immer noch die Möglichkeit, für seine Rechtsauffassung im Veranlagungszeitraum der Besteuerung des Sachverhalts gegebenenfalls mit Rechtsbehelfen gegen den Einkommensteuerbescheid zu streiten, falls er den Sachverhalt so verwirklichen will, wie er ihn in seinem Antrag geschildert hat.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).